KI in der Schule? Ist sie nun einmal da und muss man sich deswegen damit beschäftigen?

Es ver­geht kein Tag auf Social Media mit neu­en, coo­len Tipps zur Nut­zung von KI im Unter­richt. Ich zie­he seit drei Jah­ren mit einem Vor­trag zu KI durch alle mög­li­chen Grup­pen und Gre­mi­en, der sich mehr und mehr zu einer sehr kri­ti­schen Sicht auf das The­ma gewan­delt hat.

1. KI-Anwendungen, die Sprache generieren, verhindern Lernprozesse

Ver­schie­de­ne For­scher und Exper­ten wei­sen auf gra­vie­ren­de Män­gel in Sprach­mo­del­len hin, die das Rück­grat vie­ler Ange­bo­te für den Bil­dungs­be­reich bil­den. Auch die Aus­wir­kun­gen auf Lern­pro­zes­se wer­den zuneh­men kri­tisch beschrie­ben. Bezeich­nen­der­wei­se kommt die dif­fe­ren­zier­tes­te Kri­tik dabei nahe­zu immer von Men­schen mit infor­ma­ti­schem Hin­ter­grund. Ver­fech­ter der Nut­zung von Sprach­mo­del­len im Unter­richts­kon­text hal­ten stets dage­gen, dass es dabei immer auf die Art der jewei­li­gen Nut­zung ankommt. Davon bin ich nicht überzeugt.

Exem­pla­risch ver­wei­se ich auf eine aktu­el­le Stu­die von Rai­ner Mühl­hoff und Mar­te Hen­ningsen, die sich ein Fobizz-Tool zur auto­ma­ti­schen Bewer­tung von Haus­auf­ga­ben genau­er ange­schaut haben. Von die­sen Werk­zeu­gen bzw. Ange­bo­ten gibt es meh­re­re auf dem deut­schen Markt, sogar sol­che, die Grün­der­prei­se erhal­ten haben. Ihnen gemein ist, dass sie sich auf die glei­che infor­ma­ti­sche Tech­no­lo­gie stüt­zen und sich expli­zit an Lehr­kräf­te rich­ten. Die Daten­ba­sis der Stu­die ist ver­hält­nis­mä­ßig gering – das ist lei­der im Bil­dungs­be­reich bei vie­len Stu­di­en so. Hier eini­ge Aus­zü­ge aus den Ergebnissen:

  1. Sowohl die vor­ge­schla­ge­ne Gesamt­no­te als auch das qua­li­ta­ti­ve Feed­back vari­ier­ten erheb­lich zwi­schen ver­schie­de­nen Bewer­tungs­durch­läu­fen der­sel­ben Abga­be. Die­se Vola­ti­li­tät stellt ein erns­tes Pro­blem dar, da Lehr­kräf­te, die sich auf das Tool ver­las­sen, unbe­merkt qua­si “aus­ge­wür­fel­te” und poten­zi­ell unge­rech­te Noten und Rück­mel­dun­gen ver­ge­ben könnten.

  2. Selbst mit voll­stän­di­ger Umset­zung der Ver­bes­se­rungs­vor­schlä­ge war es nicht mög­lich, eine “per­fek­te” – d.h. nicht mehr bean­stan­de­te – Ein­rei­chung vor­zu­le­gen. Eine nahe­zu per­fek­te Bewer­tung gelang nur durch Über­ar­bei­tung der Lösung mit ChatGPT, was Schüler:innen signa­li­siert, dass sie für eine Best­no­te auf KI-Unter­stüt­zung zurück­grei­fen müssen.

  3. Das Tool weist grund­le­gen­de Defi­zi­te auf, von denen die Stu­die meh­re­re als “fata­le Gebrauchs­hin­der­nis­se” klas­si­fi­ziert. Es wird dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die meis­ten der beob­ach­te­ten Män­gel auf die inhä­ren­ten tech­ni­schen Eigen­schaf­ten und Limi­ta­tio­nen gro­ßer Sprach­mo­del­le (LLMs) zurück­zu­füh­ren sind. Aus die­sen Grün­den ist eine schnel­le tech­ni­sche Lösung der Män­gel nicht zu erwarten.

Die Stu­die bezieht sich auf die Nut­zung von Sprach­mo­del­len durch Lehr­kräf­te. Dies ist eine Nut­zung durch Expert:innen mit ent­spre­chen­der Erfah­rung und Exper­ti­se bei der Umset­zung von Bewertungen.

Die weit­ge­hend fach­lich unre­flek­tier­te For­de­rung nach flä­chen­de­cken­der Bereit­stel­lung von soge­nann­ten KI-Tools zieht sich sowohl durch die Pres­se­land­schaft als auch durch Ver­bän­de. Unser Medi­en­zen­trum stellt Lehr­kräf­ten an Schu­len in Trä­ger­schaft des Land­krei­ses tat­säch­lich einen sol­chen Zugang bereit. Ich wür­de mitt­ler­wei­le dar­über nach­den­ken, die­se Bereit­stel­lung an eine vor­he­ri­ge ver­bind­li­che Schu­lung und Sen­si­bi­li­sie­rung zu koppeln.

In Bezug auf die Nut­zung durch Schüler:innen hat Jep­pe Klit­gaard Stri­cker für mich bemer­kens­wer­te The­sen bzw. Beob­ach­tun­gen auf- bzw. angestellt:

  1. Intel­lek­tu­el­le Spie­ge­lung: Schüler:innen über­neh­men unbe­wusst von LLMs gene­rier­te Sprachmuster.
  2. Digi­ta­le Abhän­gig­keits­stö­rung: Schüler:innen gera­ten in Panik, wenn KI-Tools nicht ver­füg­bar sind.
  3. Die Illu­si­on der Beherr­schung: Schüler:innen den­ken, sie hät­ten es ver­stan­den, weil AI es erklärt hat.
  4. Ver­fall der kol­la­bo­ra­ti­ven Intel­li­genz: Schüler:innen ver­zich­ten auf mensch­li­ches Brain­stor­ming, wenn KI schnel­ler ist
  5. Ver­wir­rung zwi­schen Rea­li­tät und Prompt: Schüler:innen betrach­ten Her­aus­for­de­run­gen aus dem wirk­li­chen Leben als Prompt zur Optimierung
  6. Kri­se des Wis­sens­ver­trau­ens: Schüler:innen zwei­feln an der mensch­li­chen Weis­heit im Ver­gleich zur KI-Gewissheit
  7. KI-indu­zier­ter Per­fek­tio­nis­mus: Der Druck, die feh­ler­frei­en Ergeb­nis­se der KI zu erreichen

Ich möch­te das Wort „Schüler:innen“ hier ger­ne all­ge­mei­ner durch das Wort „Ler­nen­de“ erset­zen, denn vie­le der Punk­te dürf­ten eben­so auf Erwach­se­ne zutref­fen. Für mich ist die­se Per­spek­ti­ve recht neu, weil ich bis­her bei mei­ner Kri­tik an der Nut­zung von Sprach­mo­del­len im Unter­richt eher kogni­ti­ons­theo­re­tisch unter­wegs war:

In aller Kür­ze: Unser Arbeits­ge­dächt­nis ent­hält das, was wir aktu­ell den­ken. Es speist sich u.a. aus dem, was wir im Lau­fe des Lebens in unser Lang­zeit­ge­dächt­nis über­nom­men haben. Der Ver­net­zungs­grad die­ses Wis­sens im Lang­zeit­ge­dächt­nis ist bei erfah­re­nen Per­so­nen (Exper­ten) grö­ßer als bei eher uner­fah­re­nen (Novi­zen). Der Out­put von Sprach­mo­del­len über­las­tet die Kapa­zi­tät des Arbeits­ge­dächt­nis­ses bei Noviz:innen viel schnel­ler als bei Expert:innen, weil weni­ger Kom­pen­sa­ti­on durch vor­ver­netz­tes Wis­sen aus dem Lang­zeit­ge­dächt­nis erfolgt.

Natür­lich ist KI z.B. bei der Erstel­lung von Semi­nar­ar­bei­ten in jeder Pha­se nutz­bar. Zu prü­fen ist aber sehr genau, in wel­chem Umfang das für Noviz:innen mit sehr hete­ro­ge­nem Ver­net­zungs­grad – so sind Lern­grup­pen zusam­men­ge­setzt – im Lang­zeit­ge­dächt­nis sinn­voll ist.

Unter Berück­sich­ti­gung der bis­he­ri­gen Prä­mis­sen sind Sprach­mo­del­le erst dann lern­för­der­lich nutz­bar, wenn bei den Noviz:innen bereits ein gewis­ses Maß an ver­netz­tem Vor­wis­sen vor­han­den ist. Unver­ant­wort­lich wird für mich eine unter­richt­li­che The­ma­ti­sie­rung allein auf der Benut­zungs- und Bedienungsebene.

Expert:innen hin­ge­gen kön­nen wahr­schein­lich zwar die Aus­ga­ben von Sprach­mo­del­len deut­lich bes­ser bewer­ten, sie aber ohne ein Grund­ver­ständ­nis für deren Funk­ti­on nicht reflek­tiert nut­zen. Wer lässt denn z.B. den glei­chen Text mehr­fach durch ein KI-Werk­zeug bewer­ten und ver­gleicht die Aus­ga­ben dann zusätz­lich mit­ein­an­der, wie es in der zitier­ten Stu­die gesche­hen ist? Zudem ist das Mar­ke­ting­ver­spre­chen der Zeit­er­spar­nis damit ziem­lich schnell hin­fäl­lig. Auch Expert:innen sind ten­den­zi­ell „anfäl­lig“ für die von Stri­cker for­mu­lier­ten Mechanismen.

2. Produkte von KI-Anwendungen sind das neue Plastik und kontaminieren den Kommunikationsraum des Internets

Unter ande­rem von Linux Lee kommt die Idee, Pro­duk­te gene­ra­ti­ver KI ana­log mit aus Erd­öl her­ge­stell­tem Plas­tik zu sehen. Genau wie das Erd­öl­pro­dukt unse­rer fass­ba­re Welt füllt, fül­len die Pro­duk­te gene­ra­ti­ver KI (Musik, Bil­der, Vide­os, Tex­te etc.) den kom­mu­ni­ka­ti­ven Raum des Internets.

Im Zuge von Nach­hal­tig­keits­den­ken gerät Plas­tik schnell in eine nega­ti­ve Ecke, ist aber als Werk­stoff aus einer moder­nen Gesell­schaft an viel­fäl­ti­gen Stel­len nicht weg­zu­den­ken. Ein gra­vie­ren­der Unter­schied besteht dar­in, was man mit vor­han­de­nem Plas­tik machen kann. Prin­zi­pi­ell ist Plas­tik aus Erd­öl recy­cle­bar, nur ist das weder wirt­schaft­lich noch gibt es ent­spre­chen­de Steue­rungs­me­cha­nis­men in der Pro­duk­ti­ons- und Ver­wer­tungs­ket­te, die das über­haupt ermög­li­chen wür­den. Bei einem gut struk­tu­rier­ten Plas­tik­kreis­lauf ist eine Mehr­fach­nut­zung des Werk­stoffs ohne sehr gro­ße Qua­li­täts­ein­bu­ßen prin­zi­pi­ell denkbar.

Je mehr Pro­duk­te gene­ra­ti­ver KI in den Kom­mu­ni­ka­ti­ons­raum des Inter­nets gelan­gen, des­to wahr­schein­li­cher ist die Gefahr, dass sie wie­der­um selbst die eigent­lich Trai­nings­ba­sis für KI wer­den. Man spricht dabei von einem soge­nann­ten „Rebound-Effekt“. Mehr oder weni­ger humor­voll wur­de bezo­gen auf das Bil­dungs­we­sen die The­se for­mu­liert, dass irgend­wann eine „Lehr­kräf­te-KI“ die „KI-Haus­auf­ga­ben“ der Schüler:innen bewer­tet. Iro­ni­scher­wei­se lie­fert die Stu­die von Mühl­hoff und Hen­ningsen ja genau dafür eine „Anfangs­evi­denz“. Im Gegen­satz zum Plas­tik aus Erd­öl ist die Res­sour­ce „Pro­dukt einer gene­ra­ti­ven KI“ nicht wirk­lich begrenzt, wenn z.B. rege­ne­ra­ti­ve Ener­gie zu deren Pro­duk­ti­on genutzt wird. Damit gibt es kein wirk­li­ches Inter­es­se oder gar eine Not­wen­dig­keit, die­se Pro­duk­te zu regu­lie­ren. Allein die kri­ti­sche Betrach­tung von KI im Bil­dungs­kon­text wird durch­aus mit Inno­va­ti­ons­feind­lich­keit in Ver­bin­dung gebraucht.

Das wie­der­um hat damit zu tun, dass KI oft nicht dif­fe­ren­ziert betrach­tet wird: Mit ähn­li­chen infor­ma­ti­schen Mecha­nis­men kann eine KI Spra­che erzeu­gen oder aber sehr effi­zi­ent Pro­te­in­struk­tu­ren in der Ent­wick­lung von Medi­ka­men­ten berech­nen. Das kön­nen nach­hal­ti­ge Pro­duk­te wer­den, wie sie auch beim Plas­tik aus Erd­öl mög­lich sind. Bei­des „ist“ KI.

Letz­te­ren Ein­satz von KI wür­de ich deut­lich anders bewer­ten, da das ent­ste­hen­de Pro­dukt auf eine völ­lig ande­ren Ebe­ne Wirk­sam­keit ent­fal­tet. Die­se Unter­schie­de in der Betrach­tung ver­mis­se ich in der gesell­schaft­li­chen Dis­kus­si­on. Gera­de im Bil­dungs­be­reich ist das The­ma meist mar­ke­ting- und buz­zword­ge­schwän­gert und trifft auf eine infor­ma­tisch meist nicht aus­rei­chend vor­ge­bil­de­te Zielgruppe.

Ja, was soll man denn machen? KI ist ja nunmal da!

… und geht nicht wie­der weg. In einer Rede zum Abitur mei­nes Soh­nes habe ich beschrie­ben, dass die Mög­lich­keit, sich ent­schei­den zu kön­nen, eine Luxus­si­tua­ti­on ist. Tat­säch­lich kann man sich dafür ent­schei­den, Sprach­mo­del­le im Unter­richt nicht zu nut­zen. Ich per­sön­lich tue mich schwer damit, län­ge­re Text­pro­duk­tio­nen ist die Haus­auf­ga­be zu geben – das mache ich lie­ber im Unter­richt, z.B. in Kom­bi­na­ti­on mit kol­la­bo­ra­ti­ven Schreib­werk­zeu­gen. Die ent­ste­hen­den Pro­duk­te stel­len schon eine eigen­stän­di­ge Leis­tung dar. Sehr gut funk­tio­niert eine ortho­gra­fi­sche und gram­ma­ti­sche „Nach­kon­trol­le“ durch ki-basier­te Werk­zeu­ge. Gera­de in der Mit­tel­stu­fe soll­ten die Kom­pe­ten­zen zur Bewer­tung der „KI-Ein­grif­fe“ in die­sem Bereich im Prin­zip schon­mal im Schul­le­ben vor­ge­kom­men und „vor­ver­netzt“ im Lang­zeit­ge­dächt­nis vor­lie­gen – eigentlich.

Eine der wesent­li­chen Haupt­auf­ga­ben von Bil­dung wird sein, wie man ver­mit­teln kann, dass bestimm­te Din­ge gekonnt wer­den soll­ten, bevor KI zum Ein­satz kommt – gera­de weil die Maschi­ne es doch so viel bes­ser kann. Und das nicht nur bei Schüler:innen son­dern vor allem auch bei uns Lehrkräften.

Wenn wir dar­über nach­den­ken, lan­den wir sehr schnell bei struk­tu­rel­len Über­le­gun­gen zum Bil­dungs­sys­tem an sich.

Ach, Lui­se, lass … das ist ein zu wei­tes Feld.“ (Theo­dor Fontane)

Player in Abiturkorrekturen

Bei der Kor­rek­tur des Abiturs gel­ten beson­de­re Regu­la­ri­en. Immer­hin kommt den Abitur­klau­su­ren erheb­li­ches Gewicht bei der Fin­dung der Abschluss­no­te zu, die dann wie­der­um für die Bewer­bung an der Wunsch­sch­uni­ver­si­tät, das Wunsch­fach oder den Wunsch­be­ruf eine gro­ße Rol­le spielt. Daher läuft jede schrift­li­che Abitur­ar­beit hier in Nie­der­sach­sen über drei Schreibtische:

  1. Den des Fach­leh­rers (Refe­rent)
  2. Den eines Fach­kol­le­gen (Kor­re­fe­rent)
  3. Den eines wei­te­ren Fach­kol­le­gen (Fach­prü­fungs­lei­ter)

Im Regel­fall sit­zen alle drei Betei­lig­ten an der glei­chen Schu­le (wor­über man strei­ten kann). Es kann aber auch vor­kom­men, dass der Vor­sit­zen­de der Prü­fungs­kom­mis­si­on (i.d.R. der Schul­lei­ter) eine exter­ne Fach­prü­fungs­lei­tung bei der Schul­be­hör­de anfor­dert. Die Grün­de dafür kön­nen viel­fäl­tig sein – auch ich hat­te schon die­ses Ver­gnü­gen, einen Kol­le­gen einer ande­ren Schu­le als Fach­prü­fungs­lei­ter „kon­trol­lie­ren“ zu dür­fen, was dann aber natür­lich mehr Rich­tung Dritt­kor­rek­tur geht.

Jeder Betei­lig­te hat eine gewis­se Rol­le zu spie­len, die sich aber grund­le­gend von der Fach­leh­rer­rol­le unter­schei­den soll­te, wenn man sich das Leben nicht künst­lich erschwe­ren will.

Der Refe­rent

Dienst­li­che Vorgaben:

Die Refe­ren­tin oder der Refe­rent kenn­zeich­net am Ran­de jeder Arbeit Vor­zü­ge und Män­gel, so dass die Grund­la­ge der Bewer­tung erkenn­bar wird. Ein Gut­ach­ten, das sich auf die Rand­ver­mer­ke bezieht, ist anzu­fü­gen. Schwer­wie­gen­de und gehäuf­te Ver­stö­ße gegen die sprach­li­che Rich­tig­keit in der deut­schen Spra­che oder gegen die äuße­re Form füh­ren zu einem Abzug von einem Punkt oder zwei Punk­ten bei der ein­fa­chen Wer­tung. Als Richt­wer­te sol­len gel­ten: Abzug eines Punk­tes bei durch­schnitt­lich fünf Feh­lern auf einer in nor­ma­ler Schrift­grö­ße beschrie­be­nen Sei­te; Abzug von zwei Punk­ten bei durch­schnitt­lich sie­ben und mehr Feh­lern auf einer in nor­ma­ler Schrift­grö­ße beschrie­be­nen Sei­te. Bei der Ent­schei­dung über einen Punkt­ab­zug ist ein nur quan­ti­fi­zie­ren­des Ver­fah­ren nicht sach­ge­recht. Viel­mehr sind Zahl und Art der Ver­stö­ße zu gewich­ten und in Rela­ti­on zu Wort­zahl, Wort­schatz und Satz­bau zu set­zen. Wie­der­ho­lungs­feh­ler wer­den in der Regel nur ein­mal gewer­tet. Ein Punkt­ab­zug muss eben­so wie in Grenz­fäl­len ein Ver­zicht auf Punkt­ab­zug begrün­det wer­den. Unüber­sicht­li­che Text­stel­len wer­den nicht bewer­tet. Ent­wür­fe kön­nen ergän­zend zur Bewer­tung nur her­an­ge­zo­gen wer­den, wenn sie zusam­men­hän­gend kon­zi­piert sind und die Rein­schrift etwa drei Vier­tel des erkenn­bar ange­streb­ten Gesamt­um­fangs umfasst.

Quel­le: Ergän­zen­de Bestim­mun­gen zur Ver­ord­nung über die Abschlüs­se in der gym­na­sia­len Ober­stu­fe, im Beruf­li­chen Gym­na­si­um, im Abend­gym­na­si­um und im Kol­leg (EBAVOGOBAK), Stand: 19. Mai 2013

An ande­rer Stel­le habe ich geschrie­ben, was ein Kol­le­ge mir dazu ein­mal ans Herz gelegt hat. Das fin­de ich immer noch wich­tig, wenn man sich selbst das Leben nicht zu schwer machen will – z.B. durch den übli­chen „Posi­tiv­kor­rek­tur­re­flex“.

Mehr Gum­mi zum Abzug bei gehäuf­ten Ver­stö­ßen gegen die Sprach­rich­tig­keit geht m.E. eigent­lich nicht mehr. Ich per­sön­lich wäre mit Blick auf die Ver­gleich­bar­keit auf jeden Fall für eine „quan­ti­fi­zie­ren­des Ver­fah­ren“, indem man z.B. Wort­an­zahl in Rela­ti­on zu Feh­ler­an­zahl setzt. Aber es wird schon Grün­de für das vor­ge­ge­be­ne Ver­fah­ren geben.

Will man Abzü­ge durch­set­zen, soll­te man tun­lichst dar­auf ach­ten, Feh­ler­zei­chen zu ver­mei­den, die dem sprach­li­chen Bereich „hin­zu­zu­in­ter­pre­tie­ren“ sind, wie z.B. Wort- oder Aus­drucks­feh­ler. Da eine Schu­le ja immer ger­ne über rei­ne Zah­len mit ande­ren ver­gli­chen wird, mag es Schul­lei­tun­gen geben, die mit Blick auf die Außen­dar­stel­lung die­sen Bereich eher wohl­wol­lend kor­ri­giert sehen wol­len – und der brei­te Inter­pre­ta­ti­ons­spiel­raum der Ver­ord­nung ist eben breit.

Der Korreferent

Dienst­li­che Vorgaben:

Die Kor­re­fe­ren­tin oder der Kor­re­fe­rent schließt sich ent­we­der der Bewer­tung der Refe­ren­tin oder des Refe­ren­ten an oder fer­tigt eine eige­ne Beur­tei­lung mit Bewer­tung an.

Quel­le: Ergän­zen­de Bestim­mun­gen zur Ver­ord­nung über die Abschlüs­se in der gym­na­sia­len Ober­stu­fe, im Beruf­li­chen Gym­na­si­um, im Abend­gym­na­si­um und im Kol­leg (EBAVOGOBAK), Stand: 19. Mai 2013

Span­nend ist dabei nicht, was da steht, son­dern eher, was da nicht steht. Mei­ner Erfah­rung nach kann man sich beim Kor­re­fe­rat das Leben gegen­sei­tig immens schwer machen. Es geht für mich beim Kor­re­fe­rat schlicht und ergrei­fend dar­um, ob ich – vor Gericht einer Kla­ge von Eltern und Gesicht sehend – zu der Bewer­tung, d.h. vor allem zur Note des Refe­ren­ten ste­hen könn­te, auch wenn ich sie u.U. dann anders begrün­den würde.

Natür­lich ach­te ich dabei z.B. auch auf for­ma­le Feh­ler, die alle von uns ger­ne über­se­hen. Auch ach­te ich als Kor­re­fe­rent dar­auf, dass bei allen SuS iden­ti­sche Bewer­tungs­maß­stä­be ange­setzt wer­den. Ich emp­fin­de mich dabei vor allem als neu­tra­les Kor­rek­tiv für den Fach­leh­rer, der sei­ne Schütz­lin­ge eben kennt und des­sen Objek­ti­vi­tät dadurch u.U. hin und wie­der ein­ge­schränkt sein kann. Völ­lig irrele­vant ist, ob ich z.B. Punk­te bei Auf­ga­ben­tei­len ger­ne hin- und her­ge­scho­ben hät­te, wenn die Gesamt­no­te sich dadurch sowie­so nicht ändert.

Als Fach­leh­rer bzw. Refe­rent bin ich i.d.R. dem Kor­re­fe­ren­ten immer dank­bar, gera­de auch bei der Absi­che­rung sehr schwa­cher Arbei­ten. Wenn der Kor­re­fe­rent die Note hoch­set­zen möch­te – sehr gut. Das wird gemacht und nicht wei­ter dis­ku­tiert oder hin­ter­fragt. Sieht schließ­lich auf mei­nem Sta­tis­tik­zet­tel auch bes­ser aus. Im umge­kehr­ten Fall schaue ich dann schon noch ein­mal genau hin – es kommt aber sel­ten dazu, dass ich Din­ge par­tout nicht nach­voll­zie­hen kann. Meist „einigt“ man sich dann irgend­wie in der Mitte.

Die Erfah­rung sagt dabei: Je mehr Ste­cken­pfer­de der ein­zel­ne aus die­sem Team rei­tet, des­to mehr Zeit wird man auf­wen­den müs­sen und je öfter soll­te man sich die zugrun­de­lie­gen­de Ver­ord­nung vor Augen führen.

Wenn man sich nicht eini­gen kann, soll­te man den Kor­re­fe­ren­ten eben um ein Gegen­gut­ach­ten gemäß Ver­ord­nung bit­ten und den Fach­prü­fungs­lei­ter bzw. den Vor­sit­zen­den der Prü­fungs­kom­mis­si­on dann ent­schei­den las­sen.  Das macht viel Arbeit und begüns­tigt dadurch hin und wie­der einen ein­ver­nehm­li­chen Kompromiss.

Der Fach­prü­fungs­lei­ter

Dienst­li­che Vorgaben:

Die Fach­prü­fungs­lei­te­rin oder der Fach­prü­fungs­lei­ter über­prüft die vor­ge­nom­me­ne Bewer­tung, fer­tigt ggf. eine eige­ne Stel­lung­nah­me mit einem Bewer­tungs­vor­schlag an und ach­tet auch auf die Bestim­mun­gen nach Nr. 9.11 Sät­ze 3 bis 10 [also das, was beim Refe­ren­ten steht…]. Die bewer­te­ten Arbei­ten sind von der Fach­prü­fungs­lei­te­rin oder von dem Fach­prü­fungs­lei­ter der Schul­lei­te­rin oder dem Schul­lei­ter zu übergehen.

Quel­le: Ergän­zen­de Bestim­mun­gen zur Ver­ord­nung über die Abschlüs­se in der gym­na­sia­len Ober­stu­fe, im Beruf­li­chen Gym­na­si­um, im Abend­gym­na­si­um und im Kol­leg (EBAVOGOBAK), Stand: 19. Mai 2013

Es soll Leu­te geben, die dar­aus eine Dritt­kor­rek­tur machen. Dar­um geht es aber eigent­lich nicht, son­dern es geht dar­um, ob Rand­be­mer­kun­gen und Gut­ach­ten zuein­an­der pas­sen, ob die vor­ge­ge­be­ne Gewich­tung der Auf­ga­ben ein­ge­hal­ten wur­de, ob nicht mehr Punk­te ver­teilt wor­den sind als vor­ge­se­hen, ob nicht (…). Es geht also um die Über­prü­fung, ob for­ma­le Regu­la­ri­en ein­ge­hal­ten wor­den sind, weil man fast allein über Form­feh­ler vor Gericht die Kla­ge gegen eine Note gewinnt.

Ich schaue als Fach­prü­fungs­lei­ter auch noch danach, ob ein­heit­li­che Bewer­tungs­grund­la­gen für alle Prüf­lin­ge ein­ge­hal­ten wor­den sind. Ich kor­ri­gie­re aber nichts mehr nach – vor mir haben schließ­lich zwei aus­ge­bil­de­te Lehr­kräf­te inten­siv an die­ser Abitur­klau­sur gearbeitet.

Eine Dritt­kor­rek­tur wird es aber u.U. genau dann, wenn die vor­an­ge­gan­ge­ne Arbeit der Kol­le­gen opti­mier­bar aus­fällt – und das merkt man meist schon an den for­ma­len Kriterien …

 

Ich wünsch‘ dir Liebe ohne Leiden

Chris­ti­an Fül­ler ver­öf­fent­licht Aus­zü­ge aus einer Kor­rek­tur eines Kol­le­gen, wie ich sie bestimmt auch schon oft ver­fasst habe – glei­cher Duk­tus, ähn­li­cher Auf­bau – allein die Tat­sa­che, dass die von mir sel­ten ver­wen­de­ten Fach­be­grif­fe „Adver­bi­en“ und „Adver­bi­al­sät­ze“ auf­tau­chen, geben mir die Sicher­heit, dass Chris­ti­an Fül­ler noch nichts von mir in den Hän­den hält. Auch ich muss mich schul­dig beken­nen viel zu oft viel zu wenig Posi­ti­ves hervorzuheben.

Det­lef Teich hat sich in einem Blog­bei­trag mit der Art und Wei­se von Fül­lers Aus­ein­an­der­set­zung mit die­ser Kor­rek­tur bereits umfas­send geäu­ßert. Wesent­lich scheint mir der Hin­weis, dass eine sol­che Kor­rek­tur immer in einem Kon­text steht, wesent­lich scheint mir wei­ter­hin die Fra­ge, ob die Lehr­kraft mit dem Leid, mit der „Beschä­mung“ und mit der Aus­gren­zung bila­te­ral durch z.B. die Eltern kon­fron­tiert wor­den ist, bevor es zu die­ser Ver­öf­fent­li­chung kam. Da die­se Aspek­te im Dun­keln blei­ben, schei­nen mir die stärks­ten Posi­tio­nen und Gedan­ken zu die­ser Kor­rek­tur  und der Art ihrer Ver­öf­fent­li­chung ausgetauscht.

Wei­ter­le­sen

Tabellenkalkulation: Klassenarbeiten (fast) komplett in OpenOffice korrigieren

Nach­dem es sehr vie­le ver­schie­de­ne Ansät­ze dazu im Netz gibt, noch ein­mal mein Senf dazu. Ich kom­me auf die­se Art und Wei­se sehr schnell durch mei­ne Che­mie­ar­bei­ten und auf­wän­di­ge Nach­kor­rek­tu­ren durch for­ma­le Feh­ler ent­fal­len dadurch fast voll­stän­dig, da die Tabel­len­kal­ku­la­ti­on die Erb­sen zählt.  Mir ist es immer sehr wich­tig, weit­ge­hend dyna­misch kor­ri­gie­ren zu kön­nen, d.h. ich möch­te mir auch Wege offen­hal­ten, beson­de­re Lösungs­an­sät­ze auch im Rah­men mei­nes Erwar­tungs­ho­ri­zonts zu wür­di­gen. Außer­dem möch­te ich auf Schluss ein­fach nur noch dru­cken und unter­schrei­ben. Mein Tabel­len­blatt weist fol­gen­de Struk­tur auf:

Wei­ter­le­sen

Abiturkorrekturen

Hier in Nie­der­sach­sen gibt es seit eini­ger Zeit das Zen­tral­ab­itur und the­ma­ti­sche Schwer­punk­te, d.h. man bekommt im Prin­zip grob gesagt, wel­che Inhal­te für die Abitur­prü­fung rele­vant sind. Was in der Pra­li­nen­schach­tel der Abitur­prü­fung tat­säch­lich steckt, sehe ich auch erst mit den SuS zusam­men. Für die Kor­rek­tur wird ein Erwar­tungs­ho­ri­zont mit­ge­lie­fert, der mal mehr, mal weni­ger dezi­diert aus­weist, wie vie­le Punk­te für wel­che Teil­auf­ga­be zu geben sind. Über die Qua­li­tät und den Anspruch der Auf­ga­ben  sowie den Erwar­tungs­ho­ri­zont schrei­be ich bes­ser ein­mal nichts. Ich fra­ge mich gele­gent­lich, ob das Gelie­fer­te den Ansprü­chen der frü­he­ren Fach­be­ra­ter – die haben  damals mei­ne  ein­ge­reich­ten Auf­ga­ben schul­ex­tern  gegen­ge­prüft – gerecht gewor­den wäre.

Lan­ge Rede – kur­zer Sinn. Ich habe ges­tern durch mei­nen Kor­re­fe­ren­ten etwas gelernt: Er gab mir zwei Din­ge mit auf den Weg:

  1. Maik, du musst nicht mehr „erzie­hend“ kor­ri­gie­ren. Du erziehst dei­nen Kurs nicht mehr. Die haben gera­de Abitur geschrie­ben – das soll in der Regel ihre letz­te schu­li­sche Tat sein. Lass“ dei­nen Anspruch ein­mal bei­sei­te und hol‘ her­aus, was der Erwar­tungs­ho­ri­zont her­gibt. Dein Erzie­her­job ist vorbei.
  2. Wenn der Erwar­tungs­ho­ri­zont sich selbst nicht in allen Punk­ten eins ist, dann lege nicht dei­ne per­sön­li­chen Maß­stä­be an. Wenn das da so steht, ist das auch bei SuS rich­tig. Du musst kei­ne Erwar­tungs­ho­ri­zon­te kor­ri­gie­ren. Das haben ande­re Instan­zen mehr­fach vor dir getan.

Ich fin­de, dass er mit bei­den Aus­sa­gen Recht hat. Und fin­de es nicht schlimm, wenn mei­ne Kon­troll­in­stanz sagt, dass ich vor dem ein­gangs zitier­ten Kon­text doch bit­te noch den einen oder ande­ren Noten­punkt her­aus­rü­cken soll – trotz aller ver­blei­ben­den Frei­heit. Ich mag ein gutes Ergeb­nis im Abitur.