Lesekonferenz

Ich bin in mei­nen Klas­sen zur Zeit sehr unzu­frie­den mit der Art und Wei­se wie Lese­kon­fe­ren­zen lau­fen. Eigent­lich sind sie ja dazu gedacht, Ver­ant­wor­tung an SuS abzu­ge­ben, gera­de bei der Aus­wer­tung län­ge­rer Haus­auf­ga­ben – spä­tes­tens wenn der Drit­te vor­liest, wird es für alle ner­vig: Für den Vor­le­ser, weil sein Vor­gän­ger viel­leicht eh „bes­ser“ war, für die Zuhö­rer, weil es lang­wei­lig ist n Tex­te zum glei­chen The­ma zu hören und für mich, weil teil­wei­se von mir erwar­tet wird, dass ich alles mit­be­kom­me und dann reflek­tie­re – und dar­über­hin­aus sogar noch die Feed­backs aus der Lern­grup­pe kategorisiere.

Daher tau­schen bei mir jeweils maxi­mal vier SuS unter­ein­an­der ihre Tex­te aus und schrei­ben ihre Ideen mit Blei­stift an den Rand.

In der Grup­pen­ar­beit gibt es dann ver­schie­de­ne Phasen:

  1. Lese-/An­mer­kungs­pha­se: Jeder liest jeden Fremd­text und ver­sieht ihn mit Anmerkungen
  2. Reflek­ti­ons­pha­se: Der Autor schaut sich die Anmer­kun­gen an und ver­sucht sie zu verstehen
  3. Aus­tausch: Klä­rung von miss­ver­ständ­li­chen Rand­no­ti­zen in Gruppe
  4. Vor­be­rei­tung der Präsentation

Prä­sen­tiert wird bei mir immer so, dass einer die Mit­glie­der der Grup­pe kurz vor­stellt, einer begrün­det, wel­cher Text aus wel­chen Grün­den prä­sen­tiert wird und einer schließ­lich den Text selbst präsentiert/vorliest. Maß­ga­be für die Aus­wahl des Tex­tes ist dabei stets nie die „Güte“, son­dern das Lern­po­ten­ti­al, wel­ches der Text der gesam­ten Lern­grup­pe bietet.

Was nach mei­nen Ein­druck immer sehr gut klappt, sind die ers­ten bei­den Pha­sen. Pha­se drei und vier erfor­dern anschei­nend Kom­pe­ten­zen im Bereich der Gesprächs­füh­rung – da scheint immer zu hapern – die Text­aus­wahl wird oft sehr ober­fläch­lich begrün­det, obwohl vor­her immer geeig­ne­te Beur­te­li­ungs­kri­te­ri­en durch den Unter­richt vor­ge­ge­ben und schrift­lich (Regel­heft!) fixiert sind. In den letz­ten bei­den Pha­sen möch­te ich daher gera­de beim Ein­üben die­ser Metho­de unter­stüt­zen und habe dazu fol­gen­de Idee:

Wie wäre es, zum Ein­üben der Metho­de die letz­ten bei­den Pha­sen in einem Fish­bowl statt­fin­den zu las­sen? So könn­te das Ple­num einer­seits beob­ach­ten, sich ande­rer­seits durch einen „frei­en Stuhl“ auch mit in den Pro­zess mit ein­brin­gen, sodass die Grup­pe nicht zu sehr im eige­nen Saft schmort. Ich erhof­fe mir dadurch, die kom­mu­ni­ka­ti­ven Kom­pe­ten­zen nicht-leh­rer­zen­triert stär­ken zu kön­nen. Wenn das im Fish­bowl dann gut klappt, kann man es ja an die Grup­pe zurück­de­le­gie­ren und die Metho­de  spä­ter in das (geschlos­se­ne) Inter­net über­füh­ren, indem man z.B. „Blog­kon­fe­renz­grup­pen“ bildet:

Jedes Lern­grup­pen­mit­glied gestal­tet zu Hau­se einen Blog­ein­trag mit sei­nem Text – die Lese­kon­fe­renz­grup­pe kre­iert dann einen Meta­ein­trag als Grup­pen­ar­beits­er­geb­nis (Ver­lin­kung aller Tex­te, Kurz­kom­men­tie­rung, Begrün­dung für die Aus­wahl eines Tex­tes, ggf. Prä­sen­ta­ti­on mit Pod­cast etc.). Wenn die dazu not­wen­di­gen kom­mu­ni­ka­ti­ven Kom­pe­ten­zen vor­her im Unter­richt ein­ge­übt sind, könn­te das m.E. gut klap­pen. Ver­such macht kluch – irgendwann.

EduCamp in Hamburg 2010

Die­ser Arti­kel wird ein Kon­vo­lut ohne Kohä­renz – Gedankensplitter.

Was ich gelernt habe (1)

Durch Gesprä­che ist mir klar­ge­wor­den, dass eine Pres­se, die aus­schließ­lich nach Schul­struk­tur­re­for­men schreit, sich genau so ver­hält, wie eine Lan­des­re­gie­rung, die die­se Schul­struk­tur­re­for­men ver­ord­net, ja die­ser metho­disch sogar in die Hän­de spielt. Bei­des ist näm­lich „top-down“. Schul­struk­tur­re­for­men haben wir in Deutsch­land schon vie­le gese­hen – die Aus­wir­kun­gen auf den Unter­richt, auf das Sys­tem Schu­le waren – nun­ja. Inne­re Refor­men, z.B. Qua­li­fi­zie­rung von Lehr­kräf­ten usw. gehen rich­tig ins Geld – Struk­tur­re­for­men eher nicht. Allei­ne sor­gen sie eher dafür, dass noch weni­ger Leis­tung bei den­je­ni­gen ankommt, um die es in Schu­le eigent­lich geht/gehen soll­te.  Schön wäre es doch, wenn inne­re Refor­men Schul­struk­tur ver­än­dern wür­den. Hat das schon jemand über­haupt mal ver­sucht? Ach nee, das wäre ja viel­leicht demo­kra­tisch: Schu­len, die ihre Struk­tu­ren bedürf­nis­be­zo­gen selbst fin­den – welch eine Bedrohung!

Wei­ter­le­sen

Sechs Jahre oder vier Jahre?

„In kei­nem Leis­tungs­be­reich sind För­der­wir­kun­gen des grund­stän­di­gen Gym­na­si­ums nachweisbar“, ana­ly­siert der bes­te deut­sche Schul­for­scher. Und resü­miert: „Bewertet man die Befun­de ins­ge­samt, so sind sie zunächst ein Kom­pli­ment für die [sechs­jäh­ri­ge, d. Red.] Grund­schu­le. Die Ent­wick­lungs­kur­ven von Spit­zen­schü­lern ver­lau­fen in der Grund­schu­le und in der Unter­stu­fe des grund­stän­di­gen Gym­na­si­ums par­al­lel, und zwar nicht nur im Lesen, son­dern … auch in der unter­richts­ab­hän­gi­gen Domä­ne Mathe­ma­tik. Für die grund­stän­di­gen Gym­na­si­en sind die Befun­de ein Grund zur Nach­denk­lich­keit. Gene­rell ist frag­lich, ob die Gym­na­si­en die För­de­rung der Lese­kom­pe­tenz als aka­de­mi­sche Auf­ga­be aller Fächer bis­lang über­haupt ent­deckt haben.“

gefun­den auf: http://www.pisaversteher.de

Die­se Aus­sa­ge Jür­gen Bau­mert im Kon­text der Dis­kus­si­on in Ber­lin um die sechs­jäh­ri­ge Grund­schu­le getrof­fen (die in Nie­der­sach­sen mit der Abschaf­fung der lang­jäh­ri­gen Ori­en­tie­rungs­stu­fe gera­de eli­mi­niert wor­den ist). Der Ver­gleich ist in mei­nen Augen unvoll­stän­dig, weil es nicht dar­um gehen kann, ob man sechs oder vier Jah­re zur Schu­le geht (Struk­tu­rel­le Reform), son­dern wir müs­sen uns dar­um küm­mern, was in die­sen vier oder sechs Jah­ren eigent­lich geschieht (Inne­re Reform)  Orga­ni­sa­ti­ons­for­men kom­men und gehen. Unter­richts­kul­tur scheint mir da bestän­di­ger zu sein, was ja auch als immer­wäh­ren­der Vor­wurf gegen die Gym­na­si­en anklingt.

Wei­ter­le­sen

Ich wünsch‘ dir Liebe ohne Leiden

Chris­ti­an Fül­ler ver­öf­fent­licht Aus­zü­ge aus einer Kor­rek­tur eines Kol­le­gen, wie ich sie bestimmt auch schon oft ver­fasst habe – glei­cher Duk­tus, ähn­li­cher Auf­bau – allein die Tat­sa­che, dass die von mir sel­ten ver­wen­de­ten Fach­be­grif­fe „Adver­bi­en“ und „Adver­bi­al­sät­ze“ auf­tau­chen, geben mir die Sicher­heit, dass Chris­ti­an Fül­ler noch nichts von mir in den Hän­den hält. Auch ich muss mich schul­dig beken­nen viel zu oft viel zu wenig Posi­ti­ves hervorzuheben.

Det­lef Teich hat sich in einem Blog­bei­trag mit der Art und Wei­se von Fül­lers Aus­ein­an­der­set­zung mit die­ser Kor­rek­tur bereits umfas­send geäu­ßert. Wesent­lich scheint mir der Hin­weis, dass eine sol­che Kor­rek­tur immer in einem Kon­text steht, wesent­lich scheint mir wei­ter­hin die Fra­ge, ob die Lehr­kraft mit dem Leid, mit der „Beschä­mung“ und mit der Aus­gren­zung bila­te­ral durch z.B. die Eltern kon­fron­tiert wor­den ist, bevor es zu die­ser Ver­öf­fent­li­chung kam. Da die­se Aspek­te im Dun­keln blei­ben, schei­nen mir die stärks­ten Posi­tio­nen und Gedan­ken zu die­ser Kor­rek­tur  und der Art ihrer Ver­öf­fent­li­chung ausgetauscht.

Wei­ter­le­sen

Lieber Bildungsforscher…

Seit Jah­ren sagst du mir, wie ich unter­rich­ten muss, um mei­nen SuS gerecht zu werden.

Seit Jah­ren sagst du mir, dass sich die Struk­tu­ren an mei­ner Schu­le grund­sätz­lich ändern müssen.

Seit Jah­ren for­derst du Bil­dungs­stan­dards ein.

Seit Jah­ren beein­flusst du die Poli­tik, um dei­ne Vor­stel­lun­gen rea­li­siert zu sehen

Seit Jah­ren sagst du mir, dass Bil­dung eine gesamt­ge­sell­schaft­li­che Auf­ga­be ist.

Bil­dungs­for­scher, ich muss dir sagen, dass du mir bis­her nicht gehol­fen hast. 

Seit Jah­ren stei­gen Klassenfrequenzen.

Seit Jah­ren wer­den mei­ne Räu­me kleiner.

Seit Jah­ren wird Ver­wal­tung – gera­de durch dich – immer aufwendiger.

Seit Jah­ren kommt immer weni­ger mei­ner Kraft bei denen an, die es verdienen.

Seit Jah­ren wer­de ich durch immer neue Ideen gefordert.

Bil­dungs­for­scher, ich muss dir sagen, du nützt mir nicht.

Ich mache Pro­jek­te – du sagst: „Schon ganz schön, aber…“

Ich mache Eva­lua­ti­on – du sagst: „Nun aber auch Konsequenzen…“

Ich ver­än­de­re mei­nen Unter­richt – du sagst: „Der Anfang reicht nicht…“

Ich ent­wick­le mich – du sagst: „Die Rich­tung stimmt ja…“

Ich sage: „Aber die schu­li­sche Rea­li­tät…“ – du sagst: „Tja, das kann ich nicht für dich ändern!“

Bil­dungs­for­scher, du nützt mir nicht.

Bil­dungs­for­scher: Wenn du der­je­ni­ge bist,

der aus­schließ­lich, sagt, lob­by­iert, for­dert, spricht, von mir verlangt,

dann for­de­re wenigs­tens nicht von mir, dein Ver­bün­de­ter zu sein

und ver­ur­tei­le mich nicht für die­ses Unvermögen.


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