Präsenztage in der Schule – das Prinzip der sozialen Rekursivität in öffentlichen Debatten

Auch auf­grund von “Vermittlungsproblemen” in der Bevöl­ke­rung sehen sich die Kul­tus­mi­nis­te­ri­en der Län­der nun­mehr “gezwungen”, Prä­senz­ta­ge für Lehr­kräf­te an den Schu­len ein­zu­füh­ren, so jeden­falls ein zunächst wenig beach­te­ter Beschluss der KMK auf ihrer letz­ten Zusam­men­kunft. Als ehe­ma­li­ger Per­so­nal­rat und durch­aus auch kri­ti­scher Betrach­ter der Pri­vi­le­gi­en unse­rer Berufs­spar­te möch­te ich doch die­se Idee nicht unkom­men­tiert lassen.

Wäh­rend Jan-Mar­tin Klin­ge sich eher mit den resul­tie­ren­den Ver­wal­tungs­fra­gen aus­ein­an­der­setzt und sich an Din­gen wie dem Gleicheits­grund­satz im Duk­tus von Beam­ten­deutsch abar­bei­tet, lege ich den Fokus bewusst etwas anders und begin­ne dabei mit einer klei­nen Anekdote:

Als an unse­rer Schu­le schwe­di­sche Lehr­kräf­te zu Gast waren, haben wir Ihnen natür­lich mit eini­gem Stolz unser frisch reno­vier­tes, wirk­lich groß­zü­gig gestal­te­tes Leh­rer­zim­mer gezeigt. Die Reak­ti­on war durch­aus posi­tiv. Das ist hoch zu bewer­ten, wenn man etwas mit schwe­di­scher Schul­ar­chi­tek­tur ver­traut ist. Es kam aber sofort auch die Fra­ge mit dem für mich immer wie­der put­zig anzu­hö­ren­den schwe­di­schen Akzent: “Das ist eine schö­nes Raum. Wo triffst du dich mit dei­ne Kol­legs, um zu arbeiten?” – “Ja hier halt!”, ant­wor­te­te ich. “Nein, das hier ist eine tol­les Sozi­al­raum, aber kei­ne Arbeitsplatz!”, kam sofort der Ein­wand. Für den schwe­di­schen Kol­le­gen war es unvor­stell­bar, kei­nen Arbeits­platz in der Schu­le zu haben.

Ich fin­de, dass die­se Anek­do­te den Kern der Pro­ble­ma­tik zeigt: Selbst wenn ich in der Schu­le arbei­ten woll­te, könn­te ich es selbst nicht mit hin­rei­chen­der Effek­ti­vi­tät tun. Im Leh­rer­zim­mer trifft man sich und tauscht sich aus. Das ist Fluch und Segen zugleich: Fluch für den Wunsch, z.B. läs­ti­ge Kor­rek­tur­ar­bei­ten zügig zu erle­di­gen, Segen für den Aus­tausch zu päd­ago­gi­schen Fra­gen – letz­te­re lie­ßen sich aber weit­aus effek­ti­ver klä­ren, wenn alle Betei­lig­ten anwe­send wären. In der jet­zi­gen Form des KMK-Beschlus­ses ist den Lehr­kräf­ten ja weit­ge­hend frei­ge­stellt, wann sie sich in der Schu­le einfinden.

Dass es in der Schu­le i.d.R. kei­nen geeig­ne­ten Arbeits­platz gibt außer den schnell über­füll­ten Leh­rer­ar­beits­zim­mern bedingt ja zusätz­lich qua­si einen heim­li­chen Vertrag:

“Du Kol­le­ge setzt dein häus­li­ches Arbeits­zim­mer von der Steu­er ab, hast somit vol­le Frei­heit in dei­nem Home­of­fice und dafür spa­ren wir die eine oder ande­re Mark bei der räum­li­chen und säch­li­chen Aus­stat­tung der Schulen.”

An so Din­gen wie den Rege­lun­gen zur Daten­ver­ar­bei­tung auf pri­va­ten DV-Gerä­ten von Lehr­kräf­te (Link auf Erlass hier in Nie­der­sach­sen) sieht man recht hübsch, dass die­ses Kon­strukt auch gele­gent­lich hef­tig knirscht, aber im Gro­ßen und Gan­zen natür­lich funk­tio­niert. Wenn man mich jetzt zwingt, in der Schu­le tätig zu sein, könn­te ich ja auf die Idee kom­men, dar­aus auch Ansprü­che abzu­lei­ten – inso­fern weiß ich nicht, ob der Dienst­herr sich auf lan­ge Sicht damit wirk­lich einen Gefal­len tut.

Ich kann ver­ste­hen, war­um vie­le Men­schen uns Lehr­kräf­te als pri­vi­le­giert wahr­neh­men. Ich bin mir nicht so sicher, ob das nun gesetz­te Signal wirk­lich geeig­net ist, die übli­chen Stamm­tisch­ste­reo­ty­pe über Leh­rer wirk­sam im Sin­ne einer sicher­lich auch inten­dier­ten Für­sor­ge durch den Dienst­herrn abzu­mil­dern – da schei­nen mir Din­ge wie die Unkünd­bar­keit oder Pen­si­ons­re­ge­lun­gen durch­aus gewich­ti­ger in der Wahr­neh­mung “meiner” Stamm­tisch­kon­tak­te außer­halb der Leh­rer­sze­ne. Gera­de in Bezug auf die säch­li­che Aus­stat­tung sind wir als Lehr­kräf­te m.E. eben nicht unbe­dingt gutgestellt.

Das Ein­zi­ge, was man schafft, ist “soziale Rekur­si­on” – man ändert an einer Stel­le etwas, was in der Fol­ge wei­te­re Pro­zes­se in Gang setzt, die sich auf den glei­chen Aus­gangs­punkt bezie­hen, aber im Gegen­satz zur mathe­ma­ti­schen Rekur­si­on kaum vor­her­seh­bar sind. Sicher ist: Wir kom­men immer wie­der bei der glei­chen Fra­ge an.

Was denkt ihr? Könn­ten Prä­senz­ta­ge sinn­voll dabei hel­fen, dass Lehr­kräf­te nicht mehr so pri­vi­le­giert wah­ge­nom­men wer­den? Gin­ge für euch ein sol­ches Ansin­nen auf?

Blogparade: Schulbuch 2015

Auf Twit­ter ergab sich vor eini­ge Tagen eine inter­es­san­te Dis­kus­si­on zum The­ma Schul­bü­cher – auch immer wie­der ein­mal The­ma im deut­schen #EDCHATDE. Her­aus­ge­kom­men ist die Idee einer Blog­pa­ra­de zum The­ma Schul­buch, an der ich mich mit die­sem Arti­kel beteilige.

Wer mich kennt, weiß, dass ich eigent­lich nie ohne haar­sträu­ben­de Ana­lo­gien und Geschich­ten aus­kom­me – auch dies­mal bleibt das nie­man­dem erspart – aber Geduld: Ich kom­me irgend­wann auf den Punkt.

Die Ana­lo­gie

Letz­te Woche woll­te ich an mei­nen recht betag­ten Fahr­zeug die Stoß­dämp­fer wech­seln – eigent­lich muss­te ich das sogar, weil die unte­re Lager­buch­se des Dämp­fers auf der rech­ten Sei­te schon ziem­lich aus­ge­schla­gen war. Bei mei­nen Auto ( VW T4 )  ist das auch im Prin­zip kein Pro­blem und auf der Auf­fahrt zu machen. Zudem hat man auf die­se Wei­se immer die Legi­ti­ma­ti­on, neu­es Werk­zeug zu kau­fen – immer­hin woll­te die Werk­statt stol­ze 270,- Euro haben – bei einem Mate­ri­al­preis von 100,- Euro für ein Paar Mar­ken­dämp­fer saßen da 50 Euro für Werk­zeug drin. In dem sehr gut gepfleg­ten Wiki zu mei­nem Auto stand zum Dämp­fer­wech­sel nur ein Satz, der mir Sor­gen machte:

Befes­ti­gungs­schrau­be und ‑mut­ter der Dämp­fer­auf­nah­me her­aus­dre­hen (Sechs­kant M12, 100 Nm). Hier­bei kann es pas­sie­ren, dass die Mut­ter sich nicht löst, son­dern statt­des­sen, die Schrau­be, wel­che von oben mit der Karos­se­rie ver­bun­den ist, sich aus der Hal­te­rung löst und mit­dreht. Dann ist es not­wen­dig die Schrau­be von oben von Dreck zu befrei­en und mit einem 18er Maul­schlüs­sel (am bes­ten in fla­cher Aus­füh­rung) zu kontern.

Dazu wird eine zwei­te Per­son benö­tigt, da der Kopf der Schrau­be nur teil­wei­se aus dem Blech raus­steht. (Quel­le)

Wie sich her­aus­stel­len soll­te, konn­te das nicht nur pas­sie­ren, es pas­sier­te auch auf bei­den Sei­ten (zudem wur­de ein Schlüs­sel SW21 benö­tigt und kein SW18).

So ein Schlüs­sel sieht so aus:

standardwerkzeug_a

In so einem Ding steckt eine Men­ge Hirn­schmalz, den man die­sem Stahl­kno­chen erst­mal nicht ansieht. Der Schlüs­sel ist z.B. gewin­kelt (übli­cher­wei­se um 15°):

standardwerkzeug_b

Durch die­se Wink­lung kann man den Schlüs­sel in engen Berei­chen ein­fach umdre­hen und kommt so mit der Schrau­be wei­ter. Die Öff­nung des Schlüs­sels ist genormt: Ein Schlüs­sel SW21 passt zu jeder Schrau­be, deren Kopf 21mm breit ist – Schrau­ben­wei­ten sind genormt, sodass die­ser Schlüs­sel über­all ein­setz­bar ist, wo die glei­che Norm gilt. Da klappt aber nur, wenn der Schlüs­sel ein wenig wei­ter als die Norm­grö­ße 21mm ist – Pro­fi­werk­zeug weist hier weni­ger Tole­ran­zen auf als Bau­markt­wa­re und passt daher grund­sätz­lich bes­ser zur Schraube.

Mei­ne Schrau­be, die es mit dem Schlüs­sel zu lösen galt, war genormt, aber der Schlüs­sel selbst viel zu dick, um in den dar­über­lie­gen­den Zwi­schen­raum zu pas­sen. Ich bekam die eine Schrau­be damit nicht zu packen. Einen fla­chen Schlüs­sel SW21 gab es anschei­nend im gan­zen Inter­net nicht – die sind auch sehr unüb­lich. Wenn es einen sol­chen Schlüs­sel gege­ben hät­te, wäre immer noch eine zwei­te Per­son zum Gegen­hal­ten erfor­der­lich gewe­sen, da ein fla­cher Schlüs­sel schnell „nach oben abrutscht“ – des­we­gen ist der Norm­schlüs­sel ja auch so dick, um genau das zu verhindern.

Der eini­zi­ge ver­füg­ba­re Hel­fer hät­te es kör­per­lich nicht geschafft, eine ange­ros­te­te Schrau­be mit einem Anzugs­dreh­mo­ment von 100Nm zu kon­tern. Was tun?

Wenn bei mir ein Werk­zeug nicht passt, baue ich mir eines.

Die­se Idee kam nicht von mir, son­dern von einem befreun­de­ten Vater, der mich vor dem Auto grü­beln sah. Erst habe ich die­sen Gedan­ken ver­wor­fen, aber schon eine Stun­de spä­ter stand ich mit der Flex und dem Norm­schlüs­sel in der Gara­ge. Her­aus­ge­kom­men ist das hier:

werkzeug_aDie Schlüs­sel­en­den ver­jün­gen sich nach vor­ne. Die­sen Schlüs­sel konn­te ich jetzt mit Kara­cho über den Schrau­ben­kopf prü­geln, das Blech dar­über dien­te als Wider­la­ger und hielt den Schlüs­sel sicher auf dem Schrau­ben­kopf. Mit einem guten Früh­stück und einer lan­gen Knar­re lös­te sich äch­zend und knar­rend die Mut­ter von der Schrau­be – ohne Helfer.

Wie ich Schul­bü­cher verwende

Ich ver­wen­de Schul­bü­cher im Unter­richt fast nie. Es sind für mich genorm­te Werk­zeu­ge, die zu genorm­ten Pro­blem­stel­lun­gen in Form von Cur­ri­cu­la pas­sen. Mehr noch als bei mei­nem Auto­bei­spiel von oben gilt bei Lern­pro­zes­sen im Gegen­satz zu DIN-Schrau­ben für mich oft die „Norm­lo­sig­keit“. Ich unter­rich­te u.U. in zwei Klas­sen par­al­lel, aber die­se Klas­sen mit ihren Indi­vi­du­en ent­spre­chen nicht der Norm – oder jeweils anders. Trotz­dem kann es – bei mir immer sel­te­ne­re – Fäl­le geben, in denen ein genorm­ter Schlüs­sel sehr gut geeig­net ist. Genau wie der Schlüs­sel ist das Schul­buch ja sogar auf meh­re­ren Ebe­nen bis in Details durch­dacht – nur gibt es nicht immer die „Schrau­be“, die zu ihm passt. Daher nut­ze ich ein Schul­buch grund­sätz­lich nur für Anre­gun­gen bei der Vor­be­rei­tung des Unterrichts.

Ein sehr gutes Buch auch nach 15 Jah­ren Lehr­erle­ben und zahl­rei­chen Über­ar­bei­tun­gen ist für mich „Tex­te, The­men und Struk­tu­ren“. Recht zeit­los und erfreu­lich unbe­ein­druckt von schnell­le­bi­gen didak­ti­schen Gra­ben­kämp­fen fin­den sich für mich dar­in immer wie­der inter­es­san­te Tex­te und neue Bli­cke auf Din­ge wie „Schrei­ber­zie­hung“. Es ist für mich ein wenig so wie ein Eng­län­der im Werkzeugbereich.

In mei­nem Regal (ich kom­me für alle mei­ne Schul­bü­cher mit 2m Regal­flä­che aus) ste­hen neben uni­ver­si­tä­ren Lehr­wer­ken auch noch Übungs­blatt­samm­lun­gen, eini­ge Arbeits­hef­te und Ver­suchs­vor­schrif­ten (ich unter­rich­te Che­mie). Das steht da, weil es manch­mal Arbeit spart, wenn es schnell gehen muss. Hin und wie­der ver­irrt sich noch eine unver­langt zuge­schick­tes „Pro­be­ex­em­plar“ dort­hin, wel­ches aber meist nach ein bis zwei Mona­ten sei­nen Weg ins Alt­pa­pier findet.

Wäre ich Fremd­spra­chen­leh­rer, hät­ten Schul­bü­cher für mich aller­dings einen ganz ande­ren Stellenwert.

Die Geschich­te dahin

Als jun­ger Kol­le­ge fehl­te mir oft die Zeit, um mit der Flex in die Gara­ge zu gehen und auf einem zu gro­ßen Schrau­ben­schlüs­sel her­um­zu­schlei­fen. Außer­dem hat­te ich viel zu viel Ehr­furcht vor der Leis­tung der Buch­au­to­ren: Was kann ich klei­nes Licht schon bes­ser machen als ein durch­dach­tes Schul­buch? Damit ist man doch auf jeden Fall auf der siche­ren Sei­te! Es ist auf das Cur­ri­cu­lum abge­stimmt, durch ein Lek­to­rat gelau­fen und bie­tet mir Ori­en­tie­rung. Pfif­fi­ge Ideen wie die 15-Grad­wink­lung beim der Schrau­ben­schlüs­sel­ana­lo­gie wären mir aus mei­ner Unter­richts­pra­xis her­aus gar nicht erst gekom­men. So ist das Dona­tor-Akzep­tor-Prin­zip als fun­da­men­ta­le didak­ti­sche Grö­ße im Che­mie­un­ter­richt wohl ein ech­tes Ver­dienst von Schulbüchern.

Wenn ich dann dar­über­hin­aus noch Ideen habe, ist es Dank der Soli­di­tät in der Lage, den Fun­ken­strahl der ers­ten Flex­ver­su­che anzu­len­ken oder mich wie­der auf den siche­ren Stan­dard­weg zu bringen.

Mit den Jah­ren fiel die­se fast ehr­fürch­ti­ge Bezie­hung mehr und mehr in sich zusam­men – ins­be­son­de­re in der Che­mie: Sie schrei­ben die Nernst­sche Glei­chung ein­mal mit Minus und ein­mal mit Plus­zei­chen – aha. Und hier schrei­ben sie „wie man leicht sieht“ – die Schü­le­rin­nen und Schü­ler sehen es aber so gar nicht. Und was soll die­ser Begriff schon an die­ser Stel­le? Und dann waren es gera­de die­se Stun­den, in denen Schü­le­rin­nen und Schü­ler das Buch hin­ter­frag­ten, die fach­lich den höchs­ten Ertrag zu brin­gen schie­nen. Ich lern­te in den Jah­ren auch Buch­au­to­ren ken­nen. Die Ehr­furcht wich ganz schnell einer prag­ma­ti­schen Hal­tung je mehr Schrau­ben­schlüs­sel ich selbst zurecht­schliff. Dabei gab es auch ein­mal blu­ti­ge Fin­ger oder einen ver­brann­ten Pul­li. Die Arbeit mit der Flex birgt auch Risi­ken. Aber das nächs­te Werk­zeug wur­de dann eben bes­ser. Der dazu not­wen­di­ge „Arsch in der Hose“ muss sich aber ent­wi­ckeln – er ist nicht von vorn­her­ein da. Genau an die­ser Stel­le hal­te ich Schul­bü­cher für wichtig.

Dazu kamen dann noch die cur­ri­cu­la­ren und didak­ti­schen Stür­me: Wel­cher Ver­lag konn­te oder soll­te da noch hin­ter­her­kom­men? Die Lücke zwi­schen dem sehr dyna­mi­schen Cur­ri­cu­lum und dem ver­hält­nis­mä­ßig sta­ti­schen Schul­buch scheint immer grö­ßer zu werden.

Rand­no­tiz: Ich und die Verlage

Es gibt hier im Blog eine gan­ze Serie zum The­ma „Riecken und die Ver­la­ge“ bzw. mitt­ler­wei­le auch eini­ge Start­ups. Daher nur eine Rand­no­tiz: Eigent­lich weiß ich viel wenig über die inter­nen Struk­tu­ren in Ver­la­gen. Das kommt viel­leicht noch – ansons­ten ist die­se Web­sei­te mitt­ler­wei­le an vie­len neur­al­gi­schen Stel­le ja lehr­buch­ähn­lich. Ich habe in den Jah­re durch zahl­rei­che „Ange­bo­te“ gelernt, Pro­du­zen­ten von Inhal­ten Hoch­ach­tung zu zol­len unter sol­chen Bedin­gun­gen über­haupt noch etwas mit Hand und Fuß zu pro­du­zie­ren. Soll­te es mich wirk­lich noch ein­mal über­kom­men, schrie­be ich ein Lehr­buch online und bäte um Spen­den für mei­ne Arbeit – qua­si das Körb­chen am Aus­gang nach dem Kon­zert. Wahr­schein­lich käme da mehr zusam­men als bei einer Ver­öf­fent­li­chung über die übli­chen Distributionswege.

Fazit

Für mei­ne Fächer bin ich ein ganz schlech­ter Kun­de für Schul­buch­ver­la­ge. Schul­bü­cher set­ze ich kaum im Unter­richt ein. An deren Stel­le tre­ten struk­tu­rier­te Auf­zeich­nun­gen in zuneh­mend auch digi­ta­ler Form, die den Lern­stoff für alle Betei­lig­ten zugäng­lich machen.

Für die Unter­richts­vor­be­rei­tung als Impuls­ge­ber und in Fäl­len, wo ich z.B. ein neu­es Fach unter­rich­ten muss, bie­ten mir Schul­bü­cher zunächst eine siche­re Burg, bis ich die Gegend hin­rei­chend erforscht habe und die jewei­li­ge didak­ti­sche Flex hal­ten kann. Ansons­ten hat zum Pro­zess der Unter­richts­vor­be­rei­tung mein Blog­ger­kol­le­ge Andre­as Kalt eigent­lich alles Wesent­li­che gesagt.

Blogparade: Lehrer von morgen heute denken.

Dejan Miha­j­lo­vic ruft zu einer Blog­pa­ra­de zum Pro­fil kom­men­der Lehr­kräf­te auf. Ich ver­su­che, das mal auf fünf Punk­te ein­zu­damp­fen. Die Lehr­kraft von morgen

  • ver­fügt über pro­fun­des, ver­netz­tes und stets hin­ter­frag­tes Fach­wis­sen und steht damit über dem Stoff, den sie vermittelt.
  • ist in der Lage, Schul­ent­wick­lung über die Bedürf­nis­se der eige­nen Per­son hin­aus mit­zu­ge­stal­ten oder mitzutragen.
  • ist in der Lage, eige­ne Denk- und Unter­richts­struk­tu­ren zu hin­ter­fra­gen und weiterzuentwickeln.
  • erkennt den Wert explo­ra­ti­ven und expe­ri­men­tier­freu­di­gen Ver­hal­tens und nimmt das nicht als Belas­tung wahr.
  • stelllt sich immer wie­der der Rück­mel­dung ande­rer Men­schen, mit denen es in einem Team arbeitet.

Ich glau­be, das reicht dann auch schon. Es zeigt aber auch den Kern der Problematik:

  1. Wie wäh­le ich Lehr­per­so­nen dann aus?
  2. Wel­che die­ser Eigen­schaf­ten sind ver­mit­tel­bar und wel­che nicht?
  3. Wer ver­mit­telt wie?
  4. Ist das dahin­ter­ste­hen­de Men­schen­bild realistisch?

Und wieder zwei Diktate zur Getrennt- und Zusammenschreibung

Ich dies­mal die ent­spre­chen­den Refe­ren­zen direkt bei den Wor­ten zur Kon­trol­le für euch ver­linkt. Lei­der löst in mei­nen Augen der Duden die Regeln nicht ganz kon­se­quent und scheint sich in Tei­len auch der tat­säch­li­chen Pra­xis prag­ma­tisch anzupassen.

Dies­mal habe ich im Prin­zip nur drei Regeln vermittelt:

  1. Die Getrennt­schrei­bung ist die Regel.
  2. Dies gilt nicht bei Nominalisierungen.
  3. Dies gilt nicht, wenn eine über­tra­ge­ne Bedeu­tung vorliegt.

Im Wesent­li­chen klappt es mit die­sem redu­zier­ten Regel­satz. Die emp­foh­le­ne Schrei­bung des Wor­tes „leicht machen / leicht­ma­chen“ ist aus mei­ner Sicht durch den Duden hier inkon­se­quent gelöst. Wenn ich ein Flug­zeug leicht mache (es um Gewicht erleich­te­re), liegt in mei­nen Augen die wört­li­che Bedeu­tung vor (Getrennt­schrei­bung), wenn ich es durch ein anspruch­lo­ses Dik­tat einem Schü­ler leicht­ma­che, die über­tra­ge­ne. Der Duden schlägt in bei­den Fäl­len die Getrennt­schrei­bung vor, obwohl es hier ja einen seman­ti­schen Unter­schied gibt.

Die meis­te Wör­ter sind in der Unter­richts­ein­heit ent­we­der geübt wor­den, die SuS haben in Word­Press mit dem Quiz-Script-Frame­work die­se als Bei­spie­le in ihren selbst­ge­stal­te­ten Übun­gen ver­wen­det oder die Wor­te stan­den auf einer Lernliste.

Dik­tat 1 (ca. 225 Wörter):

Die Rege­lung zum Nach­schrei­ben von Klau­su­ren und Klas­sen­ar­bei­ten am all­ge­mein­bil­den­den (auch all­ge­mein bil­den­den) Kepp­ler-Gym­na­si­um ist mitt­ler­wei­le völ­lig unge­eig­net für zart­be­sai­te­te (auch: zart besai­te­te) Schü­ler­na­tu­ren. Die Lehr­kräf­te wol­len den Eltern und Schü­lern tat­säch­lich weis­ma­chen, dass der Ter­min an einem Frei­tag­nach­mit­tag geeig­net wäre. Dabei müs­sen doch die all­ge­mein ver­ständ­li­chen (auch: all­ge­mein­ver­ständ­li­chen) Nach­tei­le auch dem letz­ten klar sein. Wer kann sich denn nach einer lan­gen Schul­wo­che nach einer viel zu kur­zen Pau­se noch so locker­ma­chen, dass er mit die­sem Ter­min von sei­ner Kon­zen­tra­ti­ons­fä­hig­keit her zurecht­kommt? All­zu oft sahen sich gera­de Schü­le­rin­nen und Schü­ler aus den jün­ge­ren Klas­sen außer­stan­de (auch: außer Stan­de), zu solch einem Zeit­punkt noch Wis­sen preis­zu­ge­ben. Von vorn­her­ein ist klar, dass die Leis­tun­gen dadurch ins­ge­samt sin­ken. Wur­de schü­ler­sei­tig bei einer anste­hen­den Arbeit auch ein­mal blau­ge­macht?
Natür­lich liegt die­ser Ver­dacht immer in der Luft, das darf man aus Leh­ren­den­sicht nicht wun­der­neh­men. Es ist auf­wän­dig, extra für ein Lern­grup­pen­mit­glied eine eige­ne Arbeit zu kon­zi­pie­ren, aber gerät die Schu­le nicht in Ver­dacht, es sich viel zu leicht zu machen (auch: leicht­zu­ma­chen), wenn durch den unter­stell­ten Gene­ral­ver­dacht auch die­je­ni­gen lei­den, die wirk­lich an dem betref­fen­den Tag krank waren? Auch bei Lehr­kräf­ten gilt ein Ver­trau­ens­prin­zip: Sie müs­sen sich bei Arbeits­un­fä­hig­keit erst ab dem drit­ten Tag offi­zi­ell krank­schrei­ben lassen. 
Nichts­des­to­trotz gehen die Fehl­zei­ten bei Klas­sen­ar­bei­ten und Klau­su­ren nach Ein­füh­rung der Rege­lung ste­tig zurück. Es wird den Schü­le­rin­nen und Schü­ler wohl nichts ande­res übrig blei­ben (auch: übrig­blei­ben), als sich mit der Rege­lung zu arrangieren.

Dik­tat 2 (ca. 225 Wörter):

All­zu oft sah er sich außer­stan­de (auch: außer Stan­de) die Namen der neu­en Lern­grup­pe ken­nen­zu­ler­nen (auch: ken­nen zu ler­nen) und war so dem Spott der schö­nen Petra preis­ge­ge­ben. Wann immer sie ihn bloß­stel­len konn­te, tat sie es, was für ihn eine Angst machen­de Erfah­rung war. Erst seit kur­zem unter­rich­te­te er in der Klas­se, aber schon jetzt woll­te er in jeder Stun­de so schnell wie mög­lich mit dem Unter­richt fer­tig sein. Er hat­te das unbe­stimm­te Gefühl, dass Petra ihn sehr bald so rich­tig fer­tig­ma­chen wür­de. Das Bei­sam­men­sein mit der Lern­grup­pe wur­de für ihn bald zu einer Furcht ein­flö­ßen­den (auch: furcht­ein­flö­ßen­den) Pflicht.
Wie konn­te ein ein­zi­ges, unschul­dig aus­se­hen­des Mäd­chen so viel Angst und Schre­cken bei einem gestan­de­nen Mann wie ihm ver­brei­ten? Als Petra eines Tages krank­heits­be­dingt nicht am Unter­richt teil­neh­men konn­te, sah er sei­ne Chan­ce gekom­men: Gera­de­her­aus gestand er der Lern­grup­pe, wor­an er litt. Die­se nahm die Nach­richt ungläu­big auf. Petra war in der Klas­se dafür bekannt, es neu­en Lehr­kräf­ten nicht beson­ders leicht zu machen (auch: leicht­zu­ma­chen), aber auch hoch geschätzt (auch: hoch­ge­schätzt) für ihr sozia­les Enga­ge­ment. Die Klas­se konn­te es dem ver­zwei­fel­ten Refe­ren­dar nur nahe­le­gen, sich auf ein direk­tes Gespräch mit Petra ein­zu­las­sen. Dazu sah sich der jun­ge Leh­rer jedoch nicht in der Lage. Irgend so ein inne­rer Schwei­ne­hund hin­der­te ihn, das Pro­blem direkt anzu­ge­hen. Unver­rich­te­ter Din­ge ver­ließ er auch an die­sem Tag die Schu­le. Als er die Woh­nung sei­ner Freun­din betrat, blick­te er kurz ver­stoh­len in das Zim­mer ihrer kran­ken Tochter.

Jubelperser und rhetorische Raubeine

… und dann doch die zu wenig Begeis­ter­ten. (das wird hier ein Rant)

Ich fin­de Dis­kurs ja ganz pri­ma. Wenn die Din­ge auf den Tisch kom­men, ist es oft der ers­te Schritt, um Ver­än­de­rung zu initi­ie­ren. Wenn sich Pro­zes­se aber immer wie­der wie­der­ho­len, muss man sich die Fra­ge stel­len, ob es um Ver­än­de­rung oder um Recht­ha­ben, bzw. die Struk­tur des Dis­kur­ses geht.

Und ich stel­le mir die Fra­ge, was man mit die­ser dort gepark­ten Ener­gie alles anstel­len könnte.

Die Schu­len, mit denen ich so Kon­takt kom­me, inter­es­siert die­se in Rela­ti­on zu ihrem Leben wirk­lich­keits­ent­kop­pel­te Twit­ter- oder Blog­dis­kurs­welt nicht. Selbst wenn die Betei­lig­ten in die­se Sphä­re des Digi­ta­len ein­tauch­ten (sie tun es nicht), wären allen­falls Kopf­schüt­teln und Abwehr die Reak­ti­on. Gut so. Gibt ande­re Sor­gen und Probleme.

Es mag eine Zeit gege­ben haben, in der (Geistes-)Wissenschaft Poli­tik bera­ten hat und nicht nur gehört, son­dern auch teil­wei­se adap­tiert wur­de. Das setzt aber poli­ti­schen Gestal­tungs- und Füh­rungs­wil­len vor­aus und die Fähig­keit, nicht nur die eige­ne klei­ne Welt zu sehen, son­dern die Ver­net­zungs­po­ten­tia­le. Wie ver­brei­tet sind die­se Fähig­kei­ten? Wie stark ist heu­te das „Backend“, wel­ches die Gestal­tungs­wil­li­gen z.B. mit Rechts- und Pro­zess­be­ra­tung unter­stützt, ihnen den Rücken freihält?

(Geistes-)Wissenschaft erkennt m.E. nicht, dass die­se Ära ent­schie­den vor­bei ist – sie ist es, die in ihren Struk­tu­ren ver­harrt – oach, wir machen Stu­di­en (mit teil­wei­se m.E. so aben­teu­er­li­chen Fra­ge­stel­lun­gen wie: „Beför­dern Tablet­klas­sen den Lern­pro­zess?“) oder schrei­ben elo­quen­te Grund­satz­auf­sät­ze (die dann in Fil­ter­bub­bels durch­ge­reicht und dis­ku­tiert wer­den). Ich mag das ja auch, strei­che aber davon für mei­ne Arbeit gleich 95%.

Der Bedarf aber lau­tet (dar­über kann jam­mern oder es hin­neh­men wie im Früh­ling die Blu­men): „Sage mir, wie ich mir mög­lichst wenig Res­sour­cen den Out­put stei­gern kann!“ Sor­ry, und Pssst! – die­sen Bedarf decken längst andere!

War­um soll ich mich als Poli­ti­ker von „dis­kurs­ver­lieb­ten Social­me­dia­fuz­zis“ lei­ten las­sen? Mei­ne größ­te Wäh­ler­grup­pe sind nicht die Fami­li­en. Kin­der und Jugend­li­che schon gar nicht.

Ganz neben­bei machen sich Schu­len – so ganz extrain­ter­ne­tis­tisch – mit ganz ande­ren Moti­va­tio­nen auf den Weg. Da geht es oft zunächst um Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­zes­se. Tech­nik hilft dabei. Meta­ge­sei­er über poten­ti­el­le tech­ni­sche Poten­tia­le zunächst ganz viel weni­ger. Was danach kommt – mal sehen. Meist kom­men Ideen.

Wir müs­sen gera­de ganz stark dar­auf auf­pas­sen, hilf­rei­che Metho­den wie Pro­jekt­ma­nage­ment nicht in der Wahr­neh­mung der Schu­len abzu­fa­ckeln. Jacket, Schlips und tol­le Foli­en über Qua­li­täts­ma­nage­ment­pro­zes­se tra­gen genau bis zu der Erkennt­nis, dass es für die Umset­zung Res­sour­cen braucht. Die Kom­pe­ten­zen bren­nen ja schon lich­ter­loh. Die Inklu­si­on schwelt bereits kräftig.

Das Ziel könn­te ja hei­ßen: Bes­se­re Bil­dung und gerech­te­rer Zugang zu ihr. Ist das nicht die Gemein­sam­keit? Und auch ich ertra­ge iPads. Wer mich kennt, weiß: Da kann das mit dem Aner­ken­nen  ande­rer Wege und Schwer­punkt­set­zun­gen doch nicht so schwer sein.

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