Was ist der Unterschied zwischen Wissenschaft und stereotyper Kultuspolitik?

Wis­sen­schaft ent­wirft ein Kon­zept, wählt eine reprä­sen­ta­ti­ve Stich­pro­be aus und tes­tet es. Aus den Ergeb­nis­sen der Stich­pro­be wer­den Modi­fi­zie­run­gen abge­lei­tet, ggf. erneut getes­tet. Dann erfolgt eine Ver­all­ge­mei­ne­rung bzw. brei­te Imple­men­tie­rung des Kon­zep­tes. Kon­zep­te, die sich in der Stich­pro­be nicht bewäh­ren, wer­den nicht implementiert.

Ste­reo­ty­pe Kul­tus­po­li­tik erlässt Kon­zep­te. Die Imple­men­tie­rung erfolgt sofort. In der Regel sind die­se Kon­zep­te per Defi­ni­ti­on intrin­sisch kor­rekt, da for­mal ein Par­ti­zi­pa­ti­ons­an­ge­bot erfolgt ist. Kon­zep­te, die sich nicht bewäh­ren, wer­den durch neu erlas­se­ne Kon­zep­te ersetzt.

Ler­nen mit neu­en Medi­en bzw. Ler­nen in der Wis­sens­ge­sell­schaft droht in mei­nen Augen ste­reo­typ kul­tus­po­li­ti­sche Züge zu tra­gen: In der Regel wird auch hier nicht anhand einer Stich­pro­be getes­tet, son­dern es wer­den Set­zun­gen und Annah­men vor­ge­nom­men, die eben nicht wis­sen­schaft­li­chen Kri­te­ri­en genü­gen, weil sehr oft empi­ri­sche Bele­ge und Unter­su­chun­gen, bzw. Ver­wei­se auf Stu­di­en feh­len. Ich neh­me zuneh­mend wahr, dass wir uns dar­in gefal­len „Meta­ge­sei­er“ zu pro­du­zie­ren, d.h. mit Poten­tio­na­li­tä­ten in sich selbst ver­stär­ken­den, ideo­lo­gisch meist auf einer Wel­len­län­ge lie­gen­den Zir­keln sprach­lich – rezep­tiv oder deskrip­tiv – zu operieren.

Das gab es alles struk­tu­rell schon ein­mal: In der Gesamt­schul­de­bat­te der 70er Jah­re. Der Umbau des Bil­dungs­sys­tems ist jedoch zu wich­tig, als dass wir uns eine Wie­der­ho­lung die­ser Struk­tu­ren auf Dau­er leis­ten könn­ten. Mir berei­tet das Sor­gen. Die­ser Umbau darf nicht so enden wie das Kon­zept der Gesamtschule.

Chemie: Arbeitsblatt „Atommodelle“

Anbei fin­det ihr ein kürz­lich wie­der­ent­deck­tes  Arbeits­blatt, wel­ches die wesent­li­chen Atom­mo­del­le im Che­mie­un­ter­richt der Mit­tel­stu­fe über­bli­ckend doku­men­tiert und im Auf­ga­ben­teil eine kri­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Modell­be­griff fordert.

Ursprüng­lich habe ich ich die­ses Mate­ri­al in der Ober­stu­fe ein­ge­setzt, wobei zusätz­lich das ver­ein­fach­te Orbi­tal­mo­dell mit ent­hal­ten war – lei­der weiß ich nicht mehr, woher  dort die Illus­tra­tio­nen stam­men. Daher gibt es nur die Tei­le, von denen ich sicher weiß, dass sie frei von Rech­ten Drit­ter sind.

Hier das Mate­ri­al: ODT PDF

Lernprozesse – Skimetapher

Ich war in der ver­gan­ge­nen Woche mit mei­ner Klas­se auf Ski­fahrt. Das ist einer der unbe­strit­te­nen Höhe­punk­te in der Schul­lauf­bahn, die jede Schü­le­rin, die jeder Schü­ler bei uns durch­läuft – und teil­wei­se sogar das Ent­schei­dungs­kri­te­ri­um für unse­re Schu­le bildet.

Wir fah­ren seit Jah­ren in ein klei­nes, aber fei­nes Ski­ge­biet am Inn­tal. Es eig­net sich vor­züg­lich für Anfän­ger durch sei­ne lan­ge blaue Pis­te mit „Baby­lift“ im obe­ren Teil. Geschult wird durch erfah­re­ne Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen mit Ski­schein, die Klas­sen wer­den in der Regel von ihren Klas­sen­leh­rern beglei­tet – vor­zugs­wei­se wenn die­se über einen Ski­schein oder zumin­dest Ski­er­fah­rung ver­fü­gen. Ein Beglei­ter darf immer ohne die­se Vor­aus­set­zung mit­fah­ren – das war in die­sem Jahr qua­si ich, der eine rote Pis­te leid­lich im Par­al­lel­schwung herunterkommt.Perspektivisch möch­te ich ger­ne auch den Ski­schein machen, aber dafür muss ich noch ein wenig mehr Fahr­er­fah­rung sammeln.

Die­ses Jahr hat­ten wir eine unglaub­lich fit­te Grup­pe: Schon nach zwei(!) Tagen fuh­ren die meis­ten Anfän­ger so gut, dass die blaue Pis­te samt nicht ganz ein­fa­chem Anker­lift (oft ver­eist) befah­ren wer­den konn­te. Am drit­ten Tag waren ca. 75% auf der roten Pis­te mit viel Spaß unterwegs.

Ich habe auf der lan­gen nächt­li­chen Rück­fahrt viel über das Ski­fah­ren als Meta­pher für Lern­pro­zes­se all­ge­mein nach­ge­dacht. Da ich selbst in die­sem Jahr sehr viel gelernt habe, ver­fü­ge ich über zwei Per­spek­ti­ven: Ler­ner (Tag 3–6) und Lern­be­glei­ter (Tag 1–2). Ich bin zu fol­gen­den Ergeb­nis­sen gekommen:

  1. Ler­nen erfor­dert ein gewis­ses Maß an Leid. Es gab Schuss­stre­cken, die im Schuss gefah­ren wer­den muss­ten, was mir immer ein wenig schnell ging. Die Alter­na­ti­ve hieß dann aber Abschnal­len und Lau­fen oder Ska­ten (am Tag 3–4 ohne Stö­cke). Im Schuss muss man sich sich zwin­gen, in die Vor­la­ge und Hocke zu gehen und die Bret­ter par­al­lel zu hal­ten, was viel Über­win­dung und Ver­trau­en ins Mate­ri­al kos­tet. Die Geschwin­dig­keit macht irre Spaß, aber mul­mig ist mir dabei doch, denn die Car­ving-Ski flat­tern „prin­zip­be­dingt“ immer. Im Schuss kann mir kei­ner helfen…
  2. Ler­nen erfor­dert Frei­raum – die­je­ni­gen, die Zeit beka­men, den tech­ni­schen Input lan­ge und frei für sich zu üben, lern­ten erstaun­li­cher­wei­se schnel­ler als die 1:1‑Betreuten.
  3. Ler­nen erfor­dert Selbst­wahr­neh­mung – heu­ti­ge Car­ving-Ski geben unmit­tel­ba­res Feed­back, ob der Bewe­gungs­ab­lauf rich­tig war. Wer bei einer Par­al­lel­fahrt kan­tet, erlebt einen Hauch davon, was Ski­fah­ren noch alles sein kann. Wer den Kur­ven­ra­di­us eines Car­ving-Skis über den Fall­punkt hin­aus voll aus­fährt, wird schnell, ohne wie beim ener­gie­spa­ren­de­rem stei­le­rem Fah­ren unnö­tig Höhe zu ver­lie­ren, braucht aber wesent­lich mehr Mut als beim star­ken Drif­ten und wenn die Eis­plat­te kommt, wird es schnell kri­mi­nell – das muss man dann halt vor­her sehen.
  4. Ler­nen erfor­dert Durch­hal­te­ver­mö­gen – wer die Rote im Pflug fährt, weil er die Übun­gen zum Par­al­lel­schwung bewusst nicht annimmt („Das ist zu schwer!“), lei­det ab einer gewis­sen Geschwin­dig­keit merk­lich und ent­wi­ckelt sich nicht weiter.

Die Schluss­for­mel lau­tet für mich: Ler­nen braucht Per­sön­lich­keit. Ein Car­ver am Fuß eines Men­schen, immer nur im Pflug fährt, kann sein Poten­ti­al nicht aus­spie­len – so wie es die neu­en Gerä­te und Medi­en dort eben auch nicht kön­nen. Ski­fah­ren ist Sport, aber eben auch Per­sön­lich­keits­bil­dung. Die Fra­ge ist, in wes­sen Auf­ga­ben­ge­biet eben­die­se Per­sön­lich­keits­bil­dung fällt und ob wir in der Liter­acy­di­dak­tik nicht oft vor­aus­set­zen, dass die­se bereits abge­schlos­sen bzw. weit fort­ge­schrit­ten ist.

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