Kompetenzorientierte Prüfung mit Arduino?

Ich hat­te Anfang des Jah­res mein Kon­zept vor­ge­stellt, SuS Infor­ma­tik zu ver­mit­teln. Das war sehr eigen­wil­lig, ein Ver­such und über­haupt sehr viel Lern­an­lass für mich im letz­ten Jahr. Die SuS haben im zwei­ten Halb­jahr an Pro­jek­ten gear­bei­tet und – so die Hoff­nung – ihre Pro­gram­mier­kennt­nis­se ver­tieft. Kon­kret wird an fol­gen­den Pro­jek­ten gearbeitet:

  • didak­ti­sche Auf­be­rei­tung eines kom­ple­xen Ardui­no­codes für Anfänger
  • ein auto­no­mes Roboterfahrzeug
  • zwei Light­cubes, einer mit Musiksteuerung
  • ein Quiz­du­ell­clo­ne auf einem 2x40 Matrix ASCII-Display
  • ein Mor­se­zei­chen­de­ko­der

… und natür­lich wird neben­bei in einem Wiki doku­men­tiert und Code zwischengeparkt.

Eine Klau­sur ver­lang­te nun die Fach­schaft (die aus zwei Lehr­kräf­ten besteht). Ich hät­te bestimmt auch auf eine Ersatz­leis­tung aus­wei­chen kön­nen, aber ich woll­te Schwarz auf Weiß sehen, was die SuS jetzt kön­nen und was sich im Ver­gleich zum Anfang des Jah­res geän­dert hat. Des­we­gen gab es doch eine Klau­sur, aber eine ganz andere.

Infor­ma­tik­klau­sur Nr. 2

Mate­ri­al:

  1. Ein Ardui­no­board (Art egal)
  2. drei Leds (ggf. ver­schie­de­ne Farben)
  3. drei Vor­wi­der­stän­de für die Leds (220–330 Ohm)
  4. zwei Tas­ter
  5. zwei Wider­stän­de für die Tas­ter (1kOhm oder 10kOhm)
  6. ein Steck­brett
  7. Kabel­ver­bin­der

Vor­be­mer­kun­gen:
Wenn du Tas­ter an den Ardui­no anschlie­ßen und ihren Zustand aus­le­sen möch­test, musst du einen zusätz­li­chen Wider­stand ver­wen­den, um defi­nier­te Pegel zu bekom­men. Die­ser Wider­stand soll­te einen Wert zwi­schen 1kOhm und 10kOhm haben.

Hier eine Beispielschaltung

<Bild von Tasterschaltung>

Auf­ga­be:
Du sollst ein Spiel pro­gram­mie­ren. In die­sem Spiel gibt es drei Leds (links, rechts, Erfolg) und zwei Tas­ter (links, rechts).

Dabei gilt:
Led rechts: Pin03
Led Erfolg: Pin04
Led links: Pin05
Tas­ter rechts: Pin06
Tas­ter links: Pin07

Spiel­ab­lauf ist folgender:

  1. Zufäl­lig leuch­tet ent­we­der die rech­te oder die lin­ke Led auf.
  2. Der Spie­ler muss nun mög­lichst schnell eine ent­spre­chen­de Tas­te (links oder rechts) drücken
  3. Hat er das inner­halb einer bestimm­ten Zeit­span­ne geschafft, leuch­tet die Led „Erfolg“ auf, ansons­ten blin­ken alle Leds kurz auf
  4. Die Zeit­span­ne wird im Lau­fe des Spiel immer kürzer

Für jede rea­li­sier­te Stu­fe 1–4 gibt es bereits Punkte!

Tipp:
Suche mit Goog­le nach „Arduino Zufall“, um her­aus­zu­be­kom­men, wie du zufäl­li­ge Wer­te erhältst.

Abga­be:
Du erstellst mit Libre­Of­fice eine Datei, die dei­nen aus­führ­lich kom­men­tier­ten Code enthält.
Du erläu­terst dei­nen Code.
Du beschreibst zusätz­lich, wel­che Schwie­rig­kei­ten du wäh­rend der Pro­gram­mie­rung hat­test, ins­be­son­de­re dann, wenn dir etwas nicht gelun­gen ist.

Die Datei spei­cherst du unter:

<pfad­an­ga­be>

Der Datei­na­me muss dei­nen Namen ent­hal­ten, z.B. „karl_mustermann_klausur.ods“.

Du darfst:

  • Im Inter­net recherchieren
  • Dir selbst­stän­dig Mate­ri­al holen / organisieren
  • Dei­nen Code an einer Schal­tung ausprobieren

Du darfst nicht:

  • mit dei­nen Kurs­kol­le­gin­nen und Kol­le­gen sprechen

viel Erfolg!

 

Die Zeit war für die­se Auf­ga­be mit 90 Minu­ten sehr knapp bemes­sen, aber es gibt sogar voll­stän­di­ge und funk­tio­nie­ren­de Lösun­gen, min­des­tens aber immer kon­kre­te Ansät­ze und was mich beson­ders freut: Die meis­ten Schal­tun­gen sind kor­rekt und sau­ber auf­ge­baut. Das Prü­fungs­for­mat ist im BBS-Kon­text erst­mal über­haupt nicht unge­wöhn­lich, bei uns an der Schu­le jedoch schon ein Novum. Mit Goog­le ist die­se Auf­ga­be nur sehr ein­ge­schränkt lösb­bar, gera­de auch in der gege­be­nen Zeit, man braucht dafür also mei­ner Ansicht nach auch gar nicht mal so wenig Wis­sen. Ich hat­te erst ein wenig Angst vor der Bewer­tung, aber schluss­end­lich gibt es für Code­qua­li­tät schon genug Kri­te­ri­en und auch für die Beschrei­bun­gen. Span­nend fin­de ich, dass man rela­tiv genau sehen kann, wie jemand denkt, weil der Code im Prin­zip ja ein for­ma­li­sier­ter Plot des Den­kens ist – ohne die­ses Over­head-Geschwur­bel in geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen Fächern (ich darf das als Deutsch­leh­rer sagen).

Mein Pro­blem mit dem erfolg­ten Unter­richt ist ein ande­res: Ich kom­me mir so unver­ant­wort­lich vor, weil ich ja nie klas­sisch unter­rich­tet, son­dern ganz viel 1:1 bera­ten, gelenkt, unter­stützt habe und auch oft fach­lich die Segel strei­chen muss­te (ich kann jetzt aber einen ein­stu­fi­gen Ver­stär­ker ste­cken). Die „Vor­be­rei­tung“ des Unter­richt besteht bei die­ser Unter­richts­form eher dar­in, ganz viel selbst ler­nen zu müs­sen, weil es um sehr indi­vi­du­el­le Pro­ble­me geht. Nach jeder Stun­de bin ich fix und foxi, weil ich immer gedank­lich hin- und hers­wit­chen und auch Anfra­gen prio­ri­sie­ren muss.

 

Zukunftsapodiktionen

Hin­weis:

Das fol­gen­de Inter­view ist eine Fik­ti­on. Eine ein­sei­ti­ge Fik­ti­on, in die jede gut­mei­nen­de Kraft des heu­ti­gen Net­zes – etwas Bos­haf­tig­keit vor­aus­ge­setzt – inte­griert wer­den kann. Der Gegen­text exis­tiert auch schon in mei­nem Kopf, klingt aber bei Wei­tem nicht so rea­lis­tisch :o)…

 

Erst­ma­lig ist es Repor­tern der Hau­te Dai­ly gelun­gen, Eric Bald­win, CEO des Inter­net­mo­no­po­lis­ten „Event Hori­zon Inc.“ zu einem Inter­view anläss­lich der Imple­men­tie­rung des Ethik­ra­tes inner­halb des Unter­neh­mens zu bewe­gen. Details zu die­sem Rat wur­den durch den Whist­le­b­lower Peter Foo­ma­tic im Ver­lauf des letz­ten Jah­res bekannt.

HDHerr Bald­win, wie kam es zu der Ein­set­zung es Ethik­ra­tes bzw. über­haupt zu der Idee, tech­no­lo­gi­sche Inno­va­ti­on durch Phi­lo­so­phen, Rechts­ge­lehr­te und Volks­wir­te beglei­ten bzw. die spä­te­re Umset­zung selbst von ethi­schen Kate­go­rien abhän­gig zu machen?

EB: Dazu müss­te man weit in die Geschich­te des Inter­nets zurück­ge­hen, die ja auch Teil der Geschich­te unse­res Unter­neh­mens ist. Im Grun­de genom­men ist der Ethik­rat Aus­druck einer Arro­ganz. Ver­kürzt dar­ge­stellt wol­len wir den Nut­zer vor sich selbst schützen.

HD: Das bedarf jetzt aber einer Erläu­te­rung, Herr Baldwin!

EB: Wir gehen ein­mal in die Jah­re 2008–2018 zurück, also in eine Zeit, in der der Peach­kon­zern noch selbst­stän­di­ge Akti­en­ge­sell­schaft war, bevor er schließ­lich in unse­rem Kon­sor­ti­um auf­ging. Peach ist es gelun­gen, einen fun­da­men­ta­len Bedarf in der Bevöl­ke­rung zu decken, der sich in den Jah­ren zuvor in der Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Betriebs­sys­tem „Weich­fens­ter“ ent­wi­ckelt hat­te: Tech­nik als Geg­ner und Zeit­fres­ser, der User als stän­di­ger Ver­lie­rer. Vor allem letz­te­res hat­te immense psy­cho­lo­gi­sche Kon­se­quen­zen: Nie­mand steht ger­ne hilf­los da, das Beloh­nungs­sys­tem unse­res Gehirns braucht Erfolgs­er­leb­nis­se. Mit Peach­pro­duk­ten waren auf ein­mal die­se Erfolgs­er­leb­nis­se wie­der da: Man konn­te Daten über meh­re­re Gerä­te hin­weg syn­chro­ni­sie­ren, man konn­te Medi­en auf ein­fa­che Art und Wei­se an fast jedem Ort kon­su­mie­ren, man konn­te sein Zeit effek­ti­ver gestal­ten durch z.B. eine funk­tio­nie­ren­de Ter­min­ver­wal­tung und Bün­de­lung der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­we­ge – man konn­te über­haupt „sein Netz“ über­all hin mit­neh­men – das pTalk, ers­tes SMART­Phone sei­ner Art,  hat die Welt ver­än­dert: Ergo man war in sei­ner Wahr­neh­mung tech­nisch wie­der kom­pe­tent und zahl­te dafür auch gerne.

HD: Ein pro­fi­ta­bles Geschäfts­mo­dell, das im Wesent­li­chen auf Nied­rig­lohn­po­li­tik in Asi­en basier­te, qua­si eine moder­ne Form des Koloniallismus.

EB: Nen­nen Sie mir eine Fir­ma, die die­ses Prin­zip in die­ser Peri­ode nicht ver­folgt hat. Die Anfor­de­run­gen des Mark­tes waren halt so. Es ging nicht um eine lan­ge Nut­zungs­dau­er oder Nach­hal­tig­keit der Gerä­te. Spe­zi­ell Peach­ge­rä­te wie­sen zwar eine lan­ge Lebens­dau­er auf, jedoch woll­ten die Nut­zer immer etwas Neu­es, was kur­ze Inno­va­tions- und Pro­duk­ti­ons­zy­klen erfor­der­te, damit das Unter­neh­men wirt­schaft­lich wach­sen und die Ansprü­che sei­ner Aktio­nä­re bedie­nen konn­te. Also war das pri­mä­re Ziel Wirt­schaft­lich­keit, hier ins­be­son­de­re in Form hoher Mar­gen. Wei­ter­hin war es Stra­te­gie, die Kun­den an das eige­ne Öko­sys­tem zu bin­den, wie es Sear­chie­gi­gant schon etwas län­ger vor­mach­te. Den Kun­den mach­te das wenig aus, da das Gan­ze bei Peach­ge­rä­ten eben ein­fach funk­tio­nier­te und bei Sear­chie­gi­gant eben tech­nisch leis­tungs­fä­hig und kos­ten­los war.

HD: Also eine Befrei­ung durch tech­no­lo­gi­sche Innovation. 

EB: Ja und nein. Die­se Zeit ist Ursprung einer Ent­wick­lung, die wir heu­te kri­tisch sehen. Wir haben her­vor­ra­gend davon gelebt, dass die Nut­zer in der Mehr­zahl tech­nisch weit­ge­hend inkom­pe­tent waren. Sie kön­nen oder wol­len Ihren DSL-Rou­ter nicht kon­fi­gu­rie­ren? Kein Pro­blem, sie bekom­men von uns eine fern­wart­ba­re Black­box. Ihr Betriebs­sys­tem soll ein­fach funk­tio­nie­ren? Ger­ne, wir kon­fi­gu­rie­ren es zen­tral aus der Cloud usw.. So kam es, dass die meis­ten Nut­zer sich zwar auf einer kom­mu­ni­ka­ti­ve Ebe­ne kom­pe­tent im Netz bewe­gen konn­ten, von der Funk­ti­ons­wei­se von Hard- und Soft­ware aber zuneh­mend ent­frem­det wur­den – genau das war das Geschäfts­mo­dell, da wir so Abhän­gig­kei­ten schaf­fen konn­ten, die zu einer Kun­den­bin­dung führten.

HD: Aber es gab doch immer schon kri­ti­sche Stim­men. Vor allen in den dama­li­gen klas­si­schen Print­me­di­en fan­den in den Feuil­le­tons und in zahl­rei­chen Blogs dezi­dier­te Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit ihren Geschäfts­prak­ti­ken statt. Wol­len Sie Ihre dama­li­gen Kun­den als inkom­pe­tent darstellen? 

EBAls tech­no­lo­gisch (das ist eine wich­ti­ge Ein­schrän­kung!) inkom­pe­tent und vor allem naiv, ja. Das klingt hart. Aber aus die­ser Zeit stam­men aber alle Daten, die wir heu­te für die Geschäfts­zwei­ge nut­zen, die für uns die pro­fi­ta­bels­ten sind. Die Ent­wick­lung hin zu neu­en Geschäfts­fel­dern wie dem Ver­si­che­rungs- und dem Kre­dit­we­sen basiert auf Daten, die die Men­schen uns frei­wil­lig gege­ben haben auf Platt­for­men, die sie als inte­gral für ihr Leben emp­fun­den haben und immer noch emp­fin­den. Dabei haben wir anfäng­lich die Algo­rith­men bewusst „dumm“ gestal­tet: Wer z.B. eine Kaf­fee­ma­schi­ne kauf­te, bekam über unse­re Wer­be­netz­wer­ke nur noch Kaf­fee­ma­schi­nen in Wer­be­an­zei­gen ange­prie­sen. Er konn­te dann mit dem Fin­ger auf uns zei­gen und sagen: „Schaut her, was für eine däm­li­che Algo­rith­mik!“ Es war wich­tig, Men­schen die­ses Über­le­gen­heits­ge­fühl gegen­über Tech­nik zu geben, obwohl sie schon längst davon ent­frem­det waren, damit sie uns wei­ter Infor­ma­tio­nen über sich lieferten.

Wir kön­nen heu­te so die ver­läss­lichs­ten Aus­sa­gen zu Kre­dit­wür­dig­keit eines Men­schen machen. Wir wis­sen heu­te über den Lebens­wan­del und damit über mög­li­che gesund­heit­li­che Risi­ken eine Men­ge, sodass wir maß­ge­schnei­der­te Tari­fe anbie­ten kön­nen. Eben­so hel­fen uns die gesam­mel­ten Geo­da­ten von Tablets und Han­dys, um Aus­sa­gen über das Fahr- und Rei­se­ver­hal­ten machen zu kön­nen. Damit zahlt jeder bei uns für sein indi­vi­du­el­les Risi­ko­pro­fil. Im Prin­zip pro­fi­tie­ren die­je­ni­gen davon, die sich mög­lichst risi­ko­arm im Sin­ne unse­rer Algo­rith­mik ver­hal­ten – was für unse­re Ent­wick­lungs­ab­tei­lung hin­sicht­lich der Nach­wuchs­aqui­se zuneh­mend pro­ble­ma­tisch wird – dazu aber spä­ter mehr. Es ging ja um die Nai­vi­tät: Die Nai­vi­tät bestand dar­in zu glau­ben, dass per­sön­li­che Daten für nie­man­den einen Wert besit­zen. Dass dem nicht so ist, wur­de durch die Snow­den-Affä­re zwar über­deut­lich, aber die Kon­se­quenz für die meis­ten Nut­zer wäre gewe­sen, Bequem­lich­kei­ten auf­ge­ben zu müs­sen – und sei es nur die Bequem­lich­keit, die poli­ti­schen Grup­pen nicht aktiv oder pas­siv zu unter­stüt­zen, die uns hät­ten Paro­li bie­ten kön­nen. Das erschien jedoch den meis­ten nicht rea­lis­tisch, ja es ging sogar noch wei­ter: Mah­ner in die­ser Ent­wick­lung wur­den oft als recht­ha­be­risch, bzw. von „oben her­ab“ emp­fun­den. Psy­cho­lo­gisch ver­ständ­lich, da ihnen zu fol­gen bedeu­tet hät­te, Ver­hal­ten ändern zu müs­sen. Für uns lief das so schon ganz gut.

Dabei kam uns zusätz­lich eine Para­do­xie sehr zu pass: Gegen­über dem Staat gab es enor­me Emp­find­lich­kei­ten, wenn die­ser sei­ne Zugriffs­mög­lich­kei­ten erwei­tern woll­te, gegen­über uns nicht. Der Staat muss­te zumin­dest demo­kra­ti­sche Kon­se­quen­zen befürch­ten – im Prin­zip konn­te man Regie­run­gen abwäh­len, wir konn­ten die Infor­ma­ti­ons­strö­me so steu­ern, dass unse­re Begehr­lich­kei­ten und Ver­feh­lun­gen  nicht lan­ge im Fokus der Öffent­lich­keit blie­ben. Mit jeder AGB-Ände­rung im Juris­ten­deutsch konn­ten wir aus­ta­rie­ren, wie weit man gehen konn­te. Das las ja nie­mand und liest es bis heu­te nicht. Die gut gemein­ten staat­li­chen Auf­klä­rungs­pflich­ten kamen uns dabei sehr ent­ge­gen, weil sie die Ver­trags­wer­ke ledig­lich wei­ter aufbliesen.

Der Staat hät­te uns zwar poli­tisch Ein­halt gebie­ten kön­nen, aber das hät­te kaum eine Regie­rung län­ger als eine Legis­la­tur­pe­ri­ode über­lebt. Des­halb der Deal mit den stan­dar­di­sier­ten Schnitt­stel­len wie in den frü­hen Anfän­gen die SINA-Box. Das Staat bekam die Infor­ma­tio­nen, die er mein­te zu brau­chen und ließ im Gegen­zug uns dafür in Ruhe.

HD: Sie leben doch aus­ge­spro­chen gut von der Tak­tik, die Sie da gefah­ren haben. Soll­ten Sie den Nut­ze­rin­nen und Nut­zern nicht dank­bar sein?

EB: Unse­re Natur ist nicht die Dank­bar­keit. Das ist ein wirt­schaft­li­ches Über­le­bens­prin­zip. Und es war kein Plan, son­dern es hat eben so erge­ben, weil es unse­re Natur ist. Und es wäre so nicht mög­lich gewe­sen, wenn wir die Welt für den Nut­zer nicht auch zum Posi­ti­ven gewen­det hät­ten. Der Zugang zu Bil­dung, Kunst und Kul­tur ist durch uns welt­weit für jeder­mann mög­lich gewor­den. Jeder konn­te auf ein­mal ein Sen­der sein und sei­ne Ideen ver­wirk­li­chen – frei­lich blie­ben die meis­ten Kon­su­men­ten. Das ist objek­tiv ein media­ler Wan­del, der ohne Wei­te­res mit dem des Buch­drucks ergleich­bar ist. Dabei haben wir nie zwi­schen gro­ßen und klei­nen Play­ern unter­schie­den, son­dern vor allem unse­re Such­al­go­rith­men nach qua­li­ta­ti­ven, mög­lichst neu­tra­len Gesichts­punk­ten gestal­tet. Wer kei­ne Qua­li­tät in unse­rem Sin­ne bie­ten konn­te, muss­te sich eben hoch­kau­fen, indem er uns direkt Geld bezahl­te oder sein Glück mit SEO-Agen­tu­ren ver­such­te, mit denen wir uns immer ein Ren­nen lie­fer­ten, was für die SEOs schluss­end­lich nicht zu gewin­nen war. Das merk­ten die Kun­den dann und zahl­ten gleich direkt an uns.

Tak­ti­ken gab es aber auch: So such­ten wir uns gezielt Per­so­nen, die in den sozia­len Netz­wer­ken über einen hohen Repu­ta­ti­ons­grad ver­füg­ten, um vor­geb­lich kri­ti­sche Mei­nun­gen zu streu­en, die aber letzt­lich in unse­rem Sin­ne waren. Die Idee kam dabei von Agen­tu­ren, die über ein­ge­kauf­te Agen­ten Pro­dukt­be­wer­tun­gen plat­zier­ten. Wir muss­ten ler­nen, wie die­se Bewer­tun­gen zu for­mu­lie­ren waren, damit sie als authen­tisch akt­zep­tiert wur­den. So lie­ßen sich auch Waren­strö­me steu­ern und Über­ka­pa­zi­tä­ten viel geschick­ter nut­zen als über klar erkenn­ba­re Abschrei­bungs­kam­pa­gnen, wenn sich ein Her­stel­ler mal hin­sicht­lich der Attrak­ti­vi­tät sei­nes Pro­duk­tes ver­kal­ku­lier­te und es zum Schleu­der­preis auf den vor­wie­gend dann Bil­dungs­markt warf. Im Bil­dungs­markt ziel­ten wir dabei auf Mul­ti­pli­ka­to­ren. Wenn man die­sem das lang ver­lo­re­ne Kom­pe­tenz­ge­fühl in tech­ni­schen Din­gen zurück­gab, kauf­ten Sie auch Gerä­te zum Nor­mal­preis und war­ben Gel­der für die Beschaf­fung grö­ße­rer Char­gen wie selbst­ver­ständ­lich ein. „Psy­cho­lo­gy over­ri­des cos­ts“ sag­te da unser Ver­trieb immer.

HD: Das ist doch unglaub­lich unfair. Gera­de der Bil­dungs­be­reich war doch über Jah­re dem tech­ni­schen Fort­schritt weit hin­ter­her. Wer­fen Sie jetzt den dort Täti­gen auf noch Nai­vi­tät und Unwis­sen­heit vor, denen doch vor­wie­gend das Auf­ho­len die­ses Rück­stands und damit die Vor­be­rei­tung der ihnen anver­trau­ten Men­schen auf den Arbeits­markt am Her­zen lag und – mit Ver­laub – auch immer lie­gen wird?

EB: Die Moti­ve die­ser Men­schen stel­le ich doch nicht infra­ge. Wir haben doch gera­de die Situa­ti­on, die sie da beschrei­ben zu nut­zen gewusst, wobei bei­de Sei­ten schluss­end­lich pro­fi­tiert haben. Dar­an ist nichts ver­werf­lich. Wir hat­ten etwas, was ande­re nicht hat­ten und es ihnen ver­kauft. So ist das in unse­rem Wirt­schafts­sys­tem. Hät­te man jetzt alle dazu nöti­gen sol­len Open­So­ur­ce-Pro­duk­te ein­zu­set­zen und alles an mög­li­chen Diens­ten selbst zu hos­ten? Sie haben viel­leicht schon ver­ges­sen, wie es um die Patch­le­vel der aller­meis­ten Joomla!-Installationen von Schu­len bestellt war und hät­ten dann das Gejam­mer hören sol­len, wenn wir die­se wegen Viren­be­fall aus den Such­ergeb­nis­sen aus­ge­lis­tet haben. Leh­rer und Bil­dungs­trei­ben­de waren bemüht, aber letzt­end­lich doch eher dil­le­tan­tisch bei der tech­ni­schen Umset­zung. Das kön­nen wir bes­ser, ver­läss­li­cher und vor allem siche­rer. Das zeigt die Zuver­läs­sig­keit unse­rer Diens­te über Jah­re hin­weg. Wenn der Staat es anders gewollt hät­te, wäre sogar mit uns etwas mög­lich gewesen.

Aber der Staat war den ver­än­der­ten Umstän­den mit sei­nen alt­her­ge­brach­ten poli­ti­schen Sys­tem nicht gewach­sen, qua­si kaum noch reak­ti­ons­fä­hig – anders sind Ent­wick­lun­gen wie das dama­li­ge Leis­tungs­schutz­recht kaum zu erklä­ren. Die einst mäch­ti­gen Pres­se­ver­la­ge sind aber dann ja schluss­end­lich an ihrer Per­so­nal- und Ver­gü­tungs­po­li­tik zugrun­de gegan­gen. Wir bie­ten Buch­au­to­ren und Jour­na­lis­ten mitt­ler­wei­le pro­fi­ta­ble­re Verdienstmöglichkeiten.

HD: Und Sie haben selbst von unzäh­li­gen kos­ten­los agie­ren­den Leis­tungs­trä­gern profitiert.

EB: Natür­lich nut­zen wir Ent­wick­lun­gen aus dem Open­So­urce­be­reich. Natür­lich ver­bes­sern wir unse­re Tex­terken­nungs- und Über­set­zungs­al­go­rith­men mit Hil­fe von Men­schen, die davon kaum etwas mit­be­kom­men. Nur ist der Bei­trag jedes Ein­zel­nen dabei so mini­mal, dass man da kaum von Aus­nut­zung spre­chen kann. Die Men­schen geben uns die­se Leis­tung frei­wil­lig, genau wie damals bei Wiki­pe­dia, das wir nun als Pro­jekt wei­ter­ent­wi­ckeln und es geschafft haben, die Autoren­knapp­heit maß­geb­lich zu kompensieren.

HDSind nicht Sie mitt­ler­wei­le der­je­ni­ge, der für uns die Part­ner auf­grund der Social-Media-Pro­fi­le über Gesichts­er­ken­nungs­al­go­rith­men aus­sucht? Steu­ern Sie nicht die Inter­es­sen des Ein­zel­nen durch maß­ge­schnei­der­te Such­ergeb­nis­se? Kon­trol­lie­ren Sie nicht damit auch das Wis­sen? Sind Sie nicht schon viel zu mäch­tig geworden?

EB: Genau das ist unser momen­ta­nes Pro­blem, wes­we­gen wir zukünf­tig jede tech­no­lo­gi­sche Inno­va­ti­on durch eine Ethik­kom­mis­si­on beglei­ten las­sen wol­len. Die Leu­te sehen mehr und mehr das, was unse­re Algo­rith­mik als sinn­voll für sie aus­wählt. Wir füh­ren genau dar­auf zurück, dass wir immer weni­ger krea­ti­ve Köp­fe für die Arbeit in unse­rem Unter­neh­men fin­den. Die meis­ten Bewer­ber kön­nen wohl Bekann­tes reas­sem­blie­ren und reme­dia­li­sie­ren und das auch ästhe­tisch anspre­chend, aber es fehlt zuneh­mend an fun­dier­tem tech­no­lo­gi­schen Wis­sen (das haben auch wir der Bevöl­ke­rung „weger­zo­gen“) gepaart mit Quer­trei­be­rei. Die Absol­ven­ten sind uns zu uni­form, so sehr auf das gefäl­li­ge Lösen immer neu­er Auf­ga­ben gepolt. Sie gehen ins­ge­samt weni­ger Risi­ken ein. Sie haben oft Angst, im pri­va­ten Bereich Ver­än­de­run­gen hin­neh­men zu müs­sen und pas­sen sich daher im Beruf aus unse­rer Sicht zu stark an.

Des­we­gen wol­len wir nun selbst das Rad ein wenig zurück­dre­hen und dar­über dis­ku­tie­ren, was es eigent­lich bedeu­tet, wenn eine Frau einem Mann in einer Bar kei­nen Drink aus­gibt, weil ihr unser Gesichts­er­ken­nungs­al­go­rith­mus mit­ge­teilt hat, dass sie mit der „Ziel­per­son“ auf­grund unter­schied­li­cher Inter­es­sen und des vor­an­ge­hen­den Lebens­wan­dels nicht kom­pa­ti­bel ist. Unse­re Vor­stel­lung von Kom­pa­ti­bi­li­tät hat eben immer auch ethi­sche Dimensionen.

War­um soll­te wei­ter­hin der schon zwei­mal geschei­ter­te Start-Up-Grün­der nicht kre­dit­wür­dig sein, wenn es doch in sei­nem Schei­tern viel­leicht für den drit­ten Ver­such gereift ist. Wo lie­gen da die Gren­zen der Algo­rith­mik, wo ihre Chancen?

Im Grun­de genom­men waren die­se Fra­gen immer schon da – etwa als die dama­li­ge auto­ma­ti­sche Ergän­zung von Such­be­grif­fen Per­so­nen in eine ein­deu­ti­ge „Ecke“ stell­ten und Gerichts­ent­schei­dun­gen uns da Ein­halt gebo­ten. Ent­schei­dend für die Per­son ist ja nicht, dass die­se Daten aus Anfra­gen Drit­ter algo­rith­mi­siert wur­den – ent­schei­dend ist die dar­aus resul­tie­ren­de Wahrnehmung.

Für uns war in der Rück­schau sehr wich­tig, dass es Leu­te gab, die die Exis­tenz von Pri­vat­s­sphä­re und so etwas wie Eigen­tum an Daten als Relik­te der bür­ger­li­chen Welt abta­ten, weil es uns eben weit mehr nütz­te als den Gut­men­schen in ihrem Glau­ben an eine bes­se­re Welt. Auch das ist ethisch schwie­rig, wie wir heu­te wissen.

HD: Wir dan­ken ihnen für die­ses Gespräch, Herr Baldwin!

Klassische Fehler bei der Medienausstattung von Schulen

1. Fixie­rung auf End­ge­rä­te vor der Schaf­fung von Infrastruktur

Rech­ner, Note­books, inter­ak­ti­ve Tafel­sys­te­me und Tablets sehen schick aus, sind im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes „begreifbar“ und zudem reprä­sen­ta­tiv nach außen. Kei­nes die­ser Gerä­te lässt sich mitt­ler­wei­le sinn­voll nut­zen ohne ein sta­bi­les Netz­werk und eine ver­nünf­ti­ge Anbin­dung des­sel­ben an das Internet.

Ohne­hin statt­fin­den­de bau­li­che Maß­nah­men an Schu­len wer­den oft nicht hin­rei­chend dazu genutzt, Infra­struk­tur gezielt auf­zu­bau­en (Ver­le­gung von Netz­werk­ka­beln in neu erstell­ten Decken, Umbau der Elek­trik oder Hei­zungs- sowie Sani­tär­in­stal­la­tio­nen etc.)

2. Mobi­le Lösun­gen für Präsentationen

Medi­en­wa­gen mit Bea­mer, Note­book und Laut­spre­chern sind fle­xi­bel ein­setz­bar. Prüft man die Betriebs­zei­ten von Bea­mer­lam­pen auf die­sen Wagen, stellt sich oft Ernüch­te­rung ein: Aus ver­schie­de­nen Grün­den wer­den die­se recht teu­ren Gerä­te wesent­lich weni­ger genutzt als fest instal­lier­te Sys­te­me z.B. Decken­bea­mer mit fest instal­lier­ten Rechner.

3. Räum­lich unsin­ni­ge Instal­la­tio­nen von Prä­sen­ta­ti­ons­sys­te­men im Klassenraum

Das End­ge­rät, wel­ches den Bea­mer oder die inter­ak­ti­ve Tafel steu­ert, muss ent­we­der so aus­ge­rich­tet sein, das die Lehr­kraft bei der Bedie­nung zur Lehr­grup­pe hin­schaut oder es muss eine mobi­le Prä­sen­ta­ti­on vom Platz des Schü­lers / Leh­rers aus mög­lich sein.

4. Tech­ni­sche Über­di­men­sio­nie­rung von PC-Arbeitsplätzen

Im klas­si­schen PC-Raum wer­den i.d.R. Office- oder Inter­net­an­wen­dun­gen genutzt. Dafür sind PC-Sys­te­me wie sie in Fir­men zum Ein­satz kom­men schlicht über­di­men­so­niert und ver­brau­chen dar­über­hin­aus unnö­tig viel Energie.

Für die Medi­en­pro­duk­ti­on – z.B. Film­schnitt – sind die­se Gerä­te dann wie­der viel zu leistungsschwach.

Ein PC-Arbeits­platz muss in sich der Aus­stat­tung an der tat­säch­lich zu erwar­ten­den Nut­zung orientieren.

5. Ver­zicht auf Soft­ware­de­ploy­ment­lö­sun­gen (zuguns­ten von z.B. Wächterkarten)

Jedes Sys­tem, wel­ches bei der Instal­la­ti­on einer Anwen­dung vor­aus­setzt, dass sich ein Ser­vice­tech­ni­ker vor jeden ein­zel­nen PC für die not­wen­di­gen Arbei­ten setzt, ist nicht mehr zeit­ge­mäß. Soft­ware lässt sich heut­zu­ta­ge ser­ver­ge­steu­ert ver­tei­len. Selbst die Betriebs­sys­tem­in­stal­la­ti­on läuft voll­au­to­ma­tisch ab. Der Schutz des jewei­li­gen Arbeits­plat­zes vor Mani­pu­la­tio­nen durch SuS kann z.B. ver­läss­lich durch ent­spre­chen­de Pro­fil­ein­stel­lun­gen erfolgen.

6. Feh­len­de Skalierungsplanung

Es ist eine Sache, in einem Klas­sen­raum mit Funk­über­tra­gungs­pro­to­kol­len wie Air­Play, Mira­Cast etc. und mit z.B. einem Klas­sen­satz Tablets zu arbei­ten. Es ist eine ande­re Sache, das mit einer gan­zen Schu­le in allen Räu­men zu tun. Die dazu nöti­gen Netz­werk­kom­po­nen­ten und deren Kon­fi­gu­ra­ti­on ste­hen in einem dia­me­tra­len Gegen­satz zu den ver­meint­lich tech­nisch tri­via­len Erleb­nis­sen, wie sie ins­be­son­de­re die App­le­welt ver­mit­telt.  Die Aus­stat­tung muss unter der Annah­me beschafft und kon­zi­piert wer­den, dass das irgend­wann „jeder an der Schul­er“ macht.

7. Feh­len­des Fort­bil­dungs­kon­zept für die Lehrkräfte

Im Ide­al­fall wer­den die vom Schul­trä­ger beschaff­ten Gerä­te oft und gern benutzt. Nur ein kom­pe­ten­ter, lern­be­rei­ter Anwen­der ist dazu in der Lage und nutzt die Mög­lich­kei­ten die­ser teu­ren und meist war­tungs­auf­wän­di­gen Investition.

Schu­len mit einem durch­dach­ten IT-Fort­bil­dungs- und Medi­en­kon­zept sind bei der Aus­stat­tung vor­ran­gig zu behandeln.

Ein schul­über­grei­fen­des Fort­bil­dungs­kon­zept wird durch eine ein­heit­li­che Aus­stat­tung erheb­lich vereinfacht.

8. „Schmoren im eige­nen Saft“

Es gibt in der unmit­tel­ba­ren Regi­on vie­le Schu­len, die mit neu­en Medi­en und Schul­ser­ver­lö­sun­gen aus­ge­stat­tet sind. Die­se ver­fü­gen über kon­kre­te Erfah­rungs­wer­te aus metho­disch-didak­ti­schen Kontexten.

Die Besich­ti­gung ande­rer Schu­len und das Gespräch mit den dort unter­rich­ten­den Lehr­kräf­ten sind wich­tig, um als Schu­le oder Schul­trä­ger eine dif­fe­ren­zier­te Mei­nung zu erhal­ten und die­se gegen­über Fir­men ver­tre­ten bzw. über­haupt ver­ba­li­sie­ren zu können.

 

Titrationsberechnungen

Als Che­mie­leh­rer unter­rich­tet man sie immer wie­der, als SuS atmet man erleich­tert auf, wenn man sie denn hat: Die all­ge­mei­ne Titrationsgleichung.

    \[ (1) \; x_{p} \cdot c_{m} \cdot V_{m} = x_{m} \cdot c_{p} \cdot V_{p} \]

Der Index m steht für Maß­lö­sung, also die Lösung mit der man tri­tiert und deren Kon­zen­tra­ti­on cbekannt ist. Hier bestimmt man mit z.B. einer Büret­te das ver­brauch­te Volu­men Vm bis zum Äqui­va­lenz­punkt bei einer Säu­re-/Ba­se­ti­tra­ti­on.

Der Index p steht für Pro­be­lö­sung, also die Lösung, deren Kon­zen­tra­ti­on cp bestimmt wer­den soll und deren Volu­men Vbekannt ist.

Span­nend sind die stö­chi­me­tri­schen Fak­to­ren xm und xp, die in der all­ge­mei­nen Titra­ti­ons­gglei­chung ja ver­tauscht sind. War­um das so ist, lässt sich nicht unbe­dingt anschau­lich erklä­ren, son­dern eher mathe­ma­tisch, was vie­le Che­mie­bü­cher aber ger­ne ver­schwei­gen oder da ein­fach drüberweggehen.

Her­aus­be­kom­men kann die Fak­to­ren nur durch Auf­stel­lung der ent­spre­chen­den Reak­ti­ons­glei­chung. Hier ist die zen­tra­le Fragestellung:

In wel­chem Ver­hält­nis np : nm reagie­ren die in der Maß- und Pro­be­k­lö­sung ent­hal­te­nen Mole­kü­le oder For­mel­ein­hei­ten miteinander?

Am Bei­spiel der Titra­ti­on von Schwe­fel­säu­re (Pro­be­lö­sung) mit Natron­lau­ge (Maß­lö­sung) lässt sich das recht ein­fach erklä­ren. Schwe­fel­säu­re ist ein soge­nann­te zwei­pro­to­ni­ge Säu­re. Pro Mole­kül kön­nen also zwei Hydro­ni­um­io­nen (H3O+) gebil­det werden:

    \[ (2) \; H_{2}SO_{4} + 2H_{2}O \rightleftharpoons 2H_{3}O^{+} + SO_{4}^{2-} \]

Titriert man die­se mit Natron­lau­ge, benö­tigt man pro Schwe­fel­säu­re­mo­le­kül (n) rech­ne­risch zwei For­mel­ein­hei­ten (2n) Natriumhydroxid:

    \[ (3) \; 2NaOH  \rightleftharpoons 2Na^{+} + 2OH^{-} \]

Die voll­stän­di­ge Neu­tra­li­sa­ti­ons­glei­chung lau­tet dann:

    \[ (4) \; 2H_{3}O^{+} + SO_{4}^{2-} + 2Na^{+} + 2OH^{-} \rightleftharpoons 4H_{2}O + 2Na^{+} + SO_{4}^{2-} \]

Es gilt also dann:

    \[ (5) \; n_{m} : n_{p} = 2 : 1 \]

Die Stoff­men­ge n ist aber gera­de das, was man zum Ein­set­zen in die Titra­ti­ons­glei­chung nicht braucht. Sie lässt sich aber durch c und V aus­drü­cken, da sie über die Defi­ni­ti­ons­glei­chung der Kon­zen­tra­ti­on mit­ein­an­der ver­knüpft sind:

    \[ (6) \; c = \frac{n}{V} \;\;bzw.\;\; (7) \; n = c \cdot V \]

Jetzt haben wir alle Tei­le des Puz­zles zusam­men. Zuerst schrei­ben wir Glei­chung (5) etwas anders:

    \[ (5) \; n_{m} : n_{p} = 2 : 1 \;\Leftrightarrow\; (8)\; \frac{n_{m}}{n_{p}} = \frac{2}{1} \]

und mul­ti­pli­zie­ren bei­de Sei­ten von (8) mit np:

    \[ (8)\; \frac{n_{m}}{n_{p}} = \frac{2}{1} \;\Leftrightarrow\; (9)\; \frac{n_{m}}{1} = \frac{2\cdot n_{p}}{1} \]

Die 1 im Nen­ner kann man sich auch schenken:

    \[ (10)\; 1 \cdot n_{m} = 2 \cdot n_{p} \]

Man sieht aber, dass durch die­se simp­le Umfor­mung der Fak­tor, der mal in der Ver­hält­nis­glei­chung (5) zur Maß­lö­sung gehör­te, nun vor der Pro­be­lö­sung steht. Der Fak­tor für die Maß­lö­sung wür­de auch die Sei­ten wech­seln, man sieht ihn hier eigent­lich nur nicht, weil er den Wert 1 besitzt. Aus Anschau­lich­keits­grün­den habe ich ihn aber dazugeschrieben.

Damit ist ein Rät­sel schon­mal gelöst. Zur schluss­end­li­chen Titra­ti­ons­glei­chung kommt dadurch, indem man n gemäß Glei­chung (7) durch c und V ersetzt, also

    \[ (11) \; c_{m} = \frac{n_{m}}{V_{m}} \;\;bzw.\;\; (12) \; n_{m} = c_{m} \cdot V_{m} \]

und

    \[ (13) \; c_{p} = \frac{n_{p}}{V_{p}} \;\;bzw.\;\; (14) \; n_{p} = c_{p} \cdot V_{p} \]

und das set­zen wir jetzt noch in (10) ein:

    \[ (15)\; 1 \cdot  c_{m} \cdot V_{m} = 2 \cdot c_{p} \cdot V_{p} \]

Damit ist das Ziel erreicht. Das gan­ze Sys­tem funk­tio­niert natür­lich auch für Redox­ti­tra­tio­nen. Die größ­te Schwie­rig­keit ist eigent­lich „nur“ die Bestim­mung des Ver­hält­nis­ses, also das Auf­stel­len der Reaktionsgleichungen.

Mei­ne Schü­le­rin­nen und Schü­ler bekom­men dann die Faustregel:

In der Titra­ti­ons­glei­chung wech­seln die Zah­len­wer­te aus dem stö­chio­me­tri­schen Ver­hält­nis ein­fach die Seiten.

Immer wie­der toll, was LaTeX so kann.

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