Warum ich gerade so viel Sport treibe
Unter meine Twitterposts mischen sich Stück für Stück auch selbst- und nicht appverfasste Laufpostings, z.B. „17km in 1:35 – nicht schlecht“. Einige Menschen, die mich schon länger kennen, finden das extrovertiert und können diesen Sinneswandel nur schwer verstehen. Dahinter steckt eine Geschichte, die mit einer Glenoidfraktur an der rechten Schulter im letzten Sommer ihren Anfang nahm.
Ich schreibe hier darüber, weil ich anderen Menschen mit so einer doch relativ seltenen Verletzung etwas Mut machen, aber auch realistisch zeigen möchte, dass bei Schulterverletzungen sehr viel Selbstdisziplin und Geduld nötig ist, die sich dann aber auszahlt.
Das Glenoid ist ist Schulterpfanne, die wie hier auf dem Bild zu sehen in meinem Fall am Rand gebrochen ist.
Dadurch wird das Schultergelenk instabil und renkt sehr leicht aus – das sind übrigens nette Schmerzen, die ich direkt nach dem Unfall dreimal erleben durfte, weil ich unwissend durch Bewegung prüfen wollte, ob alles in Ordnung ist. Bei ausgerenktem Gelenk sieht der Arm auch recht komisch aus.
Phase 1: Akutbehandlung
Der Bruch wurde in meinem Fall operativ versorgt und die Schulterpfanne durch zwei Schrauben wieder fixiert – immerhin eine ganze Woche Krankenhaus inkl. dem ganzen Aufriss mit Vollnarkose und langer Narbe – eine minimalinvasive Therapie kam aufgrund von Knochentrümmern nicht infrage. Bei Schulterverletzungen ist es extrem wichtig, sich von einem erfahrenen Schulterspezialisten behandeln zu lassen. Ich hatte einen Operateur, dem die Sache von vornherein zu heiß war und einen erfahrenen Kollegen mit hinzugezogen hat – sowas ist wahre ärztliche Stärke, finde ich.
Acht Wochen nach der Operation musste ich eine Abduktionsschiene tragen. Dabei wird der Arm etwa in einem Winkel von 15° vom Körper weg fixiert.Hängen lassen war auch erlaubt und gerade zu Hause manchmal angenehmer als die Schiene. Man muss sich keine Sorgen machen, dass man den Arm zu viel bewegt – das regulieren schon die Schmerzen von selbst.
Das ist beim Schlafen extrem hinderlich (ich kam mit der extra Schlaffixierung nicht zurecht) und braucht wirklich, wirklich eine begleitende Schmerztherapie, die in meinem Fall mit 1500–2000mg Metamizol absolut harmlos ausfiel und von mir entgegen ärztlichem Rat innerhalb von drei Wochen ausgeschlichen wurde.
Ich durfte den Arm in dieser Zeit natürlich nicht belasten und – für den weiteren Verlauf recht hinderlich – nicht in die Außenrotation bringen (d.h. bei angewinkeltem Arm nicht nach außen vom Körper wegdrehen). Zusätzlich war nämlich eine Sehne durch die Ausrenkungen verletzt worden und musst genäht werden – Leute, haltet bei Schulterverletzungen unmittelbar danach also euren Arm still. Während dieser Zeit habe ich zusätzlich manuelle Physiotherapie bekommen, d.h. mein Arm wurde von einem Therapeuten durchbewegt, um einer Versteifung vorzubeugen.
Ich habe in dieser Zeit in Absprache mit meinem Arzt meinen Kurs unterrichtet, Telefonkonferenzen gemacht und auch am Rechner geschrieben. Das ist für mich zwingend notwendig gewesen, da zu Hause kaum irgendeine normale Tätigkeit möglich war und auch der Genesung nicht zuträglich gewesen wäre (man kann sich sonst problemlos mit sowas über Monate krankschreiben lassen). Die Fortbewegung erfolgte nur zu Fuß. Ohne rechten Arm kann man verdammt wenig machen (kein Fahrrad‑, lange Zeit kein Autofahren – gerade letzteres ist wirklich riskant, da keine abrupten Bewegungen möglich sind).
Nach drei Wochen war mein Armumfang am Oberarm so gering, dass ich problemlos mit Daumen und Zeigefinger herumkam.
Phase 2: Ambulante Reha
Nach acht Wochen galt die Narbe als stabil und die Sehne als leidlich belastbar. Dann ging es für mich in eine Reha. Die läuft drei Wochen mit einem strammen Stundenplan – Krafttraining, Elektro- und Wärmetherapie, Physiotherapie, Nordic Walking, Ergotherapie, Vorträge, Untersuchungen, Wassergymnastik usw.. (Tipp: Die Beihilfe zickt bei sowas ein wenig, die private PKV muss theoretisch ihren Anteil gar nicht zahlen – hat sie bei mir aus Kulanz aber fast vollständig gemacht). Nach den Berichten meiner „reha-erfahrenen“ Mitpatienten, würde ich immer zu einer ambulanten Reha bei Schulterverletzungen raten. Spoiler: Das Krafttraining ist bis heute geblieben.
Die Reha bildet einen guten Grundstock, wenn man als Patient mitzieht, aber nach den drei Wochen war noch gar nichts gut, aber einiges schon viel besser.
Die drei Wochen waren vor allem aus anderen Gründen prägend: Man ist mit Menschen aus allen Teilen der Bevölkerung zusammen, mit denjenigen, die sich durch einen harten Job ihre Knochen ruiniert haben, aber auch mit denjenigen, die sich komplett aufgeben, mit den Kämpfern, gegen deren Probleme meine blöde Schulter sich als lächerlich ausnahm (wenn man z.B. gerade das Laufen neu lernt), mit der Oma, die trotz neuer Hüfte nicht auf das Fegen ihres Hofes verzichtet usw.
Großes Respekt gebührt dem Personal, den Physio- und Ergotherapeuten, Sportlehrern, Ärzten, Servicekräften, die im Halbstundentakt die verschiedensten Krankheitsbilder unter die Finger bekommen und immer wieder Geschichten hören, Mut machen müssen, aber auch fordern, skeptisch schauen, nie zufrieden zu sein scheinen.
Gelenkprobleme, die Wahrscheinlichkeit von Schlaganfällen, Herzinfarkten usw. schienen in dieser Reha mit Körpergewicht zu korrelieren. Ich habe mir bei manch einem dort gedacht, in meine potentielle Zukunft zu sehen, was z.B. Gelenkverschleiß angeht. Das ist bis heute recht prägend.
Phase 3: Nachbehandlung
Im Anschluss an die Reha gab es nochmal ca. 20 Termine im Gerätebereich, in dem ich weiter meine Schulterübungen gemacht habe, kombiniert mit etwa einem weiteren halben Jahr manueller Therapie. Parallel dazu habe ich mich im Fitnessstudio angemeldet und das anfangs dreimal die Woche durchgezogen, meist am Wochenende oder eben abends nach der Arbeit. Bis heute mache ich 3–4x die Woche Sport.
Gerade bei Schulterverletzungen sind lange Durststrecken zwischendurch, in den 6–8 Wochen trotz Training vermeintlich gar nichts passiert, wohl recht normal, aber eine sehr harte Probe für das eigene Durchhaltvermögen. Da muss vor allem der Kopf mitspielen.
Heute
Die Schulter ist schon wieder ganz ok. Stunts wie mit den Armen nach hinten an der Sprossenwand hängen klappen noch nicht (Luxusproblem) und nach einer Stunde Laufen tut der Arm etwas weh. Ich wiege ca. 7kg weniger als noch im letzten November, der Körperfettanteil sinkt, ich kann endlich mit meiner Männertruppe recht problemlos 10km um unsere „Talsperre“ hotten und bin gerade in Bremen meinen ersten Halbmarathon gelaufen.
Eine Gewichtsreduktion durch Kraftraining und Laufen allein kann man sich von der Backe kleben. Mit zusätzlicher Ernährungsumstellung ginge das, aber wir wollen es mit den Veränderungen ja nicht übertreiben.
Im „Winterbetrieb“ (bin ein Schönwetterläufer) habe ich 30 Minuten Laufband (mindestens 6–6,5km) mit anschließendem Krafttraining auf dem Zettel stehen – so oft es die Zeit in der Woche erlaubt, eigentlich aber mindestens 2–3x.