Den Schulen Freiheiten bei der Geräteauswahl geben?
Die ideale Ausgangssituation
Es gibt ein Medienzentrum eines Landkreises. Es beschäftigt zwei Techniker und einen Systemadministrator, um folgendes für die Schulen in Trägerschaft des Landkreises zu leisten:
- Entwicklung von Infrastruktur an Schulen (Internetzugang, Vernetzung, WLAN, Präsentationstechnik)
- Koordination mit dem Hochbauamt des Landkreises, z.B. bei Elektroinstallationsarbeiten)
- Wartung und technischer Support
- Ausschreibung und Beschaffung von Endgeräten
- Abwicklung von Garantiefällen
- verlässliche Vertretungsregelungen bei Ausfall von Supportmitarbetenden
- usw.
Zusätzlich sind zwei Medienpädagogen am Medienzentrum angedockt, zwei Mitarbeiter kümmern sich um Medienverleih und Geräteausleihe (Lichttechnik, Beschallung, Film- oder Fotoausrüstung, Geocachinggeräte, iPad-Koffer u.v.m.) und das Medienzentrum beschäftigt darüberhinaus noch eine Bundesfreiwilligendienstleisterin sowie einen Jahrespraktikanten.
Das Medienzentrum betreut nur die Landkreisschulen auch technisch, ansonsten aber alle Schulen und außerschulische Bildungsträger mit Beratung und kostenloser Geräteausleihe.
Solche Medienzentren gibt es, nicht viele, aber es gibt sie. Ob sie wirklich will, muss man entscheiden, wenn man hier weiterliest.
Die oft anzutreffende Vergangenheit
In der Vergangenheit haben Schulen mit ihren Haushaltsmitteln Anschaffungen und bauliche Maßnahmen im Bereich der IT-Technik allein gestaltet. Dazu konnten sie teilweise Titelgruppen im Haushalt relativ frei verschieben. Dabei sind Netze und Geräteparks entstanden, die weitgehend undokumentiert vor sich hinwerkeln. Technischer Support wurde von externen Dienstleistern auf Stundenbasis übernommen, die meist mehrere Stunden damit verbracht haben, zunächst zu verstehen, wie bestimmte Dinge vor Ort überhaupt funktionieren, bevor sie helfend aktiv werden konnten. Wenn der Technikpapstlehrer vor Ort ausfiel, fiel das Netz mit ihm aus.
Der Entwicklungsstand einzelner Schulen ist dabei sehr unterschiedlich und nicht zuletzt auch davon abhängig, wie vernetzt und einflussreich Schulleitungen in der Region positioniert sind. Der eine kann Drittmittel in fast unbegrenzter Höhe einwerben, der andere hat immer noch einen PC-Raum mit WindowsXP.
Die Herausforderungen in einer solchen Struktur
- Wenn man bei Problemen schnell intervenieren will, kann das in der Fläche nur funktionieren, wenn ich einen Großteil der Aufgaben per Fernwartung erledigen kann.
- Wenn man vor Ort Probleme lösen muss, ist eine gute Dokumentation und weitgehende Standardisierung unerlässlich.
- Man braucht z.B. im Bereich von WLAN- oder MDM-Systemen zwingend mandantenfähige Lösungen, d.h. bestimmte Dinge muss die jeweilige Schule selbst für sich entscheiden dürfen und andere Dinge müssen zentral steuerbar sein, weil ich ansonsten als Dienstleister im Extremfall n (=Anzahl der Schulen) verschiedene Systeme bedienen können muss.
- Auch bei Plattformen macht es durchaus Sinn, einheitliche Lösungen zu verwenden, da LuL und SuS dann z.B. beim Schulwechsel ihre gewohnte Umgebung in ihrer gewohnten Konfiguration vorfinden.
- Schulen verlieren bei diesem Anspruch aber zwangsläufig Autonomie im Bereich ihrer Finanzplanungen, die bisher immer bestanden hat. Infrastruktur kann nicht einfach so beschafft werden, wenn gleichzeitig der Anspruch besteht, dass der Träger sie verlässlich warten soll.
- Die autodidaktischen „Technikpäpste“ vor Ort verlieren an Einfluss und Anerkennung.
- Die Gnade der Technischen Betreuung ergießt sich auf alle Schulen gleichermaßen. Dabei verlieren die bisher starken Systeme, aber es gewinnen die bisher vernachlässigten Schulen.
Die letzten drei Punkte machen in solchen Strukturen übrigens gefühlt 98% der Arbeitszeit aus.
Jetzt ergibt sich ein herausfordernder Spagat: Einerseits brauchen Schulen speziell bei der Auswahl von Endgeräten natürlich pädagogischen Handlungsspielraum, andererseits muss die technische Betreuung dieser Geräte leistbar sein.
Extrembeispiele (leider reale aus der Beratungspraxis):
- Eine Schule kauft nach pädagogischer Beratung bei Mediamarkt 50 iPads und fordert vom Träger einen Klausurmodus.
- Eine Schule möchte auf BYOD-Geräten arbeiten und fordert vom Träger, dass dieser alle Schülergeräte in die Schuldomäne einbindet.
- Eine Schule beschafft ein Programm zur Lernstandserhebung und verlangt vom Träger die Anbindung an das AD der Schule.
- Eine Schule nimmt 50 gespendete PCs an und verlangt vom Träger Hardwaresupport dafür
Es darf nicht dazu kommen, dass eine Schule autonom eine Entscheidung trifft, die an anderer Stelle unleistbare Arbeitprozesse erzeugt. Es darf auch nicht dazu kommen, dass der Träger einseitige Vorgaben im Bereich der Ausstattung macht. Das passiert aber immer genau da, wo es kein Gegengewicht in Form von medienpädagogischen Blickwinkeln gibt. Deswegen ist für mich eine Beratung hinsichtlich der Anschaffung von Endgeräten ohne Umfeldanalyse („Mal im Schulamt Kaffee trinken“, „Infrastruktur analysieren“, „Stakeholder erfragen“) immer kritisch zu sehen.
Der Idealfall ist für mich ein partnerschaftlicher Umgang miteinander, bei dem ein Partner den anderen mitdenkt und einbezieht.
Wenn der Träger aus der Rolle des „Beschaffers“ und „Pflichterfüllers“ und die Schule im Gegenzug aus der Rolle des „Bittstellers“ herauskommt, sind nach meiner Erfahrung viel mehr Dinge möglich.
Leider sind diese Rollenbilder in so mancher Region ziemlich verhärtet. Und leider bringt ein solches Verhältnis natürlich auch Autonomieeinbußen mit sich – vor allem bei Schulen, die bisher sehr gut aufgestellt waren.
Etwas zu aktuellen Tendenzen bei Endgeräten
Ich halte momentan iPads aus technischer und Wartungssicht für absolut alternativlos. Das Preis-/Leistungsverhältnis stimmt, es gibt sehr brauchbare MDM-Lösungen dafür, die Einsatzmöglichkeiten im Unterricht (z.B. als mobile Dokumentenkamera) sind vielfältig. Es hat für mich einen primär technischen Grund, warum sich diese Lösung momentan stark verbreitet. Es wird noch etwas dauern, bis von anderen Herstellern vergleichbare und gleichermaßen bezahlbare Angebote kommen.
Die aus meiner Sicht Zementierung des klassischen Unterrichtsmodells z.B. in der Classroom-App finde ich schwierig. Ich lese bisher wenig aus der iPaded-Ecke zum Thema „Modification“ oder „Redefinition“. Vielleicht sehe ich das auch nicht – auf Tabletevents kommt das in Programmheften neben viel „Knöpfchenkunde“ aber allmählich. Ich weiß auch nicht, wie es mit der Datenschutzfrage bei 1:1‑Geräten jetzt genau ausschaut – bei schuleigenen Geräten scheint das brauchbar gelöst zu sein. Der Ansatz, dem Nutzer möglichst viel bei der Bedienung abzunehmen, ist nicht so meiner mit Blick auf die Notwendigkeit informatischer Grundkompetenzen in der Zukunft.
Keine Rolle werden iPads weiterhin in technischen Bereichen oder im Kontext von Berufsorientierung spielen, also überall, wo es um Fachanwendungen geht. Da ist im graphischen und audiovisuellen Bereich weiterhin Apple mit seinen iMacs sehr stark, ansonsten wird wohl Microsoft noch ein wenig das Feld besetzen.
Persönlich bleibe ich Linuxer. Ohne zwei offene Terminalsitzungen bin ich nicht glücklich. Die Zukunft sehe ich in serverbasierten Anwendungen („Web-Apps“), die geräteunabhängig genutzt werden können und auf freier Software basieren. Zusätzlich werden Virtualisierung bzw. virtuelle Desktops gerade auch im Kontext von Prüfungen eine gewaltige Rolle spielen.
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