Können wir bitte pragmatisch werden?

Es gibt einen sehr schö­nen episch lan­gen Text von Lisa Rosa zum The­ma wel­che „digi­ta­le Bil­dungs­re­vo­lu­ti­on“ wir wol­len. Ihre Kernthesen:

  1. Wir kön­nen uns nicht ent­schei­den, ob digi­ta­le Bil­dung zukünf­tig zum Schul­all­tag gehört. Mit ein wenig Glück und viel Ver­stand bestim­men wir allen­falls, wie das aussieht.
  2. Die Digi­ta­li­sie­rung stellt das bestehen­de Sys­tem Schu­le schon jetzt vor gewal­ti­ge Pro­ble­me, die sich zukünf­tig ver­schär­fen werden.
  3. Das Bil­dungs­bür­ger­tum mit sei­nen bestehen­den wis­sen­schaft­li­chen Struk­tu­ren hat ver­sagt beim kon­struk­ti­ven, visio­nä­ren Umgang mit dem digi­ta­len Zeit­al­ter und damit das Feld kom­mer­zi­el­len Play­ern überlassen.
  4. Die ent­schei­den­de Auf­ga­be des Schul­sys­tem besteht dar­in, das Indi­vi­du­um so zu stär­ken, dass es die Anfor­de­run­gen, die unse­re Gene­ra­ti­on der künf­ti­gen hin­ter­lässt, posi­tiv und mit gesamt­ge­sell­schaft­li­cher Ver­ant­wor­tung bewäl­tigt.

Der Digitalpakt#D (die Wan­ka-Offen­si­ve) kata­ly­siert zur­zeit noch­mals gesell­schaft­li­che Dis­kur­se rund um digi­ta­le Bil­dung bis in Regio­nal­zei­tun­gen hin­ein. Es ist Geld da, viel Geld mit sogar Aus­sicht auf noch mehr Geld. Schließ­lich geht es ja um den Stand­ort Deutsch­land und damit auch um Din­ge wie Wohlstandswahrung.

Den Jubel der Web2.0‑Szene dar­über hal­te ich für völ­lig unbe­grün­det und ist mei­ner Mei­nung nach auf ein eher zurück­hal­ten­des poli­ti­sches Bewusst­sein zurück­zu­füh­ren. Was wird wahr­schein­lich näm­lich geschehen?

  1. Das Geld wird nicht über die Kul­tus­mi­nis­te­ri­en „ver­teilt“, son­dern im Rah­men der Wirt­schafts­för­de­rung eher über die der Wirt­schaft nahe­ste­hen­den Minis­te­ri­en. Es geht poli­tisch im Kern um regio­na­le Wirt­schafts­för­de­rung.
  2. Man wird mit viel Geld Insti­tu­tio­nen beauf­tra­gen, die­se Gel­der zu ver­wal­ten und dabei einen guten Anteil bereits ver­bren­nen. Da nie­mand struk­tu­rell groß­ar­ti­ge Vor­ar­beit geleis­tet hat, besteht mit etwas Pech die rea­le Gefahr, dass ver­meint­lich „ein­fa­che Lösun­gen“ der Wirt­schaft sich durchsetzen.
  3. Das Geld erhält dann der Schul­trä­ger, der im bes­ten Fall in Abstim­mung mit sei­nen Schu­len sel­bi­ge aus­stat­tet, im schlimms­ten Fall jedoch sei­ne Schu­len mit Tech­nik pla­niert – oder – für Schu­len wahr­schein­lich noch schlim­mer – ihnen päd­ago­gi­sche Kon­zep­te abver­langt, die in Anbe­tracht der Lage, in der sich Schu­len gera­de befin­den, allen­falls rudi­men­tär aus­fal­len können.

Der letz­te Punkt ist der ent­schei­den­de: Man kann kei­ne iso­lier­ten Medi­en­bil­dungs­kon­zep­te schrei­ben und in Leit­z­ord­ner ste­cken – Digi­ta­li­en nimmt kei­ne Rück­sicht dar­auf, dass da ein sta­ti­sches Kon­zept steht. Digi­ta­li­en ent­wi­ckelt sich rasend schnell wei­ter – und nicht immer ethisch ein­deu­tig. Man kann nur in jedem Fach aner­ken­nen, dass es eine digi­ta­li­sier­te Welt drum­her­um gibt, die ver­netzt ist (wäre schön, wenn auch Fächer ver­netzt wären, aber träu­men wir wei­ter). Es kann also mei­ner Mei­nung nach nicht um Kon­zep­te gehen, son­dern allein dar­um, Pro­zes­se ein­zu­lei­ten, die zu einer Ände­rung von Hal­tun­gen führen.

So, lie­be Schu­len, nun holt mal allei­ne nach, was die euch vor­ge­schal­te­te Bil­dungs­for­schung kaum auf die Ket­te bekom­men hat. Und lasst euch beschimp­fen, wenn ihr das nicht schafft. Dann seid ihr doof oder habt wahl­wei­se nichts verstanden.

Das letz­te Absatz ist von mir iro­nisch gemeint. Es gibt aber durch­aus Stim­men, die den im Kern sogar ernst meinen.

 

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