Die SWK möchte als kurzfristige Lösung Mehrarbeit, Abbau von Teilzeit und größere Klassen
Die politisch geschickt instrumentalisierte SWK
Manchmal bin ja Prophet: Ich habe viele dieser Vorschläge bereits vor einiger Zeit vorausgesehen: Lehrkräfte gewinnen & Lehrkräftemangel überwinden – als Laie. Die SWK bekommt in sozialen Medien gerade doch recht eindeutige Reaktionen, die Teile ihrer Mitglieder offenbar stark verunsichert. Renommierte Bildungsjournalist:innen wie der von mir geschätzte Jan-Martin Wiarda springen ihr bei. Zwischentöne wie der Versuch, Unterrichtsqualität durch Einsatz ausgebildeter Lehrkräfte erhalten zu wollen, verhallen gegenüber den Maßnahmen aus dem „Giftschrank“.
Es war aus meiner Sicht keine kluge Entscheidung der SWK, den vorangegangenen Auftrag der KMK überhaupt anzunehmen – offenbar ohne ihn zu modifizieren. Es ist sehr spannend, worüber öffentlich gesprochen wird. Spannend ist aber auch, worüber in Zusammenhang mit der SWK-Veröffentlichung nicht gesprochen wird und wer sich gerade nicht öffentlich äußert und erklärt.
Vermisst habe ich z.B. eine belastbare Erhebung über die Gründe, warum Lehrkräfte in Teilzeit gehen. Verbände und Lehrkräfte selbst behaupten: Wegen Überlastung und dem Wunsch, den Beruf möglichst gut und schülergerecht zu machen. Andere gesellschaftliche Gruppen behaupten: Wegen Bequemlichkeit und dabei zu auskömmlicher Besoldung. Mir fehlen dazu Zahlen. Datengestützte Erkenntnisse dazu könnten nicht unerheblich zu geeigneten Maßnahmen beitragen. Belastbare Zahlen wird man in dieser Phase der Debatte nicht mehr bekommen.
Vermisst habe ich übrigens weiterhin die Idee, mit anderen Aufgaben betraute Lehrkräfte zurück ins System zu holen, z.B. Fachberatung, Medienberatung, Schulentwicklungsberatung, Schulinspektion bzw. allgemein Menschen mit Lehramtsausbildung, die an Schulbehörden, Landesinstituten und Ministerien arbeiten – da wäre noch einiges zu holen, um den Preis einer weiteren systematischen Schwächung des Mittelbaus des Schulsystems, die schon seit Jahren u.a. von externen Beratungsagenturen vorangetrieben wird.
Politik instrumentalisiert nunmal gerne – das Feuer richtet sich zurzeit recht effektiv gegen die Wissenschaftler:innen. Dabei hätte ich ganz andere Fragen – z.B. ob die altehrwürdige KMK (immerhin selbst länger existierend als der Bundesrat) eine geeignete Struktur darstellt und dargestellt hat, unser Bildungsystem in eine Richtung zu entwickeln, die der Volkswirtschaft und Kultur eines bodenschatzarmen Landes gerecht werden könnte. Immerhin spricht die SWK ja selbst von Problemen von historischem Ausmaß – da darf es folgerichtig auch keine Denkverbote hinsichtlich des Fortbestands von Strukturen jedweder Art und Geschichte geben.
Fehlende Alternativen zu den Vorschlägen der SWK
Ich mache mich jetzt einmal unbeliebt: Es gibt objektiv m.E. überhaupt keine Alternative zu den vorgeschlagenen Maßnahmen, wenn man die bisherige – schon jetzt oft kritisierte – Unterrichtsquali- und ‑quantität zumindest für einen gewissen, wahrscheinlich recht kurzen Zeitraum aufrecht erhalten möchte.
Daher laufen dramatisierende Kommentare wie der von Bob Blume im Spiegel weitgehend ins Leere: Sie benennen Misstände und Fehlargumentationen – sie bleiben jedoch letztlich die Antwort schuldig, was man denn jetzt genau für die Schüler:innen machen soll, die sich im System befinden. Überwiegende Teile der Gesellschaft sind der Klage der Lehrkräfte wahrscheinlich überdrüssig.
Die Maßnahmen selbst werden zwar kurzfristig helfen, aber letztlich dazu führen, dass sich Fehlentwicklungen weiter verschärfen. Die Zeit, um gegenzusteuern, wird nicht ausreichen. Der Verweis auf Versäumnisse in der Vergangenheit mag ebenfalls objektiv richtig, aber noch weniger hilfreich bei der Bewältigung aktueller Herausforderungen sein.
Warum die Idee einer Imagesteigerung des Lehrer:innenberufes bestenfalls niedlich ist
Wer fordert, das Image des Lehrer:innenberufs zu verbessern, um mehr Bewerber:innen gewinnen zu können und z.B. mehr Studienplätze schaffen möchte, verkennt die Situation in der Gesamtgesellschaft: Das Fachkräfteproblem ist ein gesamtgesellschaftliches! Das Handwerk, die öffentliche Verwaltung, die Bundeswehr, die Polizei, das Gesundheitssystem, die frühkindliche Bildung, die Industrie – eigentlich nahezu alle Branchen treten zu der oft vorgeschlagenen „Imageoffensive“ in Konkurrenz. Es fehlen schlicht die Menschen für die Aufgaben innerhalb von Wirtschaft und Verwaltung. Als leidlich gut ausgebildeter junger Mensch bin ich nicht (mehr) darauf angewiesen, um die Gunst eines Systems zu buhlen – es bewerben sich gleich mehrere um mich. Je größer dabei die Not, desto geringer muss übrigens folgerichtig zusätzlich im Prinzip die eigene Kompetenz von Bewerber:innen sein. Ggf. könnte die oft beschworene „Deindustrialisierung Deutschlands“ gerade nicht durch Steuern und Energiepreise, sondern letztenendes durch das schlichte Fehlen von Köpfen vorangetrieben werden, wenn Faktoren wie politische Stabilität und freiheitliche Gesellschaftsverhältnisse kein ausreichendes Wachstum in einer kapitalistischen Marktlogik der Großkonzerne mehr garantieren.
Was also tun?
Eine Attraktivitätssteigerung mit Strahlkraft kann nur aus dem System heraus erfolgen. Politisch muss alles daran gesetzt werden, engagierte und kluge Köpfe im Bildungsystem um jeden Preis zu halten. Das geht mit den bisherigen Verwaltungs- und Hörigkeitsstrukturen nicht. Wenn sich Verantwortliche immer wieder auf ihr Recht berufen könnten, z.B. Weisungen zu erteilen, die dann praktisch nicht umsetzbar sind, wird es schwierig. Wenn wir gegenüber Lehrkräften immer wieder Konzepte des maximalen Misstrauens fahren (z.B. enge Vorschriften zur justitiablen Korrektur oder Durchführung von Prüfungen), wird es schwierig. Wie wäre es stattdessen mit einer umfassenden Rechtsschutzversicherung? Oder umfassenden Insassenversicherung, wenn der engagierte Kollege mit der kleinen Schüler:innengruppe zu einem Wettbewerb fährt anstatt dann auch noch einen Antrag stellen zu müssen? Vertrauen statt Misstrauen als default, dienstrechtliche Maßnahmen – dann bitte auch gerne wirklich eskalierend – bei fortgesetztem Fehlverhalten.
Was weiterhin komplett fehlt, ist eine Perspektive für die Menschen, die sich jetzt im System befinden. Die Erfahrung aus der Vergangenheit ist, das Mehrbelastungen schnell umgesetzt, Entlastungen dann aber immer wieder vertagt werden. Solange dieser Zyklus nicht durch eine echte Perspektive durchbrochen wird, bleibt es schwierig. Symbole wie die Absetzung der KMK würden zwar m.E. immens helfen, sind wahrscheinlich formal nicht realistisch. Und so konstruktiv ist diese Forderung ja auch wieder nicht. Zu den Anfängen dieses Blogs hatte ich einmal die Idee, dass Bildungssystem einer staatlich eng kontrollierten NGO anzuvertrauen. Ja, ich weiß, Föderalismus und so. Aber es würde zumindest das Bildungsystems den Legislaturperioden entziehen – ich erniedrige daher auf: „Der KMK eine NGO entgegenstellen“ (und nach zehn Jahre zu schauen, woher die nachhaltigieren Impulse gekommen sind – die andere Organisation wird dann aufgelöst.) Das wären vielleicht ein Symbol und eine geeignete Perspektive.
Zivilgesellschaft muss es noch mehr als jetzt schon richten
Jetzt kommt schon wieder etwas Unangenehmes: Trotzdem Politik und Verwaltung viel zur aktuellen Krise beigetragen haben, werden es Politik und Verwaltung nicht ohne Lehrkräfte und Zivilgesellschaft schaffen. Wir Lehrkräfte mit großen oder keinen Kindern müssen weg von der Haltung: „Jetzt sollen die Jungen mal!“ (falls wir sie hätten, soll ja schon vorgekommen sein). Speziell auf uns kommt einiges zu. Gleichzeitig müssen wir uns mehr unseres Wertes für das System bewusst werden und das dann so leben. Wir haben eine Loyalitätspflicht gegenüber dem Dienstherren, er aber auch eine gegenüber uns. Das wird gerne vergessen. Widerstandsformen hinter der eigenen Klassenraumtür interessieren eine formale Struktur wir eine Schulbürokratie wesentlich weniger als Widerstandsformen, die Verwaltungsakte auslösen und z.B. mit Hilfe von Verbänden ihrerseits intern und immer der Treuepflicht folgend eskaliert werden können.
Um es konkreter zu machen: Beamte müssen beamtenrechtlich amtsangemessen beschäftigt werden. Das ist ein ziemlich relevanter Kern der Fürsorgepflicht. Die ihnen übertragenen Aufgaben müssen ihren Qualifikationen (Hebelpunkt 1) und der Wertigkeit ihres Amtes (Hebelpunkt 2) entsprechen. Die Ausgestaltung eines Amtes durch den Dienstherrn hat hier eine juristische Grenze.
Wir – und damit meine ich viele Männer – dürfen die Hauptlast der familiären Aufgaben nicht vorwiegend Frauen aufbürden. Alle Männer, die die Konfektionsgrößen ihrer Kinder nicht kennen, tun das. Also auch ich. Viele Frauen sind im System wegen der familienfreundlichen Anpassungsmöglichkeiten der Arbeitszeit und tragen aber gleichzeitig die volle Last des „Familienmanagements“, d.h. Lebensmodelle von Lehrerfamilien werden durch Reduktion der Teilzeitmöglichkeiten nicht unberührt bleiben können. Ich bin mir nämlich nicht so sicher, ob es wirklich viele Lehrkräfte gibt, die ohne eigene Kinder unter 18 Jahren oder pflegebedütftige Angehörige Stunden reduzieren. Die Ermittlung konkreter Zahlen dazu ist die SWK schuldig geblieben. 49% Teilzeitquote hört sich erstmal viel an, ja.
Vertrauen muss wieder default werden
Eltern müssen in Erziehungsfragen noch mehr als jetzt in Verantwortung gehen. Kooperation sollte Konfrontation stechen, auch wenn Erzieher:innen und Lehrkräfte die individuellen Bedürfnisse der eigenen Kinder zunehmend eher weniger als mehr erfüllen können. Sonst wird es bald deutlich weniger Menschen geben, die dazu bereit und auch noch in der Lage sind, individuell auf Kinder einzugehen. Ich möchte allen Eltern Mut machen, den Lehrkräften ihrer Kinder zu vertrauen. Wenn dieses Vertrauen gestört ist, gibt es taugliche Mittel (Gesprächstermin + ggf. dann weitere Eskalation) und weniger taugliche Mittel (Veröffentlichung von Korrekturen auf Socialmedia, Beschwerde bei der Schulbehörde als erste Reaktion) zur Lösungsanbahnung.
Ich möchte den Schulbehörden und Kultusministerien Mut machen, ihren Schulleitungen und Lehrkräften mehr oder anders zu vertrauen. Ziel muss Selbstständigkeit sein. Nur das trägt langfristig zur Arbeitsentlastung von Schulleitungen und Behörden bei. Kontrolle und Beratung mit dem Ziel der unbedingten Pflichterfüllung wird immer verunsichern. Verunsicherung zieht ein Bestreben nach Absicherung nach sich. Viele kleinteilige Nachfragen von vielen Kolleg:innen kann z.B. keine Schulleitung dieser Welt bewältigen.
Wenn etwas Öffentlichkeitswirksames schulisches Personal angeht, darf man schulischem Personal vertrauen und es VOR der Öffentlichkeit informieren. Neuerungen und Aufträge z.B. aus Pressemitteilungen zu erfahren stärkt an der Basis nicht die Autorität übergeordneter Behörden. Das ist schlicht optimierbarer Führungsstil. Ideal wäre natürlich eine Beteiligung der Basis an Entscheidungsprozessen, aber natürlich wenig realistisch.
Wo Menschen arbeiten, geschehen Fehler. Wo Menschen überlastet sind, überproportional viele. Man kann jetzt so tun, als bestünde die Möglichkeit, dass derartige Fehler im Prinzip immer wieder und überall vorkommen – obwohl sie statistisch kaum relevant sind – und für alle möglichen Spezialfälle, die selten eintreten, neue Vorgaben, Erlasse und Verordnungen generieren, die letztlich die Arbeit aller einschränken und erschweren – das kann sogar dazu führen, dass die Behörde bei Anfragen dann selbst nicht mehr durchblickt und letztlich auch mehr Arbeit hat.
Man kann aber auch darauf vertrauen, dass im Schulsystem in der Mehrzahl gut ausgebildete Menschen arbeiten, die die Ressourcen des Dienstherrn nicht absichtlich oder fahrlässig binden wollen. Und die Welt ist gemein: Es treten immer wieder Fälle ein, die unvorhersehbar waren. Und dann reagiert man wieder mit neuen Vorgaben, Erlassen und Verordnungen, die Arbeit aller erschweren? Vielleicht ist dieses Konzept selbst bedingt zielführend.
Menschen arbeiten gerne in Umgebungen, die ihnen etwas zutraut und die ihnen selbst vertraut. Und das Schulsystem muss attraktiver werden. Vertrauen als default bitte! (klappt bei Professor:innen und Richter:innen im Wesentlichen auch).
Reform der Ausbildung von Erzieher:innen und Lehrkräften
Eines vorweg und wieder umpopulär: Für die Sekundarstufe habe ich keine Lösung. Die scheint aber auch nicht so wichtig zu sein wie der Elementar- und Primarbereich, wenn Dinge wie Chancengleichheit und Anhebung des gesamten Bildungsniveaus einer Bevölkerung im Mittelpunkt stehen – da verlieren wir die Kinder wesentlich früher und das lässt sich auch kaum wieder aufholen, wenn ich die mir bekannten Studien richtig gelesen habe. Daher: Im KiTa- und Krippenbereich müssen wir die Ausbildungsqualität anheben. Das sollten zumindest vermehrt akademische Berufsbilder sein.
Im Primarbereich ist mir das Konzept eines dualen Studiums sehr sympathisch. Kooperation mit anderen Fachkräften kommt im Primarbereich im Berufsalltag deutlich öfter vor als in höheren Schulformen. Das bildet eine gute Grundlage für junge Menschen, die sich beruflich noch finden wollen und eine frühe Perspektive auf das, was Schule ausmacht. Und ein früher Einblick bietet Chancen, sich zu begeistern und auch fachlich im Studium Leistung zu bringen, aber auch frühe Chancen auf Umorientierung. So könnten Schulen von mehr klugen Köpfen im Alltag profitieren.
Die größte Entlastung für weiterführende Schulformen wären m.E. letztlich Menschen, die in der Mehrzahl lernoffen und selbstkompetent sind. Gleichzeitig könnte das das Arbeitsumfeld attraktiv machen, wenn junge Menschen uns dann anders fordern.
Fachkräfte zur Entlastung der Lehrkräfte von fachfremden Aufgaben?
Die fachfremden Aufgaben gibt es ja an Schulen formal nicht, weil für die Ausgestaltung des Lehrkräfteberufes der Grundsatz der Amtsangemessenheit gilt (s.o.). Die Vorschläge der SWK zur Entlastung von Lehrkräften in diesem Bereich bleiben mir verglichen mit den sehr konkreten Berechnungen zu Stundengewinnen durch Einschränkung von Teilzeitoptionen, Mehrarbeit und Co. etwas zu vage. Die Idee einer Korrekturassistenz ist ja wahrscheinlich auf den ersten Blick ganz nett, aber verkennt, dass hier viele Fragen offenbleiben – etwa die nach der Qualifizierung der beteiligten Personen und dem Aufwand für die notwendigen Kommunikationsprozesse.
Die Digitalisierung wird nach meinem Empfinden von der SWK noch zu stark mit technischem Fokus gedacht anstatt deren gesamtgesellschaftliche Implikationen in den Blick zu nehmen. Die Vorschläge zum Hybridunterricht erscheinen mit sehr stark durch klassische universitäre Lernsettings geprägt. Wie könnten Stellenbeschreibungen für Personal konkret aussehen, das Lehrkräfte nachhaltig entlasten soll? Wo werden die einzusetzenden Ressourcen erhoben und ebenso plakativ berechnet und mit Zahlen hinterlegt wie die zu erwartetenden Stundengewinne? (war wahrscheinlich nicht der „Auftrag“).
Und das Digitale?
Ach, ich glaube meine Gedanken dazu verkaufe ich besser wieder in Form eines kommerziellen Artikels :o)…
Danke.
Wohltuend-ruhiger und fachkundiger Kommentar über dieses komplexe Thema:
Den EINEN, alles-lösenden Weg aus der Bildungskrise werden wir nicht finden
und so sollten viele an unterschiedlichen Stellen daran arbeiten.
An der Vernetzung und Einbeziehung der anderen Perspektiven und Kompetenzen scheint es mir noch zu fehlen.
mit freundlichen Grüßen
M. Veeser-Dombrowski
(erfahrener, allgemeinbildender Lehrer in beruflichen Schulen und Lehrer-Coach)
Vertrauen statt Misstrauen :-)))
Danke für diesen Text!
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„Ich bin mir nämlich nicht so sicher, ob es wirklich viele Lehrkräfte gibt, die ohne eigene Kinder unter 18 Jahren oder pflegebedürftige Angehörige Stunden reduzieren.“
Spielt es denn eine Rolle, ob es Kinder sind oder Pflegebedürftige oder etwas anderes? Am Ende sind das für die Verantwortlichen nur variable Gründe, die sich beliebig verschieben lassen. Du beschriebst im August selber, dass „es nach außen zumindest so aussieht, als würde man etwas dafür tun, dass das Problem weggeht“ als politischen Ansatz. (https://www.riecken.de/2022/08/lehrkraefte-gewinnen-lehrkraeftemangel-ueberwinden/) Mögen es jetzt die Kinder unter 18 sein, könnten es morgen oder übermorgen auch die unter 16 sein. Pflegebedürftig? Was heißt das überhaupt? Immerhin haben wir inzwischen 5 Pflegestufen, da kann man noch gut hin und her schieben. Oder wie sieht es mit den „Angehörigen“ aus? Die, die gar nicht erst anerkannt werden: Der „Pflegevater“, der halt nie mit dem eigenen Elternteil verheiratet war – zählt eh nicht. Lebensgefährten ohne Stempel vom Amt? Nur mit Ehe für den Staat relevant. Für das Beschneiden der Teilzeitregelungen wird man schon irgendwas finden und wenn man langsam anfängt um es dann zu steigern. Stichwort: Legende vom Frosch im heißen Wasserglas.
Erschreckend an den SWK-Vorschlägen: Die Frage nach dem „Warum?“ bei den Lehrkräften wird so gut wie gar nicht gestellt oder beantwortet. Den Eindruck hätten auch ein paar erhobene Zahlen nicht geändert. Vorschläge ohne vollständige Analyse der Ursachen? Ist das noch wissenschaftlich? Zumindest wenn man die persönlichen Entscheidungen des Personals zugrunde legt. Auch die Konsequenzen der Entscheidung scheinen völlig egal zu sein. So, als ob das eigene Personal eher leibeigen wäre und man unendlich die (wirklich in der Bildungsarbeit) Beteiligten belasten könnte und diese ohne Zucken alles mitmachen. So, als kenne man nur die Legende vom Frosch in Wasserglas. Dabei sollten gerade Wissenschaftler*innen verstanden haben, dass diese widerlegt ist: Natürlich springt der Frosch aus dem Glas, wenn es ihm zu warm wird…
Es gibt allerdings auch hier schon eine „Lösung“, die öffentlichkeitswirksam verbreitet werden kann und wird. Ein Blick in die Schummelhauptstadt reicht da, um Wege zu sehen.
1. Quereinsteiger ohne Ende und nach dem Ref werden diese einfach als Lehrkräfte eingestuft, wie die anderen, die immerhin einige didaktische und pädagogische Grundkenntnisse erworben haben. Die müssen natürlich nicht nachgeholt werden. Und natürlich gibt es auch keinen Bonus, wenn diese die Basics nachholen würden. Dafür den vollen Einsatz, mehr oder weniger schon im Ref – da ist dann nicht mal Zeit für Hospitationen, auch ohne Kinder/Pflegebedürftige/… Das führt dann zu Infos, wie 60% der Neueinstellungen sind im Quereinstieg drin, in einige Schulen sind das über 30% der Lehrkräfte. Grundschulen mit 44%? Gibt es. Wozu sollte man Alphabetisierung oder das Lehren der Grundrechenarten auch selber erlernen?
Natürlich gibt es einige neue Impulse – besser: kann es geben – aber die Beratung, Ausbildung, Hospitation, etc. ist bei solchen Zahlen schlicht nicht mehr machbar für die anderen Lehrkräfte. Selbst wenn diese nicht ausgebrannt worden wären. Und die Hilfe ist auch nach den 1,5 Jahren Ref noch nötig. Das die Verkürzung des Ref nur wegen des Praxissemester im Lehramtsstudium durchgeführt werden konnte und das von den Einsteigern nicht gemacht wurde: geschenkt. Hauptsache Crashkurs. Natürlich gibt es keine Stunden für die Ausbildung. Aber 1,5 Jahre später ist es aus der Statistik. Problem gelöst.
Gedanke: Was wäre eigentlich, wenn man für die Ausbildung auch nach dem Ref Ermäßigungsstunden geben würde? Wie könnte sich das auf die Qualität auswirken?
2. Die Kitas und Schulen sind voll ausgestattet.
Klingt komisch, geht aber ganz einfach: Eine Ausstattung mit 96% gilt als „voll ausgestattet“. Supi. Gab es vor Jahren noch 110%, ist man inzwischen im Soll, wenn man schon rein statstisch gar nicht mehr die Pflichtstunden geben kann, weil 4% nicht gedeckt sind. Und wenn dann noch jemand krank wird… Übernommen habt man das Konzept hier von Kitas, wo das schon vor Jahren eingeführt wurde, zusätzlich zur Privatisierung.
Eventuell könnte man eine Abordnung von den Schulen bekommen, die mit 97,5% ja erkennbar deutlich überausgestattet sind. Kopf-Tisch.
3. Daneben gab es mal eine Stundenerhöhung (42 statt 40 Stunden als Referenzwert), die mit einem frei wählbaren freien Tag (+1 Pflichttag (der vorher ein regulärer Ferientag war)) „ausgeglichen“. Nein, nicht nachrechnen, ob 2x8 und 40x2 das Gleiche sind. Auch nicht über den Vertretungsaufwand während es Fehltages nachdenken. Erst recht nicht bei 96% Zielausstattung. Hier ist definitiv Potential für KMK und SWK.
26 Unterrichtsstunden ab Sek I und 28 in der Grundschule sind hier schon lange Standard. Wer das noch nicht hat…
4. Diesmal Brandenburg: Die setzen konsequent um, was Berlin schon begonnen hat: Unterrichten mit Bachelor.
Okay, wir werten das Lehramtsstudium damit dann komplett ab, aber was solls? Das Vorbild der Hauptstadt „Unterrichten statt Kellnern“ lief offenbar so gut, dass man angefangen hat, das zu kopieren und auszubauen. Als nun der Vorschlag von Frau Ernst. Die Konsequenz, die man in der Hauptstadt schon sehen kann: Es fehlt die Ausbildung, trotzdem werden die Bachelor-Studierenden schon als Klassenleitungen eingesetzt und unterrichten allein.
Ich bin gespannt wo und wie die Message „wozu überhaupt noch Lehramtsstudium“ aufgegriffen wird.
5. Externes Personal abziehen
Das macht man jetzt. allerdings nicht die, die in die Verwaltung geflüchtet sind. Nein. Man nimmt die, die in der Ausbildung vom neuen Personal gebunden waren, sprich die Seminare werden rigeros zusammengestrichen. Sitzen da jetzt schon größtenteils Personen, denen man in Geschichte überhaupt erst mal das Fachliche beibringen muss, statt methodische etc. Schwerpunkte zu setzen, wird das bei Größen von 25–30 nicht besser. Die Rückmeldung, dass eine gezielte Ausbildung aufs Lehramt dann doch etwas anderes ist, als ein anderer angestrebter Uniabschluss, kommt aus den Seminaren. Aber wie soll man die Betreuen, wenn es für Seminar und Besuch nur ein paar Stunden gibt? Die Verteilung erfolgt in der ganzen Stadt, selten kommen mehrere im selben Fachseminar aus der selben Schule, es sind 2 Besuche pro Halbjahr vorgesehen.
Was sind die langfristigen Folgen dieser offensichtlichen Ausbildungsverschlechterung?
6. Statistiken manipulieren, wo es nur geht.
Na gut, das ist der Klassiker. Wenn ich Ausfall und fachfremde Vertretung anschaue und mit den offiziellen Zahlen vergleiche, muss ich heulen und lachen zugleich. Hier kann man bestimmt noch mehr machen.
…
Da du nach Lösungen fragst.
„Verbände und Lehrkräfte selbst behaupten: Wegen Überlastung und dem Wunsch, den Beruf möglichst gut und schülergerecht zu machen. Andere gesellschaftliche Gruppen behaupten:…“
Ich versuche es mal mit einem verrückten Ansatz: Die Lehrkräfte lügen nicht.
Einfach mal blauäugig angenommen, es wäre so wie beschrieben, und diese nerven nicht nur rum, sondern verweisen auf reale Probleme.
Warum nicht wenigstens probieren, diese Dinge zu berücksichtigen und mal an dem Rad zu drehen? Was könnte im schlimmsten Fall passieren?
‑Die Probleme werden überhaupt mal angehört und diese sind dann auch bekannt? Eventuell nehmen LK an, ihre Rückmeldung wäre relevant. Schlimm?
‑Weniger Bürokratie und Verwaltung bei der Umsetzung? Wäre das denn fürchterlich?
‑Als Politik und Schulverwaltung wieder von den eigenen Leuten ernst genommen werden, weil die Bedürfnisse nicht mehr egal sind? So schlimm?
usw.
Was passiert im besten Fall?
‑Mittelfristig wird der Beruf wieder attraktiv. (Das (sinnvolle!) Praxissemester mit dem Einblick in die Realität hilft eher beim Abschrecken.)
‑Kurzfristig könnten Mitarbeitende die Stundenzahl erhöht werden, weil die Gesamtbelastung dann konstant wäre.
‑Politisch positiv: es wäre „kostenneutral“ umsetzbar. Wer stellt sich damit nicht gern vor eine TV-Kamera?
Es ist mir ein Rätsel, warum man seitens des KuMi nicht irgendwann mal versucht, den zweiten Weg zu gehen. Es gäbe viele Schrauben, die man da stellen könnte. Stattdessen nur Druckerhöhung und Zusatzbelastungen. Misstrauen…hm, bin mir nicht sicher ob es das gibt. Das Gefühl ist eher bei „man ist völlig egal“ und das es gar nicht erst für Misstrauen reicht.
Das die Digitalisierung nicht ernst genommen wird und alle damit verbundenen Chancen verschenkt werden – geschenkt. Und nein, damit ist auch kein Wechsel auf
Ich bin mir nicht sicher, ob das bei dir mit der Reform der Ausbildung so gemeint ist, wie es schon läuft. Ich bin mir aber sehr sicher, dass das schief geht.
Wie gesagt, am Ende springt der Frisch dann doch aus dem wärmer werdenden Wasserglas. Auch wenn der Aufenthalt im Wasser was wirklich tolles ist. Und das kommunizieren inzwischen sogar schon viele Frösche aus dem Wasserglas…
Moin Björn,
Ob du aus familiären oder anderen Gründen reduzierst, sollte keine Rolle spielen. Formal tut es das aber. An das eine kommst als KuMi nicht ohne weiteres dran, an das andere jederzeit, weil das ein „freiwilliges Entgegenkommen“ des Dienstherrn ist „Wenn dienstliche Gründe nicht entgegenstehen“.
Deswegen muss man schon die 49% nochmal anders darstellen – dass das nicht geschieht, ist m.E. schon sehr peinlich für die SWK, weil solche Daten bei einer Gesamterhebung quasi mit rausfallen.