Für den Philologenverband – Fremdschämen ist angesagt
Ich bin schon vor Jahren aus dem Philologenverband ausgetreten. Das hatte im Wesentlichen mit den Inhalten der Verbandsmitteilungen zu tun. Innovationen und andere Perspektiven konnte man meiner Meinung nach stets mit der Lupe suchen.
In letzter Zeit gab es wieder einen absoluten Klopfer: Ein Mitglied äußerte sich in der Verbandszeitschrift kritisch gegenüber der Fridays4Future-Bewegung. Das gehört zu einem gesunden demokratischen Prozess und zur freien Meinungsäußerung. Aber ein Name stand da nicht. Über die Gründe lässt sich spekulieren.
Heute:
Grundschullehrkräfte sollen nicht höher besoldet werden – sagt der hessische Bildungsminister. Und der deutsche Dachverband der Philologen steigt darauf ein:
Ich bin Gymnasiallehrer – zumindest noch der Ausbildung nach. Ich bilde mir ein, Menschen zu solidarischem Handeln und demokratischen Denken befähigen zu sollen. Das ich für mich der Kern des Gymnasiums. Den sehe ich in diesem Standesdenken nicht. Es zeugt von absoluter Ahnungslosigkeit bezüglich des stetig wachsenden Anspruchs an den Grundschulen. Ich habe nicht einen Cent weniger in der Tasche, nur weil Grundschullehrer mehr bekommen – meinetwegen zahlt die allgemeine Stellenzulage dann nur den Gymnasiallehrkräften.
Nicht meine Interessenvertretung. Gute Entscheidung damals.
GEW?
Hatte ich mal mit geliebäugelt. Die Positionen im Bereich Digitalisierung halten mich davon ab.
Ich war bewusst nie Mitglied. Aber ich bezweifle, dass der Grund für die Ablehnung allein Standesdünkel ist. Denn das Argument „Ich habe nicht einen Cent weniger in der Tasche, nur weil Grundschullehrer mehr bekommen“, man hört es oft, halte ich für zu kurz gedacht, an der Grenze zum Unredlichen. Kriege ich in Bayern am Gymnasium dann noch meine Regelbeförderung nach A14, meine Funktionsbeförderung nach A15? Diese Bedenken hätte ich gern aus dem Weg geräumt, bevor ich das allein auf Standesdünkel zurückführe. Ob diese Beförderungen überhaupt gerechtfertigt sind: diskutierenswert, ja.
Danach kann man immer noch über den Standesdünkel reden, den es gibt, klar.
Ich glaube nicht, dass die Forderung nach einheitlicher Bezahlung automatisch mit der Forderung nach einheitlichen Aufstiegsmöglichkeiten verknüpft sein muss oder dass das zur Zeit jemand fordert. Das wäre an Grundschulen auch kaum zu rechtfertigen, weil die Systemgröße prinzipbedingt viel kleiner ist.
Davor wird man sich auch in Kreisen des linken Spektrums hüten – so groß ist das Schreckgespenst des „Einheitslehrers“. In Niedersachsen gibt es als Gymnasiallehrkraft A13+Z. Eine Regelbeförderung gibt es nicht. A14 unterscheidet sich dadurch netto nur wenig vom Grundgehalt (weil da das Z wegfällt) und erfordert genau wie später A15 ein Bewerbungsverfahren. Bei vielen A15-wertigen Aufgaben bin ich mir nicht sicher, ob man im öffentlichen Dienst jemand mit dem Status eines leitenden Dezernenten (E15) damit betrauen würde – z.B. bei solchen Dingen wie der Betreuung und Organisation des Abiturs. An Schule macht man das. Ich bin mir unsicher deswegen, ob es ungerechtfertigt ist. Da kommt ja einiges zusammen, was reinspielt.
Wenn öffentlich immer wieder der Eindruck des Standesdünkels entsteht, könnte verbandsseitig eine Strategie darin bestehen, differenzierter zu argumentieren – wo thematisiert z.B. jemand die Gehaltsunterschiede zwischen verbeamteten und angestellten Lehrkräften?
Oh ja, ob A15 für die meisten schulischen Zusammenhänge gerechtfertigt ist, kann man unbedingt hinterfragen. Meist dürfte das nicht zutreffen.
Mir ging es auch gar nicht um einheitliche Aufstiegsmöglichkeiten. Aber ich sage voraus: Wenn in Bayern A13 für Grundschule, dann wird A14/15 für Gymnasium reduziert. Dann haben wir niedersächsische Verhältnisse hier… :-) Auch wenn das sinnvoll und gerecht sein mag.
Beamtenstatus: Ja, auch so ein Thema. Bayern verbeamtet ja noch weitgehend, aber es gibt auch Angestellte. Nicht wirklich zu rechtfertigen, schon der Beamtenstatus an sich ist sehr fragwürdig. (Er erleichtert den Umgang mit Vorgesetzten und Eltern, das schon, aber ob das als Rechtfertigung reicht?)
Bei einer Verbeamtung erfordert die Besoldung nach der Eingangsstufe A 13 ein wissenschaftliches (sic!) Umiversitätsstudium mit Abschluss (i.e. Diplom, Magister, Staatsexamen, heuztzutage auch Master, Promotion, letztere bei den seltenen reinen Promotionsstudiengängen), unabhängig von Dienstart und Beruf (Gymnasiallehrer, Juristen, Ärzte an Universitäten oder beamtenrechtlich vergleichbaren öffentlichen Einrichtungen, Stabsärzte oder andere Offiziere mit entspr. universtärerer Bildung, Personen mit Ingenieursdiplom der unterschiedlichen Fachrichtungen u. v. a.. Eine gewisse Ausnahme (unterschiedliche Zugangswege) stellen bereits seit Jahrzehnten die Berufsschullehrer dar, die zusätzlich zur A 13 Besoldung auch – warum weiß ich nicht, wahrscheinlich um den auf Ausbildung und Studium bezogenen besoldungsrechtlichen Bruch zu rechtfertigen – den Grad eines Studienrates/Studienrätin zuerkannt bekamen. Wer also eine A 13 Besoldung möchte, sollte ein wissenschaftliches Universitätsstudium absolvieren oder die Voraussetzungen zum Berufsschullehrer erfüllen.
Von einer formalen Ebene aus gedacht stimmt das. Es würde folgerichtig bedeuten, dass auch für Leitungspositionen in großen Grundschulen keine Besoldung nach A13 in Frage kommt, wenn kein wissenschaftliches Universitätsstudium als Zugangsvoraussetzung gegeben ist. Ich sehe in diesen Ansätzen klares Standesdenken, was sich m.E. mit Bezug zur Arbeitsmarktsituation für Lehrkräfte auf Dauer als Anachronismus mit Folgen erweisen wird. Die Deprofessionalisierung im immens wichtigen Grundschulbereich nimmt gerade in städtischen Brennpunkten erschreckende Ausmaße an. Dabei ist die Besoldung nur ein unwesentlicher Faktor, der aber auch Ausdruck von gesellschaftlicher Wertschätzung ist – oder eben nicht.