Jubelperser und rhetorische Raubeine

… und dann doch die zu wenig Begeis­ter­ten. (das wird hier ein Rant)

Ich fin­de Dis­kurs ja ganz pri­ma. Wenn die Din­ge auf den Tisch kom­men, ist es oft der ers­te Schritt, um Ver­än­de­rung zu initi­ie­ren. Wenn sich Pro­zes­se aber immer wie­der wie­der­ho­len, muss man sich die Fra­ge stel­len, ob es um Ver­än­de­rung oder um Recht­ha­ben, bzw. die Struk­tur des Dis­kur­ses geht.

Und ich stel­le mir die Fra­ge, was man mit die­ser dort gepark­ten Ener­gie alles anstel­len könnte.

Die Schu­len, mit denen ich so Kon­takt kom­me, inter­es­siert die­se in Rela­ti­on zu ihrem Leben wirk­lich­keits­ent­kop­pel­te Twit­ter- oder Blog­dis­kurs­welt nicht. Selbst wenn die Betei­lig­ten in die­se Sphä­re des Digi­ta­len ein­tauch­ten (sie tun es nicht), wären allen­falls Kopf­schüt­teln und Abwehr die Reak­ti­on. Gut so. Gibt ande­re Sor­gen und Probleme.

Es mag eine Zeit gege­ben haben, in der (Geistes-)Wissenschaft Poli­tik bera­ten hat und nicht nur gehört, son­dern auch teil­wei­se adap­tiert wur­de. Das setzt aber poli­ti­schen Gestal­tungs- und Füh­rungs­wil­len vor­aus und die Fähig­keit, nicht nur die eige­ne klei­ne Welt zu sehen, son­dern die Ver­net­zungs­po­ten­tia­le. Wie ver­brei­tet sind die­se Fähig­kei­ten? Wie stark ist heu­te das „Backend“, wel­ches die Gestal­tungs­wil­li­gen z.B. mit Rechts- und Pro­zess­be­ra­tung unter­stützt, ihnen den Rücken freihält?

(Geistes-)Wissenschaft erkennt m.E. nicht, dass die­se Ära ent­schie­den vor­bei ist – sie ist es, die in ihren Struk­tu­ren ver­harrt – oach, wir machen Stu­di­en (mit teil­wei­se m.E. so aben­teu­er­li­chen Fra­ge­stel­lun­gen wie: „Beför­dern Tablet­klas­sen den Lern­pro­zess?“) oder schrei­ben elo­quen­te Grund­satz­auf­sät­ze (die dann in Fil­ter­bub­bels durch­ge­reicht und dis­ku­tiert wer­den). Ich mag das ja auch, strei­che aber davon für mei­ne Arbeit gleich 95%.

Der Bedarf aber lau­tet (dar­über kann jam­mern oder es hin­neh­men wie im Früh­ling die Blu­men): „Sage mir, wie ich mir mög­lichst wenig Res­sour­cen den Out­put stei­gern kann!“ Sor­ry, und Pssst! – die­sen Bedarf decken längst andere!

War­um soll ich mich als Poli­ti­ker von „dis­kurs­ver­lieb­ten Social­me­dia­fuz­zis“ lei­ten las­sen? Mei­ne größ­te Wäh­ler­grup­pe sind nicht die Fami­li­en. Kin­der und Jugend­li­che schon gar nicht.

Ganz neben­bei machen sich Schu­len – so ganz extrain­ter­ne­tis­tisch – mit ganz ande­ren Moti­va­tio­nen auf den Weg. Da geht es oft zunächst um Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­zes­se. Tech­nik hilft dabei. Meta­ge­sei­er über poten­ti­el­le tech­ni­sche Poten­tia­le zunächst ganz viel weni­ger. Was danach kommt – mal sehen. Meist kom­men Ideen.

Wir müs­sen gera­de ganz stark dar­auf auf­pas­sen, hilf­rei­che Metho­den wie Pro­jekt­ma­nage­ment nicht in der Wahr­neh­mung der Schu­len abzu­fa­ckeln. Jacket, Schlips und tol­le Foli­en über Qua­li­täts­ma­nage­ment­pro­zes­se tra­gen genau bis zu der Erkennt­nis, dass es für die Umset­zung Res­sour­cen braucht. Die Kom­pe­ten­zen bren­nen ja schon lich­ter­loh. Die Inklu­si­on schwelt bereits kräftig.

Das Ziel könn­te ja hei­ßen: Bes­se­re Bil­dung und gerech­te­rer Zugang zu ihr. Ist das nicht die Gemein­sam­keit? Und auch ich ertra­ge iPads. Wer mich kennt, weiß: Da kann das mit dem Aner­ken­nen  ande­rer Wege und Schwer­punkt­set­zun­gen doch nicht so schwer sein.

Wenn ich Schulleitung wäre …

Als pro­gres­si­ve Schul­lei­tung müss­te ich Per­so­nal­ent­wick­lungs­ge­sprä­che füh­ren. Ich ver­wal­te das Schul­bud­get. Ich pla­ne den Unter­richts­ein­satz und die ‑ver­tei­lung. Heu­te Abend ist schon wie­der eine Klas­sen­kon­fe­renz, bei der ich mei­ne Anwe­sen­heit nicht dele­gie­ren darf. Bei jeder Auf­füh­rung oder beson­de­re Akti­on von Schü­le­rin­nen und Schü­lern wird in der Öffent­lich­keit mei­ne Anwe­sen­heit erwar­tet. Ich soll mich fort­bil­den – nicht Füh­rung, son­dern Lea­der­ship wird von mir erwar­tet. Mein Pool der zu ver­tei­len­den Ent­las­tungs­stun­den wird seit Jah­ren klei­ner. Jeder Kol­le­ge erwar­tet, dass ich ihn oder sei­ne Arbeit wahr­neh­me. Ich schlich­te Strei­tig­kei­ten um die Beno­tung von Abitur­ar­bei­ten. Ich muss im Auge behal­ten, wer die erwei­ter­te Schul­lei­tung besetzt. Ich habe immer ein offe­nes Ohr für die Nöte und Pro­ble­me mei­ner Lehr­kräf­te. Ich ver­tre­te die Schu­le gegen­über dem Trä­ger und der Öffent­lich­keit. Ich füh­re Ver­be­am­tungs­ge­sprä­che durch und ver­fas­se Gut­ach­ten für Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen. Ich küm­me­re mich um rechts­si­che­re Ver­trä­ge mit päd­ago­gi­schen Fach­kräf­ten für den Ganz­tags­schul­be­trieb. Ich sit­ze regel­mä­ßig in Gre­mi­en wie dem Schul­vor­stand. Ich bin ver­pflich­tet, den Per­so­nal­rat regel­mä­ßig über das Per­so­nal betref­fen­de Ent­schei­dung zu infor­mie­ren. Ich hal­te die Rede zum Abitur. Kol­le­gen sind sau­er, wenn ich aus ihrer Sicht inte­gra­le Auf­ga­ben wie z.B. Schul­ent­wick­lungs­pro­zes­se an die erwei­ter­te Schul­lei­tung dele­gie­re. Ich ver­ant­wor­te letzt­lich jede recht­lich rele­van­te Ent­schei­dung gegen­über dem Dienst­herrn. Eltern beschwe­ren sich bei mir berech­tigt und unbe­rech­tigt. Ich habe mit Lücken in der Unter­richts­ver­sor­gung zu kämp­fen, die ich meist zunächst „aus dem Sys­tem her­aus“ schlie­ßen muss. Ich wäh­le Bewer­ber um neue Stel­len aus – wenn sie mir zuge­wie­sen wer­den und wir­ke auch bei deren Stel­len­aus­schrei­bung mit. Ich bin bei Prü­fungs­stun­den mit Refe­ren­da­ren mit dabei. Ich muss Ent­schei­dun­gen des Kol­le­gi­ums Eltern- und Schü­ler­gre­mi­en ver­mit­teln. Ich muss Ent­schei­dun­gen von Eltern- und Schü­ler­gre­mi­en den Lehr­kräf­ten ver­mit­teln. Ich muss schul­in­ter­ne Ent­schei­dun­gen der Öffent­lich­keit ver­mit­teln. Ich bin bei Aus­wahl­ver­fah­ren für neue A14- und A15-Stel­len mit ein­ge­bun­den. Oft kommt mir schwer Vor­her­seh­ba­res dazwi­schen. Ich befin­de mich mit ande­ren Schu­len und Schul­for­men im Wett­be­werb um die Schü­le­rin­nen und Schüler. […]

Ach ja – und dann noch die­ser Medienonkel.

PS: War­um gibt es einen „Towel­day“ und kei­nen „Prin­ci­pal­day“? Mir wür­de an die­sem Tag bewusst, was Schul­lei­te­rin­nen und Schul­lei­ter, die ihren Job ernst­neh­men,  jeden Tag tun. Übri­gens hat mein fik­ti­ver Schul­lei­ter von oben eine erwei­ter­te Schul­lei­tung, die ihm Auf­ga­ben abnimmt. Er hat ein bestimm­tes Gehalt und er darf A14- und A15-Stel­len anbie­ten. Wie ist denn das an einer klei­nen Grundschule?

Gehackt und zum Spamversand missbraucht …

Diens­tag, 8:15 Uhr:

Men­no, die Schul­home­page ist ja wie­der schne­cken­lahm. Joom­la ist doch ein­fach Mist. Jetzt aber los zur Bera­tung zwei­er Schulen.

Diens­tag, 14:42 Uhr:

Boah ey, immer noch. Ich rufe da gleich mal im Rechen­zen­trum an. Das Ding ist zwar gespons­ort, aber so … Hm. Zur Sicher­heit guckst du dir wohl bes­ser noch­mal die Sache von der Kon­so­le aus an.

Diens­tag, 14:53 Uhr:

Über 50 akti­ve post­fix-Pro­zes­se, Load bei 22, vie­les boun­ce-Pro­zes­se – komisch, sind wir wie­der mal auf irgend­ei­ner Black­list gelan­det? Aber wir ver­schi­cken über die­sen Ser­ver doch gar kei­ne Mails.

Diens­tag, 15:01 Uhr:

Arrrgh. 46531 Mails in der Queue. Alle mit einer Domain, die gar nicht als akti­ve Mail­do­main genutzt wird. Und: Wir sind so ziem­lich auf allen Black­lists gelan­det. Bes­ser mal das Mail­sys­tem her­un­ter­fah­ren. Puh. Load nor­ma­li­siert sich.

Diens­tag, 15:13 Uhr:

Erst­mal ist Ruhe – zumin­dest geht nichts mehr raus, aber die Mail­queue füllt sich wie­der Stück für Stück mit ca. 3 Mails / Sekun­de und war­tet auf Aus­lie­fe­rung. Damit ist zumin­dest der Mail­ser­ver schon­mal sau­ber. Kommt der Kram über den Web­ser­ver rein? Ooops. Des­sen Log ist ja leer?

Diens­tag, 15:42 Uhr:

Joah. Der Mist kommt über Apa­che rein und irgend­ein Script setzt des­sen Log auf Null. Aber: Es gibt ja noch wei­te­re Logs an Orten, die der Wurm so nicht vor­her­se­hen konn­te. Aber wel­ches ist das Rich­ti­ge? Auf dem Ser­ver lie­gen unzäh­li­gen Home­pages von Schu­len und auch Testinstallationen.

Diens­tag, 16:25 Uhr:

Ein Log ist beson­ders groß. Dank tail mal die letz­ten 50 Zei­len aus­ge­ben. Tref­fer! Ein Word­Press­plug­in, aktu­ells­te Ver­si­on, trotz­dem offen­bar ver­wund­bar. Vie­le net­te ver­schlüs­sel­te PHP-Scripts als Pay­load. Alles säu­ber­lich im Cus­tom­log als Pfadangabe.

Diens­tag, 16:48 Uhr:

War­tungs­sei­te set­zen, Instal­la­ti­on hin­ter .htac­cess-Schutz ver­ste­cken, Mail­ser­ver anfah­ren, warten.

Diens­tag, 17:03 Uhr:

Mail­ser­ver bleibt unauf­fäl­lig. Ver­seuch­te Instal­la­ti­on rei­ni­gen und wie­der online stel­len. Da es ein Kalen­der­plug­in war, gibt es lei­der eini­ges an Datenverlust.

Diens­tag, 18:15 Uhr:

Seufz. Dann man die IP von dem Spam­lis­ten delis­ten (las­sen). Mails an t‑online hän­gen immer noch :o(…

Tage, an denen es bes­ser wäre, ein­fach nur Leh­rer zu sein. Hei­se kam just zum Zeit­punkt mei­ner Suche mit der ent­spre­chen­den War­nung raus – wäh­rend ich schon such­te. Und natür­lich war dann ein Able­ger eines von mir ein­ge­setz­ten Plug­ins auf der ent­spre­chen­den Lis­te. Tja. Es ist halt nicht immer gut, unter den ers­ten zu sein.

Als Interner das eigene System beraten

Auf dem Edu­Camp in Stutt­gart habe ich bei­läu­fig erwähnt, dass ich an mei­ner Schu­le zwar die IT mana­ge und deren Wei­ter­ent­wick­lung pla­ne, in päd­ago­gi­schen und struk­tu­rel­len Fra­gen aber kei­ne akti­ve Rol­le ein­neh­me – die Reak­ti­on war mehr oder min­der blan­kes Unverständnis:

Es ist doch dei­ne Arbeits­um­ge­bung, es ist dei­ne Schu­le, da bist du doch verantwortlich!“.

War­um das bei mir so ist, erfor­dert eine klei­ne Geschich­te, die nicht von mir stammt, son­dern aus einem Blog einer hoch­sen­si­blen Per­sön­lich­keit.

Ihr seid Bei­fah­rer auf der Auto­bahn, und plötz­lich streikt der Wagen! Es wird rechts ran­ge­fah­ren, der Motor wird abge­stellt, und man steigt aus um zu gucken was los ist…

Du: „Guck mal, der Rei­fen ist platt, den müs­sen wir wechseln!“
Fah­rer: „Oh man, was ist denn jetzt los?“
Du: „Der Rei­fen ist platt, ein­fach mal wech­seln, dann geht’s weiter!“
Fah­rer: „Gera­de eben fuhr der Wagen doch noch“
Du: „Ja, aber jetzt ist der Rei­fen platt! Komm, wir wech­seln den!“
Fah­rer: „Hast DU ’ne Ahnung was los ist? Du bist doch angeb­lich so gut“
Du: „Ja, der Rei­fen! Der muss gewech­selt werden!“
Fah­rer: „Ach Quatsch, was für ein Rei­fen! Ich glau­be der Aschen­be­cher ist voll, viel­leicht liegt’s daran!“
Du: „Nein, es ist der Reifen!“
Fah­rer: „Ich hab gar nicht gemerkt was mit dem Aschen­be­cher los war!“
Du: „Der REIFEN!“
Fah­rer: Du musst ja jetzt nicht laut wer­den, ich such ja schon das Problem!“
Du: „Es ist der gott­ver­damm­te R‑E-I-F-E‑N!“
Fah­rer: „Ich glau­be, ich hät­te den Aschen­be­cher mal vorm los­fah­ren leer machen sollen!“
Du: „…“
Fah­rer: „Hät­test Du mich aber auch mal dran erin­nern kön­nen! Du immer mit Dei­nem blö­den Reifen“
Du: „Es ist aber nun mal der Rei­fen, der Rei­fen, der gott­ver­damm­te Rei­fen! Sieh auf den Reifen!“
Fah­rer: „Mal ehr­lich, glaubst Du es könn­te auch der Rei­fen sein?“
Du: „Ja, ver­dammt noch­mal, das sag ich doch die gan­ze Zeit“
Fah­rer: „Oh man, wer kommt schon drauf dass es der Rei­fen sein könn­te? Hät­test mich aber auch ruhig mal fra­gen kön­nen ob der Aschen­be­cher voll ist, oder nicht… Du inter­es­sierst Dich irgend­wie über­haupt nicht für mei­ne Pro­ble­me… Na komm, jetzt steh da nicht so doof rum, dann wech­seln wir mal den Reifen!“

Quel­le: http://hsp-gedanken.blog.de/2014/10/20/interessierst-gar-19589428/

Die Geschich­te rekon­tex­tua­li­sie­re ich hier ein­mal als Bild. Den Fah­rer gibt es näm­lich nicht. Der Fah­rer ist bezo­gen auf Schu­le immer ein gan­zes Sys­tem. Ein Sys­tem besteht aus vie­len Men­schen und Regeln – vie­le davon heim­lich.

Sys­te­me möch­ten sich und ihre Regeln erhal­ten, weil das Sicher­heit und Bestä­ti­gung schafft. Das ist also nichts per se Böses, son­dern ein völ­lig nor­ma­ler Selbst­er­hal­tungs­re­flex. Abge­schlos­se­ne Sys­te­me sind in beson­de­rer Wei­se davon über­zeugt, dass ihre Regeln und Ver­fah­ren gut und rich­tig sind. Wenn etwas nicht klappt, liegt das aus Sicht des Sys­tems immer schnell am Ver­hal­ten eini­ger weni­ger Men­schen, nie an Struk­tu­ren. Läge es tat­säch­lich an Struk­tu­ren, dürf­te es aus Sicht des Sys­tems das Essen­ti­el­le gar nicht mehr funk­tio­nie­ren. Und das tut es ja. Solan­ge sind ande­re Wahr­neh­mun­gen natür­lich falsch.

Das Wesen von Bera­tung ist für mich aber die Arbeit an Struk­tu­ren. Dabei gibt es eini­ge weni­ge Kernfragen:

  1. Was sind unse­re Strukturen?
  2. Wie erfolg­reich sind wir mit unse­ren Strukturen?
  3. An wel­chem Punkt einer Struk­tur set­zen wir an, damit sich etwas sub­stan­ti­ell verändert?

Im eige­nen Sys­tem bin ich Teil der Struk­tu­ren. Im bes­ten Fal­le sta­bi­li­sie­re ich die Struk­tur gera­de dadurch, dass ich etwas auf­baue, gegen das das Sys­tem sich ver­tei­di­gen muss – und auch wird! Das Sys­tem wird jah­re­lang den Aschen­be­cher rei­ni­gen („Die Wahr­neh­mung des Bei­fah­rers stimmt nicht!“), dann durch einen blö­den Zufall auf den Rei­fen schau­en, um schließ­lich dem Bei­fah­rer vor­zu­wer­fen, er hät­te nicht kon­se­quent genug auf den Misstand hin­ge­wie­sen (Rück­spie­ge­lung: „Du hät­test ja han­deln kön­nen / müssen!“).

Das schließt para­do­xer­wei­se übri­gens nicht aus, dass ein­zel­ne Men­schen in die­sem Sys­tem ganz anders füh­len und den­ken und auch Visio­nen haben, die es für mich mit allem, was ich habe zu stär­ken gilt. Die Umsetz­fä­hig­keit hängt aber in erheb­li­chen Umfang davon ab, ob eine kri­ti­sche Mas­se ent­steht, die neue Struk­tu­ren und Regeln  imple­men­tie­ren kann, die dann fak­tisch nicht nur auf dem Papier in einem Kon­zept ste­hen. Und für mich ist zuneh­mend die Fra­ge, ob das zum jet­zi­gen Zeit­punkt auf demo­kra­ti­schem Wege in ange­mes­se­ner Zeit gelin­gen kann.

Eben­falls auf dem Edu­Camp in Stutt­gart gab es eine Ses­si­on zu sub­ver­si­ver Arbeit. Natür­lich kann ich als Teil des Sys­tems Netz­wer­ke und Ängs­te nut­zen, um Ver­än­de­rung zu initi­ie­ren oder ich kann Orga­ne mit Infor­ma­tio­nen und mei­nem Wis­sen von „Angel­punk­ten“ ver­sor­gen. Das ist dann aber kei­ne Bera­tung, son­dern Mani­pu­la­ti­on. Auch das zur­zeit hoch­mo­der­ne Nud­ging ist für mich im Kern mani­pu­la­tiv. Bei­des klappt umso bes­ser, je eher es dem Sys­tem spä­ter gelingt, die posi­ti­ven Effek­te der ent­stan­de­nen Ver­än­de­rung sich selbst zuzu­rech­nen. Das ist bei sub­ver­si­ven Ver­fah­ren immer mit zu berück­sich­ti­gen, wenn man erfolg­reich sein will. Es hat den Preis, dass man natür­lich dann nicht die Lor­bee­ren erhält. Die bekom­men immer die Trä­ger insti­tu­tio­nel­ler Macht.

Der logi­sche Schritt wäre auf den ers­ten Blick also, sich in insti­tu­tio­nel­ler Macht­po­si­tio­nen zu bege­ben  (z.B. durch Auf­stieg in der Hier­ar­chie im Schul­sys­tem). Damit mei­ne ich nicht die Über­nah­me pri­mä­rer Dienst­leis­tun­gen im Ver­wal­tungs­be­reich, son­dern Posi­tio­nen, die struk­tu­rel­le Gestal­tungs­räu­me bieten.

Das hat sei­nen Preis, z.B. den, dass man immer noch Teil des Sys­tems ist, nun aber in ganz ande­re Zwän­ge hin­ein­ge­rät: Das Sys­tem erwar­tet schließ­lich, dass es wei­ter funk­tio­niert – am bes­ten soll sich nichts ändern. Die Kon­se­quenz muss man tra­gen kön­nen und wol­len. Man wird nur klei­ne Tei­le in sehr klei­nen Schrit­ten bewe­gen kön­nen. Die Arbeit an Hal­tun­gen, die dafür not­wen­dig ist, bleibt immens komplex.

Das kann ich im Prin­zip alles aus­hal­ten. Aber inner­halb mei­nes eige­nen Sys­tems fehlt mir dafür die Geduld. Ich neh­me Din­ge schnell per­sön­lich oder füh­le mich ange­grif­fen – und dahin ist es mit mei­ner Objek­ti­vi­tät und mei­ner Sou­ve­rä­ni­tät in Kon­flikt­si­tua­tio­nen – qua­si der Tod der Sach­ebe­ne. Es gibt schließ­lich eine Geschich­te zu mei­ner Per­son im eige­nen System.

Die­se per­sön­li­chen Impli­ka­tio­nen habe ich als exter­ner Bera­ter für ande­re Schu­len nicht. Der Anspruch einer guten Bera­tung bleibt. Wenn aber Pro­zes­se schei­tern – und das tun sie natür­lich gele­gent­lich – ist mein Name zwar an der betref­fen­den Schu­le „ver­brannt“, aber ich gehe meist trotz­dem gestärkt um Erfah­run­gen aus der Bera­tung in die nächs­te Schu­le. Ich tra­ge Nie­der­la­gen nicht in mei­nem Sys­tem mit mir als Geschich­te her­um. Ich kann in Kon­flik­ten anders bestehen: Weil mei­ne Per­sön­lich­keit im Grun­de nicht bekannt ist, ist es z.B. deut­lich schwe­rer, Kon­flik­te auf eine per­sön­li­che Ebe­ne zu brin­gen, bzw. für mich deut­lich leich­ter, genau das zu erken­nen und „pro­fes­sio­nell“ zu reagie­ren. Maxi­mal ver­lie­re ich ein Sys­tem als Kunden.

Mei­nem Sys­tem wün­sche ich daher immer die Offen­heit für exter­ne Bera­tung, weil allein das neue Per­spek­ti­ven ermög­licht. Ein Sys­tem, wel­ches nur in sich selbst ruht, wird es mit der Ent­wick­lung nach mei­nen Erfah­run­gen sehr schwer haben. Hier und da lässt sich viel­leicht mal eine Schram­me kit­ten, aber eine sub­stan­ti­el­le Ver­än­de­rung wird so eher schwer.

Zum Glück ken­ne ich mitt­ler­wei­le vie­le, sehr kom­pe­ten­te und von mir geschätz­te Men­schen, die ich dafür immer emp­feh­len kann.

Das geht alles nicht und es ändert sich nichts!

Immer noch reden alle von den „10 best apps for edu­ca­ti­on“, immer noch ver­harrt das Schul­sys­tem im bil­dungs­bür­ger­lich-kon­ser­va­ti­vem Duk­tus, immer noch pas­siert nichts bei der Medi­en­austat­tung der Schu­len, immer noch ist mein Medi­en­be­griff falsch (oder wahl­wei­se nicht weit genug ent­wi­ckelt) und immer noch begreift Poli­tik nicht, wie es eigent­lich funk­tio­niert und immer noch gibt es kei­ne Lösun­gen. Schon schlimm, die­se Welt.

Ich stand letz­te Woche vor der Auf­ga­be, acht Kubik­me­ter Erde und vier Kubik­me­ter Schutt aus dem Haus schaf­fen zu müs­sen. Ich hät­te stun­den­lang dar­über sin­nie­ren kön­nen, wie schlimm das ist – vor allem mit­ten im All­tag in einem bewohn­ten Haus. Aber durch das Sin­nie­ren wur­de die Auf­ga­be nicht klei­ner. Nicht eine Schub­kar­re Schutt fuhr aus dem Haus. Nicht ein Con­tai­ner lie­fer­te sich von selbst.

Mir kom­men die Her­aus­for­de­run­gen im Bil­dungs­sys­tem momen­tan vor wie die­ser Schutt­berg. Ideell, poli­tisch, ideo­lo­gisch.  Ein Hau­fen Anzug­trä­ger und Wis­sen­schaft­ler läuft mehr oder min­der kra­kel­end um ihn her­um: „Schaut her, es ist schlimm, er muss aus dem Haus!“ Es wer­den Vor­trä­ge gehal­ten, Blog­posts wie die­ser geschrie­ben, die immer glei­chen Ste­reo­ty­pe von den bil­dungs­bür­ger­li­chen Ängs­ten und Vor­be­hal­ten gegen­ber digi­ta­len Medi­en beklagt, die immer glei­chen Argu­men­te bemüht. Der Schutt­berg liegt immer noch. Und das liegt natür­lich dar­an, dass ihn kei­ner der Ver­ant­wort­li­chen weg­räumt. Meist, weil die­se halt nicht begrei­fen, dass er weg­ge­räumt wer­den muss. Reden ist eine Hand­lung, Den­ken ist eine Hand­lung. Lei­der küm­mert sich der Schutt­berg einen Scheiß­dreck dar­um und bleibt ein­fach liegen.

Ein schö­ner Rand bis jetzt, aber was macht der Riecken eigent­lich? Ich hand­le nach bestimm­ten Stra­te­gien, die bis­her inso­fern funk­tio­nie­ren, als dass der loka­le Schutt­berg hier vor Ort schwin­det. Lang­sam. Sehr langsam.

  1. Ich habe mich dar­um bemüht, mit einem Teil der Stun­den für ande­re Auf­ga­ben abge­ord­net zu wer­den. Es ist ein Glück, dass das hier in Nie­der­sach­sen mög­lich ist.
  2. Ver­wei­ge­rer im Bereich des Digi­ta­len haben gute Grün­de für ihre Ver­wei­ge­rung. Und ein guter Grund darf auch Selbst­schutz sein. Ein Leh­rer, der anwe­send ist und guten ana­lo­gen Unter­richt macht, ist für mich einem digi­ta­len Flip­pie vor­zu­zie­hen, der unter sei­nen Enga­ge­ment zusam­men­bricht oder durch eben­die­ses sel­ten vor Ort ist.
  3. Ich arbei­te poli­tisch. Ich hel­fe Schul­amts­mit­ar­bei­tern, Vor­stel­lun­gen im ent­schei­den­den Gre­mi­um zu prä­sen­tie­ren oder rede dort selbst. Ich knüp­fe Ban­de mit poli­tisch akti­ven Men­schen. Ich hal­te Poli­tik für eine anspruchs­vol­le Auf­ga­be und bewun­de­re Men­schen, die die­se Auf­ga­be wahr­neh­men. Ich bewun­de­re dabei nicht jede Ein­stel­lung und Hal­tung. Und das sage ich auch bei­des: Das eine wie das andere.
  4. Ich stel­le Schu­len selbst mit mei­nen Hän­den auf zeit­ge­mä­ße­re Tech­nik um. Von der Hard­ware­emp­feh­lung bis zur Raum­aus­stat­tung. Ich habe mir über Jah­re ein klei­ne­res Netz­werk aus Fir­men und Händ­lern dafür auf­ge­baut. Men­schen rufen mich an, wenn sie unsi­cher sind. Ich kann mich dar­auf ver­las­sen, dass die Arbeit fach­ge­recht erle­digt wird und von mir ver­zapf­ter Stuss auch direkt the­ma­ti­siert ist.
  5. Ich habe Geduld und ertra­ge auch her­be Rück­schlä­ge, die es dabei gibt. Das ist so im Leben. Ins­be­son­de­re ist es so in beamti­schen Strukturen.
  6. Ich bera­te und schu­le nicht mein eige­nes Sys­tem. Ich ent­schei­de und bestim­me dort in Hard­ware- und Netz­werk­fra­gen, stel­le Fra­gen, äuße­re Struk­tur­ideen, höre Bedar­fe und habe eine Ziel­vor­stel­lung vom Netz­aus­bau und der Medi­en­aus­stat­tung. Ich orga­ni­sie­re ger­ne exter­ne Bera­tung und Schu­lung, wenn die­se gewünscht und ange­for­dert wird. Ich unter­stüt­ze Kol­le­gen, die etwas zu orga­ni­sie­ren haben tech­no­lo­gisch mit geeig­ne­ten Sys­te­men. Die­ser Punkt mit dem eige­nen Sys­tem ist für mich sehr wich­tig. Ins­be­son­de­re die­se kla­re Grenz­zie­hung. Wenn Kol­le­ge z.B. das SMART­Board so nutzt, dass er einen Zet­tel unter den Pre­sen­ter legt und dar­auf sein Tafel­bild malt, dann ist das so.
  7. Ich ent­wick­le mich wei­ter. Ich ler­ne dazu. Ich blei­be nicht bei einer Stra­te­gie ste­hen, son­dern hin­ter­fra­ge ihre Wirk­sam­keit spä­tes­tens nach 1,5 Jah­ren. Die Wirk­sam­keit der Rede und des Den­kens war bis­her im Hin­blick auf den Schutt­berg eher ein wenig schlecht bis mies.
  8. Ich tei­le Ideen und Stra­te­gien, z.B. hier im Blog, aber auch mit Fir­men. Ich tei­le sie noch so, dass dar­aus für mich kei­ne Ver­bind­lich­kei­ten oder Ver­pflich­tun­gen erwach­sen. Wenn Geld fließt, ent­ste­hen immer die­se Verbindlichkeiten.
  9. Ich bedie­ne außer hier mit die­sem Blog und ein wenig auf Twit­ter kei­ne Öffent­lich­keit. Wenn eine Öffent­lich­keit bedient wer­den muss, bin­det das Resour­cen, die mir hier vor Ort feh­len wür­den. Die Erfol­ge hier in der Regi­on sind für mich der Motor. Aus ihnen ent­ste­hen die ein­zig für mich wich­ti­gen Wäh­run­gen wie Ver­trau­en oder das Gespräch beim gemein­sa­men Bierchen.

Das Schutt­berg­bei­spiel hinkt. Dafür könn­te man sich näm­lich durch­aus Dienst­leis­tun­gen ein­kau­fen. Im Bereich des Digi­ta­len muss man die­se Dienst­leis­tun­gen vor allem in der Flä­che erst noch ent­wi­ckeln oder sogar selbst erbrin­gen. Das wird irgend­wann ein­mal anders sein. Viel­leicht wenn genug gere­det und sin­niert wor­den ist.

 

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