Wir wundern uns …
… warum Kultusministerien anderer Bundesländer unter allen Umständen verhindern wollen, dass andere Regeln für sie vor Ort interpretieren oder gar auf Basis einer eigenen Einschätzung der Lage vor Ort umsetzen. Das sieht man gerade sehr hübsch am Fall Dortmund.
Ich glaube, dass es dabei im Kern gar nicht um den konkreten Einzelfall geht. Wenn „Aufstände“ an Schulen Schule machen, müssen die Ministerien irgendwann ihre Karten in Form von z.B. Disziplarmaßnahmen gegen „widerspenstige“ Beamte auf den Tisch legen, die Ihnen eine Durchsetzung ihre Anordnungen ermöglichen.
Was käme da in Frage? Suspendierung von Lehrkräften oder Schuleiter:innen? Kürzung von Bezügen? Disziplinarische Gespräche in einer Zeit, in denen jede einzelne Schulbehörde wahrscheinlich völlig überlastet ist? In der Pandemie? Im Lehrer:innenmangel?
Würden diese Maßnahmen überhaupt einer juristischen Überprüfung standhalten, wenn – nur ein hypothetischer Fall – z.B. die Hygienemaßnahmen an Schulen nicht dem Standard entsprächen, der nach über einem Jahr realistisch auch im Rahmen der Fürsorgepflicht des Dienstherrn erwartbar gewesen wäre?
Verfassungstreue und damit die unbedingte Pflicht, die Gesundheit von Schüler:innen und Kolleg:innen zu schützen nennt der Amtseid der Beamten noch vor der Gehorsamspflicht. Daraus dürften sich hübsche juristische Unwägbarkeiten ergeben.
Sobald Ungehorsam Schule macht, sobald Lehrkräfte sehen würden, dass es im Schulsystem im disziplinarischen Bereich ein immenses Vollzugsdefizit gibt, sobald sie damit „durchkommen“, besteht die reale Gefahr, dass das System insgesamt mit all seinen stillen Verträgen schlicht komplett kollabiert. Das daraus „Gelernte“ lässt sich ja auch auf andere Themenbereiche übertragen.
Das wäre kurzfristig fatal für Schüler:innen, die sich jetzt im System befinden. Das muss man bei aller vielleicht still empfundenen „Das wäre doch mal fällig!“-Stimmung leider auch sehen.
Deswegen ist es logisch (logisch ist hier beschreibend, nicht wertend gemeint), dass sich Kultusministerien anderer Bundesländer über Bundesvereinbarungen gelegentlich hinwegsetzen und in örtliche Behördenentscheidungen teilweise hineinreden.
Ich sehe darin ein immenses Risiko: Es ist „All in“ bei einem durchaus ausbaubaren Blatt. Geht das schief, war es das. Wenn das Vollzugsdefizit im System erkannt und verstanden wird, bricht der Damm.
Ich habe den Eindruck, dass das niedersächsische Kultusministerium bei aller Kritik, die auch dort ankommen wird, genau so nicht vorgeht. Die Entscheidungen über Schulschließungen überlässt man entsprechend den getroffenen Vereinbarungen schon längere Zeit komplett den jeweiligen Landkreisen.
Tja. In Landkreis Cloppenburg (Inzidenz gestern > 220) lässt sich zurzeit darüber leider auch nicht so viel diskutieren …