Warum das Fediverse nicht für Sternchen taugt
Die Überschrift dieses Artikels ist ein performativer Widerspruch. Sie zielt darauf auf gelesen zu werden und zu provozieren. Gleichzeitig werden in diesen Beitrag genau diese Muster, wie sie auf Socialmedia vorkommen, kritisch gesehen.
Das Wort „Sternchen“ steht für mich für Personen, deren Motiv, auf Socialmedia wahrgenommen zu werden, gegenüber eher altruistischen Anätzen durchaus ausgeprägt ist („der Schieberegler steht durch jenseits der Mitte“). Oft hängen am Sternchendasein neben dem Aufmerksamkeitsaspekt durchaus handfeste finanzielle Interessen, die aber weitgehend tabuisiert sind.
Das Fediverse wird – gerade von Sternchen mit Reichweite – oft kritisiert:
- zu wenig Interaktionen
- zu wenig Replies
- zu nerdig
- zu grundsätzlich in seinen Reaktionen
- […]
Das hat neben den dort aktiven Menschen tatsächlich auch mit dem technischen Hintergründen zu tun. Während in kommerziellen Netzwerken die Timeline algorithmisch gebaut wird, folgt das Fediverse sehr neutralen Prinzipien. Es ist egal, ob jemand 10 oder 1000 Follower hat – seine Post werden
- allen Followern angezeigt
- nicht künstlich verstärkt, d.h. sie erscheinen u.a. nicht unmotiviert in Timelines von Nicht-Followern
Desweiteren funktionieren bestimmte Taktiken, um Replies (und damit einen algorithmischen Boost) zu bekommen nicht.
- Suggestivfragen stellen („Wie findet ihr …?“) – hört sich neutral an, wird aber oft in einem Umfeld gepostet, in dem bestimmte Antworten sozial vorgezeichnet sind.
- Alltagsbilder mit euphorischem Kommentar posten
- Versteckte oder offene (Eigen-) Werbung
Im Gegenteil werden diese Taktiken eher nerdig „abgestraft“ und kritisch hinterfragt, d.h. Sternchen sehen sich in einer eher defensiven Rolle der Rechtfertigung ihres Marketingshandelns, die nicht algorithmisch durch eine Überbetonung der positiven Replies überdeckt wird.
Weiterhin ist im Fediverse das (manchmal nur gefühlte) Risiko (das regelt sich in der Regel eh von selbst durch schlichtes Ignoriertwerden) von Sternchen viel größer, von einer Instanz zu fliegen, wann man fortwährend versucht, seine Timeline zu „instagramisieren“.
Das Fediverse ist damit kein Raum für Sternchen. Und ich finde das unglaublich befreiend. Man überlebt kommunikativ im Fediverse nicht ohne inhaltliche Substanz. Und man bekommt daher aber auch viel inhaltliche Substanz. Klar, manchmal wird man mal von Grundsätzlichkeit überrollt. Und es fühlt sich oft weitaus weniger „lustbetont“ oder „herzlich“ oder nach heiler Welt an. Aber in bin eh jemand, der „Fun“ nicht kann – aber „Joy“ geht halt …
Das mag ich am Fediverse auch. Aber das sehen nicht alle so, und wo es Algorithmen gibt, da entstehen Sternchen.