Es geht ja nicht weil …
Wir leben in Deutschland und wir sind alle Lehrkräfte. Deswegen neigen wir dazu, Haare in Suppen zu suchen und zu finden. Das geschieht gerade wieder beim Digitalpakt. Es gibt von uns immer wieder schöne Sätze, warum etwas nicht geht.
- „Es wird scheitern, weil …“
- „Nicht bedacht worden ist …“
- „Die Digitalpakt hat immense Baufehler …“
- „Eine ganz wesentliche Komponente fehlt …“
- „Es gibt kaum guten Unterricht im falschen Bildungssystem.“
- […]
Diese Sätze sind auf einer inhaltlichen Ebene Ausdruck von sachlicher Kritik. Sie setzen für Menschen außerhalb der Lehrerdigiszene aber auch einen inhaltlichen Rahmen.
Ich glaube nicht, dass dieser Rahmen der Breite in der Lehrerschaft an den Schulen Mut macht, das Notwendige anzugehen. Nach meiner Erfahrung bestärkt dieser Rahmen Verbände und Menschen, die weitere Ressourcen oder große Veränderungen fordern, bevor es den Schulen „zuzumuten“ ist, überhaupt zu beginnen. Diese Menschen und Verbände verbitten sich, dass als Verhinderungslogik zu sehen. Irrelevant. Das Ergebnis ist aber Verhinderung, Verschiebung, Frustration bei den Innovatoren – gerade bei den Gemäßigten.
Also stärken diese Aussagen insbesondere Kräfte, die das Schulsystem und den Unterricht so erhalten wollen, wie es ist (oder vielleicht nur unter Bedingungen verändern wollen, die erst noch zu schaffen sind). Es ist ja jedem klar, dass in diesem Staat die in den eigenen Forderungen formulierten Ziele eh nie erreicht werden. Außerdem wird Digitalisierung von Schule ja allein von großen Digitalkonzernen betrieben, die interessengeleitet ihr Produktportfolio im Schulsystem platzieren wollen. Es sind schließlich diese Digitalkonzerne, die von der Infrastruktur, die durch den Digitalpakt geschaffen wird, am meisten profitieren.
Ergo: Es besteht vorher kein Recht auf Veränderung, kein Handlungsbedarf – und eigentlich die staatsbürgerliche Verpflichtung, hier bis auf Weiteres Widerstand zu leisten.
Es reicht mir nicht zu sagen, was man machen möchte. Man muss aber über das „Wie“ sprechen. Stiftungen und Verbände haben eine klare Strategie und eine klare Vorstellung davon, wie das Schulsystem in ihrem Sinne umgebaut werden soll. Zu diesem „Wie“ verhalten wir uns – mehr nicht. Ganz im Sinne von: Ein Lob der negativen Kritik.
Wo ist denn unsere Vorstellung von einem „Wie“? Wir bleiben viel zu oft auf der Ebene stehen, dass wir eben Visionen und Ziele formulieren oder vermeintliche Verhältnisse deskribieren. Es braucht aber vor allem positive Gegenentwürfe bei der Umsetzung, nicht wasmatisches Visionsgeschwafel.
Wenn wir nicht umsetzen, dann machen das andere. Umzusetzen ist natürlich viel anstrengender, als Visionen zu formulieren oder sich zu etwas zu verhalten. Vielleicht ist das auch der Grund, warum dieser Ansatz so beliebt ist: Erhaltung der Komfortzone bei gleichzeitiger Sicherheit, einen wichtigen Beitrag zum Diskurs geleistet zu haben. Stimmt ja auch – nützt bloß im Ergebnis nix.
Mal konkret: Der Digitalpakt gibt uns die Chance, digitale Infrastruktur zu schaffen. Die braucht man sowieso. Sie ist wertneutral. Und WLAN und Netzwerk brauchen jetzt nicht so viel Wartung und Support. Warum gehen wir das nicht an? Das Brett ist schon dick genug. Und damit wäre schon etwas geschafft und geleistet.
Angst müssen wir nur haben, wenn es nach der Schaffung von Infrastruktur keine alternativen Modelle zur Nutzung derselben durch uns gibt. Und danach schauen wir halt weiter – nach Support z.B..