Transaktionskosten (Fortsetzung)

Eine von mir hoch­ge­schätz­te und stil­le Lese­rin mei­nes Blogs hat mich neu­lich dar­auf auf­merk­sam gemacht, dass ich ange­kün­digt hat­te, eine Fort­set­zung zum Arti­kel mit den Trans­ak­ti­ons­kos­ten zu schrei­ben. Ich zitie­re dazu noch ein­mal den letz­ten Absatz im Sin­ne der Anschlussfähigkeit.

Wer Ver­än­de­rungs­pro­zes­se initi­ie­ren möch­te, muss im Blick haben, dass er gleich­zei­tig neue, noch nicht kal­ku­lier­ba­re Trans­ak­ti­ons­kos­ten erzeugt (“Ja, aber das mit den Medi­en muss aber in ein Gesamtkonzept!”), und gleich­zei­tig auch noch ande­re, von den Kos­ten her “sicher” kal­ku­lier­ba­re Sys­te­me bedroht (“Ja, aber über Aus­hän­ge kom­mu­ni­ziert man doch total ineffizient!”). Dar­aus erge­ben sich für mich Kon­se­quen­zen für mein Ver­hal­ten als Berater.

Regel 1: Das Neue ist der Feind des Bewährten.

Das Neue kann sich in den bestehen­den Schul­struk­tu­ren nur durch viel Geduld, Lea­der­ship oder sub­ver­siv durch­set­zen. Sobald man als Bera­ter gene­ra­li­siert, wer­den immer laut­star­ke und – für die Idee viel gefähr­li­che­re – stil­le Wider­ständ­ler auf den Plan geru­fen. In sehr hete­ro­ge­nen, gro­ßen Sys­te­men wird sich dann NIE das Neue durch­set­zen. Des­we­gen unter­schei­de ich zwi­schen sub­jek­ti­ven und objek­ti­ven Wahr­hei­ten. Objek­tiv kann man durch­aus Recht haben. Es nützt u.U. aber trotz­dem nichts, weil Sys­te­me stets sub­jek­tiv funk­tio­nie­ren und dann die ent­ste­hen­den Trans­ak­ti­ons­kos­ten zum Kol­laps jeder noch so guten Idee führen.

Ein Bei­spiel:

Objek­tiv ist es für gro­ße Sys­te­me ver­nünf­tig, Klau­sur- und Klas­sen­ar­beits­pla­nung online zu machen. Man ist bei der Ein­tra­gung nicht an eine Zeit oder an einen Ort gebun­den. Das Sys­tem kann durch Algo­rith­men Fehl­ein­trä­ge im gege­be­nen recht­li­chen Rah­men abfan­gen. Es kann mit dem Schul­ka­len­der gekop­pelt wer­den, sodass sich Tage mit bestimm­ten, vor­her­seh­ba­ren Abwe­sen­hei­ten von Lern­grup­pen trans­pa­rent sper­ren las­sen. Umge­kehrt lie­ßen sich Ter­mi­ne von Arbei­ten in die Kalen­der der jewei­li­gen Lern­grup­pen zurück­spei­sen (übri­gens: Das geht alles mit dem rich­ti­gen Sys­tem). Sub­jek­tiv zwingt man Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen zur Nut­zung unge­wohn­ter digi­ta­ler Werk­zeu­ge, die nicht in deren Work­flow pas­sen. Prak­tisch wird man eine Zeit lang altes und neu­es Sys­tem par­al­lel fahren.

 

Regel 2: Hilf Trans­ak­ti­ons­kos­ten zu sen­ken, damit du neue erzeu­gen kannst

Wenn es um die tech­ni­sche Aus­stat­tung von Schu­len und um Medi­en­kon­zep­te geht, weiß ich es bes­ser. Was dabei her­aus­kommt, wenn typi­sche Con­su­mer oder fort­ge­schrit­te­ne Anwen­der mei­nen, sie könn­ten vor­aus­schau­end Net­ze bau­en, die irgend­wann für die gan­ze Schu­le ska­lie­ren, dann lie­gen sie lei­der oft falsch, weil z.B. an die Hard­ware im Netz­werk ganz ande­re Anfor­de­run­gen als „zu Hau­se“ zu stel­len sind.

Wenn ich an eine Schu­le kom­me, herrscht dort i.d. R. im Medi­en­aus­stat­tungs­be­reich Cha­os. Die­ses Cha­os glie­dert sich zum einen in tech­ni­sche Pro­ble­me (10%) und zum ande­ren in zwi­schen­mensch­li­che (90%). Die Tech­nik bekommt man nach mei­ner Erfah­rung sehr ein­fach in den Griff, wenn man da nach dem Mot­to vor­geht: „Wenn ich dir bei den rest­li­chen 90% hel­fen soll, dann bestim­me zunächst(!) ich, wie es bei euch tech­nisch weitergeht!“

Mit den 10% Tech­nik ver­su­che ich dann, Abläu­fe und Ver­fah­ren genau­so abzu­bil­den, wie in der Schu­le schon immer waren, nur dass Zugriffs­mög­lich­kei­ten auf Infor­ma­tio­nen jetzt nicht mehr an Zei­ten oder Orte gebun­den sind. Das kön­nen sehr ein­fa­che Maß­nah­men sein, wie etwa ein schul­wei­ter Zugriff auf Datei­en, ein­fach zu bedie­nen­de Zugän­ge zu Online­me­di­en, ein funk­tio­nie­ren­des WLAN usw.. Tech­nisch ist das tri­vi­al. Gleich­zei­tig muss die Ver­läss­lich­keit des Sys­tems stei­gen, z.B. durch kon­se­quen­te Ver­net­zung von Insel­sys­te­men. Idea­ler­wei­se nimmt das Sys­tem bereits die­se Maß­nah­men als ent­las­tend wahr, was dann in der Fol­ge Ver­trau­en schafft. An dem grund­sätz­li­chen medi­en­päd­ago­gi­schen Geist ändert sich dadurch jedoch nichts.

Die­ses Ver­trau­en senkt Trans­ak­ti­ons­kos­ten, sodass Res­sour­cen dafür frei wer­den, auf die rest­li­chen 90% zu schau­en. Dafür benö­tigt man ein genau­es Bild des Sys­tems: Wer sind die „Stake­hol­der“ (an Schu­len sehr oft der enga­gier­te IT-affi­ne Leh­rer mit einer jah­re­lang immens gewach­se­nen ideel­len Macht­po­si­ti­on)?  Wer gönnt dem ande­ren ggf. etwas nicht? Wel­che ein­ge­fah­re­nen Abläu­fe mit wel­chen Kon­se­quen­zen gibt es? Was schafft Kon­flikt­po­ten­ti­al? Wer ist an den Struk­tu­ren wie beteiligt?

 

Regel 3: Bera­te kei­ne Schu­len (oder Kol­le­gen), die bei dir hohe Trans­ak­ti­ons­kos­ten erzeugen

Dass in Bera­tungs­pro­zes­sen nach­ge­steu­ert wer­den muss, ist nichts wei­ter Unge­wöhn­li­ches. Gera­de das The­ma Medi­en­nut­zung ist für Schu­len nur eines unter vie­len. Des­we­gen bin ich nicht ver­schnupft, wenn Pro­zes­se oft nur lang­sam vor­an­schrei­ten. Das ist völ­lig nor­mal. Es gibt für mich jedoch Indi­ka­to­ren, die dazu füh­ren, dass ich eine Schu­le nicht berate:

  1. Kei­ner­lei Eigen­in­itia­ti­ve (d.h. prak­ti­sche Hilfs­an­ge­bo­te wer­den ger­ne ange­nom­men, jedoch ist kein Inter­es­se erkenn­bar, eine län­ger­fris­ti­ge­re Part­ner­schaft ein­zu­ge­hen – Feu­er­wehr­ein­sät­ze ja, Zusam­men­ar­beit nein)
  2. Dis­kus­si­on des Bera­tungs­ver­fah­rens (Kann man das so über­haupt machen? War­um so kom­pli­ziert? Geht das nicht auch schnel­ler / einfacher?)
  3. Eigen­mäch­ti­ge Anschaf­fun­gen (z.B. ITW / Tablets für teu­res Geld kau­fen, ohne sta­bi­le Infra­struk­tur, ohne Kon­zept und ohne Rück­spra­che mit mir)
  4. Kein Refle­xi­on des bis­he­ri­gen Umgangs mit Medienbeschaffung

Die­sen Schu­len fehlt vor allem das Ver­trau­en in mei­ne Fähig­kei­ten. Im schlimms­ten Fall wol­len Sie sich ledig­lich mei­ner Kom­pe­ten­zen bedie­nen, um ihre aku­ten Pro­ble­me gelöst zu bekom­men, damit sie wei­ter­ma­chen kön­nen wie bisher.

 

Regel 4: Suche dir immer klei­ne Pro­jek­te mit gerin­gen Trans­ak­ti­ons­kos­ten für zwischendurch

Die Imple­men­ta­ti­on der „gro­ßen Wür­fe“ ist oft zäh, ermü­dend, aus­ge­dehnt und bezo­gen auf die Trans­ak­ti­ons­kos­ten immens teu­er. Das ist psy­cho­lo­gisch ein Pro­blem, da man irgend­wann als am Pro­zess Betei­lig­ter die Fort­schrit­te nicht mehr zu sehen im Stan­de ist. Des­we­gen braucht man für die see­li­sche Hygie­ne immer wie­der Pro­jek­te, bei denen sich der Erfolg sehr schnell ein­stellt. Das kön­nen so ein­fa­che Din­ge wie ein WLAN für eine länd­li­che Grund­schu­le sein. Schu­le klagt, ich kom­me vor­bei, sage eine Sum­me, Schu­le kauft, wir instal­lie­ren mit dem Haus­meis­ter zusam­men und sind nach 2–3 Wochen erheb­lich glück­li­cher als vorher.

Men­schen, die nur „das Gro­ße“ bera­ten, erle­be ich oft so, dass bei ihnen irgend­wann der Kon­takt zur „Basis“ ver­lo­ren­geht. Das muss auch teil­wei­se so sein, da man die zer­mür­ben­den Trans­ak­ti­ons­kos­ten in die­sen Pro­zes­sen kaum erträgt und sich dann ande­re Stra­te­gien ent­wi­ckeln, um see­lisch gesund zu blei­ben, die dann oft als arro­gant oder „von oben her­ab“ wahr­ge­nom­men werden.

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