Beobachtungen aus Digitalien

Ein­lei­tung

Mich machen aktu­el­le Ent­wick­lun­gen rund um das The­ma Digi­ta­li­sie­rung von Schu­len nach­denk­lich. Es sind The­men, die mich in mei­ner Arbeit unmit­tel­bar betref­fen und auch viel Zeit in der Kom­mu­ni­ka­ti­on kosten.

 

Das Fach Informatik

Ich habe mich schon mehr­fach an die­sem The­ma abge­ar­bei­tet. Ich bin rela­tiv ver­wun­dert, wie das Fach Infor­ma­tik von vie­len immer wie­der geframed wird. Die mil­des­te Vari­an­te ist die Gleich­set­zung von Infor­ma­tik und Pro­gram­mie­ren („Es muss ja nicht jeder Pro­gram­mie­rer wer­den!“). Die kurio­ses­te ist die Unter­stel­lung, das Fach Infor­ma­tik wür­de lob­by­is­tisch in Schu­le posi­tio­niert, um ver­wend­ba­re Arbeits­kräf­te für den Digi­tal­stand­ort Deutsch­land zu gewinnen.

Fun­fact dabei: Es gibt For­de­run­gen der deut­schen Gesell­schaft für Infor­ma­tik aus den 80er Jah­ren, die sich ziem­lich genau mit den Kom­pe­tenz­be­schrei­bun­gen des KMK-Stra­te­gie­pa­piers „Bil­dung in der digi­ta­len Welt“ decken, das wie­der­um Vor­la­ge für zahl­rei­che län­der­spe­zi­fi­sche Kom­pe­tenz­vor­ga­ben für den Bereich Medi­en­bil­dung ist. Die Eltern der heu­ti­gen Medi­en­kom­pe­tenz­pa­pie­re sind – über­spitzt for­mu­liert – die Infor­ma­ti­ker. Infor­ma­tik und ethi­sche Fra­gen sind eng mit­ein­an­der gekop­pelt – daher gibt es im Dag­stuhl-Drei­eck auch die Dimen­si­on „Wie wirkt das?“. Ich habe mit Stif­tun­gen zu tun, die infor­ma­ti­sche Bil­dung för­dern wol­len und an Lob­by­is­mus­vor­wür­fen zerschellen.

Bezeich­nen­der­wei­se kommt viel Kri­tik von Stif­tun­gen gro­ßer Kon­zer­ne an der Umset­zung momen­ta­nen Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung an Schu­len („Huch? Wie kann das sein, wo doch die Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung schnell mit wirt­schaft­li­cher Ver­wend­bar­keit gleich­ge­setzt wird?“). Bezeich­nen­der­wei­se for­dern eini­ge mir bekann­te Stif­tun­gen, dass der Staat z.B. Stel­len-Kon­tin­gen­te von Bera­tungs­an­ge­bo­ten für Schu­len aus­baut und sei­ner Ver­ant­wor­tung auch z.B. beim schu­li­sche Sup­port und bei der Lehr­kräf­te­qua­li­fi­zie­rung nach­kommt. Man fragt, wie und auf wel­chen Ebe­nen man hel­fen kann.

Natür­lich besteht in der Wirt­schaft ein star­kes Inter­es­se an infor­ma­tisch vor­ge­bil­de­ten Men­schen, weil man ansons­ten auf ande­ren Arbeits­märk­ten fischen oder Dienst­leis­tung an Clou­dan­bie­ter aus­la­gern muss. Dabei geht es auch um die Unab­hän­gig­keit des Wirt­schafts­stand­orts Deutsch­land. Aber das ist nur die hal­be Miete.

Da erlau­ben z.B. poli­ti­sche Gre­mi­en inner­halb Euro­pas die Fusi­on von Face­book und Whats­App, weil kon­zern­sei­tig „glaub­haft“ ver­si­chert wird, dass eine Inte­gra­ti­on der Daten tech­nisch nahe­zu unmög­lich ist. Mit Grund­kennt­nis­sen über Daten­struk­tu­ren wäre die­se Fehl­griff nicht pas­siert. Da wer­den Online­wahl­ver­fah­ren als tech­nisch sicher dekla­riert, wobei es neben der tech­nisch siche­ren Abwick­lung noch um ganz ande­re Fra­gen geht – wie Erfah­run­gen aus den Nie­der­lan­den zei­gen. Da nützt auch die Block­chain nichts. Es sind Infor­ma­ti­ker, die hier war­nen und die Vor­zü­ge der Papier­wahl herausstellen.

Es wird für Infor­ma­tik etwas wei­chen müs­sen. Es ist scha­de, dass ande­re Stif­tun­gen mit ande­ren The­men­ge­bie­te nicht über die Mög­lich­keit ver­fü­gen, im sel­ben Maß Pro­jek­te auf­zu­le­gen. Es könn­te dar­an lie­gen, dass das The­ma drängt und ande­re The­men­ge­bie­te im Bil­dungs­sys­tem bereits län­ger eta­bliert sind. Bil­dungs­bür­ger­lich sind Kunst- oder Musik­pro­jek­te natür­lich viel char­man­ter, aber ich mag nicht dar­über nach­den­ken, was durch Blä­ser- und Strei­cher­klas­sen die Musik­in­stru­men­ten­her­stel­ler an Umsatz­stei­ge­run­gen erzielen.

Für mich sind infor­ma­ti­sche Grund­kennt­nis­se und Mün­dig­keit im digi­ta­len Zeit­al­ter sehr eng mit­ein­an­der ver­bun­den. Medi­en­päd­ago­gi­sche The­men haben eine min­des­tens eben­so gro­ße Bedeu­tung, wer­den aber ein wün­schens­wer­tes fach­li­ches Niveau ver­feh­len, wenn sie nicht durch infor­ma­ti­sche Kennt­nis­se unter­füt­tert sind. Ohne die Arbeit unab­hän­gi­ger Infor­ma­ti­ker: Was wüss­ten wir als Gesell­schaft heu­te wohl über Daten­skan­da­le und Daten­miss­brauch? Wer Infor­ma­tik als schu­li­sches The­ma bekämpft, wird m.E. vor allen einen immensen Ver­lust an eman­zi­pa­to­ri­scher Fähig­keit in der nach­fol­gen­den Gene­ra­ti­on mit zu ver­ant­wor­ten haben. Ich freue mich, wenn ich unrecht behal­ten sollte.

 

Lob­by­is­mus

Staat­li­che Pro­jek­te zum Bereich Schu­le und Digi­ta­li­sie­rung ste­hen zuneh­mend unter Beob­ach­tung von Lob­by­grup­pen, z.B. Leh­rer­ver­bän­den – meist aus dem eher lin­ken Spek­trum. Über das Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz ist es nach recht­li­cher Prü­fung mög­lich, tie­fe­re Ein­bli­cke in die Gene­se eines Pro­jek­tes zu erhal­ten, vor allem im Bereich der Mit­tel­ver­ga­be oder dem Aus­schrei­bungs­mo­da­li­tä­ten. Das ist ein wich­ti­ger Bei­trag zu demo­kra­ti­scher Trans­pa­renz. Bei den momen­tan lau­fen­den Ver­fah­ren erge­ben sich immer recht­lich nicht voll­stän­dig abge­si­cher­te Aspek­te. Das hat in mei­ner Wahr­neh­mung vor allem mit feh­len­den Pla­nungs­ka­pa­zi­tä­ten und Auf­ga­ben­häu­fung zu tun – Über­las­te Men­schen wol­len schnel­le Lösun­gen – das ken­nen wir auch aus ande­ren Kon­tex­ten. Die Feh­ler, die dabei zwangs­läu­fig ent­ste­hen, möch­ten Lob­by­ver­bän­de ger­ne auf­de­cken und für trans­pa­ren­te Pro­zes­se sen­si­bi­li­sie­ren, damit die Ein­flüs­se kom­mer­zi­el­ler Play­er auf das Schul­sys­tem begrenzt bzw. ein­ge­dämmt werden.

Lei­der geht das kom­plett schief und mün­det letzt­lich in einer Stär­kung genau die­ser Ein­fluss­nah­me Drit­ter. Auf­ge­schreckt durch Anfra­gen die­ser Art, zie­hen sich staat­li­che Orga­ni­sa­tio­nen aus Koope­ra­tio­nen mit Drit­ten ent­we­der zurück oder prü­fen das wei­te­re Vor­ge­hen. Der Bera­tungs­be­darf an Schu­len und bei Trä­gern – gera­de im Kon­text des Digi­tal­pak­tes – ist immens, eben­so der Fort­bil­dungs­be­darf der Lehr­kräf­te. Da durch den Digi­tal­pakt auch Bera­tungs­leis­tun­gen Exter­ner för­der­fä­hig sind (so lan­ge sie kei­ne ste­ti­gen Begleit­maß­nah­men dar­stel­len), wer­den Trä­ger auf genau die­se Ange­bo­te zurück­grei­fen. Da der Bedarf an Fort­bil­dun­gen an Schu­len sehr groß sind, wer­den sich die­se am frei­en Markt bedie­nen und die Dis­funk­tio­na­li­tät staat­li­cher Orga­ni­sa­ti­on bekla­gen. Das sind kei­ne Hirn­ge­spins­te – das geschieht nach mei­ner Wahr­neh­mung bereits. Zusätz­lich wird die Arbeit in die­sen Orga­ni­sa­tio­nen für kom­pe­ten­te Men­schen zuneh­mend unat­trak­tiv. Da nüt­zen irgend­wann auch Auf­sto­ckun­gen von Stel­len und Stun­den­de­pu­ta­ten nichts mehr. Sie müs­sen mit anse­hen, wie ande­re los­ge­löst von Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten und Vor­ga­ben Din­ge umset­zen, wäh­rend von ihnen selbst ver­langt wird, sich maxi­mal trans­pa­rent und neu­tral zu ver­hal­ten und dabei bit­te­schön ganz­heit­lich und sys­te­misch zu den­ken. Staat­li­che Orga­ni­sa­tio­nen sind sowie­so meist nicht kon­kur­renz­fä­hig bei der Gewin­nung drin­gend benö­tig­ter Fachkräfte.

Gehäuf­te Anfra­gen im Zuge des Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­set­zes begüns­ti­gen und beschleu­ni­gen damit para­do­xer­wei­se eine Ent­wick­lung, die durch sie im Kern eigent­lich ver­hin­dert wer­den soll. Sie sind natür­lich objek­tiv wich­tig und demo­kra­tisch von Bedeutung.

Die Initia­to­ren soll­ten sich dar­über im Kla­ren sein, wel­che Sei­ten­ef­fek­te durch sie mit aus­ge­löst wer­den. Ich bin mir nicht sicher, wie auf­ge­schlos­sen Poli­tik in Län­dern mit bis­her feh­len­den Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­set­zen sein wird, ein sol­ches vor­an­zu­trei­ben, wenn Anfra­gen gewis­se Detail­gra­de dau­er­haft über­schrei­ten und dadurch immense Per­so­nal­ka­pa­zi­tä­ten bin­den. „Das Schrei­ben von ein bis zwei Sät­zen dau­ert doch nicht so lan­ge!“ Nein – natür­lich nicht, aber dadurch dass man immer einen „offi­zi­el­len Sta­tus“ einer Aus­kunft wünscht, hat man als Bei­fang immer eine Men­ge juris­ti­scher und ver­wal­tungs­tech­ni­scher Pro­zes­se mit dabei.

Gute Leu­te haben wei­ter­hin heu­te im Digi­tal­be­reich die Wahl: Sie kön­nen sich altru­is­tisch und trans­pa­rent in staat­li­chen Orga­ni­sa­ti­on enga­gie­ren und sich in stän­di­gem Recht­fer­ti­gungs­zwang sehen oder sie kön­nen das in kom­mer­zi­el­len Kon­tex­ten tun, in denen Geld­flüs­se nicht trans­pa­rent gemacht wer­den müs­sen und weit­aus mehr Frei­hei­ten in der Arbeit bestehen – um den Preis, Nach­hal­tig­keit wirt­schaft­lich nicht abbil­den zu kön­nen. Das darf dann der Staat aufsammeln.

 

Kri­tik an digi­ta­len Gras­wur­zel­pro­jek­ten in Schule 

Neu­lin­ge, die sich in ihrem Unter­richt an digi­ta­le The­men her­an­wa­gen UND dar­über auch noch öffent­lich berich­ten (bei­des gro­ße Schrit­te!), sehen sich oft Nach­fra­gen aus­ge­setzt. Ich bin auch so einer, der durch einen schnell raus­ge­haue­nen Tweet acht­los jeman­den ver­sen­ken kann. Twit­ter ist kom­pli­ziert, inho­mo­gen und manch­mal lau­nig. Auch dar­an habe ich mich schon abge­ar­bei­tet.

Auch ich sehe gro­ße Gefah­ren, dass es bei der Stu­fe „Tech­nik ahmt das Alte nach bzw. ver­stärkt es auch noch“ schlicht ste­hen bleibt, weil uns als Staat noch schlicht die Res­sour­cen feh­len, wei­ter zu beglei­ten und mir als Lehr­kraft viel­leicht oft der Wil­le fehlt, nicht „abzu­ha­ken“, son­dern pro­zess­haft mit Ziel­per­spek­ti­ve dran­zu­blei­ben. Tech­nik- und App­schu­lun­gen sind nur dann der ers­te Schritt, wenn im Nach­klang wei­ter reflek­tiert und beglei­tet wird.

Wie­der­ho­lung: Sie ver­lei­ten nach mei­ner Erfah­rung ohne wei­te­re (und kom­mer­zi­ell kaum sinn­voll abbild­ba­re) Beglei­tung dazu, dass das The­ma „Digi­ta­li­sie­rung“ schnell abge­hakt wird – man setzt ja nun Gerä­te ein und ist des­we­gen eben digi­tal. Ich rede hier nicht von Leucht­tür­mern – und auch deren Lam­pe ist gele­gent­lich bei genaue­rem Blick ziem­li­che trü­be – die meis­ten „guten“ Schu­len leuch­ten nicht nach außen, die machen ein­fach und kon­zen­trie­ren sich auf sich.

Tech­nik- und App­schu­lun­gen sind aber momen­tan genau das, was eine brei­te­re Mas­se leis­ten kann und was mas­siv nach­ge­fragt wird (und womit man auch gut Knat­ter machen kann). Mein Visi­ons­zeug ern­tet hef­ti­ges Nicken, so wie in den meis­ten Kon­tex­ten auch die Aus­sa­ge „Flug­rei­sen sind Mist“ hef­ti­ges Nicken ern­ten wür­de. Danach den sal­bungs­vol­len Wor­ten aus Rieckens Vor­trag steigt man viel­leicht dann in den Flie­ger nach Bali oder schreibt sogar (in Ein­zel­fäl­len!) wei­ter brav sys­tem­ge­fäl­li­ges Sub­sti­tu­ti­ons­tech­nik­ge­döns in das schul­ei­ge­ne Medi­en­bil­dungs­kon­zept. Das meint nie­mand per­sön­lich. Ist halt so.

Bei Kri­tik gibt es für mich daher immer meh­re­re Fragen:

  1. Ist sie logisch und sach­lich begründet?
  2. Wird sie auch  auf der Sach­ebe­ne wahrgenommen?
  3. Ist sie geeig­net, Refle­xi­ons­pro­zes­se auszulösen?

Für Kri­tik ist Kri­te­ri­um 1 not­wen­dig. Hin­rei­chend wird sie für mich aber erst durch die Kri­te­ri­en 2 und 3. Wenn man allein auf dem not­wen­di­gen Kri­te­ri­um beharrt, geht es bei der Kri­tik eben dar­um, Kri­tik zu üben und nicht dar­um, durch Kri­tik etwas zu ver­än­dern. Hart, aber so ist das in mei­nen Augen heu­te. Und wenn ich ehr­lich bin, habe ich auch gele­gent­lich Ten­den­zen etwas zu benör­geln des Benör­gelns wil­len. War­um ich das tue? – „Guck, mal, was ich kann!“ (Anlei­he aus den Känguruh-Apokryphen).

Was alle drei Ansät­zen m.E. fehlt

… das ist ver­netz­tes Den­ken, also unge­fähr die Grund­la­ge der 4K. Wir stel­len oft unse­re Inter­es­sen und unse­re The­men in den Mit­tel­punkt ohne das sys­te­mi­sche Moment zu sehen. Davon neh­me ich mich nicht aus, obwohl mir ja auch ger­ne unter­stellt wird, mich immer als neu­tral zu insze­nie­ren, es aber im Grun­de nicht zu sein. Naja. Die­ser Arti­kel ist ja ten­den­zi­ell nicht neutral.

Warum ich gerade so viel Sport treibe

Unter mei­ne Twit­ter­posts mischen sich Stück für Stück auch selbst- und nicht app­ver­fass­te Lauf­pos­tings, z.B. „17km in 1:35 – nicht schlecht“. Eini­ge Men­schen, die mich schon län­ger ken­nen, fin­den das extro­ver­tiert und kön­nen die­sen Sin­nes­wan­del nur schwer ver­ste­hen. Dahin­ter steckt eine Geschich­te, die mit einer Gle­noid­frak­tur an der rech­ten Schul­ter im letz­ten Som­mer ihren Anfang nahm.

Ich schrei­be hier dar­über, weil ich ande­ren Men­schen mit so einer doch rela­tiv sel­te­nen Ver­let­zung etwas Mut machen, aber auch rea­lis­tisch zei­gen möch­te, dass bei Schul­ter­ver­let­zun­gen sehr viel Selbst­dis­zi­plin und Geduld nötig ist, die sich dann aber auszahlt.

Das Gle­no­id ist ist Schul­ter­pfan­ne, die wie hier auf dem Bild zu sehen in mei­nem Fall am Rand gebro­chen ist.

Von Drahreg01 – Eige­nes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=26245059

Dadurch wird das Schul­ter­ge­lenk insta­bil und renkt sehr leicht aus – das sind übri­gens net­te Schmer­zen, die ich direkt nach dem Unfall drei­mal erle­ben durf­te, weil ich unwis­send durch Bewe­gung prü­fen woll­te, ob alles in Ord­nung ist. Bei aus­ge­renk­tem Gelenk sieht der Arm auch recht komisch aus.

Pha­se 1: Akutbehandlung

Der Bruch wur­de in mei­nem Fall ope­ra­tiv ver­sorgt und die Schul­ter­pfan­ne durch zwei Schrau­ben wie­der fixiert – immer­hin eine gan­ze Woche Kran­ken­haus inkl. dem gan­zen Auf­riss mit Voll­nar­ko­se und lan­ger Nar­be – eine mini­mal­in­va­si­ve The­ra­pie kam auf­grund von Kno­chen­trüm­mern nicht infra­ge. Bei Schul­ter­ver­let­zun­gen ist es extrem wich­tig, sich von einem erfah­re­nen Schul­ter­spe­zia­lis­ten behan­deln zu las­sen. Ich hat­te einen Ope­ra­teur, dem die Sache von vorn­her­ein zu heiß war und einen erfah­re­nen Kol­le­gen mit hin­zu­ge­zo­gen hat – sowas ist wah­re ärzt­li­che Stär­ke, fin­de ich.

Acht Wochen nach der Ope­ra­ti­on muss­te ich eine Abduk­ti­ons­schie­ne tra­gen. Dabei wird der Arm etwa in einem Win­kel von 15° vom Kör­per weg fixiert.Hängen las­sen war auch erlaubt und gera­de zu Hau­se manch­mal ange­neh­mer als die Schie­ne. Man muss sich kei­ne Sor­gen machen, dass man den Arm zu viel bewegt – das regu­lie­ren schon die Schmer­zen von selbst.

Das ist beim Schla­fen extrem hin­der­lich (ich kam mit der extra Schlaf­fi­xie­rung nicht zurecht) und braucht wirk­lich, wirk­lich eine beglei­ten­de Schmerz­the­ra­pie, die in mei­nem Fall mit 1500–2000mg Met­ami­zol abso­lut harm­los aus­fiel und von mir ent­ge­gen ärzt­li­chem Rat inner­halb von drei Wochen aus­ge­schli­chen wurde.

Ich durf­te den Arm in die­ser Zeit natür­lich nicht belas­ten und – für den wei­te­ren Ver­lauf recht hin­der­lich – nicht in die Außen­ro­ta­ti­on brin­gen (d.h. bei ange­win­kel­tem Arm nicht nach außen vom Kör­per weg­dre­hen). Zusätz­lich war näm­lich eine Seh­ne durch die Aus­ren­kun­gen ver­letzt wor­den und musst genäht wer­den – Leu­te, hal­tet bei Schul­ter­ver­let­zun­gen unmit­tel­bar danach also euren Arm still. Wäh­rend die­ser Zeit habe ich zusätz­lich manu­el­le Phy­sio­the­ra­pie bekom­men, d.h. mein Arm wur­de von einem The­ra­peu­ten durch­be­wegt, um einer Ver­stei­fung vorzubeugen.

Ich habe in die­ser Zeit in Abspra­che mit mei­nem Arzt mei­nen Kurs unter­rich­tet, Tele­fon­kon­fe­ren­zen gemacht und auch am Rech­ner geschrie­ben. Das ist für mich zwin­gend not­wen­dig gewe­sen, da zu Hau­se kaum irgend­ei­ne nor­ma­le Tätig­keit mög­lich war und auch der Gene­sung nicht zuträg­lich gewe­sen wäre (man kann sich sonst pro­blem­los mit sowas über Mona­te krank­schrei­ben las­sen). Die Fort­be­we­gung erfolg­te nur zu Fuß. Ohne rech­ten Arm kann man ver­dammt wenig machen (kein Fahrrad‑, lan­ge Zeit kein Auto­fah­ren – gera­de letz­te­res ist wirk­lich ris­kant, da kei­ne abrup­ten Bewe­gun­gen mög­lich sind).

Nach drei Wochen war mein Arm­um­fang am Ober­arm so gering, dass ich pro­blem­los mit Dau­men und Zei­ge­fin­ger herumkam.

Pha­se 2: Ambu­lan­te Reha

Nach acht Wochen galt die Nar­be als sta­bil und die Seh­ne als leid­lich belast­bar. Dann ging es für mich in eine Reha. Die läuft drei Wochen mit einem stram­men Stun­den­plan – Kraft­trai­ning, Elek­tro- und Wär­me­the­ra­pie, Phy­sio­the­ra­pie, Nor­dic Wal­king, Ergo­the­ra­pie, Vor­trä­ge, Unter­su­chun­gen, Was­ser­gym­nas­tik usw..  (Tipp: Die Bei­hil­fe zickt bei sowas ein wenig, die pri­va­te PKV muss theo­re­tisch ihren Anteil gar nicht zah­len – hat sie bei mir aus Kulanz aber fast voll­stän­dig gemacht). Nach den Berich­ten mei­ner „reha-erfah­re­nen“ Mit­pa­ti­en­ten, wür­de ich immer zu einer ambu­lan­ten Reha bei Schul­ter­ver­let­zun­gen raten. Spoi­ler: Das Kraft­trai­ning ist bis heu­te geblieben.

Die Reha bil­det einen guten Grund­stock, wenn man als Pati­ent mit­zieht, aber nach den drei Wochen war noch gar nichts gut, aber eini­ges schon viel besser.

Die drei Wochen waren vor allem aus ande­ren Grün­den prä­gend: Man ist mit Men­schen aus allen Tei­len der Bevöl­ke­rung zusam­men, mit den­je­ni­gen, die sich durch einen har­ten Job ihre Kno­chen rui­niert haben, aber auch mit den­je­ni­gen, die sich kom­plett auf­ge­ben, mit den Kämp­fern, gegen deren Pro­ble­me mei­ne blö­de Schul­ter sich als lächer­lich aus­nahm (wenn man z.B. gera­de das Lau­fen neu lernt), mit der Oma, die trotz neu­er Hüf­te nicht auf das Fegen ihres Hofes ver­zich­tet usw.

Gro­ßes Respekt gebührt dem Per­so­nal, den Phy­sio- und Ergo­the­ra­peu­ten, Sport­leh­rern, Ärz­ten, Ser­vice­kräf­ten, die im Halb­stun­den­takt die ver­schie­dens­ten Krank­heits­bil­der unter die Fin­ger bekom­men und immer wie­der Geschich­ten hören, Mut machen müs­sen, aber auch for­dern, skep­tisch schau­en, nie zufrie­den zu sein scheinen.

Gelenk­pro­ble­me, die Wahr­schein­lich­keit von Schlag­an­fäl­len, Herz­in­fark­ten usw. schie­nen in die­ser Reha mit Kör­per­ge­wicht zu kor­re­lie­ren. Ich habe mir bei manch einem dort gedacht, in mei­ne poten­ti­el­le Zukunft zu sehen, was z.B. Gelenk­ver­schleiß angeht. Das ist bis heu­te recht prägend.

Pha­se 3: Nachbehandlung

Im Anschluss an die Reha gab es noch­mal ca. 20 Ter­mi­ne im Gerä­te­be­reich, in dem ich wei­ter mei­ne Schul­ter­übun­gen gemacht habe, kom­bi­niert mit etwa einem wei­te­ren hal­ben Jahr manu­el­ler The­ra­pie. Par­al­lel dazu habe ich mich im Fit­ness­stu­dio ange­mel­det und das anfangs drei­mal die Woche durch­ge­zo­gen, meist am Wochen­en­de oder eben abends nach der Arbeit. Bis heu­te mache ich 3–4x die Woche Sport.

Gera­de bei Schul­ter­ver­let­zun­gen sind lan­ge Durst­stre­cken zwi­schen­durch, in den 6–8 Wochen trotz Trai­ning ver­meint­lich gar nichts pas­siert, wohl recht nor­mal, aber eine sehr har­te Pro­be für das eige­ne Durch­halt­ver­mö­gen. Da muss vor allem der Kopf mitspielen.

Heu­te

Die Schul­ter ist schon wie­der ganz ok. Stunts wie mit den Armen nach hin­ten an der Spros­sen­wand hän­gen klap­pen noch nicht (Luxus­pro­blem) und nach einer Stun­de Lau­fen tut der Arm etwas weh. Ich wie­ge ca. 7kg weni­ger als noch im letz­ten Novem­ber, der Kör­per­fett­an­teil sinkt, ich kann end­lich mit mei­ner Män­ner­trup­pe recht pro­blem­los 10km um unse­re „Tal­sper­re“ hot­ten und bin gera­de in Bre­men mei­nen ers­ten Halb­ma­ra­thon gelau­fen.

Eine Gewichts­re­duk­ti­on durch Kraft­rai­ning und Lau­fen allein kann man sich von der Backe kle­ben. Mit  zusätz­li­cher Ernäh­rungs­um­stel­lung gin­ge das, aber wir wol­len es mit den Ver­än­de­run­gen ja nicht übertreiben.

Im „Win­ter­be­trieb“ (bin ein Schön­wet­ter­läu­fer) habe ich 30 Minu­ten Lauf­band (min­des­tens 6–6,5km) mit anschlie­ßen­dem Kraft­trai­ning auf dem Zet­tel ste­hen – so oft es die Zeit in der Woche erlaubt, eigent­lich aber min­des­tens 2–3x.

Warum das mit der Digitalisierung in Deutschland (auch) so schwer sein könnte …

Die Bedürf­nis­py­ra­mi­de nach Maslow ist in Bil­dungs­t­wit­te­rer­krei­sen wohl­be­kannt. Sie bil­det die Grund­be­dürf­nis­se des Men­schen in hier­ar­chi­scher Form ab:

Ein­fach aus­ge­drückt muss jede Hier­ar­chie­stu­fe von unten her erfüllt sein, damit höhe­re Bedürf­nis­stu­fen über­haupt ent­ste­hen kön­nen. Eini­ge Beispiele:

  • Wer nichts zu essen hat, dem ist Sicher­heit zunächst ein­mal nicht so wich­tig. Er möch­te zunächst sei­nen Hun­ger stillen.
  • Wer sozi­al nicht ein­ge­bun­den ist (das kann auch indi­rek­te Ein­ge­bun­den­heit sein, z.B. durch Aner­ken­nung), dem fällt es nach die­ses Theo­rie schwie­rig, sich sei­ner indi­vi­du­el­len Wün­sche bewusst zu werden.

Weni­ger bekannt ist, dass die­se hier­ar­chi­sche Dar­stel­lung gar nicht auf Maslow selbst zurück­geht, son­dern als Inter­pre­ta­ti­on Wer­ner Cor­rel zuge­schrie­ben wird. Dar­auf hat mit Chris­ti­an Schlön­dorf ( @schloendorf ) auf Twit­ter auf­merk­sam gemacht,

Die Pyra­mi­den­dar­stel­lung ver­lei­tet vor allem zu einer all­zu sta­ti­schen Sicht auf Maslows dyna­mi­sches Modell. Das hat denn auch zu vie­len Miss­ver­ständ­nis­sen und unbe­grün­de­ter Kri­tik geführt. Ekla­tan­tes Bei­spiel solch einer Fehl­in­ter­pre­ta­ti­on ist etwa die Annah­me, die Bedürf­nis­ka­te­go­rien sei­en streng dis­kret ange­ord­net, und eine Bedürf­nis­ka­te­go­rie müs­se erst zu 100 % befrie­digt wer­den, bevor die nächs­te Kate­go­rie von Bedürf­nis­sen moti­vie­rend wir­ken kön­ne. Häu­fig reicht jedoch schon ein Befrie­di­gungs­grad von 70 % oder weni­ger aus, um das nächst­hö­he­re Bedürf­nis in den Vor­der­grund tre­ten zu las­sen. Der emp­fun­de­ne Sät­ti­gungs­grad vari­iert zudem stark mit den indi­vi­du­el­len Erwar­tun­gen. https://de.wikipedia.org/wiki/Maslowsche_Bed%C3%BCrfnishierarchie

 

 

Von Phil­ipp Gutt­mann – Eige­nes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=52304647

Die ein­fa­che Aus­sa­ge: Mit der Ent­wick­lung der eige­nen Per­sön­lich­keit ändern sich Bedürf­nis­se. Wäh­rend als Kind viel­leicht noch eher „unte­re“ Stu­fen der Bedürf­nis­py­ra­mi­de im Vor­der­grund ste­hen, geht es mit fort­schrei­ten­dem Alter eher um Indi­vi­du­el­les und Selbstverwirklichung.

Man ist finan­zi­ell viel­leicht weit­ge­hend abge­si­chert, hat sich sta­bi­le sozia­le Bezie­hun­gen erar­bei­tet und kann ein eige­nes Leben füh­ren. In die­ser Zeit kommt es aber auch ver­mehrt zu Umbrü­chen im Leben: Män­ner und Frau­en ori­en­tie­ren sich bezeich­nen­der­wei­se dann ger­ne neu, wenn die Kin­der „aus dem Gröbs­ten her­aus sind“, das Sicher­heits­be­dürf­nis in die­sem Punkt also z.B.  in den Hin­ter­grund rückt. Oder man fängt an, sich teu­re Hob­bys zuzu­le­gen, macht wie­der mehr Sport oder kauft sich ein neu­es Auto.

Maslow und Digitalisierung

Eine ande­re Mög­lich­keit, das Bedürf­nis nach Selbst­ver­wirk­li­chung zu befrie­di­gen, ist gera­de für vie­le von uns Män­nern aber auch die öffent­li­che Insze­nie­rung der eige­nen Per­son, meist bei The­men, die gera­de ange­sagt sind, etwa das The­ma Digi­ta­li­sie­rung. Ein befreun­de­ter Kol­le­ge sagt dazu immer wieder:

Ich bin Kolum­bus, alles unent­deck­tes Land!

Mit schei­nen da ins­be­son­de­re wir Män­ner anfäl­lig zu sein, da wir im Bereich Tech­nik ja immer alles zu kön­nen schei­nen. Die wenigs­ten von uns wol­len dar­über hin­aus hin­ter den ein­mal erar­bei­ten Sta­tus zurück. Da kom­men dann so Din­ge her­aus wie die tol­le, kreis­wei­te Druck­lö­sung (die zu kei­nem der eta­blier­ten Sys­te­me passt), die kom­plet­te Umstel­lung von Schu­len auf Tablets/IWBs oder die völ­lig über­kan­di­del­te VDI-Lösung (am bes­ten auf Open­So­ur­ce-Basis), die nur mit hoch­spe­zia­li­sier­tem Per­so­nal über­haupt lauf­fä­hig zu hal­ten ist.

Das muss übri­gens alles nicht schlecht sein, oft genug nur bleibt es gera­de im Bereich der Poli­tik oder der Schul­ver­wal­tung bei einem tol­len Impuls mit Imple­men­ta­ti­ons­stra­te­gie. Und nach eini­gen Mona­ten kom­men nach der Anfangs­eu­pho­rie dann die wirk­li­chen Her­aus­for­de­run­gen, weil es dann doch an den immer glei­chen Stel­len hakt. Die „Imple­men­ta­to­ren“ sind dann wahl­wei­se über alle Ber­ge oder haben sich ande­ren The­men zuge­wandt. Das Bedürf­nis nach Selbst­ver­wirk­li­chung wird dann an ande­re Stel­le mit ähn­li­chen Stra­te­gien befriedigt.

Ich bin Kolum­bus, alles unent­deck­tes Land.

Auch ich mache immer wie­der die­sen Feh­ler. Ich fan­ge Din­ge eupho­risch an, begeis­te­re Men­schen und habe dann, wenn es wirk­li­che Pro­ble­me gibt, nicht mehr die Res­sour­cen, die es dann viel mehr als zu Anfang braucht. Oft genug kom­men dann ande­re Selbst­ver­wirk­li­cher wie ich hin­ter­her und das Spiel beginnt von vorne.

Des­we­gen impo­nie­ren mir immer Men­schen, die im Bereich der Digi­ta­li­sie­rung von Schu­le ein­fach ihr Ding an der Basis machen, sich dazu kaum insze­nie­ren, ihre Ergeb­nis­se „alt­mo­disch“ über Blogs und Wikis tei­len und sich die Selbst­be­stä­ti­gung dann schlicht aus dem nähe­ren Umfeld sau­gen. Da stellt die Per­sön­lich­keit sozia­le Bedürf­nis­se über das Indi­vi­du­el­le oder die Selbstverwirklichung.

Sollte man Lehrkräfte in Bezug auf die Digitalisierung „beschützen“?

In den letz­ten Wochen ist es mir im Rah­men mei­ner Bera­tungs­tä­tig­keit mehr­fach pas­siert, dass man mir ent­geg­ne­te, in Bezug auf die Digi­ta­li­sie­rung dür­fe man spe­zi­ell Lehr­kräf­ten nicht zu viel zumu­ten. Das zer­stö­re jed­we­de Arbeits­mo­ti­va­ti­on. Außer­dem käme alles bestimmt nicht so schlimm, wie ich es dar­stel­len wür­de. Kon­kret hat­te ich mich u.a. zu fol­gen­den Äuße­run­gen hin­rei­ßen lassen:

  • phy­si­sche Daten­trä­ger wie z.B. DVDs haben in Zei­ten von Strea­ming­diens­ten kei­ne lan­ge Zukunft mehr (eine sol­che Ent­wick­lung „bedroht“ z.B. momen­tan cur­ri­cu­lar gefor­der­te Inhal­te, wie z.B. Film­ana­ly­se oder Hörverstehensübungen)
  • wer Men­schen zur wis­sen­schafts­pro­pä­deu­ti­schen Arbeit anlei­ten will, muss grund­le­gen­de Aspek­te einer Text­ver­ar­bei­tung und ggf. Tabel­len­kal­ku­la­ti­on beherr­schen und ver­mit­teln kön­nen (z.B. auto­ma­ti­sche Ver­zeich­nis­se, Fuß­no­ten, For­mat­vor­la­gen etc.)
  • Arbeit mit und über Medi­en erfor­dert immer auch ein Nach­den­ken über Schul- und Unter­richts­ent­wick­lung und hängt gera­de nicht allein an Ausstattungsfragen.
  • […]

Aus­sa­gen die­ser Art erzeu­gen in so man­cher See­le Stür­me der Ent­rüs­tung, so dass ich mir sehr genau über­le­ge, wie und zu wel­chem Zeit­punkt ich sol­che Punk­te set­ze – denn das so Gesag­te macht unglaub­li­che Angst.

Du nimmst mir mei­ne Angst vor der Digi­ta­li­sie­rung nicht, son­dern du ver­stärkst sie auch noch, Maik!

… sag­te unlängst eine Kol­le­gin zu mir. Das stimmt natür­lich. Das sehe ich ja auch ein. Mir selbst macht aber auch etwas Angst, was gleich­zei­tig aber auch der Grund für die Lage ist, in der sich die Kol­le­gin wähnt:

Schu­le bewegt sich natür­lich, aber sie ist schlicht zu lang­sam. Das Wachs­tum des Del­tas zwi­schen bei­den Kur­ven ver­läuft expo­nen­ti­ell. Es gibt ers­te Bera­ter­kol­le­gen, die in den Panik­mo­dus verfallen:

Wie müs­sen schnell vie­le Men­schen fit für ein Ler­nen im Zeit­al­ter der Digi­ta­li­sie­rung machen. Wir haben kei­ne Zeit, um Din­ge zu dis­ku­tie­ren. Ver­fah­ren müs­sen her und ein­ge­übt werden!

Schaut euch ein­mal die Vide­os des ers­ten Andro­iden mit Staats­bür­ger­rech­ten (in Sau­di-Ara­bi­en) an:

Akti­vie­ren Sie Java­Script um das Video zu sehen.
https://www.youtube.com/watch?v=vtX-qVUfCKI

(eng­lisch, die Situa­ti­on wur­de Sophia nicht ein­pro­gram­miert, die reagiert aus­schließ­lich auf Basis ihrer „Sin­nes­ein­drü­cke“ mit Hil­fe einer KI).

Oder die Vor­trä­ge von Prof. Dr. Chris­toph Igel, den ich auf der Didac­ta im Rah­men einer Tagung des nie­der­säch­si­schen Städ­te- und Gemein­de­ta­ges zum The­ma Bil­dung hören durfte:

Akti­vie­ren Sie Java­Script um das Video zu sehen.
https://www.youtube.com/watch?v=OK_LxqvIDgc

Ich per­sön­lich glau­be immer mehr, dass ein „Beschüt­zen“ und ein „Mit­neh­men“ von Lehr­kräf­ten ihnen letzt­lich immens scha­den und Ent­wick­lun­gen beschleu­ni­gen wird, die wir als (noch ver­hält­nis­mä­ßig) star­ke Demo­kra­tie nicht wol­len wer­den. Der ers­te, immens wich­ti­ge Schritt dabei wird sein, Digi­ta­li­sie­rung end­lich als gesell­schaft­li­ches Phä­no­men zu begrei­fen und zu ver­in­ner­li­chen. Jed­we­des Gerät ist allen­falls sowas wie ein Gate­way, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

PS: In der prak­ti­schen Bera­tungs­tä­tig­keit neh­me ich Men­schen mit oder ver­su­che es zumindest.

 

 

 

Twitter: shutdown ‑h now

In den letz­ten bei­den Tagen wur­de ich auf der Didac­ta von eini­gen Men­schen auf mei­nen zur­zeit deak­ti­vier­ten Twit­ter­ac­count ange­spro­chen (eine Deak­ti­vie­rung lässt sich 30 Tage lang fol­gen­los zurück­neh­men). Aus­lö­ser, aber nicht allei­ni­ger Grund sind die jüngs­ten Dis­kus­sio­nen, deren Gra­vi­ta­ti­ons­wel­len man noch bei Bob Blu­me (auch in den Kom­men­ta­ren) nach­le­sen kann. Da mein Netz­werk auf Twit­ter ganz natür­lich pri­mär von Bezie­hun­gen getra­gen wird, ist es nur fair, wenn ich – aller­dings in epi­scher Brei­te – auf die Grün­de eingehe.

Wie sehe ich Twitter?

Phil­ip­pe Wampf­ler beschreibt in sei­ner Replik auf die Vor­komm­nis­se die Leh­ren­den­com­mu­ni­ty auf Twit­ter folgendermaßen:

Wäre das #twit­ter­leh­rer­zim­mer ein Team, es befän­de sich in Tuck­mans Modell in der Stor­ming-Pha­se: Die Pio­nie­re haben sich in einer ers­ten Pha­se auf Twit­ter ein­ge­fun­den, sind aber nicht mehr unter sich. Sie haben ein Publi­kum gefun­den und auch Teams gebil­det, zwi­schen denen sich Grä­ben befin­den. Insze­nie­run­gen und Erwar­tun­gen haben zu Rol­len­vor­ga­ben geführt.

Bei mich ist die­se Beschrei­bung bei Wei­tem nicht aus­rei­chend und sim­pli­fi­ziert Tuck­mans Ansatz dar­über hinaus.

Dazu zwei Thesen:

  1. Die Grup­pie­run­gen auf Twit­ter sind weder per­so­nell noch tem­po­ral homo­gen. Es gibt Unter­grup­pen und mit jeweils unter­schied­li­chem Ent­wick­lungs­stand in die­sem Phasenmodell.
  2. Es gibt ein Del­ta ( = Dif­fe­renz) bezüg­lich der auf Twit­ter (oder über­haupt auf Social­me­dia) aus­drück­ba­ren emo­tio­na­len Befind­lich­kei­ten gegen­über „ana­lo­ger“ face2face-Kommunikation.

Ein­fach gesagt: Auf Twit­ter (und in allen grö­ße­ren Social­me­dia­com­mu­ni­ties) fin­den sämt­li­che Pha­sen des Tuck­man­mo­dells immer wie­der par­al­lel statt.

  • es sind Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen dabei, die neu­gie­rig mit digi­ta­len Medi­en ihre ers­te Schrit­te machen
  • es sind Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen dabei, die Tech­no­lo­gie und auch Platt­for­men in ihrem Unter­richt ein­set­zen und von ihren Erfah­run­gen berichten.
  • es sind Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen dabei, die bereits über ihre ers­ten Erfah­run­gen reflek­tie­ren und Denk- und Hand­lungs­wei­sen modifizieren
  • es sind Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen auf ver­schie­de­nen Ebe­nen unter­wegs (Schu­le, Lan­des­ebe­ne, Poli­tik, Theo­rie- und/oder Pra­xis­be­zug usw.).
  • […]

Das“ Twit­ter­leh­rer­zim­mer“ exis­tiert für mich nicht. Durch die Par­al­le­li­tät de ver­schie­de­nen Grup­pen­ent­wick­lungs­pha­sen ent­steht ggf. erst der Ein­druck eines um sich selbst krei­sen­den, zir­ku­lä­ren Systems.

Noch­mal: Eine Homo­ge­ni­tät im Sin­ne eines Teams lt. Tuck­man ver­mag ich nicht zu erken­nen und genau das ist für mich in mei­ner Arbeit als medi­en­päd­ago­gi­scher Bera­ter unglaub­lich berei­chernd und wert­voll, weil ich auf unter­schied­li­chen Ebe­nen Input erhal­te. Es ist aber auch wert­voll und berei­chernd, weil über Twit­ter auch „ana­lo­ge“ Bezie­hun­gen zu Men­schen ent­stan­den sind und entstehen.

 

Was ist die Herausforderung?

Ich erwi­sche mich immer wie­der dabei, dass ich mei­ne hohen Maß­stä­be – die z.B. in die Ent­wick­lung des Ori­en­tie­rungs­rah­mens Medi­en­bil­dung hier in Nie­der­sach­sen mit ein­ge­flos­sen sind – auch an ande­re anle­gen möch­te in Sin­ne eines „Bekeh­rungs­an­sat­zes“. Ich ver­ges­se dabei ger­ne, dass jede der Ent­wick­lungs­pha­sen in die­sen Grup­pen­pro­zes­sen sei­nen eige­nen Wert und sei­ne eige­ne Not­wen­dig­keit besitzt. Ohne „ein­fach machen“ kein Reflek­tie­ren – letzt­lich haben wir alle – auch die „grau­en Emi­nen­zen“ unter uns – genau so begon­nen, digi­ta­le Sze­na­ri­en umzusetzen.

Durch die Beschrän­kung der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ebe­nen auf im Wesent­li­chen Geschrie­be­nes ent­ste­hen eine Men­ge zusätz­li­cher Her­aus­for­de­run­gen. Eini­ge Twit­te­rer haben dar­auf­hin ja schon eine Art inof­fi­zi­el­les Regel­werk auf­ge­stellt, z.B. die Ver­mei­dung von Iro­nie etc.. Ab einem gewis­sen Level der Bezie­hungs­ebe­ne sind Dis­kus­sio­nen auf Twit­ter wahr­schein­lich nicht sinn­voll zu führen.

Jetzt ist die Fra­ge, wel­che Rol­le ich in die­sem kun­ter­bun­ten Geflecht an Ent­wick­lungs­pha­sen und Bezie­hun­gen ich ein­neh­men soll.

Ein­fach authen­tisch Mensch sein? Auch ein­mal Flachs machen und mensch­lich wir­ken? „Erzie­he­risch“ tätig sein und „Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stan­dards“ leben, pro­pa­gie­ren und ein­for­dern? Altru­is­tisch immer wie­der die viel­leicht glei­chen Din­ge sagen und als „Wert­hers-Ech­te-Groß­va­ter“ bera­ten? Eine nüch­ter­ne Kos­ten-Nut­zen-Rech­nung auf­ma­chen? (Was gebe ich hin­ein und was kommt tat­säch­lich zurück?) Den momen­ta­nen Befind­lich­kei­ten nach­ge­ben und ein­fach mal einen raushauen?

Letzt­lich geht es wahr­schein­lich doch wie­der um die­se Fragen:

  1. Man lernt nur gut in Bezie­hun­gen. Wie kann ich einen Men­schen nach Twit­ter vir­tua­li­sie­ren (es ist ja so oder so nicht mein Selbst, son­dern eine zwangs­läu­fig unvoll­stän­di­ge Pro­jek­ti­on von mir) , der gute Bezie­hungs­ar­beit leistet?
  2. Wie gelingt es mir, mit Men­schen so respekt­voll umzu­ge­hen, dass sie grö­ßer wer­den und wir gemein­sam wach­sen? Was dient die­sem Ziel und was nicht?

Dabei wird es nicht auf den ein­zel­nen Tweet, son­dern auf das Gesamt­bild ankom­men. Der Erfolg oder Miss­erfolg bemisst sich für mich dabei aus­drück­lich nicht nach mei­nem Wer­te­sys­tem, son­dern aus­schließ­lich an der Wahr­neh­mung, die mein jewei­li­ges Gegen­über von mir hat. Ich muss mich bei Nicht­ge­lin­gen von Kom­mu­ni­ka­ti­on auf Twit­ter zumin­dest auch selbst fra­gen, was mein eige­ner Bei­trag dazu ist. Das kann und darf man natür­lich anders sehen.

 

War­um bin ich für eine Wei­le weg (oder ggf. auch für länger)?

Ich über­den­ke mein Ver­hält­nis und mei­nen Umgang mit Twit­ter gera­de, weil ich bestimm­te Ver­hal­tens­wei­sen an mir bemerkt habe, die mich nun umtreiben.

  • der ers­te Griff mor­gens ging zum Han­dy und zur bun­ten Tweet­welt – qua­si eine Art Zeitungsersatz.
  • auf dem zwei­ten Bild­schirm am Arbeits­platz, oder zumin­dest in einem neu­en Tab lief immer Twit­ter mit
  • Twit­ter frag­men­tier­te zuneh­mend mei­ne Aufmerksamkeit
  • Dis­kus­sio­nen auf Twit­ter betra­fen mich emo­tio­nal, dass ich mich manch­mal genö­tigt fühl­te, schnell zu reagieren
  • Twit­te­rer, die mir per E‑Mail schrei­ben oder mit denen ich auf der Didac­ta gespro­chen habe, berich­te­ten mir von Hem­mun­gen und Ängs­ten, Wider­re­de zu leis­ten oder bestimm­te Tweets auch nur zu faven.
  • […]

Ich bin noch nicht bereit, das als „neu­en Lebens­stil“ und „neue Wer­te­welt mit einer Ver­schmel­zung von ana­lo­gem und digi­ta­lem Raum“ zu sehen und unter­lie­ge ger­ne (für eine Wei­le) den damit ver­bun­de­nen „Irr­tü­mern“.

Ich mer­ke, dass ich durch den Abstand zu Twit­ter jetzt schon immens viel Zeit für ande­re Din­ge gewin­ne, natür­lich aber auch von der einen oder ande­ren Ent­wick­lung abge­schnit­ten bin. Das erset­ze ich gera­de wie­der zuneh­mend durch Auf­mö­beln mei­ner guten, alten RSS-Feed-Sammlung.

Eine Ent­schei­dung, ob ich Twit­ter „für immer“ ver­las­se oder wie­der­kom­me, möch­te ich erst auf­grund von drei Wochen „Abs­ti­nenz­er­fah­rung“ tref­fen. In die­sen drei Wochen wer­de ich zusätz­lich auf meh­re­ren Ver­an­stal­tun­gen Twit­te­rer in die­sem „real Life“ tref­fen und mich aus­tau­schen kön­nen. So wird man mich auf jeden Fall am 9. März auf dem #molol18 und am dar­auf­fol­gen­den Edu­CampX tref­fen kön­nen, für das ich gera­de zufäl­lig eine Idee für eine Ses­si­on habe.

Ansons­ten geht es durch die aktu­el­len Ent­wick­lun­gen hier im Blog mal wei­ter: Ich habe ein paar alte Schät­ze aus dem Refe­ren­da­ri­at im *.sdw-For­mat gefun­den und mei­ne 2. Staat­ex­amens­ar­beit dem Ver­lags­mo­loch entrissen.

 

 

 

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