Twitter: shutdown ‑h now

In den letz­ten bei­den Tagen wur­de ich auf der Didac­ta von eini­gen Men­schen auf mei­nen zur­zeit deak­ti­vier­ten Twit­ter­ac­count ange­spro­chen (eine Deak­ti­vie­rung lässt sich 30 Tage lang fol­gen­los zurück­neh­men). Aus­lö­ser, aber nicht allei­ni­ger Grund sind die jüngs­ten Dis­kus­sio­nen, deren Gra­vi­ta­ti­ons­wel­len man noch bei Bob Blu­me (auch in den Kom­men­ta­ren) nach­le­sen kann. Da mein Netz­werk auf Twit­ter ganz natür­lich pri­mär von Bezie­hun­gen getra­gen wird, ist es nur fair, wenn ich – aller­dings in epi­scher Brei­te – auf die Grün­de eingehe.

Wie sehe ich Twitter?

Phil­ip­pe Wampf­ler beschreibt in sei­ner Replik auf die Vor­komm­nis­se die Leh­ren­den­com­mu­ni­ty auf Twit­ter folgendermaßen:

Wäre das #twit­ter­leh­rer­zim­mer ein Team, es befän­de sich in Tuck­mans Modell in der Stor­ming-Pha­se: Die Pio­nie­re haben sich in einer ers­ten Pha­se auf Twit­ter ein­ge­fun­den, sind aber nicht mehr unter sich. Sie haben ein Publi­kum gefun­den und auch Teams gebil­det, zwi­schen denen sich Grä­ben befin­den. Insze­nie­run­gen und Erwar­tun­gen haben zu Rol­len­vor­ga­ben geführt.

Bei mich ist die­se Beschrei­bung bei Wei­tem nicht aus­rei­chend und sim­pli­fi­ziert Tuck­mans Ansatz dar­über hinaus.

Dazu zwei Thesen:

  1. Die Grup­pie­run­gen auf Twit­ter sind weder per­so­nell noch tem­po­ral homo­gen. Es gibt Unter­grup­pen und mit jeweils unter­schied­li­chem Ent­wick­lungs­stand in die­sem Phasenmodell.
  2. Es gibt ein Del­ta ( = Dif­fe­renz) bezüg­lich der auf Twit­ter (oder über­haupt auf Social­me­dia) aus­drück­ba­ren emo­tio­na­len Befind­lich­kei­ten gegen­über „ana­lo­ger“ face2face-Kommunikation.

Ein­fach gesagt: Auf Twit­ter (und in allen grö­ße­ren Social­me­dia­com­mu­ni­ties) fin­den sämt­li­che Pha­sen des Tuck­man­mo­dells immer wie­der par­al­lel statt.

  • es sind Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen dabei, die neu­gie­rig mit digi­ta­len Medi­en ihre ers­te Schrit­te machen
  • es sind Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen dabei, die Tech­no­lo­gie und auch Platt­for­men in ihrem Unter­richt ein­set­zen und von ihren Erfah­run­gen berichten.
  • es sind Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen dabei, die bereits über ihre ers­ten Erfah­run­gen reflek­tie­ren und Denk- und Hand­lungs­wei­sen modifizieren
  • es sind Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen auf ver­schie­de­nen Ebe­nen unter­wegs (Schu­le, Lan­des­ebe­ne, Poli­tik, Theo­rie- und/oder Pra­xis­be­zug usw.).
  • […]

Das“ Twit­ter­leh­rer­zim­mer“ exis­tiert für mich nicht. Durch die Par­al­le­li­tät de ver­schie­de­nen Grup­pen­ent­wick­lungs­pha­sen ent­steht ggf. erst der Ein­druck eines um sich selbst krei­sen­den, zir­ku­lä­ren Systems.

Noch­mal: Eine Homo­ge­ni­tät im Sin­ne eines Teams lt. Tuck­man ver­mag ich nicht zu erken­nen und genau das ist für mich in mei­ner Arbeit als medi­en­päd­ago­gi­scher Bera­ter unglaub­lich berei­chernd und wert­voll, weil ich auf unter­schied­li­chen Ebe­nen Input erhal­te. Es ist aber auch wert­voll und berei­chernd, weil über Twit­ter auch „ana­lo­ge“ Bezie­hun­gen zu Men­schen ent­stan­den sind und entstehen.

 

Was ist die Herausforderung?

Ich erwi­sche mich immer wie­der dabei, dass ich mei­ne hohen Maß­stä­be – die z.B. in die Ent­wick­lung des Ori­en­tie­rungs­rah­mens Medi­en­bil­dung hier in Nie­der­sach­sen mit ein­ge­flos­sen sind – auch an ande­re anle­gen möch­te in Sin­ne eines „Bekeh­rungs­an­sat­zes“. Ich ver­ges­se dabei ger­ne, dass jede der Ent­wick­lungs­pha­sen in die­sen Grup­pen­pro­zes­sen sei­nen eige­nen Wert und sei­ne eige­ne Not­wen­dig­keit besitzt. Ohne „ein­fach machen“ kein Reflek­tie­ren – letzt­lich haben wir alle – auch die „grau­en Emi­nen­zen“ unter uns – genau so begon­nen, digi­ta­le Sze­na­ri­en umzusetzen.

Durch die Beschrän­kung der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ebe­nen auf im Wesent­li­chen Geschrie­be­nes ent­ste­hen eine Men­ge zusätz­li­cher Her­aus­for­de­run­gen. Eini­ge Twit­te­rer haben dar­auf­hin ja schon eine Art inof­fi­zi­el­les Regel­werk auf­ge­stellt, z.B. die Ver­mei­dung von Iro­nie etc.. Ab einem gewis­sen Level der Bezie­hungs­ebe­ne sind Dis­kus­sio­nen auf Twit­ter wahr­schein­lich nicht sinn­voll zu führen.

Jetzt ist die Fra­ge, wel­che Rol­le ich in die­sem kun­ter­bun­ten Geflecht an Ent­wick­lungs­pha­sen und Bezie­hun­gen ich ein­neh­men soll.

Ein­fach authen­tisch Mensch sein? Auch ein­mal Flachs machen und mensch­lich wir­ken? „Erzie­he­risch“ tätig sein und „Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stan­dards“ leben, pro­pa­gie­ren und ein­for­dern? Altru­is­tisch immer wie­der die viel­leicht glei­chen Din­ge sagen und als „Wert­hers-Ech­te-Groß­va­ter“ bera­ten? Eine nüch­ter­ne Kos­ten-Nut­zen-Rech­nung auf­ma­chen? (Was gebe ich hin­ein und was kommt tat­säch­lich zurück?) Den momen­ta­nen Befind­lich­kei­ten nach­ge­ben und ein­fach mal einen raushauen?

Letzt­lich geht es wahr­schein­lich doch wie­der um die­se Fragen:

  1. Man lernt nur gut in Bezie­hun­gen. Wie kann ich einen Men­schen nach Twit­ter vir­tua­li­sie­ren (es ist ja so oder so nicht mein Selbst, son­dern eine zwangs­läu­fig unvoll­stän­di­ge Pro­jek­ti­on von mir) , der gute Bezie­hungs­ar­beit leistet?
  2. Wie gelingt es mir, mit Men­schen so respekt­voll umzu­ge­hen, dass sie grö­ßer wer­den und wir gemein­sam wach­sen? Was dient die­sem Ziel und was nicht?

Dabei wird es nicht auf den ein­zel­nen Tweet, son­dern auf das Gesamt­bild ankom­men. Der Erfolg oder Miss­erfolg bemisst sich für mich dabei aus­drück­lich nicht nach mei­nem Wer­te­sys­tem, son­dern aus­schließ­lich an der Wahr­neh­mung, die mein jewei­li­ges Gegen­über von mir hat. Ich muss mich bei Nicht­ge­lin­gen von Kom­mu­ni­ka­ti­on auf Twit­ter zumin­dest auch selbst fra­gen, was mein eige­ner Bei­trag dazu ist. Das kann und darf man natür­lich anders sehen.

 

War­um bin ich für eine Wei­le weg (oder ggf. auch für länger)?

Ich über­den­ke mein Ver­hält­nis und mei­nen Umgang mit Twit­ter gera­de, weil ich bestimm­te Ver­hal­tens­wei­sen an mir bemerkt habe, die mich nun umtreiben.

  • der ers­te Griff mor­gens ging zum Han­dy und zur bun­ten Tweet­welt – qua­si eine Art Zeitungsersatz.
  • auf dem zwei­ten Bild­schirm am Arbeits­platz, oder zumin­dest in einem neu­en Tab lief immer Twit­ter mit
  • Twit­ter frag­men­tier­te zuneh­mend mei­ne Aufmerksamkeit
  • Dis­kus­sio­nen auf Twit­ter betra­fen mich emo­tio­nal, dass ich mich manch­mal genö­tigt fühl­te, schnell zu reagieren
  • Twit­te­rer, die mir per E‑Mail schrei­ben oder mit denen ich auf der Didac­ta gespro­chen habe, berich­te­ten mir von Hem­mun­gen und Ängs­ten, Wider­re­de zu leis­ten oder bestimm­te Tweets auch nur zu faven.
  • […]

Ich bin noch nicht bereit, das als „neu­en Lebens­stil“ und „neue Wer­te­welt mit einer Ver­schmel­zung von ana­lo­gem und digi­ta­lem Raum“ zu sehen und unter­lie­ge ger­ne (für eine Wei­le) den damit ver­bun­de­nen „Irr­tü­mern“.

Ich mer­ke, dass ich durch den Abstand zu Twit­ter jetzt schon immens viel Zeit für ande­re Din­ge gewin­ne, natür­lich aber auch von der einen oder ande­ren Ent­wick­lung abge­schnit­ten bin. Das erset­ze ich gera­de wie­der zuneh­mend durch Auf­mö­beln mei­ner guten, alten RSS-Feed-Sammlung.

Eine Ent­schei­dung, ob ich Twit­ter „für immer“ ver­las­se oder wie­der­kom­me, möch­te ich erst auf­grund von drei Wochen „Abs­ti­nenz­er­fah­rung“ tref­fen. In die­sen drei Wochen wer­de ich zusätz­lich auf meh­re­ren Ver­an­stal­tun­gen Twit­te­rer in die­sem „real Life“ tref­fen und mich aus­tau­schen kön­nen. So wird man mich auf jeden Fall am 9. März auf dem #molol18 und am dar­auf­fol­gen­den Edu­CampX tref­fen kön­nen, für das ich gera­de zufäl­lig eine Idee für eine Ses­si­on habe.

Ansons­ten geht es durch die aktu­el­len Ent­wick­lun­gen hier im Blog mal wei­ter: Ich habe ein paar alte Schät­ze aus dem Refe­ren­da­ri­at im *.sdw-For­mat gefun­den und mei­ne 2. Staat­ex­amens­ar­beit dem Ver­lags­mo­loch entrissen.

 

 

 

Von Relativierern, Beschwichtigern und Verneinern der Gefahren im Netz

Kin­der­schutz­ver­bän­de wer­den nicht müde, vor den Mög­lich­kei­ten zu war­nen, die sich z.B. pädo­phi­len Men­schen im Netz bie­ten, an unschul­di­ge Opfer her­an­zu­kom­men. Für Spiel­süch­ti­ge bie­tet das Netz eine Welt, in der sie ihre Sucht zügel­los aus­le­ben kön­nen. Ent­haup­tungs­vi­de­os und ande­re für Kin­der ver­stö­ren­de Inhal­te geis­tern durch Whats­App-Grup­pen. Mob­bing erhält durch Mes­sen­ger ganz neue Dimen­sio­nen. Vie­le Men­schen wer­den wie paw­low­sche Hun­de durch den Blick auf das Smart­phone bestimmt. Man macht sich im Netz über Men­schen mehr oder weni­ger lus­tig, die sich bewusst eine digi­ta­le Aus­zeit neh­men. Es ent­wi­ckelt sich eine gan­ze Bewe­gung, die den soge­nann­ten „Detox“ pflegt, auch aus Angst vor Abhän­gig­keit. Die Betrugs­sze­na­ri­en im Netz wer­den immer aus­ge­feil­ter, im Dark­web wer­den Waf­fen und durch­aus auch Men­schen gehan­delt. All die­se Din­ge sind real und erschreckend.

Der Netz­ge­mein­de, die sich für schu­li­sche digi­ta­le Bil­dung ein­setzt, wird oft vor­ge­wor­fen, die­se Aspek­te aus­zu­blen­den und zu rela­ti­vie­ren. Auf die Spit­ze getrie­ben, ist jeder, der sich für Bil­dung im Zeit­al­ter der Digi­ta­li­sie­rung ein­setzt, ger­ne mal dem Vor­wurf aus­ge­setzt, im Prin­zip nur ein wil­li­ges Werk­zeug der gro­ßen Digi­tal­kon­zer­ne zu sein, die neue Absatz­märk­te für ihre Gerä­te und Ideo­lo­gien in Schu­len suchen. Und in der Tat sehe ich die­sen Vor­wurf sehr oft bestä­tigt, wenn Lehr­kräf­te ein tech­ni­sches Gerät oder eine Platt­form in den Mit­tel­punkt ihres Unter­richts stel­len und nicht päd­ago­gi­sche Ziele.

Das sind rea­le Pro­ble­me, die ger­ne mal mit Begrif­fen wie „ver­än­der­te Wer­te­sys­te­me“ und „Auf­lö­sung der Gren­zen zwi­schen vir­tu­ell ver­mit­tel­ter und sinn­lich erfahr­ba­rer Welt“ von den Befür­wor­tern ver­sei­ert werden.

Die Kon­se­quenz der „War­ner und Geg­ner“ sind dann For­de­run­gen, in Schu­le einen bewuss­ten Gegen­pol zur digi­ta­li­sier­ten Welt zu schaf­fen und sich dort aus­schließ­lich auf Kul­tur­tech­ni­ken wie z.B. Lesen, Schrei­ben, Rech­nen zurück­zu­be­sin­nen. Dann wer­den „Stu­di­en­schlach­ten“ aus­ge­tra­gen, die je nach Ein­stel­lung aus­ge­wählt oder kri­ti­siert wer­den. Vie­le die­ser Stu­di­en schei­nen mir auf­grund der oft sehr gerin­gen Stich­pro­ben­grö­ße wenig reprä­sen­ta­tiv zu sein.

Man hat sowohl in dem Stra­te­gie­pa­pier der KMK als auch z.B. im Ori­en­tie­rungs­rah­men Medi­en­bil­dung hier in Nie­der­sach­sen die­sen bei­den Polen – auch auf­grund der wich­ti­gen Inter­ven­ti­on der Kri­ti­ker und Mah­ner – Rech­nung getra­gen. Auf Grund­la­ge bei­der Papie­re scheint mir eine Medi­en­bil­dung mög­lich zu sein, die sowohl Chan­cen als auch Gefah­ren in den Blick nimmt.

Ich glau­be, dass das eigent­li­che Pro­blem noch viel schlim­mer und bedroh­li­cher ist und ich glau­be, dass sowohl Befür­wor­ter als auch Bewah­rer dabei oft ähn­li­chen Irr­tü­mern unterliegen.

Aus­gangs­punkt ist für mich zwei Tweets im Rah­men eines Streit­ge­sprä­ches auf Twitter:

Der Ein­fluss der IT wird fälsch­li­cher­wei­se als «Revo­lu­ti­on» dargestellt. […]

Es gibt eine Tech­nik (Inter­net) und mensch­li­che Ver­hal­tens­wei­sen im Umgang damit, die man prä­zis beschrei­ben kann. Das Inter­net kann nicht «gesell­schaft­li­che Sys­te­me neu kon­sti­tu­ie­ren».  (Andre­as Goss­wei­ler, @a_gossweiler)

Dahin­ter steckt für mich eine gewal­ti­ge Reduk­ti­on. IT und Inter­net wird als „Tech­nik“ auf­ge­fasst. Die­se Ein­stel­lung trägt in mei­nen Augen mas­siv dazu bei, dass sich im Inter­net bestimm­te Din­ge ent­wi­ckelt haben, die wir nicht ger­ne sehen.

Der Buch­druck ist eine Tech­nik. Durch den Buch­druck – genau­er – durch die Befrei­ung des Buch­drucks vom Ein­fluss der Kir­che – ist z.B. wis­sen­schaft­li­cher Aus­tausch mög­lich gewor­den, der die Ent­wick­lung der Gesell­schaft immens beschleu­nigt hat. Laut McLuhan spielt dabei wohl zusätz­lich eine Rol­le, dass zumin­dest in Euro­pa Schrift nicht iko­nisch ange­legt, son­dern der Lau­tung der gespro­che­nen Spra­che ange­lehnt war. Die­se „Ent­wick­lung der Gesell­schaft“ hat nicht nur Biblio­the­ken und das Schul­we­sen her­vor­ge­bracht, son­dern auch Din­ge wie effek­ti­ve­re Waf­fen, die Kolo­nia­li­sie­rung oder die Indus­tria­li­sie­rung mit allen ihren nega­ti­ven Fol­gen, wie z.B. den Kli­ma­wan­del und die immens unglei­che Res­sour­cen­ver­tei­lung auf der Welt. Ohne Buch­druck wäre es wohl auch gegan­gen, aber wohl bei Wei­tem nicht so schnell. Ich hal­te den Buch­druck wie vie­le ande­re Autoren auch für durch­aus gesell­schafts­kon­sti­tu­ie­rend, obwohl es zunächst eine schlich­te Tech­nik ist.

Die Eisen­bahn ist eine Tech­nik. Man stel­le sich die Gesell­schaft der Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka ohne die Rol­le der Eisen­bahn vor. Für die Urbe­völ­ke­rung war die Eisen­bahn hin­ge­gen eine rea­le Bedro­hung. Das Pro­blem für die India­ner war nicht die Tech­nik, son­dern der Umstand, was durch die neue Tech­nik mög­lich wur­de. Mit Pferd und Kut­sche wäre die Erschlie­ßung des Wes­tens wohl auch real gewor­den, jedoch wahr­schein­lich nicht so schnell. Auch die Eisen­bahn hal­te ich für eine gesell­schafts­kon­sti­tu­ie­ren­de Technik.

Beim Buch­druck und bei der Eisen­bahn ist das aber auch sehr leicht ein­zu­se­hen, weil wir qua­si aus unse­rer Gegen­wart auf die Ver­gan­gen­heit schau­en. Weder die Kir­che des Mit­tel­al­ters noch die India­ner wären in der Ent­ste­hungs­zeit des Buch­drucks bzw. der Eisen­bahn wahr­schein­lich in der Lage gewe­sen, ihre gesell­schafts­kon­sti­tu­ie­ren­de Dimen­si­on zu erkennen.

Die Fol­gen der Tech­nik „IT“ und „Inter­net“ sind doch aber jetzt schon sicht­bar, sowohl im Guten als auch im Schlech­ten. Das Ver­ständ­nis dafür, wie es die Nut­zung die­ser „Tech­nik“ aber zustan­de­bringt, z.B. pre­kä­re Arbeits­ver­hält­nis­se im Ver­sand­han­del oder eben Sucht­pro­ble­ma­ti­ken zu schaf­fen, steht aber erst am Anfang. Ich emp­fin­de die­se und ande­re Phä­no­me­ne im übri­gen nicht als „klein“ oder in der Sum­me „ver­nach­läs­sig­bar“. Für mich beschleu­nigt „IT-Tech­nik“ genau wie der Buch­druck oder die Eisen­bahn „ledig­lich“ bestimm­te gesell­schaft­li­che Ent­wick­lun­gen und macht Din­ge, die vor­mals eher im Ver­bor­ge­nen lagen, bru­tal sicht­bar, aber eben auch Din­ge mög­lich, die vor­her undenk­bar waren – dum­mer­wei­se auf einer glo­ba­len Ebe­nen – und das soll nicht gesell­schafts­kon­sti­tu­ie­rend sein?

Die nega­ti­ven Aus­wir­kun­gen bestimm­ter gesell­schaft­li­cher Ent­wick­lun­gen sind nach mei­ner Ansicht dadurch kom­pen­siert wor­den, dass es unter­schied­li­che mora­li­sche (sic!) Stand­punk­te dazu gab. Eine mora­lisch-ethi­sche Wer­tung von Ent­wick­lun­gen auf IT-Sek­tor erfor­dert nach mei­ner Ansicht aller­dings auch tech­ni­sches Grund­wis­sen, was sich oft nicht lust­be­tont erwer­ben lässt. Um eine Wer­tung drü­cken sich daher vie­le Beschwich­ti­ger zuguns­ten einer Rela­ti­vie­rung und oft­mals ein­sei­ti­gen Dar­stel­lung. Klar fin­det z.B. Miss­brauch immer oft im häus­li­chen Rah­men statt, aber die „Opfer­aus­wahl“ kann durch bestimm­te Nut­zungs­for­men von Tech­no­lo­gie per­vers effek­ti­viert wer­den. Und als Leh­rer und Vater bin ich mir – natür­lich nur auf Basis von unwis­sen­schaft­li­chem „Erfah­rungs­wis­sen“ – gar nicht so sicher, ob es nicht auch durch­aus sehr nega­ti­ven Aus­wir­kun­gen der Medi­en­nut­zung von uns anver­trau­ten Men­schen gibt.

Die ggf. auch vor­läu­fi­ge mora­li­sche Wer­tung ist vor allem auch des­we­gen not­wen­dig, weil Regu­lie­run­gen in einem glo­ba­li­sier­ten Sys­tem nicht ganz tri­vi­al sind. Mir erschei­nen eini­ge wohl­mei­nen­de Erklä­rungs­an­sät­ze zum Web­ver­hal­ten von Jugend­li­chen hart an der Gren­ze zur Anbie­de­rungs- und Ver­ständ­nis­päd­ago­gik, die Din­ge wie einen Erzie­hungs­auf­trag zu negie­ren ver­mag (ja, das ist wohl der bis­her böses­te Satz).

Ich fän­de es daher wün­schens­wert, wenn wir „Befür­wor­ter“ unser eige­nes Medi­en­ver­hal­ten und unse­re Kauf­ge­wohn­hei­ten, aber auch unse­re ver­meint­li­chen tech­ni­schen Kom­pe­ten­zen gemein­sam mit Schü­le­rin­nen und Schü­lern hin­ter­fra­gen. Und ich fän­de es sehr wich­tig, dass Kri­ti­ker nicht nur Gerä­te, son­dern das gesell­schaft­kon­sti­tu­ie­ren­de Poten­zi­al der Digi­ta­li­sie­rung mit in den Blick nähmen.

Grund­la­ge ist für mich dabei Grund­wis­sen über Grund­zü­ge der digi­ta­len Welt. Ein iPad mit Apps bestü­cken und die­se bedie­nen zu kön­nen, wäre mir nicht genug.

 

 

 

Den Schulen Freiheiten bei der Geräteauswahl geben?

Die idea­le Ausgangssituation

Es gibt ein Medi­en­zen­trum eines Land­krei­ses. Es beschäf­tigt zwei Tech­ni­ker und einen Sys­tem­ad­mi­nis­tra­tor, um fol­gen­des für die Schu­len in Trä­ger­schaft des Land­krei­ses zu leisten:

  • Ent­wick­lung von Infra­struk­tur an Schu­len (Inter­net­zu­gang, Ver­net­zung, WLAN, Präsentationstechnik)
  • Koor­di­na­ti­on mit dem Hoch­bau­amt des Land­krei­ses, z.B. bei Elektroinstallationsarbeiten)
  • War­tung und tech­ni­scher Support
  • Aus­schrei­bung und Beschaf­fung von Endgeräten
  • Abwick­lung von Garantiefällen
  • ver­läss­li­che Ver­tre­tungs­re­ge­lun­gen bei Aus­fall von Supportmitarbetenden
  • usw.

Zusätz­lich sind zwei Medi­en­päd­ago­gen am Medi­en­zen­trum ange­dockt, zwei Mit­ar­bei­ter küm­mern sich um Medi­en­ver­leih und Gerä­te­aus­lei­he (Licht­tech­nik, Beschal­lung, Film- oder Foto­aus­rüs­tung, Geo­caching­ge­rä­te, iPad-Kof­fer u.v.m.) und das Medi­en­zen­trum beschäf­tigt dar­über­hin­aus noch eine Bun­des­frei­wil­li­gen­dienst­leis­te­rin sowie einen Jahrespraktikanten.

Das Medi­en­zen­trum betreut nur die Land­kreis­schu­len auch tech­nisch, ansons­ten aber alle Schu­len und außer­schu­li­sche Bil­dungs­trä­ger mit Bera­tung und kos­ten­lo­ser Geräteausleihe.

Sol­che Medi­en­zen­tren gibt es, nicht vie­le, aber es gibt sie. Ob sie wirk­lich will, muss man ent­schei­den, wenn man hier weiterliest.

Die oft anzu­tref­fen­de Vergangenheit

In der Ver­gan­gen­heit haben Schu­len mit ihren Haus­halts­mit­teln Anschaf­fun­gen und bau­li­che Maß­nah­men im Bereich der IT-Tech­nik allein gestal­tet. Dazu konn­ten sie teil­wei­se Titel­grup­pen im Haus­halt rela­tiv frei ver­schie­ben. Dabei sind Net­ze und Gerä­te­parks ent­stan­den, die weit­ge­hend undo­ku­men­tiert vor sich hin­wer­keln. Tech­ni­scher Sup­port wur­de von exter­nen Dienst­leis­tern auf Stun­den­ba­sis über­nom­men, die meist meh­re­re Stun­den damit ver­bracht haben, zunächst zu ver­ste­hen, wie bestimm­te Din­ge vor Ort über­haupt funk­tio­nie­ren, bevor sie hel­fend aktiv wer­den konn­ten. Wenn der Tech­nik­papst­leh­rer vor Ort aus­fiel, fiel das Netz mit ihm aus.

Der Ent­wick­lungs­stand ein­zel­ner Schu­len ist dabei sehr unter­schied­lich und nicht zuletzt auch davon abhän­gig, wie ver­netzt und ein­fluss­reich Schul­lei­tun­gen in der Regi­on posi­tio­niert sind. Der eine kann Dritt­mit­tel in fast unbe­grenz­ter Höhe ein­wer­ben, der ande­re hat immer noch einen PC-Raum mit WindowsXP.

Die Her­aus­for­de­run­gen in einer sol­chen Struktur

  1. Wenn man bei Pro­ble­men schnell inter­ve­nie­ren will, kann das in der Flä­che nur funk­tio­nie­ren, wenn ich einen Groß­teil der Auf­ga­ben per Fern­war­tung erle­di­gen kann.
  2. Wenn man vor Ort Pro­ble­me lösen muss, ist eine gute Doku­men­ta­ti­on und weit­ge­hen­de Stan­dar­di­sie­rung unerlässlich.
  3. Man braucht z.B. im Bereich von WLAN- oder MDM-Sys­te­men zwin­gend man­dan­ten­fä­hi­ge Lösun­gen, d.h. bestimm­te Din­ge muss die jewei­li­ge Schu­le selbst für sich ent­schei­den dür­fen und ande­re Din­ge müs­sen zen­tral steu­er­bar sein, weil ich ansons­ten als Dienst­leis­ter im Extrem­fall n (=Anzahl der Schu­len) ver­schie­de­ne Sys­te­me bedie­nen kön­nen muss.
  4. Auch bei Platt­for­men macht es durch­aus Sinn, ein­heit­li­che Lösun­gen zu ver­wen­den, da LuL und SuS dann z.B. beim Schul­wech­sel ihre gewohn­te Umge­bung in ihrer gewohn­ten Kon­fi­gu­ra­ti­on vorfinden.
  5. Schu­len ver­lie­ren bei die­sem Anspruch aber zwangs­läu­fig Auto­no­mie im Bereich ihrer Finanz­pla­nun­gen, die bis­her immer bestan­den hat. Infra­struk­tur kann nicht ein­fach so beschafft wer­den, wenn gleich­zei­tig der Anspruch besteht, dass der Trä­ger sie ver­läss­lich war­ten soll.
  6. Die auto­di­dak­ti­schen  „Tech­nik­päps­te“ vor Ort ver­lie­ren an Ein­fluss und Anerkennung.
  7. Die Gna­de der Tech­ni­schen Betreu­ung ergießt sich auf alle Schu­len glei­cher­ma­ßen. Dabei ver­lie­ren die bis­her star­ken Sys­te­me, aber es gewin­nen die bis­her ver­nach­läs­sig­ten Schulen.

Die letz­ten drei Punk­te machen in sol­chen Struk­tu­ren übri­gens gefühlt 98% der Arbeits­zeit aus.

Jetzt ergibt sich ein her­aus­for­dern­der Spa­gat: Einer­seits brau­chen Schu­len spe­zi­ell bei der Aus­wahl von End­ge­rä­ten natür­lich päd­ago­gi­schen Hand­lungs­spiel­raum, ande­rer­seits muss die tech­ni­sche Betreu­ung die­ser Gerä­te leist­bar sein.

Extrem­bei­spie­le (lei­der rea­le aus der Beratungspraxis):

  • Eine Schu­le kauft nach päd­ago­gi­scher Bera­tung bei Media­markt 50 iPads und for­dert vom Trä­ger einen Klausurmodus.
  • Eine Schu­le möch­te auf BYOD-Gerä­ten arbei­ten und for­dert vom Trä­ger, dass die­ser alle Schü­ler­ge­rä­te in die Schul­do­mä­ne einbindet.
  • Eine Schu­le beschafft ein Pro­gramm zur Lern­stands­er­he­bung und ver­langt vom Trä­ger die Anbin­dung an das AD der Schule.
  • Eine Schu­le nimmt 50 gespen­de­te PCs an und ver­langt vom Trä­ger Hard­ware­sup­port dafür

Es darf nicht dazu kom­men, dass eine Schu­le auto­nom eine Ent­schei­dung trifft, die an ande­rer Stel­le unleist­ba­re Arbeit­pro­zes­se erzeugt. Es darf auch nicht dazu kom­men, dass der Trä­ger ein­sei­ti­ge Vor­ga­ben im Bereich der Aus­stat­tung macht. Das pas­siert aber immer genau da, wo es kein Gegen­ge­wicht in Form von medi­en­päd­ago­gi­schen Blick­win­keln gibt. Des­we­gen ist für mich eine Bera­tung hin­sicht­lich der Anschaf­fung von End­ge­rä­ten ohne Umfeld­ana­ly­se („Mal im Schul­amt Kaf­fee trin­ken“, „Infra­struk­tur ana­ly­sie­ren“, „Stake­hol­der erfra­gen“) immer kri­tisch zu sehen.

Der Ide­al­fall ist für mich ein part­ner­schaft­li­cher Umgang mit­ein­an­der, bei dem ein Part­ner den ande­ren mit­denkt und einbezieht.

Wenn der Trä­ger aus der Rol­le des „Beschaf­fers“ und „Pflicht­er­fül­lers“ und die Schu­le im Gegen­zug aus der Rol­le des „Bitt­stel­lers“ her­aus­kommt, sind nach mei­ner Erfah­rung viel mehr Din­ge möglich.

Lei­der sind die­se Rol­len­bil­der in so man­cher Regi­on ziem­lich ver­här­tet. Und lei­der bringt ein sol­ches Ver­hält­nis natür­lich auch Auto­no­mie­ein­bu­ßen mit sich – vor allem bei Schu­len, die bis­her sehr gut auf­ge­stellt waren.

Etwas zu aktu­el­len Ten­den­zen bei Endgeräten

Ich hal­te momen­tan iPads aus tech­ni­scher und War­tungs­sicht für abso­lut alter­na­tiv­los. Das Preis-/Leis­tungs­ver­hält­nis stimmt, es gibt sehr brauch­ba­re MDM-Lösun­gen dafür, die Ein­satz­mög­lich­kei­ten im Unter­richt (z.B. als mobi­le Doku­men­ten­ka­me­ra) sind viel­fäl­tig. Es hat für mich einen pri­mär tech­ni­schen Grund, war­um sich die­se Lösung momen­tan stark ver­brei­tet. Es wird noch etwas dau­ern, bis von ande­ren Her­stel­lern ver­gleich­ba­re und glei­cher­ma­ßen bezahl­ba­re Ange­bo­te kommen.

Die aus mei­ner Sicht Zemen­tie­rung des klas­si­schen Unter­richts­mo­dells z.B. in der Class­room-App fin­de ich schwie­rig. Ich lese bis­her wenig aus der iPa­ded-Ecke zum The­ma „Modi­fi­ca­ti­on“ oder „Rede­fi­ni­ti­on“. Viel­leicht sehe ich das auch nicht – auf Table­te­vents kommt das in Pro­gramm­hef­ten neben viel „Knöpf­chen­kun­de“ aber all­mäh­lich. Ich weiß auch nicht, wie es mit der Daten­schutz­fra­ge bei 1:1‑Geräten jetzt genau aus­schaut – bei schul­ei­ge­nen Gerä­ten scheint das brauch­bar gelöst zu sein. Der Ansatz, dem Nut­zer mög­lichst viel bei der Bedie­nung abzu­neh­men, ist nicht so mei­ner mit Blick auf die Not­wen­dig­keit infor­ma­ti­scher Grund­kom­pe­ten­zen in der Zukunft.

Kei­ne Rol­le wer­den iPads wei­ter­hin in tech­ni­schen Berei­chen oder im Kon­text von Berufs­ori­en­tie­rung spie­len, also über­all, wo es um Fach­an­wen­dun­gen geht. Da ist im gra­phi­schen und audio­vi­su­el­len Bereich wei­ter­hin Apple mit sei­nen iMacs sehr stark, ansons­ten wird wohl Micro­soft noch ein wenig das Feld besetzen.

Per­sön­lich blei­be ich Linux­er. Ohne zwei offe­ne Ter­mi­nal­sit­zun­gen bin ich nicht glück­lich. Die Zukunft sehe ich in ser­ver­ba­sier­ten Anwen­dun­gen („Web-Apps“), die gerä­te­un­ab­hän­gig genutzt wer­den kön­nen und auf frei­er Soft­ware basie­ren. Zusätz­lich wer­den Vir­tua­li­sie­rung bzw. vir­tu­el­le Desk­tops gera­de auch im Kon­text von Prü­fun­gen eine gewal­ti­ge Rol­le spielen.

 

 

Digitalpakt, Lobbyismus, Rolle des Staates und Erfahrungen vor Ort

Prolog

Eines vor­weg: Ich bin bin weder Wis­sen­schaft­ler, ich betrei­be kei­ne Bera­tungs­agen­tur, ich habe vor dem Ver­fas­sen die­ses Arti­kels nicht recher­chiert und bin einer von die­sen zu Beam­ten erzo­ge­nen Men­schen ohne krea­ti­ven Kopf, der den Anschluss an die rea­le Welt ver­lo­ren hat.

Wenn ich alle die­se in den sozia­len Medi­en hoch­ge­lob­ten und oft ver­link­ten und geli­keten Arti­kel lese, ist mein ers­ter Impuls, unglaub­lich wütend und ran­tig zu wer­den, obwohl Men­schen wie ich natür­lich mit den Vor­wür­fen nicht gemeint sind.

Mein zwei­ter Impuls ist, arro­gant zu wer­den und all die­sen Leu­ten mal zu sagen, wel­chen Schwach­sinn sie ver­brei­ten, weil ich der­je­ni­ge bin, der die Weis­heit mit Löf­feln gefres­sen hat, weil er an der „Basis der Digi­ta­li­sie­rung“ arbei­tet. Das ist ein Impuls. In Wahr­heit gibt es sehr vie­le Schnitt­men­gen zwi­schen mir und den Aus­sa­gen der Tex­te. Nur haben sie es nicht so dar­ge­stellt, wie ich es dar­stel­len würde.

Ich bin Leh­rer. Ich muss alles noch­mal mit eige­nen Wor­ten sagen. Sonst geht mir kei­ner ab. Die­se Eigen­schaft wird vie­len Lehr­kräf­ten zuge­schrie­ben, aber nur auf weni­ge trifft es zu, z.B. auf mich.

Des­we­gen arbei­te ich im Fol­gen­den mit Glau­bens­sät­zen und nicht mit wis­sen­schaft­lich fun­dier­ten Aussagen.

Glaubenssatz 1: Geld ist nicht das Problem

Wir leben in einem rei­chen Land und kön­nen spon­tan Aus­lands­ein­sät­ze und Ret­tungs­schir­me finan­zie­ren, aber auch Hun­dert­tau­sen­de von Men­schen bei uns auf­neh­men. Für die Schu­len tun wir alles allen­falls ganz vor­sich­tig, weil die­se kei­ne Lob­by haben und weil man sich Bil­dungs­po­li­tik in die­sem Land die Fin­ger ver­brennt. Wah­len verliert.

Und die Finan­zie­rung der Schu­len ist kom­plex gere­gelt. Per­so­nal bezahlt das Land (aber nur das leh­ren­de), Sach­mit­tel die Kom­mu­ne. Sage ich als Polit­ker „Digi­ta­li­sie­rung“, habe ich die kom­mu­na­len Spit­zen­ver­bän­de am Sack, weil die die Aus­stat­tung dafür finan­zie­ren müssen.

In die­ser Struk­tur wird das nichts bzw. es wird nicht schnell genug irgend­was, aber an die­se Struk­tur will auch kei­ner ran. Dar­an ver­brennt man sich die Flos­sen. Daher ste­hen bestimm­te Schu­len (z.B. die in mei­nem Land­kreis) viel, viel bes­ser da als ande­re. Geld ist da, aber ungleich ver­teilt. Glei­che Ver­tei­lung bedeu­tet, dass Kom­mu­nen Auto­no­mie auf­ge­ben müs­sen. Wer kann das in einer Kom­mu­ne wol­len? Bei Bil­dung weiß doch jeder Bescheid.

Selbst wenn man das auf die Rei­he bekommt: Dann hängt da halt erst­mal Hard­ware. War­um soll­te es die­ser anders erge­hen als den Sprach­la­bo­ren der 80er-Jahre?

Glaubensatz 2: Der Staat ist nicht konkurrenzfähig

Neh­men wir den Faden von Glau­bens­satz 1 wie­der auf und da hängt jetzt Hard­ware. Irgend­wer muss das Zeugs aus­schrei­ben, beschaf­fen, war­ten, inven­ta­ri­sie­ren, ver­si­chern usw.. Dafür braucht es Per­so­nal, Fach­per­so­nal. Das fehlt aber schon in der Wirt­schaft. Nur ist die nicht an Tarif­ver­trä­ge gebun­den und zahlt mehr. Zudem muss man sich als explo­ra­ti­ver, krea­ti­ver Geist dort nicht mit Ver­wal­tungs­ver­fa­hen, Rech­nungs­prü­fungs­äm­tern, euro­päi­schen Aus­schrei­bungs­gren­zen und stän­dig wech­seln­dem Per­so­nal im Schul­amt aus Angst vor Kor­rup­ti­on auseinandersetzen.

Klar wäh­le ich dann als Sys­tem­ad­mi­nis­tra­tor mit Mas­ter die Exy-Stel­le in der öffent­li­chen Ver­wal­tung. Die Schu­len prü­geln mich, weil sich Pro­zes­se ewig lang­zie­hen und das Rech­nungs­prü­fungs­amt prü­gelt mich, weil For­ma­lia in der Aus­schrei­bung nicht pas­sen. Und außer­dem weiß sowie­so nie­mand so recht, wie man euro­pa­weit aus­schreibt und man will eigent­lich viel lie­ber stü­ckeln, damit man beschränkt aus­schrei­ben kann. Dann ist z.B. im Rah­men einer Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung zwar Geld da, aber nüt­zen tut es trotz­dem nichts.

Glaubenssatz 3: Die Fachbetriebe wissen nicht, wo sie hingreifen sollen

Neh­men wir den Faden von Glau­bens­satz 2 wie­der auf und wir haben jetzt super­du­per Per­so­nal und die Aus­schrei­bung ist rechts­kon­form gelau­fen. Huch! Es gibt kei­ne Ange­bo­te. Oder es dau­ert ewig und kos­tet Engels­zun­gen. Wer als Fach­be­trieb oder Sys­tem­haus etwas kann, hat den Arsch voll mit Arbeit und Auf­trä­gen. War­um soll ich als Elek­tro­in­stal­la­ti­ons­be­trieb in einem Putz­bau Schlit­ze klop­pen, wenn ich in einem Roh­bau in der glei­chen Zeit meter­wei­se Kabel an die Wand nageln kann? War­um soll ich mich als Sys­tem­haus mit den Eigen­hei­ten von Schu­len aus­ein­an­der­set­zen, wenn mir in einer Fir­ma ein it-ver­sier­ter Mit­ar­bei­ter als Ansprech­part­ner wäh­rend der Umset­zungs­pha­se zur Ver­fü­gung steht?

Glaubenssatz 4: Haltungen sind das dickste Brett

Neh­men wir den Faden von Glau­bens­satz 3 wie­der auf, wir haben jetzt super­du­per Per­so­nal, die Aus­schrei­bung ist rechts­kon­form gelau­fen, die Hard­ware hängt und wird fach­kun­dig gewartet.

Wenn es in die­ser Rei­hen­fol­ge läuft, ist es schon ganz falsch. Wer Schu­len abge­se­hen von Inter­net­an­schluss, Schul­ser­ver­lö­sung, Netz­ver­ka­be­lung, WLAN und Prä­sen­ta­ti­ons­sys­te­men nicht von vorn­her­ein an Aus­stat­tungs­pro­zes­sen betei­ligt, macht eh nichts richtig.

Und: Wer führt mit Kol­le­gi­en Gesprä­che? Wer bil­det fort? Wer zeigt Mög­lich­kei­ten auf, die rea­li­sier­bar sind? Wer bringt Men­schen auf Ideen und in den Flow? Wer arbei­tet an Hal­tun­gen? Wer steu­ert in lau­fen­den Pro­zes­sen stän­dig nach? Wer ver­netzt Men­schen? Wer behält den Überblick?

Fazit

Bei uns in der Gegend arbei­ten wir ganz genau in die­sen Span­nungs­fel­dern. Mal ver­liert man dabei und mal gewin­nen die ande­ren. Ich wür­de aus der Erfah­rung der letz­ten Jah­re genau eines nie tun: Behaup­ten zu wis­sen, wie man das alles auf die Rei­he bekommt. Eini­ges klappt sehr gut, für eini­ges ver­han­deln wir Lösun­gen, ande­res klappt noch über­haupt nicht. Jede Woche gibt es ech­te Tief­schlä­ge, jede Woche gehen Din­ge vor­an und lösen sich Kno­ten. Eine exter­ne Bera­tungs­agen­tur ist dabei ein rela­tiv klei­nes Mosa­ik­stein­chen, obwohl der Anspruch in bun­ten Wer­be­pro­spek­te da oft ein ande­rer ist. Hier vor Ort gibt es Men­schen und Betrie­be mit viel Idea­lis­mus und sozia­ler Ader, aber auch einem Bewusst­sein um die Wich­tig­keit der Digi­ta­li­sie­rung für den Standort.

Bun­des­wei­te Initia­ti­ven zum Coding oder die For­de­run­gen nach Trans­pa­renz sind in die­sem Kon­text unglaub­lich lieb gemeint. Eben­so lieb gemeint ist die Idee, jede HIl­fe von außen anzu­neh­men. In mei­nen Augen aber naiv-lieb.

Lei­der wird dadurch meist ledig­lich eines erreicht: Mehr Kom­ple­xi­tät und einem ja ohne­hin schon sehr ein­fa­chen Feld (s.o.). Die Arbeit fängt nach dem Poli­ti­ker­pres­se­bild mit gestif­te­ter Hard­ware an. Da sind dann aber regel­mä­ßig alle von außen weg. Auch und gera­de die Pres­se. Seltsam.

 

Liebenswerte Störenfriede

Es gibt Hal­tun­gen und Ansät­ze, die mir mei­ne Arbeit als medi­en­päd­ago­gi­scher Bera­ter extrem erschweren.

Wir als Bera­tungs­sys­tem sind stän­dig lob­by­is­ti­scher Ein­fluss­nah­me aus­ge­setzt. Gähn. Ken­nen wir all­mäh­lich. Ich hal­te per­sön­lich z.B. wenig von Cal­lio­pe – da gibt es m.E. eta­blier­te­re Mikro­con­trol­ler (aller­dings ohne Lob­by dahin­ter)  und mehr von inte­grier­ten Ansät­zen. Mei­ne Kin­der bekom­men erst ein Smart­phone ab 12 Jah­ren, ich bin gegen Coding in der Grund­schu­le und ich erzie­he mei­ne Kin­der so lan­ge wie mög­lich außer­halb digi­ta­ler Sphären.

In den letz­ten Tagen ging die­ser Kom­men­tar durch Twit­ter. Die Autorin ver­tritt die Auf­fas­sung, dass Coding­kennt­nis­se im Zeit­al­ter der Arbeits­tei­lung nicht not­wen­dig sind und es wird ein­mal mehr das gute, alte Auto­ar­gu­ment ange­führt: „Man muss kei­nen Motor ver­ste­hen, um Auto zu fah­ren.“ (mit die­sem Argu­ment wären eine gan­ze Rei­he von jet­zi­gen schu­li­schen Inhal­ten übri­gens nicht not­wen­dig). Dann wird noch schnell der Digi­tal­pakt mit dem Coden der­art ver­knüpft, dass damit die Vor­aus­set­zun­gen geschaf­fen wer­den sol­len, das „lob­by­is­ti­sche Coding““ end­lich in die Schu­len zu brin­gen. Und Ste­ve Jobs sprach mit sei­nen Kin­dern über Lite­ra­tur (Sagt das irgend­was dar­über aus, wie in der Fami­lie Jobs mit infor­ma­ti­scher Bil­dung umge­gan­gen wor­den ist?). Und am Schluss wird dann gut­bür­ger­li­cher Stoff­ka­non (dort übri­gens kein Wort über Medi­en­kom­pe­tenz) vor das Coden gestellt, Joseph Krauss ist der Ret­ter des Schul­sys­tems, wenn er for­dert, Com­pu­ter aus Grund­schu­len zu ver­ban­nen  und fertig.

Kann man so machen – muss man aber nicht. Von einem „Qua­li­täts­me­di­um“ wie der F.A.Z. erwar­te ich irgend­wie mehr. Ich ver­ste­he außer­dem nicht, woge­gen die Autorin agi­tiert – selbst der Umgang mit dem momen­tan sehr hip­pen Cal­lio­pe hat zunächst nichts mit Coding zu tun – gar nichts, eher mit infor­ma­ti­schen bzw. logi­schen Grund­kon­zep­ten (Ja, man kann mit dem Ding theo­re­tisch logi­sches Den­ken ler­nen, aber eine quell­of­fe­ne Platt­form wie Scratch wür­de es zuge­ge­be­ner­ma­ßen auch tun.).

Die in dem Kom­men­tar auf­tre­ten­den „Kau­sal­ket­ten“ höre ich dann wie­der und wie­der in Bera­tungs­pro­zes­sen zu Medi­en­bil­dungs­kon­zep­ten. Jahaaa – Lesen, Schrei­ben, Rech­nen, Lite­ra­tur und kri­tisch Den­ken – so unver­meid­li­ches Zeug wie Jugend­me­di­en­schutz sourcen wir dann aus an freie Medi­en­päd­ago­gen und ansons­ten bleibt Schu­le halt so, wie sie bleibt.

Wer für das Coden in der Schu­le ist, der ist dem Lob­by­is­mus ver­fal­len. So ein­fach funk­tio­niert zur Zeit die Den­ke in die Feuil­le­tons und Feuil­le­tons sind immer noch das, was der gebil­de­te Leh­rer von heu­te oft liest.

Für Inter­net­gi­gan­ten und auch tota­li­tä­re Sys­te­me könn­te es nicht bes­ser lau­fen: Je weni­ger das gemei­ne Volk von den Grund­la­gen infor­ma­ti­scher Sys­te­me ver­steht und das „Auto ein­fach nur mög­lichst lust­be­tont fährt“, des­to bes­ser und des­to leich­ter las­sen sich z.B. Algo­rith­men imple­men­tie­ren, die – wie Phil­ip­pe Wampf­ler unlängst schrieb – „Frei­heits­mo­men­te […] in der höchs­ten Qua­li­tät“ anbie­ten. Ich stim­me dem sogar zu, wenn ich von star­ken Demo­kra­tien aus­ge­he, deren poli­ti­sche Sys­te­me für einen Inter­es­sen­aus­gleich zwi­schen Daten­samm­lern und Nut­zern sor­gen. Es läuft damit gera­de nicht so super in Chi­na oder der Türkei.

Dum­mer­wei­se sind star­ke Demo­kra­tien auf unse­rem Glo­bus nicht unbe­dingt die Regel. Und auch in einer star­ken Demo­kra­tie wäre es für die Beur­tei­lung von Algo­rith­men nicht ganz ver­kehrt, eini­ges dar­über zu wis­sen als sich mit Kom­pe­tenz­ge­sei­er alte Welt­bil­der zu bestätigen.

Es geht mir als Bera­ter gera­de nicht dar­um, Inter­net­gi­gan­ten kampf­los das Feld zu über­las­sen, son­dern ich den­ke, dass man Poli­tik – ganz gleich ob es z.B. Umwelt‑, Netz- oder Sozi­al­po­li­tik ist – auf Basis von rudi­men­tä­ren Wis­sens­be­stän­den nach­hal­ti­ger betrei­ben kann. Dazu sind Soft­ware und Gerä­te als Hilfs­mit­tel uner­läss­lich und die muss irgend­wer her­stel­len und ent­wi­ckeln. Das sind i.d.R. Fir­men und das ist genau so lan­ge kein Pro­blem, wie eben­die­se kei­nen inhalt­li­chen Ein­fluss auf Schu­le neh­men oder so lan­ge kein Pro­blem, wie die­ser Ein­fluss in Schu­le einen unab­hän­gi­gen Kon­ter­part hat. Es wäre schön, wenn das auf Dau­er nicht allein die Medi­en­be­ra­tung der Län­der wäre, son­dern infor­ma­ti­sche gebil­de­te Schü­le­rin­nen und Schü­ler sowie natür­lich auch Lehrkräfte.

Das hal­te ich aber noch für eine län­ge­ren Weg. Das ist ja genau das Pro­blem: Lob­by­is­mus trifft hier auf weit­ge­hend unbe­stell­te Fel­der, an denen der­ar­ti­ge Kom­men­ta­re nicht ganz unschul­dig sind.

Ich bin mir nicht sicher, ob sich die­ses Pro­blem wirk­lich dadurch lösen lässt, Gerä­te aus den Schu­len her­aus­zu­hal­ten – geht auch gar nicht, weil die in Form von Han­dys und wahr­schein­lich bald auch in Form von Weara­bles schon da sind.

Die Ant­wort dar­auf kann nur Bil­dung sein und dazu gehört für mich im Zeit­al­ter der Digi­ta­li­sie­rung auch infor­ma­ti­sche Bil­dung. Mög­lichst früh. Geht auch ohne Gerät und unter­stützt dann sogar Lesen, Schrei­ben, Rech­nen und logi­sches Denken.

Es geht dabei – rich­tig ange­packt – also schon um ein wenig mehr als dar­um, der IT-Indus­trie will­fäh­ri­ge Pro­gram­mie­rer zuzu­füh­ren. Lei­der bewegt sich die Debat­te m.E. oft auf unter­kom­ple­xem Niveau.

 

 

 

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