Die ideale Schulcloud

Es ist eini­ge Zeit ver­gan­gen nach einer öffent­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung ( hier und hier ), die mei­ner Mei­nung nach eine Men­ge Pro­ble­me auf unter­schied­lichs­ten Ebe­nen auf­zeigt, wenn es dar­um geht, mit Schü­le­rin­nen und Schü­ler in der Schu­le in einer gesi­cher­ten Umge­bung digi­tal zu arbei­ten. In Deutsch­land fir­miert eine sol­che Umge­bung unter dem Schlag­wort „Bil­dungs­cloud“.

Was ist für mich eigent­lich wün­schens­wert, gera­de unter dem Aspekt, dass in Schu­le sehr indi­vi­du­el­le Lern­pro­duk­te von Schü­le­rin­nen und Schü­lern ent­ste­hen? Die sind natür­lich unfer­tig ( das ist das Wesen eines Lern­pro­zes­ses ). Sie erfor­dern je nach Ent­wick­lungs­stand von Schü­le­rin­nen und Schü­lern einen Schutz­raum ( nicht jeder jun­ge Mensch bewegt sich reflek­tiert und kom­pe­tent im Internet).

Und – das ist ja „nur“ die eine Sei­te der Medail­le. Im Vor­der­grund für Lehr­kräf­te, Schü­le­rin­nen und Schü­ler sowie Eltern ste­hen natür­lich auch die Funk­tio­na­li­tät und die intui­ti­ve Bedien­bar­keit – (Daten-)Schutzfragen ste­hen da oft im Hin­ter­grund, weil Bequem­lich­keit ver­lo­ren­geht und dann toben die emo­tio­na­len Gra­ben­kämp­fe ( z.B. hier ).

Der­weil gibt es Lehr­kräf­te, die die­ses Pro­blem indi­vi­du­ell für sich bereits gelöst haben, z.B. Lisa Rosa oder Andre­as Kalt. Auf viel nied­ri­ge­rem Niveau habe ich das in mei­nem Unter­richt auch schon oft gemacht. Nur brauch­ten wir alle dafür kei­ne Lern­platt­form oder Schul­cloud. Aller­dings ist ein Min­dest­maß an Kennt­nis­sen im Bereich Daten­schutz und im Umgang mit Web­tools erfor­der­lich (z.B. um dabei kei­ne per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten zu pro­du­zie­ren) – vie­le Lehr­kräf­te sind bereits bei ver­meint­lich klei­nen Schrit­ten im digi­ta­len Raum rest­los über­for­dert. Da macht eine gemein­schaft­li­che Lösung inkl. War­tung, tech­ni­schem- und Anwen­der­sup­port ein­fach Sinn.

In einer idealen Welt

In einer idea­len Welt haben wir

  1. eine Platt­form auf Open­So­ur­ce-Basis, die von allen Betei­lig­ten im Hin­blick auf Funk­tio­na­li­tät und Bedien­bar­keit akzep­tiert ist
  2. einen gut auf­ge­stell­ten tech­ni­schen und Anwendersupport
  3. eine dezi­dier­te Tren­nung von per­so­nen- und inhalts­be­zo­ge­nen Daten
  4. die tech­ni­sche Bereit­sstel­lung (Hos­ting) durch die öffent­li­che Hand
  5. doku­men­tier­te Schnitt­stel­len zu kom­mer­zi­el­len Anbie­tern (z.B. Unter­richts­ma­te­ri­al, Medi­en, inter­ak­ti­ve Übun­gen), die eine Anony­mi­sie­rung der Schü­ler­da­ten ermöglichen
In der Realität

Die Punk­te 1–2 gibt es zur­zeit nur im kom­mer­zi­el­len Bereich – da muss man auf die Punk­te 3–5 ver­zich­ten. Die Punk­te 3–5 gibt es nur bei den größ­ten­teils geschei­ter­ten Län­der­platt­for­men. Da muss man zur­zeit aber auf die Punk­te 1–2 ver­zich­ten – zumin­dest zu 50–60% der jewei­li­gen indi­vi­du­el­len Anforderungen.

For­mal, d.h. recht­lich kom­plett abge­si­chert, ist kei­ne der denk­ba­ren Vari­an­ten – damit haben sämt­li­che Ent­wick­lungs­teams übri­gens auch stark zu kämp­fen – tech­nisch wäre prin­zi­pi­ell viel mög­lich, aber die Rechts­nor­men geben das i.d.R. noch nicht oder nur mit gro­ßen ver­wal­tungs­tech­ni­schen Klimm­zü­gen – z.B. die qua­li­fi­zier­te Ein­wil­li­gung – her.

Das öff­net das Tor für Kri­tik. Kom­mer­zi­el­le Lösun­gen von Goog­le, Micro­soft oder Apple sind „böse“, weil sie Daten der Schü­le­rin­nen und Schü­ler ver­ar­bei­ten. Öffent­li­che Lösun­gen sind ent­we­der „böse“, weil sie – mit weni­gen Aus­nah­men – die Funk­tio­na­li­tät nicht bie­ten, Rechts­nor­men nicht erfül­len oder wahl­wei­se intrans­pa­rent ent­wi­ckelt und finan­ziert wer­den (fak­tisch stimmt das alles sogar).

Was also tun?

Vari­an­te 1:

Man zwingt mul­ti­na­tio­na­le(!) Kon­zer­ne durch Rechts­nor­men dazu, ein hohes, vom Staat defi­nier­tes Schutz­ni­veau für die Ver­ar­bei­tung von Schü­ler- und Ver­wal­tungs­da­ten zu gewähr­leis­ten. Man schafft Rechts­si­cher­heit z.B. durch eine staat­li­che Zer­ti­fi­zie­rung. Das ist nicht so tri­vi­al. Wir haben im Bereich der Poli­tik und teil­wei­se auch in der recht­li­chen Unter­stüt­zung nach mei­ner Ein­schät­zung nicht das not­wen­di­ge Know-How dafür. Ich pro­phe­zeie, dass die dabei ent­ste­hen­den Rechts­nor­men nicht ihren eigent­li­chen Zweck erfül­len wer­den. Die Big5 waren die ers­ten, die z.B. kom­plett auf die DS-GVO ein­ge­stellt waren und nut­zen die­se, um noch mehr Zugriffs­mög­lich­kei­ten zu erhal­ten – kön­nen sie auch. Da gibt es aus­rei­chend juris­ti­sches Know-How.

Vari­an­te 2:

Wir ent­wi­ckeln öffent­lich finan­zier­te Lösun­gen und schaf­fen einen recht­li­chen Rah­men zu deren Nut­zung. Das ist nicht so tri­vi­al. Wir haben im Bereich der Poli­tik, im tech­ni­schen Bereich und teil­wei­se auch in der recht­li­chen Unter­stüt­zung nach mei­ner Ein­schät­zung nicht das not­wen­di­ge Know-How dafür. Zudem ist der Staat als Arbeit­ge­ber für die dazu not­wen­di­gen idea­lis­ti­schen Men­schen z.B. durch Büro­kra­tie­vor­ga­ben aber auch Gehalts­bin­dung durch Tarif­recht nicht kon­kur­renz­fä­hig. Des­we­gen wird ja ver­sucht, sol­che Ent­wick­lun­gen out­zu­s­our­cen – z.B. ans HPI. Das ist aber in der Wahr­neh­mung in der Öffent­lich­keit oft auch „böse“. Was muss also ein kom­mer­zi­el­ler Anbie­ter auf die­sem Feld für Kri­te­ri­en erfül­len, um nicht „böse“ zu sein?

(Ich bin kein Freund des Ansat­zes des HPI. Nicht umsonst ist Bay­ern mit Mebis eigent­lich schon an wei­tes­ten, weil dort etwas Bestehen­des genutzt und erwei­tert wird).

Einschätzung

Ich glau­be, dass jeder, der undif­fe­ren­ziert(!) auf öffent­li­che oder „unbe­que­me“ Open­So­ur­ce-Ansät­ze „schießt“, im Grun­de die Vari­an­te 1 för­dert. Dar­auf wird es hin­aus­lau­fen. Die meis­ten Lehr­kräf­te, die digi­tal unter­wegs sind, wird es freu­en. Ob es ein Gewinn für die Demo­kra­tie wird … – wir wer­den sehen. Eine Tren­nung von per­so­nen­be­zo­ge­nen und inhalts­be­zo­ge­nen Daten (das wür­de tech­no­lo­gisch eine effek­ti­ve Kon­trol­le schaf­fen) ist dort erfah­rungs­ge­mäß weder gewünscht noch vor­ge­se­hen – das ist schlicht nicht das Geschäftskonzept.

Kom­plett die Hoff­nung habe ich ver­lo­ren, dass sich der­ar­ti­ge Fra­ge­stel­lun­gen über jour­na­lis­ti­sche Medi­en in den öffent­li­chen Dis­kurs ein­brin­gen las­sen. „Digi­tal“ ist in der Berichts­er­stat­tung in der Regel gleich „Tablet“ oder „inter­ak­ti­ve Tafel“ – Gerä­te­fo­kus­sie­rung von 2003–2019.

Ich bil­de mir noch ein, dass das prin­zi­pi­ell mög­lich wäre und hal­te auf mei­nen Fort­bil­dun­gen tap­fer dage­gen (da kom­men noch drei wei­te­re Teile).

 

 

 

 

 

 

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3 Kommentare

  • Johannes

    In Ham­burg haben wir eine Behör­den­lö­sung. Jeder Leh­rer und jeder Schü­ler wird in einer zen­tra­len Daten­bank gespei­chert. Damit wird auto­ma­tisch eine E‑Mail-Adres­se gene­riert. Damit kommt man ins WLan der Schu­le und hat Zugang zur Schul­cloud mit Daten­spei­cher (indi­vi­du­el­ler Bereich und shared fol­der), E‑Mail und Kalen­der. Schü­ler kön­nen nur inner­halb der Schu­le Mails ver­schi­cken und emp­fan­gen. Leh­rer kön­nen auch von zuhau­se Noten ein­tra­gen. Dien­tag ab 17 Uhr ist das Sys­tem zur War­tung off­line – dann kann man auch kei­ne Zeug­nis­kon­fe­renz mehr machen. Bei einer Koope­ra­ti­on zwei­er Schu­len kann der Leh­rer der eines Schu­le den Schü­lern der ande­ren Schu­le kei­ne Mails schi­cken. Wenn die Anmel­dung am WLan mal wie­der nicht funk­tio­niert, geht gar nichts mehr – wenn das Sys­tem abkackt, dann kön­nen wir auch kei­ne Tele­fon­num­mern der Eltern nach­schau­en – und das pas­siert immer wieder.

  • Die Rich­tung stimmt, aber die Funk­tio­na­li­tät und die tech­ni­sche Zuver­läs­sig­keit offen­bar nicht – bei­des ist aber tech­nisch lös­bar, kos­tet wahr­schein­lich aber mehr, als die Schul­be­hör­de zu tra­gen gewillt ist. Noten von zu Hau­se aus ein­tra­gen, Tele­fon­num­mern nach­schau­en – wahr­schein­lich mit einem Berech­ti­gungs­sys­tem – für vie­le in der Repu­blik ein Träumchen. 

    Abstrus ist das mit der Koope­ra­ti­on: Im welt­wei­ten Netz darf ich mit allen mög­li­chen Men­schen Kon­takt auf­neh­men – im engen Schul­rah­men geht das nicht – wahr­schein­lich, weil in der qua­li­fi­zier­ten Ein­wil­li­gungs­er­klä­rung die­se Art der Daten­nut­zung nicht vor­ge­se­hen war (Anpas­sung erfor­der­lich) oder noch kei­ne Rechts­norm genau das ermög­licht. Und in die­sem Umfeld soll Medi­en­be­ra­tung eine posi­ti­ve Hal­tung gegen­über Daten­schutz­the­men ver­mit­teln – es ist ein lan­ger Weg zu gehen …

    • Johannes

      Es soll ohne Ein­wil­li­gungs­er­klä­run­gen der Eltern sus­kom­men, des­halb die ein­ge­schränk­te Kom­mu­ni­ka­ti­on. Ein Anmel­den auf Web­sei­ten drit­ter mit der Schule­mail ist für Schü­ler nicht mög­lich. Die Adres­sen bestehen aus den Klar­na­men. Daten­schutz hin oder her: Schü­ler mit Aus­kunfts­sper­re (egal ob Eltern Pro­mis sind oder weil ein Eltern­teil nichts über die Fami­lie erfah­ren darf) wer­den auch nicht in Kurs­lis­ten oder Klas­sen­lis­ten gedruckt. Nicht die­ser Schul­er ver­lässt die Daten­bank. Beim Lis­ten­druck gibt es auch kei­nen Hin­weis, dass Namen fehlen.

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