… wobei ich hoffe, dass das wirklich eine Serie und keine Eintagsfliege wird. Da nach einer Klassenarbeit noch etwas Zeit war und mir durch eine aufmerksame Person ein Flyerpaket für einen PoetrySlam-Workshop mit guten, anregenden Arbeitsvorschlägen in die Hand geflattert ist, habe ich eine klitzekleine Einheit für meine 8. Klasse dazu gebastelt. Wer PoetrySlam trotz seiner momentanen Buzzword-Macht (es zieht durch alle Deutschdidaktikhefte – Hörensagen, wirklich lesen tue ich so etwas nur zufällig) nicht kennt, sei auf YouTube-Videos wie dieses verwiesen (köstlich, für mich nach dem dritten Mal Schauen noch ein Brüller):
Nachdem wir uns ein paar Beispielsvideos (tovid ist unter Linux das absolute Tool, um jedes Video in jedem Format auf DVD zu bannen, die dann jeder Schulplayer frisst) und die Hintergrundinformationenim Flyer zu Gemüte geführt haben, ging es direkt „kalt“ in unser Klassenblog ans Schreiben und Dichten. Ich habe hier einmal vier Ergebnisse zusammengestellt, die innerhalb von ca. 40 Minuten entstanden sind – es entstehen immer noch welche, obwohl die Aktion schon mehrere Tage her ist:
Wenn die Menschen mich sehen
dann weinen sie meist.
Dann müssen sie gehen
und auch noch als Geist.
Ich gebe kein Segen
und habe kein Herz,
Ich beende das Leben
und bringe viel Schmerz.
Einer stirbt an Atemnot,
viele auch an Gehirntot.
Viele Menschen sind ertrunken,
die Titanic ist gesunken.
Manch einer stirbt an nem Tumor
oder erschlagen von Marmor.
Wiederholt verbluten Emos
Hippies spritzen sich bewusstlos.
Massenhaft Autounfälle
Im Alter zig Herzanfälle.
Das sind verschiedene Arten
wie man an verschiedenen Orten
zu Tode kommen kann.
(eine junge Poetin)
Oder das hier:
Shule die ißt gans schon schwehr
Rechschreibung besonderss ser
Die wörter die im dicktat fallehn
wehrden rischtig geschrieheben von allen
Doch ich sizz hintehn letztte reie
unnd wen ich versuchh zuh schreihbe
saggt die lererin nuhr ach du meihne
weihl kein reihm entsthet
undd die fier dehn bach runterget.
So jez fält mihr nichs mer ein
mus langsham auch mahl genugk seihn
Najaa nochh eeine rantnodiz
Rechschreibvehlerberiechtiger siind mihs
also liehbe frauu meierr
zeigenn sieh dochh mahl …
undd gehben mir ne trei!
BITTE!
(dieser junge Poet ist übrigens ansonsten extrem sicher in der deutschen Rechtschreibung)
Oder dies:
Keiner will mich essen,
so langsam werd ich braun.
Erst schneiden die mich auf und dann werd ich vergessen.
In einer Dose gammel ich jetzt vor mir hin,
langsam hab ich kein bock mehr.
Ich leckres Ding werd nicht geschätzt,
immer werd ich nur verletzt.
Mit dem Messer stachen sie hinein,
aua schrie ich, aber nein,
keiner hört mein hilfeschrei.
Aufeinmal wird es warm,
sie haben mich gefunden.
Angewiedert packen die mich an,
weg damit, bis dann!
Jetzt lieg ich in der Tonne,
hab angst das ich verronne.
Langsam werd ich schwach,
traurig geh ich ein.
Nun ist mein Leben ende,
es kriegt nicht mehr ´ne Wende.
(eine junge Poetin)
Und zuletzt dieser Text:
Was willst du man so geht das nicht
du musst mir helfen,
ich kann dass nicht.
Ich muss was machen,
was mache ich bloß,
ich habe Angst,
ich bin ein Kloß.
Ich kann nichts machen
ich muss was schaffen,
gleich werd ich gefressen,
ich muss mich mesen,
habe ich denn auch eine gute Figur,
nein ich bin ein Fettkolß pur.
So jetzt werde ich gegessen,
habe keine Hilfe ermessen.
Werde jetzt zugrunde gehen,
ohen vorher fremd zu gehen,
habe mal wieder mega Schiss
und dabei auch noch einen Riss.
Die Gabel sticht in mich hinein
und ich erleuchte im hellem Schein.
ENDE
(eine junge Poetin)
An dieser Sammlung ungeschliffener Texte lässt sich allerhand zeigen: Zur Zeit suche ich mit der Klasse Stellen, die „holprig“ klingen, und wir versuchen, Vorschläge für metrische(!) Verbesserungen zu machen. Auch möchte ich gemeinsam mit den SuS überlegen, wie und warum diese Texte „funktionieren“ und im Blog viele lobende Kommentare ausgelöst haben. Ohne Kenntnisse über Lyrik geht das natürlich nicht – beim Schreiben selbst braucht man sie nicht, aber beim Überarbeiten. Und wenn das Ergebnis danach noch mehr überzeugt, sind die SuS vielleicht beim nächsten trockenen Schillertext mehr beeindruckt oder zumindest sensibilisiert.
Die Organisation der Texte in einem Blog ist DER Effektivitätsschub – alle Texte stehen allen jederzeit zur Verfügung für Kommentare o.ä., Einbettung der eigenen Lieblingsslams für neue Ideen usw.. Gut kombinieren könnte man die Geschichte – so im G8 dafür Zeit bliebe – mit ein wenig Vortragstechnik – mal schauen.