Inhaltsangaben
Einleitung
Inhaltsangaben sind irgendwie das Ende der Kreativität. Man tastet sich ja langsam über Bildergeschichten, Nacherzählung und Bericht zu den sachlichen Textformen im Deutschunterricht vor – das vermeintliche Ende der Fantasie. Hier in Niedersachsen gibt es auch eine Evolution innerhalb der Textform Inhaltsangabe, nämlich von der Zusammenfassung von narrativen, fiktionalen hin zu gedanklichen Texten.
Webressourcen
Wer sich für die Vorbereitung einer entsprechenden Unterrichtseinheit einlesen möchte, findet hier zunächst ein von mir kommentiertes URL-Lüftchen.
- Inhaltsangabe bei Norbert Tholen – umfangreiches Material und Reflexion konkreter Textbeispiele. Absoluter Referenzcharakter.
- Übungen zur Inhaltsangabe beim Lehrerfreund – zielgerichtete, sofort umsetzbare Übungsformate und Arbeitsblätter.
- Peerfeedback bei Inhaltsangaben beim Lehrerfreund - im Unterricht gut anwendbare Methode, wenn man kein Klassenblog hat
- Sammlung möglicher Sachtexte mit Aufgabenstellungen – gut einsetzbar bei teachsam.
- Zuordnungsübung zum einleitenden Satz – wer es ganz formal haben möchte
Warum eine Inhaltsangabe?
Viele sonstige Anleitungen in Schulbüchern und im Web stellen die formalen Aspekte der Inhaltsangabe in den Mittelpunkt. Dabei ist für mich die Frage nach dem Sinn und der Berechtigung dieser doch sehr spröden Textform für den Deutschunterricht die eigentlich entscheidende, weil sie didaktische und methodische Entscheidungen mit Blick auf das „Gesamtpaket“ Deutschunterricht erst ermöglicht. Dieser Fokus geht verloren, wenn die Inhaltsangabe Selbstzweck zur Übung der Umsetzung formaler Vorgaben geht, obwohl das natürlich gerade in den jüngeren Jahrgänge bei der Frage nach der Bewertung eine große Rolle spielt.
Die Inhaltsangabe halte ich für eine Textform zur Darlegung von Lesekompetenz: Ist ein Text sinnerschließend erfasst worden? Gleichzeitig vermittelt sie Methodenkompetenz zur Gewinnung von Textdistanz, die immens wichtig ist, um weiterführende Operationen mit einem Text durchführen zu können, z.B.:
- Bewertung von Aussagen
- Analyse von Sprache
- Einordnung in einen größeren Zusammenhang
- eigene Texte überarbeiten (Distanz zu seinem eigenen Text gewinnen)
- …
Nach meiner Erfahrung im Unterricht hängt das Gelingen oder Nichtgelingen einer Inhaltsangabe primär davon ab, ob es gelingt, Textdistanz aufzubauen – das schafft eine Inhaltsangabe, die sich am Textfluss entlanghangelt oft weniger gut, als eine, die den Text strukturell kriteriengeleitet reorganisiert.
Methoden zur Gewinnung von Textdistanz bei narrativen Texten mit sequentiellem Aufbau
Für den Hauptteil funktioniert erstaunlich gut die Drei-Wort-Was-Geschieht-Methode. Dazu sucht man sich in jüngeren Jahrgängen eine Geschichte aus – beliebt sind ja immer Hebels Kalendergeschichten, die möglichst sinnvoll und stark in Absätze untergliedert ist. Dann lässt man folgende Tabelle anfertigen:
Absatz | die drei wichtigsten Worte | Was geschieht? |
1 | Betrüger, Ring, kaufen | ein Jude möchte den Ring eines Betrügers kaufen |
2 | […] | […] |
Die erste Spalte enthält die Absatznummer oder die Sinnabschnitte (dann Zeilenangaben). In der der zweiten Spalte stehen die drei wichtigsten Worte dieses Absatzes – dabei muss ein Verb enthalten sein, welches die dominierende Handlung des Absatzes beschreibt. In der dritten Spalte wird auf Basis dieser drei Worte die Frage „Was geschieht?“ beantwortet. Dabei müssen die drei Worte nicht zwingend verwendet werden.
Die dritte Spalte kann man in einer Klasse in der Regel von verschiedenen Leuten nacheinander „herunterlesen“ lassen, auch wenn sie gar nicht zusammengearbeitet haben. Es kommt oft schon so ein recht brauchbarer Hauptteil dabei heraus. Das ganze würzt man bei einfachen narrativen Texten noch mit geeigneten Konjunktionen und Formulierungen zum Verbinden der einzelnen Gedanken.
Den einleitenden Satz lasse ich immer erst nach dem Hauptteil der Inhaltsangabe formulieren. Ich verbiete dabei die Formulierung „geht es um…“, weil sie nach meiner Erfahrung dazu verleitet, Figuren und nicht eine Handlung in den Mittelpunkt zu stellen.
Methoden zur Gewinnung von Textdistanz bei gedanklichen Texten mit nicht-sequentiellem Aufbau
Auch hier funktioniert in einem ersten Schritt die Drei-Wort-Was-Geschieht-Methode, allerdings mit einer wichtigen Modifikation, da Absätze in gedanklichen Texten meist logisch-funktional angelegt sind. Deswegen muss in der dritten Spalte ein Sprechaktverb mit enthalten sein, welches gleichzeitig klarmacht, dass Gedanken eines Dritten wiedergegeben werden.
Absatz | die drei wichtigsten Worte | Was geschieht? |
1 | Aids, Afrika, verbreiten | der Autor verweist auf die schnelle Verbreitung von AIDS in Afrika |
2 | […] | […] |
Fehlen in einer Inhaltsangabe eines Sachtextes distanzierende Äußerungen in Form von Sprechaktverben oder grammatisch anspruchsvoller in Form des Konjunktivs, werden Originaltext und Inhaltsgabe sprachlich kaum unterscheidbar und ein Nacherzählungscharakter der bestimmende sein. Das passiert bei Inhaltsangaben narrativer Texte eher nicht, weil das Präsens als Zeitform schon einen distanzierenden Charakter mit sich bringt – wenn denn auch schön im Präsens geschrieben wird…
Bei der Inhaltsangabe eines Sachtextes verlange ich zusätzlich, dass Absätze zu größeren Sinneinheiten kombiniert werden, so dass Formulierungen wie:
Der Text gliedert sich in drei Abschnitte. Im ersten führt Ingolf Meyer den Leser unter Verwendung eines Beispiels…
Um seine These zu verdeutlichen, bedient sich der Autor dreier Beispiele…
möglich werden. Die zu einer Sinneinheit gehörigen Abschnitte können in gedanklichen Texten weit verstreut sein. Im Idealfall erkennt man ihre inhaltliche Nähe aber durch die Drei-Wort-Was-Geschieht-Tabelle.
Die Inhaltsangabe eines gedanklichen Textes ist damit ungleich schwerer als die eines erzählenden Textes.
Danke für die hilfreichen Ausführungen!
Unter Punkt 3 funktioniert der Link zu „Rambo 6“ nicht.
Danke, für Feedback und Hinweis – scheint ein Bug von WP zu sein, wenn Leerzeichen und Bindestriche in Folge auftreten. Korrigiert.
Danke, für die übersichtliche Darstellung, die Zusammenfassung und die Links :) Hast du /Sie? schon Erfahrung mit der Peer-Feedback (oder Schreibkonferenzen im generellen?). Meine 6. Klasse hat nämlich riesen Probleme damit (die sollten mal die didaktischen Texte lesen, vlt. wirds dann klarer, dass dies kein Freiraum für Beleidigungen ist!)
Hallo Rebecca,
meine Erfahrungen mit Schreibkonferenzen sind immer dann sehr gut, wenn ich vorher für einen gewissen Rahmen gesorgt habe. Ich kann es auch wirklich nicht mit jeder Klasse machen – manchmal ist die dafür notwendige Vertrauensbasis einfach nicht da. Die Autoren didaktischer Literatur sollten eben einfach mal nebenbei unterrichten :o)…
Fester Bestandteil ist immer die Reflexion der Kommentare, d.h. ich lasse das entweder gleich per Kommentar im Blog erledigen oder sammle eben die Hefte ein und schreibe die „lehrreichsten“ Formulierungen anonymisiert heraus. Dann spreche ich mit der Lerngruppe über diese Kommentare.
Darauf lassen sich Regeln für die Formulierung ableiten. Dabei lernen sie auch etwas für das Fach Deutsch… (so wie ich es verstehe).