Reaktionsmechanismen: Pfeile und Halbpfeile

Manch­mal stol­pe­re ich über Sach­ver­hal­te, die so ein­leuch­tend und sim­pel sind, dass ich mich fra­ge, war­um sie nicht zum Stan­dard­re­per­toire eines jeden Che­mie­lehr­bu­ches für die Schu­le gehö­ren. Ich bin heu­te zum ers­ten Mal auf Halb­pfei­le zur Kenn­zeich­nung einer homo­ly­ti­schen Spal­tung eines Elek­tro­nen­paa­res in Zusam­men­hang mit der radi­ka­li­schen Sub­sti­tu­ti­on an Alka­nen gestoßen:

Hal­ber Pfeil, ein Pfeil­spit­zen­ha­ken = Ver­la­ge­rung eines Elek­trons. Die Voll­pfei­le, zwei Pfeil­spit­zen­ha­ken = Ver­la­ge­rung eines Elek­tro­nen­paars ken­nen wir aus den „Buch­me­cha­nis­men“ hin­ge­gen zur Genüge:

Nach­schau­en kann man das in die­sem Video:

Weil ich es nicht glau­ben woll­te, habe ich wei­ter­ge­sucht und das hier ent­deckt. Es scheint etwas dran zu sein. Und war­um steht es nicht in mei­nen Unter­richts­wer­ken? Die radi­ka­li­sche Sub­sti­tu­ti­on lässt sich so viel ein­fa­cher mecha­nis­tisch erklä­ren. Hat jemand ein aktu­el­les Orga­ni­kum zur Hand? Tja – vie­le Ver­la­ge sind in Sachen inhalt­li­cher Qua­li­tät dem Inter­net nach eige­nen Beteue­run­gen weit über­le­gen. Nunja.

Nietzsche und Medienpädagogik

Ich habe am ver­gan­ge­nen Don­ners­tag ein wei­te­res Canos­sa erlebt – es war nicht mei­ne Woche. Im Deutsch­un­ter­richt behand­le ich gera­de das The­ma „Beschrei­bun­gen“. Per­so­nen­be­schrei­bun­gen konn­te mei­ne 5. Klas­se bereits sehr gut, da die Grund­schu­le hier schon vor­ge­ar­bei­tet hat­te. Also bin ich auf zu neu­en Ufern gezo­gen und auf das The­ma Vor­gangs­be­schrei­bun­gen ange­gan­gen, wobei ich ein­mal mehr ein wenig bei Herrn Rau und sei­nen Knall­tü­ten gewil­dert habe. Das klapp­te ganz vor­züg­lich, jedoch sind die nie­der­säch­si­schen Schü­ler hap­tisch offen­bar begab­ter als die bay­ri­schen. Das war schon laut und nach 10 Minu­ten zog er ers­te Schü­ler ein DINA3-Blatt aus dem Schrank…

Das eine ist es, Vor­gän­ge zu beschrei­ben, die bereits sehr oft im Netz doku­men­tiert wor­den sind, etwas ganz ande­res ist es, authen­tisch für die Schul­ge­mein­schaft etwas zu schaf­fen, etwa eine Anlei­tung, um sein Netz­werk­pass­wort zu ändern oder sei­ne Schul-E-Mail­adres­se zu nut­zen oder um eine Ansicht im Maha­ra-E-Port­fo­lio­sys­tem zu erstel­len. Daher dach­te ich in mei­nem jugend­li­chen Leicht­sinn, dass ich den SuS ein­fach eine Anlei­tung bereit­stel­le, wie sie mit WinXP-Bord­mit­teln Screen­shots erstel­len und Tei­le dar­aus aus­chnei­den kön­nen, um ihre Beschrei­bun­gen damit zu berei­chern. Die­se Anlei­tung woll­te ich in einer Stun­de aus­pro­bie­ren las­sen, um dann in die kon­kre­te Pla­nung der Vor­gangs­be­schrei­bung ein­zu­stei­gen. Plä­ne sind dazu da, damit man etwas hat, um davon abzu­wei­chen… Da klapp­te nichts – und die Anlei­tung ist für Fünft­kläss­ler offen­bar abso­lu­ter Mist – dabei fand ich mich so gut.

Wei­ter­le­sen

Ich bin ein schlechter Lehrer…

Dies ist ein fik­ti­ver Arti­kel. Alle Schick­sa­le und Namen sind erdacht. Das Aller­meis­te habe ich durch (Blog-)beiträge ande­rer Leh­rer und Eltern(-foren) auf­ge­schnappt. Die Zahl 180 SuS ist für den gym­na­sia­len Bereich rea­lis­tisch, da das Depu­tat bei vol­ler Stel­le in etwa 6–7 Lern­grup­pen umfasst. Die sys­tem­kun­di­gen Leser mögen beur­tei­len, ob die fol­gen­de Zusam­men­stel­lung irre­al ist.

Die Ich-Form ist bewusst gewählt, um ein Iden­ti­f­kat­i­ons­an­ge­bot zu schaf­fen. Der Ich-Erzäh­ler des Tex­tes ist selbst eine Fik­ti­on und hat mit dem Autor (mir) nicht alles gemein – also nur das Gute…

Die SuS (kei­ne Extremfälle):

  1. Petra hat AD(H)S. Sie kann sich nicht kon­zen­trie­ren. Sie kann sich nur hel­fen, indem sie sich bewegt, indem sie laut ist, indem sie auf­fällt. Petra kann dafür nichts.
  2. Ulrich ist hoch­be­gabt und stän­dig unter­for­dert. Ulrich fällt auf, wird zor­nig, stört. Ulrich geht mich vor der Klas­se ver­bal an.
  3. Con­stan­ze ist still. Con­stan­ze schreibt her­vorr­ra­gen­de Arbei­ten, trägt zum Unter­richt jedoch nichts bei. Bei Con­stan­ze müss­te ich eigent­lich ganz oft die Haus­auf­ga­ben nachschauen.
  4. Hus­sein kommt aus einem Haus­halt, in dem der Mann alles und die Frau nichts zählt. Mei­ne Kol­le­gin­nen quä­len sich mit Hussein.
  5. Chloé ist sozi­al hoch enga­giert. Sie setzt sich stän­dig für die Klas­se ein, sagt mir, was aus ihrer Sicht schief­läuft, wo es brennt – mit Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen, in der Klas­se. Ihr fehlt ein wenig Empa­thie und Rede­tech­nik. Da müss­te man sie fördern.
  6. Petr kommt aus einem kli­schee­haf­ten(!!!) Spät­aus­sied­ler­haus­halt. Er kann kei­nen guten Auf­satz schrei­ben, weil zu Hau­se nur rus­sisch gespro­chen wird. Vie­le Wor­te ver­steht er ein­fach nicht. Petr bräuch­te drin­gend Deutschförderunterricht.
  7. Haa­kon ver­hält sich unauf­fäl­lig. Haa­kon ent­wi­ckelt in Tests sehr eigen­stän­di­ge, hoch­in­ter­es­san­te Lösungs­an­sät­ze, die er allein metho­disch nicht sinn­voll zu Ende führt. Auf einen Drei­er kommt Haa­kon immer. Man sieht Haa­kon aber an, dass er damit nicht zufrie­den ist, dass er denkt: „Da muss doch noch mehr sein!“. Man müss­te ihm mehr bieten.
  8. Mar­ti­na ist ein hüb­sches Mäd­chen. Sie sagt von sich, dass sie für Natur­wis­sen­schaf­ten eh zu dumm ist. Mar­ti­na legt eher wert auf Mode. Mar­ti­na glaubt nicht an sich. Mar­ti­na liest kei­ne Haus­auf­ga­be vor, ohne vor­her zu beto­nen, dass ihr Text schlecht ist oder irgend­wel­che Macken hat. Mar­ti­na braucht drin­gend Unter­stüt­zung im Bereich Selbst­be­haup­tung – viel­leicht hilft Mar­ti­na auch schon Mann‑, äh: Frauschaftssport.
  9. Geor­gi­nas Eltern haben sich kürz­lich schei­den lassen.
  10. Cyn­thia war lan­ge krank.
  11. … (bit­te hoch­zäh­len bis 180)

Wei­ter­le­sen

Bilder aus Screenshots mit XP Bordmitteln

Ich „miss­brau­che“ zur Zeit mei­ne 5. Klas­se, um Beschrei­bun­gen zu erstel­len, wie grund­le­gen­de Abläu­fe in unse­rem Schul­netz­werk ablau­fen, z.B. Pass­wort ändern, Mails abru­fen, Mood­le­pro­fil erstel­len usw. Das passt pri­ma zum Kapi­tel Vor­gangs­be­schrei­bung und die Pro­duk­te haben sogar einen Sinn für die Schul­öf­fent­lich­keit – nur benö­tigt man ab und zu Bil­der, um das Beschrie­be­ne auch zu illus­trie­ren. Mit XP-Bord­mit­teln, die auf jedem XP-Sys­tem vor­han­den sind, kommt man da eigent­lich ganz gut wei­ter und kann gleich­zei­tig noch etwas im Umgang mit dem Medi­um Com­pu­ter ler­nen. Und so funk­tio­niert es:

1. Schritt: Das Moni­tor­bild in die Zwi­schen­ab­la­ge kopieren
Die Zwi­schen­ab­la­ge ist ein Bereich, in dem du Tex­te, Bil­der usw. unsicht­bar spei­chern kannst. Wenn sich in der Zwi­schen­ab­la­ge etwas befin­det, kannst die­sen Inhalt immer über das Menü „Bear­bei­ten“ => „Ein­fü­gen“ in das Pro­gramm dei­ner Wahl bekommen.

Die Zwi­schen­ab­la­ge ist leer, wenn man das Wort „Ein­fü­gen“ nicht ankli­cken kann. Sehr vie­le Pro­gram­me besit­zen das Menu „Bear­bei­ten“. Um das aktu­el­le Moni­tor­bild in die Zwi­schen­ab­la­ge zu kopie­ren, drückst du ein­fach die Tas­te „Druck“. Du fin­dest sie rechts neben der Tas­te „F12“. Das war es schon…

Wei­ter­le­sen

Als Schülerin oder Schüler die Qualität eines Wikipediaartikels einschätzen

… das ist ent­ge­gen anders­ar­ti­ger Ver­laut­ba­run­gen aus mei­nen Berufs­krei­sen durch­aus mit einer brauch­ba­ren Tref­fer­quo­te mög­lich. Die­ser Arti­kel ist inspi­riert durch einen viel aus­führ­li­che­ren und bes­se­ren von Kris­ti­an Köhn­topp. Ich habe vor nicht all­zu lan­ger Zeit ein klei­nes Expe­ri­ment gemacht. Es ging dabei um eine ers­te Annä­he­rung an einen unbe­kann­ten lite­ra­ri­schen Text. Die SuS beka­men dazu auf Papier drei Arti­kel vorgelegt:

  1. einen Aus­zug aus dem Kind­ler (eta­blier­tes Literaturlexikon)
  2. einen Wiki­pe­dia­ar­ti­kel
  3. einen Bei­trag von irgend­ei­ner Webseite

Intui­tiv hat bei allen der Kind­ler gewon­nen, obwohl ich Satz und Schrift­art bei einen drei Tex­ten ange­gli­chen habe und sie auch alle den glei­chen Umfang auf­wie­sen. Wiki­pe­dia folg­te auf dem zwei­ten Rang und weit abge­schla­gen ran­gier­te irgend­ei­ne Web­sei­te. Intui­ti­on ist aber kei­ne objek­ti­ve Instanz: Dem Kind­ler darf man glau­ben, weil es ihn schon so lan­ge gibt und weil er auch in geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen Krei­sen als qua­li­ta­tiv brauch­ba­res Werk aner­kannt ist. Die sta­ti­sche Web­sei­te wird oft von einer ein­zi­gen Per­son gestal­tet, deren Repu­ta­ti­on man in der Regel gera­de in jun­gen Jah­ren schwer ein­schät­zen kann. Wiki­pe­dia ist m.E. kon­zep­tio­nell klas­si­schen Lexi­ka über­le­gen, weil im bes­ten Fall Inhal­te einem evo­lu­tio­nä­ren Pro­zess der stän­di­gen Ver­än­de­rung unter­wor­fen sind: Die Arti­kel wer­den über­ar­bei­tet, dis­ku­tiert und mit Bele­gen aus­ge­stat­tet. Das ein­zi­ge Pro­blem ist nur, dass man erken­nen muss, in wel­chem Sta­di­um sei­ner Evo­lu­ti­on sich der jewei­li­ge Wiki­pe­dia­ar­ti­kel gera­de befin­det, wäh­rend man bei der Neu­auf­la­ge eines Lexi­kons in der Regel von einer fach­kun­di­gen Revi­si­on aus­ge­hen kann. Und das  Erken­nen funk­tio­niert gera­de nicht durch linea­re Lese­struk­tu­ren, wie sie die Schu­le pri­mär ver­mit­telt, son­dern ganz anders. Daher ein paar Tipps für SuS beim Lesen von Wikipedia:

1. Erst ganz nach unten scrollen

  • Sind unter „Lite­ra­tur“ meh­re­re Wer­ke angeführt?
  • Sind alle Absät­ze des Arti­kels eini­ger­ma­ßen gleich­mä­ßig durch Lite­ra­tur belegt?
  • Sind renom­mier­te Nach­schla­ge­wer­ke mit aufgeführt?
  • Wie vie­le Web­links sind angegeben?
  • Ent­hal­ten die Links wirk­lich die ange­kün­dig­ten Informationen?

2. Dann ganz nach oben scrollen

Dort gibt es die bei­den Kar­tei­rei­ter „Dis­kus­si­on“ und „Versionen/Autoren“.

  • Sind meh­re­re Autoren an dem Arti­kel betei­ligt oder nur wenige?
  • Haben die betei­lig­ten Autoren schon meh­re­re Arti­kel geschrieben?
  • Wie vie­le Aspek­te des Arti­kels wur­den wie lan­ge schon diskutiert?
  • Wie ist es um die sprach­li­che Qua­li­tät der Dis­kus­sio­nen bestellt?

3. Inhalts­ver­zeich­nis lesen

  • Bau­en die ein­zel­nen Pas­sa­gen inhalt­lich auf­ein­an­der auf?
  • Wohnt dem Ver­zeich­nis eine inne­re Logik inne (z.B. Chro­no­lo­gie), die sich auf den ers­ten Blick erschließt?

4. Arti­kel lesen

Durch die ers­ten drei Schrit­te, die mit ein wenig Übung gar nicht so lan­ge dau­ern und die teil­wei­se auch ganz ande­re Per­spek­ti­ven beim „rich­ti­gen Lesen“ ermög­li­chen, kom­me ich eigent­lich fast immer sehr gut in das The­ma hin­ein, gera­de wenn ich in den „Arti­kel­um­welt­stu­di­en“ Anknüp­fungs­punk­te zu mei­nem bestehen­den Wis­sen fin­de. Ein Rest­ri­si­ko bleibt immer – streng­ge­nom­men aber auch beim Kindler.

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