E.T.A. Hoffmann – Der Sandmann

End­lich ein­mal wie­der etwas aus dem Unter­richt – begin­nend mit einem Textauszug:

Er stell­te sich und Kla­ra dar, in treu­er Lie­be ver­bun­den, aber dann und wann war es, als grif­fe eine schwar­ze Faust in ihr Leben und ris­se irgend­ei­ne Freu­de her­aus, die ihnen auf­ge­gan­gen. End­lich, als sie schon am Trau­al­tar ste­hen, erscheint der ent­setz­li­che Cop­pe­li­us und berührt Kla­ras hol­de Augen; die sprin­gen in Natha­na­els Brust, wie blu­ti­ge Fun­ken sen­gend und bren­nend, Cop­pe­li­us faßt ihn und wirft ihn in einen flam­men­den Feu­er­kreis, der sich dreht mit der Schnel­lig­keit des Stur­mes und ihn sau­send und brau­send fort­reißt. Es ist ein Tosen, als wenn der Orkan grim­mig hin­ein­peitscht in die schäu­men­den Mee­res­wel­len, die sich wie schwar­ze, weiß­haup­ti­ge Rie­sen empor­bäu­men in wüten­dem Kamp­fe. Aber durch dies wil­de Tosen hört er Kla­ras Stim­me: „Kannst du mich denn nicht erschau­en? Cop­pe­li­us hat dich getäuscht, das waren ja nicht mei­ne Augen, die so in dei­ner Brust brann­ten, das waren ja glü­hen­de Trop­fen dei­nes eig­nen Herz­bluts – ich habe ja mei­ne Augen, sieh mich doch nur an!“ – Natha­na­el denkt: Das ist Kla­ra, und ich bin ihr eigen ewig­lich. – Da ist es, als faßt der Gedan­ke gewal­tig in den Feu­er­kreis hin­ein, daß er ste­hen bleibt, und im schwar­zen Abgrund ver­rauscht dumpf das Getö­se. Natha­na­el blickt in Kla­ras Augen; aber es ist der Tod, der mit Kla­ras Augen ihn freund­lich anschaut.

aus: E.T.A. Hoff­mann „Der Sandmann“

Auf­ga­be:

Ver­fas­sen Sie den Anfang des Gedich­tes, wel­ches hier in Pro­sa umschrie­ben wird. Gestal­ten Sie ihn so, dass Kla­ra kei­ne ande­re Wahl hat, als das Werk zu ver­nich­ten, so wie sie es auch mit Natha­na­els Werk im wei­te­ren Ver­lauf der Hand­lung tut.

Zwei Men­schen voll treu­er Lie­be und erfüll­ter Lebensfreude

Getrennt durch einen Schat­ten der dunk­len Tiefe.

Vor dem Altar, um sich ewig zu bin­den und in Lie­be zu leben,

Der Bräu­ti­gam mit­ge­ris­sen und verschleppt.

Wie ein Sturm reist das Böse ihn durch dunk­le Gassen

Die Braut ihren Gelieb­ten wie­der ins Licht holt

Sacht ihm ver­sucht die Augen zu öffnen.

Einen Moment vom Bösen entfernt

geret­tet

wie­der zurück ins Schwar­ze gezogen

trü­gen die Augen der Braut

Der Bräu­ti­gam auf ewig gefan­gen in den Zwän­gen des Schattens.

Es gab noch wei­te­re Gedich­te – jam­bi­sche mit Kreuz­reim, Tex­te mit Bild­spra­che, jedes für sich ein Lern­an­lass zu Gedich­ten. Die­ses jedoch schien uns als Kurs pas­send zur Auf­ga­be. Die Ver­dich­tung inner­halb der Kür­ze der zur Ver­fü­gung ste­hen­den Zeit fin­de ich schon beacht­lich. Und die Auf­ga­be schien den meis­ten aus dem Kurs Freu­de gebracht zu haben – und ein pro­ba­tes Mit­tel, um sich in einen Text zu ver­s­tie­fen, ist es allemal.

 

Didaktische Reduktion

Es gibt Tage, an denen ich mich mei­ner Unter­richts­vor­be­rei­tung schä­me das Sys­tem Schu­le has­se, wel­ches mir so wenig Zeit für eine wirk­lich tie­fe Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Unter­richts­stoff lässt. Vor zwei Wochen habe ich einen Vor­mit­tag mit Imma­nu­el Kants Text „Was ist Auf­klä­rung?“ ver­bracht und zwar nicht in der Fas­sung, die in unse­rem Schul­buch steht, son­dern mit dem voll­stän­di­gen Text aus der dama­li­gen Monats­schrift. Das Schul­buch lässt die­se Fas­sung des Tex­tes noch übrig, die – so glau­be ich – in Deutsch­land 100fach SuS vor­ge­legt wird:

Auf­klä­rung ist der Aus­gang des Men­schen aus sei­ner selbst ver­schul­de­ten Unmün­dig­keit. Unmün­dig­keit ist das Unver­mö­gen, sich sei­nes Ver­stan­des ohne Lei­tung eines ande­ren zu bedie­nen. Selbst­ver­schul­det ist die­se Unmün­dig­keit, wenn die Ursa­che der­sel­ben nicht am Man­gel des Ver­stan­des, son­dern der Ent­schlie­ßung und des Muthes liegt, sich sei­ner ohne Lei­tung eines ande­ren zu bedie­nen. Sape­re aude! Habe Muth dich dei­nes eige­nen Ver­stan­des zu bedie­nen! ist also der Wahl­spruch der Aufklärung.

Faul­heit und Feig­heit sind die Ursa­chen, war­um ein so gro­ßer Theil der Men­schen, nach­dem sie die Natur längst von frem­der Lei­tung frei gespro­chen (natu­ra­li­ter majo­ren­nes), den­noch ger­ne Zeit­le­bens unmün­dig blei­ben; und war­um es Ande­ren so leicht wird, sich zu deren Vor­mün­dern auf­zu­wer­fen. Es ist so bequem, unmün­dig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Ver­stand hat, einen Seel­sor­ger, der für mich Gewis­sen hat, einen Arzt der für mich die Diät beurt­heilt, u. s. w. so brau­che ich mich ja nicht selbst zu bemü­hen. Ich habe nicht nöthig zu den­ken, wenn ich nur bezah­len kann; ande­re wer­den das ver­drieß­li­che Geschäft schon für mich über­neh­men. Daß der bei wei­tem größ­te Theil der Men­schen (dar­un­ter das gan­ze schö­ne Geschlecht) den Schritt zur Mün­dig­keit, außer dem daß er beschwer­lich ist, auch für sehr gefähr­lich hal­te: dafür sor­gen schon jene Vor­mün­der, die die Ober­auf­sicht über sie gütigst auf sich genom­men haben. […]

Zu die­ser Auf­klä­rung aber wird nichts erfor­dert als Frei­heit; und zwar die unschäd­lichs­te unter allem, was nur Frei­heit hei­ßen mag, näm­lich die: von sei­ner Ver­nunft in allen Stük­ken öffent­li­chen Gebrauch zu machen. Nun höre ich aber von allen Sei­ten rufen: räson­nirt nicht! Der Offi­zier sagt: räson­nirt nicht, son­dern exer­cirt! Der Finanz­rath: räson­nirt nicht, son­dern bezahlt! Der Geist­li­che: räson­nirt nicht, son­dern glaubt! (Nur ein ein­zi­ger Herr in der Welt sagt: räson­nirt, so viel ihr wollt, und wor­über ihr wollt; aber gehorcht!) Hier ist über­all Ein­schrän­kung der Frei­heit. Wel­che Ein­schrän­kung aber ist der Auf­klä­rung hin­der­lich? wel­che nicht, son­dern ihr wohl gar beför­der­lich? – Ich ant­wor­te: der öffent­li­che Gebrauch sei­ner Ver­nunft muß jeder­zeit frei sein, und der allein kann Auf­klä­rung unter Men­schen zu Stan­de brin­gen; der Pri­vat­ge­brauch der­sel­ben aber darf öfters sehr enge ein­ge­schränkt sein, ohne doch dar­um den Fort­schritt der Auf­klä­rung son­der­lich zu hin­dern. Ich ver­ste­he aber unter dem öffent­li­chen Gebrau­che sei­ner eige­nen Ver­nunft den­je­ni­gen, den jemand als Gelehr­ter von ihr vor dem gan­zen Publi­kum der Leser­welt macht. Den Pri­vat­ge­brauch nen­ne ich den­je­ni­gen, den er in einem gewis­sen ihm anver­trau­ten bür­ger­li­chen Pos­ten, oder Amte, von sei­ner Ver­nunft machen darf. […]

Wenn denn nun gefragt wird: Leben wir jetzt in einem auf­ge­klär­ten Zeit­al­ter? so ist die Ant­wort: Nein, aber wohl in einem Zeit­al­ter der Auf­klä­rung. Daß die Men­schen, wie die Sachen jetzt ste­hen, im Gan­zen genom­men, schon im Stan­de wären, oder dar­in auch nur gesetzt wer­den könn­ten, in Reli­gi­ons­din­gen sich ihres eige­nen Ver­stan­des ohne Lei­tung eines Andern sicher und gut zu bedie­nen, dar­an fehlt noch sehr viel. Allein, daß jetzt ihnen doch das Feld geöff­net wird, sich dahin frei zu bear­bei­ten, und die Hin­der­nis­se der all­ge­mei­nen Auf­klä­rung, oder des Aus­gan­ges aus ihrer selbst ver­schul­de­ten Unmün­dig­keit, all­mä­lig weni­ger wer­den, davon haben wir doch deut­li­che Anzeigen.

Nach inten­si­vem Stu­di­um des Ori­gi­nals muss ich sagen, dass „didak­ti­sche Reduk­ti­on“ oder gar „Platz­man­gel“ in die­sem Fall noch die harm­lo­ses­ten Erklä­run­gen dafür sein mögen, nicht dem gesam­ten Text abzu­dru­cken. Bös­wil­lig lie­ße sich fast ver­mu­ten dass dahin­ter eine Absicht steckt. War­um kommt mir die­ser Gedanke?

Beliebt ist die Auf­ga­be für SuS, zu erklä­ren, was der Unter­schied zwi­schen dem pri­va­ten und dem öffent­li­chen Gebrauch der Ver­nunft ist. Das bekommt eine beson­de­re Note, wenn man fest­stellt, dass das Kant im Ori­gi­nal selbst an meh­re­ren Bei­spie­len macht, z.B. hier:

So wür­de es sehr ver­derb­lich sein, wenn ein Offi­zier, dem von sei­nen Obe­ren etwas anbe­foh­len wird, im Diens­te über die Zwek­mä­ßig­keit oder Nütz­lich­keit die­ses Befehls laut ver­nünf­teln woll­te; er muß gehor­chen. Es kann ihm aber bil­li­ger­ma­ßen nicht ver­wehrt wer­den, als Gelehr­ter, über die Feh­ler im Krie­ges­diens­te Anmer­kun­gen zu machen, und die­se sei­nem Publi­kum zur Beurt­hei­lung vorzulegen.

Oder hier:

Eben so ist ein Geist­li­cher ver­bun­den, sei­nen Kate­chis­mus­schü­lern und sei­ner Gemei­ne nach dem Sym­bol der Kir­che, der er dient, sei­nen Vor­trag zu thun; denn er ist auf die­se Bedin­gung ange­nom­men wor­den. Aber als Gelehr­ter hat er vol­le Frei­heit, ja sogar den Beruf dazu, alle sei­ne sorg­fäl­tig geprüf­ten und wohl­mei­nen­den Gedan­ken über das Feh­ler­haf­te in jenem Sym­bol, und Vor­schlä­ge wegen bes­se­rer Ein­rich­tung des Reli­gi­ons- und Kir­chen­we­sens, dem Publi­kum mitzutheilen.

Ob es wohl auch im Geis­te so man­ches Kir­chen­obe­ren heu­te ist, was Kant hier tat­säch­lich ver­langt? Wie ergeht es eigent­lich Pries­tern heu­te, die sich „als Gelehr­te“ in Schrift­form gegen das Zöli­bat stel­len oder gegen die Abend­mahls­re­ge­lung (ein katho­li­scher Geistkli­cher muss einem Pro­tes­tan­ten das Abend­mahl ver­wei­gern, wenn die­ser nicht an die Wand­lung glaubt)?

Zurück zur Pro­ble­ma­tik der Auf­ga­ben­stel­lung: Wir schnei­den einen Text­ab­schnitt her­aus, der Ant­wort auf die Fra­ge gibt, die wir SuS zum Text stel­len. Hä? Wir schnei­den zudem einen Text­ab­schnitt her­aus, der wie kein ande­rer kla­re Bezü­ge zur heu­ti­gen Lebens­welt der SuS ermög­licht, der ange­sichts der aktu­ell lau­fen­den Sys­tem­dis­kus­sio­nen aktu­el­le Fra­gen auf­wirft, z.B. nach der Legi­ti­mi­tät des beamti­schen Schulsystems.

Außer­dem klingt es doch aus heu­ti­ger Sicht etwas ver­wun­der­lich, wenn „der Auf­klä­rer Kant“ auf ein­mal so etwas von sich gibt:

In die­sem Betracht ist die­ses Zeit­al­ter das Zeit­al­ter der Auf­klä­rung, oder das Jahr­hun­dert Friederichs.

Ein Fürst, der es sei­ner nicht unwür­dig fin­det, zu sagen: daß er es für Pflicht hal­te, in Reli­gi­ons­din­gen den Men­schen nichts vor­zu­schrei­ben, son­dern ihnen dar­in vol­le Frei­heit zu las­sen, der also selbst den hoch­müt­hi­gen Namen der Tole­ranz von sich ablehnt: ist selbst auf­ge­klärt, und ver­dient von der dank­ba­ren Welt und Nach­welt als der­je­ni­ge geprie­sen zu wer­den, der zuerst das mensch­li­che Geschlecht der Unmün­dig­keit, wenigs­tens von Sei­ten der Regie­rung, ent­schlug, und Jedem frei ließ, sich in allem, was Gewis­sens­an­ge­le­gen­heit ist, sei­ner eige­nen Ver­nunft zu bedie­nen. Unter ihm dür­fen ver­eh­rungs­wür­di­ge Geist­li­che, unbe­scha­det ihrer Amts­pflicht, ihre vom ange­nom­me­nen Sym­bol hier oder da abwei­chen­den Urt­hei­le und Ein­sich­ten, in der Qua­li­tät der Gelehr­ten, frei und öffent­lich der Welt zur Prü­fung dar­le­gen; noch mehr aber jeder ande­re, der durch kei­ne Amts­pflicht ein­ge­schränkt ist.

An vie­len Stel­len in Kants Text ist zu lesen, dass die Amts­trä­ger im Staat eben funk­tio­nie­ren (=gehor­chen) müs­sen. Damit fes­tigt er natür­lich das beamti­sche Sys­tem und die damit ver­bun­de­ne Struk­tur – passt das zu dem Bild des ver­nunft­s­ge­lei­te­ten Pro­to­typ-Auf­klä­rers? Des­po­tis­mus als „ver­nünf­ti­ge Staats­form“? Lob­hu­de­lei auf Friedrich?

Kants Hal­tung hat aber wahr­schein­lich einen Grund, der aus dem Kon­text der his­to­ri­schen Ver­hält­nis­se zu sehen ist.  Hät­te Kant auch den Beam­ten in ihrem Amt den unein­ge­schränk­ten Gebrauch der Ver­nunft zuge­stan­den, hät­te es wohl mit ziem­li­cher Sicher­heit Ärger mit dem preu­ßi­schen Herr­scher gege­ben, des­sen „frei­heit­li­che Ein­stel­lung“ in Reli­gi­ons­din­gen wohl wie­der­um ratio­nal-staat­po­li­ti­schen und nicht pri­mär durch Tole­ranz gepräg­ten Über­le­gun­gen geschul­det sein dürf­te – aber ich bin kein Geschichtslehrer.

Fest steht für mich heu­te, dass wir durch die Kür­zung die­ses Tex­tes bzw. die Hin­nah­me sei­ner Kür­zung in die­ser Form, SuS genau das impli­zit ver­wei­gern, was dar­an zu ler­nen wich­tig ist. Das ist kei­ne sinn­vol­le didak­ti­sche Reduk­ti­on, das hal­te ich für drin­gend über­den­kens­wert. Ich habe durch mei­ne Beschäf­ti­gung mit die­sem Text dar­an viel Freu­de und Gedan­ken bekommen.

Mei­ne SuS soll­ten sich in einer Haus­auf­ga­be ein Urteil dar­über bil­den, ob die durch das Deutsch­buch vor­ge­nom­me­ne Kür­zung dem Text inhalt­lich gerecht wird: Sie sind selbst­stän­dig zu ähn­li­chen Ergeb­nis­sen gekom­men. Schön. Also waren sie durch Län­ge des didak­tisch unre­du­zier­ten Tex­tes inhalt­lich nicht überfordert.

In die­sem Sin­ne: Sape­re aude!

 

 

Inhaltsangaben

Ein­lei­tung

Inhalts­an­ga­ben sind irgend­wie das Ende der Krea­ti­vi­tät. Man tas­tet sich ja lang­sam über Bil­der­ge­schich­ten, Nach­er­zäh­lung und Bericht zu den sach­li­chen Text­for­men im Deutsch­un­ter­richt vor – das ver­meint­li­che Ende der Fan­ta­sie. Hier in Nie­der­sach­sen gibt es auch eine Evo­lu­ti­on inner­halb der Text­form Inhalts­an­ga­be, näm­lich von der Zusam­men­fas­sung von nar­ra­ti­ven, fik­tio­na­len hin zu gedank­li­chen Texten.

Web­res­sour­cen

Wer sich für die Vor­be­rei­tung einer ent­spre­chen­den Unter­richts­ein­heit ein­le­sen möch­te, fin­det hier zunächst ein von mir kom­men­tier­tes URL-Lüftchen.

  1. Inhalts­an­ga­be bei Nor­bert Tho­len – umfang­rei­ches Mate­ri­al und Refle­xi­on kon­kre­ter Text­bei­spie­le. Abso­lu­ter Referenzcharakter.
  2. Übun­gen zur Inhalts­an­ga­be beim Leh­rer­freund – ziel­ge­rich­te­te, sofort umsetz­ba­re Übungs­for­ma­te und Arbeitsblätter.
  3. Peer­feed­back bei Inhalts­an­ga­ben beim Leh­rer­freund - im Unter­richt gut anwend­ba­re Metho­de, wenn man kein Klas­sen­blog hat
  4. Samm­lung mög­li­cher Sach­tex­te mit Auf­ga­ben­stel­lun­gen – gut ein­setz­bar bei teachsam.
  5. Zuord­nungs­übung zum ein­lei­ten­den Satz – wer es ganz for­mal haben möchte

War­um eine Inhaltsangabe?

Vie­le sons­ti­ge Anlei­tun­gen in Schul­bü­chern und im Web stel­len die for­ma­len Aspek­te der Inhalts­an­ga­be in den Mit­tel­punkt. Dabei ist für mich die Fra­ge nach dem Sinn und der Berech­ti­gung die­ser doch sehr sprö­den Text­form für den Deutsch­un­ter­richt die eigent­lich ent­schei­den­de, weil sie didak­ti­sche und metho­di­sche Ent­schei­dun­gen mit Blick auf das „Gesamt­pa­ket“ Deutsch­un­ter­richt erst ermög­licht. Die­ser Fokus geht ver­lo­ren, wenn die Inhalts­an­ga­be Selbst­zweck zur Übung der Umset­zung for­ma­ler Vor­ga­ben geht, obwohl das natür­lich gera­de in den jün­ge­ren Jahr­gän­ge bei der Fra­ge nach der Bewer­tung eine gro­ße Rol­le spielt.

Die Inhalts­an­ga­be hal­te ich für eine Text­form zur Dar­le­gung von Lese­kom­pe­tenz: Ist ein Text sin­nerschlie­ßend erfasst wor­den? Gleich­zei­tig ver­mit­telt sie Metho­den­kom­pe­tenz zur Gewin­nung von Text­di­stanz, die immens wich­tig ist, um wei­ter­füh­ren­de Ope­ra­tio­nen mit einem Text durch­füh­ren zu kön­nen, z.B.:

  • Bewer­tung von Aussagen
  • Ana­ly­se von Sprache
  • Ein­ord­nung in einen grö­ße­ren Zusammenhang
  • eige­ne Tex­te über­ar­bei­ten (Distanz zu sei­nem eige­nen Text gewinnen)

Nach mei­ner Erfah­rung im Unter­richt hängt das Gelin­gen oder Nicht­ge­lin­gen einer Inhalts­an­ga­be pri­mär davon ab, ob es gelingt, Text­di­stanz auf­zu­bau­en – das schafft eine Inhalts­an­ga­be, die sich am Text­fluss ent­lang­han­gelt oft weni­ger gut, als eine, die den Text struk­tu­rell kri­te­ri­en­ge­lei­tet reorganisiert.

Metho­den zur Gewin­nung von Text­di­stanz bei nar­ra­ti­ven Tex­ten mit sequen­ti­el­lem Aufbau

Für den Haupt­teil funk­tio­niert erstaun­lich gut die Drei-Wort-Was-Geschieht-Metho­de. Dazu sucht man sich in jün­ge­ren Jahr­gän­gen eine Geschich­te aus – beliebt sind ja immer Hebels Kalen­der­ge­schich­ten, die mög­lichst sinn­voll und stark in Absät­ze unter­glie­dert ist. Dann lässt man fol­gen­de Tabel­le anfertigen:

Absatz die drei wich­tigs­ten Worte Was geschieht?
1 Betrü­ger, Ring, kaufen ein Jude möch­te den Ring eines Betrü­gers kaufen
2 […] […]

Die ers­te Spal­te ent­hält die Absatz­num­mer oder die Sinn­ab­schnit­te (dann Zei­len­an­ga­ben). In der der zwei­ten Spal­te ste­hen die drei wich­tigs­ten Wor­te die­ses Absat­zes – dabei muss ein Verb ent­hal­ten sein, wel­ches die domi­nie­ren­de Hand­lung des Absat­zes beschreibt. In der drit­ten Spal­te wird auf Basis die­ser drei Wor­te die Fra­ge „Was geschieht?“ beant­wor­tet. Dabei müs­sen die drei Wor­te nicht zwin­gend ver­wen­det werden.

Die drit­te Spal­te kann man in einer Klas­se in der Regel von ver­schie­de­nen Leu­ten nach­ein­an­der „her­un­ter­le­sen“ las­sen, auch wenn sie gar nicht zusam­men­ge­ar­bei­tet haben. Es kommt oft schon so ein recht brauch­ba­rer Haupt­teil dabei her­aus. Das gan­ze würzt man bei ein­fa­chen nar­ra­ti­ven Tex­ten noch mit geeig­ne­ten Kon­junk­tio­nen und For­mu­lie­run­gen zum Ver­bin­den der ein­zel­nen Gedanken.

Den ein­lei­ten­den Satz las­se ich immer erst nach dem Haupt­teil der Inhalts­an­ga­be for­mu­lie­ren. Ich ver­bie­te dabei die For­mu­lie­rung „geht es um…“, weil sie nach mei­ner Erfah­rung dazu ver­lei­tet, Figu­ren und nicht eine Hand­lung in den Mit­tel­punkt zu stellen.

Metho­den zur Gewin­nung von Text­di­stanz bei gedank­li­chen  Tex­ten mit nicht-sequen­ti­el­lem Aufbau

Auch hier funk­tio­niert in einem ers­ten Schritt die Drei-Wort-Was-Geschieht-Metho­de, aller­dings mit einer wich­ti­gen Modi­fi­ka­ti­on, da Absät­ze in gedank­li­chen Tex­ten meist logisch-funk­tio­nal ange­legt sind. Des­we­gen muss in der drit­ten Spal­te ein Sprech­akt­verb mit ent­hal­ten sein, wel­ches gleich­zei­tig klar­macht, dass Gedan­ken eines Drit­ten wie­der­ge­ge­ben werden.

Absatz die drei wich­tigs­ten Worte Was geschieht?
1 Aids, Afri­ka, verbreiten der Autor ver­weist auf die schnel­le Ver­brei­tung von AIDS in Afrika
2 […] […]

Feh­len in einer Inhalts­an­ga­be eines Sach­tex­tes distan­zie­ren­de Äuße­run­gen in Form von Sprech­akt­ver­ben oder gram­ma­tisch anspruchs­vol­ler in Form des Kon­junk­tivs, wer­den Ori­gi­nal­text und Inhalts­ga­be sprach­lich kaum unter­scheid­bar und ein Nach­er­zäh­lungs­cha­rak­ter der bestim­men­de sein. Das pas­siert bei Inhalts­an­ga­ben nar­ra­ti­ver Tex­te eher nicht, weil das Prä­sens als Zeit­form schon einen distan­zie­ren­den Cha­rak­ter mit sich bringt – wenn denn auch schön im Prä­sens geschrie­ben wird…

Bei der Inhalts­an­ga­be eines Sach­tex­tes ver­lan­ge ich zusätz­lich, dass Absät­ze zu grö­ße­ren Sinn­ein­hei­ten kom­bi­niert wer­den, so dass For­mu­lie­run­gen wie:

Der Text glie­dert sich in drei Abschnit­te. Im ers­ten führt Ingolf Mey­er den Leser unter Ver­wen­dung eines Beispiels…
Um sei­ne The­se zu ver­deut­li­chen, bedient sich der Autor drei­er Beispiele…

mög­lich wer­den. Die zu einer Sinn­ein­heit gehö­ri­gen Abschnit­te kön­nen in gedank­li­chen Tex­ten weit ver­streut sein. Im Ide­al­fall erkennt man ihre inhalt­li­che Nähe aber durch die Drei-Wort-Was-Geschieht-Tabelle.

Die Inhalts­an­ga­be eines gedank­li­chen Tex­tes ist damit ungleich schwe­rer als die eines erzäh­len­den Textes.

eN Deutsch, NDS Abi 2012, Vorplanung

Gera­de heu­te haben wir drei Kol­le­gen bei­ein­an­der­ge­ses­sen, die mit einem Deutsch­kurs auf erhöh­tem Niveau beglückt wor­den sind. Damit man eine Vor­stel­lung davon bekommt, was wir in ers­ten Halb­jahr unter einen Hut bekom­men müs­sen, hier zunächst ein­mal das laut Kern­cur­ri­cu­lum ver­pflich­ten­de Pro­gramm:

Epo­chen­band (Rah­men­the­ma: Lite­ra­tur und Spra­che um 1800)

  • Auf­klä­rung und Roman­tik im Vergleich

Gat­tungs­band (Rah­men­the­ma: Dra­ma und Kommunikation)

  • GeÅ›taltungmittel des Dramas

Ver­bind­lich zu lesen­de Texte:

  • Fried­rich Schil­ler: Kaba­le und Lie­be (1784)
  • Fried­rich Schil­ler: Was kann eine gute ste­hen­de Schau­büh­ne eigent­lich wir­ken? (1784)

Ver­bind­li­che Unterrichtsaspekte:

  • Pro­ble­ma­ti­sie­rung von adli­ger und bür­ger­li­cher Moral
  • Über­win­dung der Ständeklausel
  • Pro­gram­ma­tik der Schau­büh­ne vor dem Hin­ter­grund der his­to­risch-gesell­schaft­li­chen Entwicklung

Zusätz­lich:

  • Aus­wei­sung eines wei­te­ren Wahlpflichtmoduls

Dilem­ma­ta

  1. Es gibt so vie­le bekann­te roman­ti­sche Dra­men (das war Ironie).
  2. Aus dem G8-Zug mit der weg­fal­len­den 11. Klas­se ist das epo­cha­le Wis­sen der SuS arg begrenzt
  3. Aus dem G8-Zug mit der weg­fal­len­den 11. Klas­se sind die Schreib­fer­tig­kei­ten der Schü­le­rin­nen und Schü­ler nicht so geübt
  4. Ich könn­te „Train-to-the-test“ machen und mich nur auf die prü­fungs­re­le­van­ten Wahl­pflicht­mo­du­le stür­zen, arbei­te aber ungern im luft­lee­ren Raum

Das KuMi in NDS wird gegen die Punk­te 2+3 ein­wen­den, dass die SuS aus dem G8-Zug beim Dop­pel­ab­itur gegen­über den SuS des G9-Zuges sogar bes­ser abge­schnit­ten haben und mei­ne Ein­wän­de daher nicht gerecht­fer­tigt sind. Der geneig­te Leser möge sich aber bit­te dazu die Zen­tral­ab­itur­auf­ga­ben des letz­ten Jah­res zu Gemü­te füh­ren und sowohl inhalt­lich als auch metho­disch beur­tei­len. Außer­dem waren wir Leh­rer wahr­schein­lich bei Punkt 4 geübter.

Ideen

Wir wol­len das Gat­tungs­band mit dem Epo­chen­band ver­knüp­fen und in einem ers­ten Schritt zunächst ein­mal auf die Ursprün­ge des Dra­mas ein­ge­hen, z.B. anhand von Aus­zü­gen aus der guten, alten sprö­den Anti­go­ne. Danach erfolgt arbeits­tei­lig die exem­pla­ri­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit Aus­zü­gen aus einem Dra­ma der frü­he­ren Auf­klä­rung („Die Juden“), des Sturm und Drang („Götz von Ber­li­chin­gen“), der Klas­sik („Iphi­ge­nie“) und des Vor­märz („Woy­zeck“). Dabei sol­len sich die SuS erst­mal mit Inhalt in Spra­che der Aus­zü­ge aus­ein­an­der­set­zen und dann anhand von klei­nen Epo­chen­über­bli­cken (z.B. im Lehr­buch „Tex­te, The­men und Struk­tu­ren“) Bezü­ge zu gesell­schaft­li­chen Ent­wick­lun­gen her­stel­len. Natür­lich ist dabei kei­ne tief­grei­fen­de inhalt­li­che Aus­ein­an­der­set­zung zu erwar­ten, aber viel­leicht zumin­dest ein Ori­en­tie­rungs­rah­men, der eine Ver­or­tung des Pri­mär­tex­tes „Kaba­le und Lie­be“ als Dra­ma mit deut­li­chen Ele­men­ten des Über­gangs von SuD zur Klas­sik über­haupt erst ermög­licht. Die Ergeb­nis­se wer­de ich in einem Blog sam­meln. Die ers­te Klau­sur könn­te somit eine sprach­li­che Ana­ly­se eines unbe­kann­ten Dra­men­aus­zugs oder eine Auf­ga­ben­stel­lung mit krea­ti­vem Anteil umfas­sen. In der zwei­ten Klau­sur ist dann eine kom­ple­xe­re Auf­ga­ben­stel­lung zum Pri­mär­text evtl. mit Bezü­gen zu einer pro­gram­ma­ti­schen Schrift mög­lich. Als zusätz­li­ches Wahl­pflicht­mo­dul drängt sich der Lite­ra­tur­aus­wahl eigent­lich WMP4 „Fami­lie im Dra­ma“ nahe­zu auf.

Die Roman­tik bekommt man auf die­se Wei­se noch nicht mit in den Unter­richt hin­ein. Aber um Weih­nach­ten her­um kann man sich die­se Epo­che anhand z.B. von Gedich­ten und einem ET.A. Hoff­mann-Text bei Ker­zen­schein (Die Abibox schlägt „Der Sand­mann“ vor) eben als Epo­che in den Fokus stel­len und klä­ren, war­um dort so gedacht und geschrie­ben wor­den ist und war­um das eben nicht so oft  Dra­men waren – im Thea­ter ist man ja eher nicht so sehr „mit sich“ oder weit weg von der Gesell­schaft und blaue Blu­men hat’s da auch kei­ne. Die Vor­aus­set­zun­gen waren ja eben ande­re als zur Zeit der Auf­klä­rung. Mit dem einen oder ande­ren Gedicht wäre dann auch das fol­gen­de Rah­men­the­ma „Viel­falt lyri­schen Spre­chens“ im zwei­ten Semes­ter vorbereitet.

Viel­leicht habt ihr ja noch ande­re Ideen, wie sich die Vor­ga­ben in ein Semes­ter brin­gen las­sen. Über den Ver­gleich zwi­schen Auf­klä­rung und Roman­tik muss­te ich ein wenig den Kopf schütteln.

Aufgabenformate Zeichensetzung

Ich habe vor eini­ger Zeit mit mei­ner Klas­se mit Hil­fe des Quiz­Script-Frame­works in mei­nem Unter­richt eige­nen Übun­gen zur Recht­schrei­bung erstel­len las­sen. Ich prä­sen­tie­re hier ein­mal einen Ansatz, den ich bemer­kens­wert hal­te und den ich noch nie in Papier­form gese­hen habe – wobei ich ehr­li­cher­wei­se wenig Papier in den letz­ten Jah­ren dazu stu­diert habe. Die Lösung ist nicht ganz leicht, die Auf­ga­ben­stel­lung viel­leicht ein wenig irre­füh­rend – aber man kann sich herantasten.

Auf­ga­be:

Ent­schei­de, ob das Kom­ma in den Sät­zen an der rich­ti­gen oder fal­schen Stel­le steht. Pass auf! Manch­mal ist ein Kom­ma mög­lich aber nicht Pflicht! Kreu­ze dann „mög­lich“ an. Ist der Satz „rich­tig“ kli­cke es ein­fach an. Über­leg ob das Kom­ma auch feh­len darf dann kli­cke „mög­lich“ an!

Ich gehe in den Wald, und ich sehe dort einen Vogel. (rich­tig) (!falsch) (!mög­lich)

Gehen sie bit­te in die de Raum G221, und fra­gen Sie Herrn Riecken! (!rich­tig) (!falsch) (mög­lich)

Das Lied begann, als Stil­le in der Aula ein­kehr­te, und nie­mand mehr flüs­ter­te. (!rich­tig) (falsch) (!mög­lich)

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