Herr Riecken, im Rahmen von Veranstaltung x möchte ich Sie anfragen, ob …“

Tja. Das Los eines medi­en­päd­ago­gi­schen Bera­ters in NDS ist hart bezüg­lich Din­gen wie der Honorartätigkeit.

1. Auf­ga­ben der Lehr­kräf­te als medi­en­päd­ago­gi­sche Bera­te­rin­nen und Bera­ter in den kom­mu­na­len Medienzentren

 

Die Lehr­kräf­te als Bera­te­rin­nen und Bera­ter für Schu­len in den kom­mu­na­len Medi­en­zen­tren haben aus­schließ­lich medi­en­päd­ago­gi­sche Auf­ga­ben zu erfüllen:
1.1 Bera­tung der Schul­trä­ger, Schu­len und Kindertagesstätten
1.1.1 bei der kon­zep­tio­nel­len Wei­ter­ent­wick­lung der Medienausstattung,
1.1.2 bei der Erstel­lung von Medi­en­ent­wick­lungs­plä­nen sowie
1.1.3 bei der Ein­rich­tung und bei der Betreu­ung von Computernetzwerken.
1.2 Unter­stüt­zung der Schu­len und Kin­der­ta­ges­stät­ten bei der Ent­wick­lung und Umset­zung von Qua­li­täts­stan­dards für die Ver­mitt­lung von Medienkompetenz.
1.3 Ermitt­lung und Koor­di­nie­rung des Medienbedarfs.
1.4 Gewähr­leis­tung und Unter­stüt­zung der medi­en­päd­ago­gi­schen Fort­bil­dung durch Lehr-gän­ge, schul­in­ter­ne Fort­bil­dung und Tagungen.
1.5 För­de­rung akti­ver Medi­en­ar­beit, Medi­en­kul­tur­ar­beit und Medi­en­pro­duk­ti­on in Schulen.
1.6 Koope­ra­ti­on mit regio­na­len und über­re­gio­na­len Medienanbietern.
1.7 Ent­wick­lung von Vor­schlä­gen zu Kreis über­grei­fen­der Zusam­men­ar­beit mit den ande­ren Medi­en­zen­tren in Abspra­che mit den kom­mu­na­len Trägern.

 

https://www.nibis.de/uploads/1chaplin/files/Erlass_MZ_19_06_06.pdf

Wenn ich jetzt „neben­bei“

  • Apple Distin­gu­is­hed Edu­ca­tor / Micro­soft­pen­dant gegen Honorar
  • auf Ver­an­stal­tun­gen kom­mer­zi­el­ler Art als Refe­rent zu die­sen The­men gegen Honorar
  • usw.

her­um­hop­sen will, muss ich das als Neben­tä­tig­keit hier in NDS zumin­dest anzei­gen. Die geneh­mi­gen­de Stel­le weiß auf­grund von behör­den­in­ter­nen Abläu­fen in der Regel gar nicht, dass ich medi­en­päd­ago­gi­scher Bera­ter bin und wird sich auf die Unter­schrift mei­ner Schul­lei­tung ver­las­sen, die wie­der­um den Erlass wahr­schein­lich nicht jedes­mal vor­her liest – außer­dem kann ich in der Anzei­ge der Neben­tä­tig­keit Din­ge ja auch mög­lichst offen las­sen. Damit dürf­te ich das for­mal alles machen. Fer­tig. Es lebe das Beamtentum.

Aber neben­bei ver­stößt eine sol­che Tätig­keit inhalt­lich natür­lich ein klitz­klei­nes Biss­chen gegen das Neu­tra­li­täts­ge­bot. Ein Bera­ter, der neben­bei für Apple Deutsch­land / Micro­soft / Goog­le / Ama­zon / Face­book / wha­te­ver arbei­tet und Trä­ger bei der Aus­wahl von Hard­ware­sys­te­men berät (natür­lich ein extrem kon­stru­ier­ter und hypo­the­ti­scher Fall) – hm… . Wenn das irgend­ei­ne vor­ge­setz­te Stel­le irgend­wann mal genau so sieht, wird bzw. muss mir die­se Tätig­keit unter­sagt werden.

Als Lehr­kraft? Kein Pro­blem. Steht alles nicht in den Auf­ga­ben im ent­spre­chen­den Erlass. In mei­nem schon.

Des­we­gen mache ich das nicht. Aller­dings mache ich neben­bei etwas für einen Schul­buch­ver­lag (Autoren­tä­tig­keit, Bera­tung bei der Erstel­lung von Lern­me­di­en usw.) – das steht nicht in mei­nem Erlass. Und trotz­dem: Wer­de ich auf dienst­li­chen Ver­an­stal­tun­gen nach emp­feh­lens­wer­ten Lehr­wer­ken gefragt, lege ich die­se Ver­bin­dung offen und sage, dass ich genau aus dem Grund dazu nicht bera­ten wer­de – weil ich nicht neu­tral bin – trotz der ver­gleichs­wei­se lächer­li­chen Sum­men, die da fließen.

Ver­bin­dun­gen und Ver­diens­te offen­le­gen – es dürf­te kaum ein grö­ße­res Tabu­the­ma in der Leh­rer­di­gi­sze­ne geben – ver­schämt per DM vielleicht.

Das Gan­ze hat eine Kehr­sei­te: Auf kom­mer­zi­el­len Ver­an­stal­tun­gen bestimmt so der jewei­li­ge kom­mer­zi­el­le Anbie­ter ganz allein über die Inhal­te. Natür­lich kann ich „under­co­ver“ als Teil­neh­mer mit dort­hin­ge­hen, aber ich kann Inhal­te und Hal­tun­gen nicht set­zen, kei­ne ande­ren Per­spek­ti­ven durch z.B. Key­notes oder Work­shops öff­nen usw..  Das ist der Preis. Und der Preis ist auch, dass Kom­mer­zi­el­le über erheb­lich grö­ße­re Res­sour­cen zum Set­zen von Inhal­ten und Hal­tun­gen ver­fü­gen. Ob die­se Rege­lung im bestehen­den Sys­tem also unter dem Strich ihren Zweck erfüllt … For­mal bestimmt.

 

 

 

Sexting – Elternbrief

Ich habe in der beschei­de­nen Rol­le als Thinktank einen Text zum The­ma Sex­ting ver­fasst, um die Pro­ble­ma­tik in die Öffent­lich­keit mei­ner Regi­on zu brin­gen. Die­ser Text ent­hält bewusst ein paar recht schar­fe For­mu­lie­run­gen. Man kann Sex­ting als Aus­bruch der Jugend­li­chen aus der klein­bür­ger­li­chen Moral auf­fas­sen. Sobald auch Kin­der betrof­fen sind – und nach allem Anschein ist das wahr­schein­lich der Fall – mag ich die­se neue Aus­drucks­form nicht mehr recht dul­den und sehe Handlungsbedarf.

Phil­ip­pe Wampf­ler schreibt zur Erklä­rung die­ses Phänomens:

Es ist wich­tig, dar­auf auf­merk­sam zu machen und dar­über zu spre­chen. Durch Sen­si­bi­li­sie­rung kann das  Pro­blem aber nicht gelöst wer­den. Ver­trau­en ist sehr para­dox – es erfolgt nicht begrün­det, son­dern basiert auf einer Annah­me: »Ich kann dem ande­ren ver­trau­en.« Des­halb haben so genann­te Ver­trau­ens­be­wei­se einen hohen Stel­len­wert. Je gefähr­li­cher etwas  ist  – ein Nackt­bild ver­schi­cken, ein Pass­wort tau­schen, des­to bes­ser eig­net es sich für den Ver­such zu bewei­sen, dass man einer ande­ren Per­son vertraut.

Bös­wil­lig auf­ge­fasst ist das wie­der ein­mal blo­ße Deskrip­ti­on, die zwar zu einem ver­tief­ten Ver­ständ­nis des Phä­no­mens führt, aber eben kei­ne kon­kre­te Hand­lungs­op­ti­on bietet.

Angeb­lich sei­en in der Schweiz nur 6% der Jugend­li­chen von die­sem Pro­blem betrof­fen – öhm, d.h. bei einer Schu­le mit 1000 SuS also 60 – „nur“. Es gibt Hin­wei­se dar­auf, dass der­ar­ti­ge Bil­der auch ihren Weg auf ande­re Web­sei­ten mit ziel­grup­pen­ori­en­tier­ter Kli­en­tel finden.

Daher ist bei mir die Idee ent­stan­den, die­sen Text (s.u.) als Anzei­ge in einer Regio­nal­zei­tung zu ver­öf­fent­li­chen und von mög­lichst vie­len Schu­len gegen­zeich­nen zu las­sen. So wird ver­hin­dert, dass sich eine Schu­le regio­nal „outen“ muss. Die Tak­tik scheint aufzugehen.

Wir, die Schu­len der Regi­on XY, ste­hen vor einem Problem.

 In zuneh­men­den Maße erzäh­len uns Eltern sowie unse­re Schü­le­rin­nen und Schü­lern von Bil­dern aus sozia­len Netz­wer­ken, die eine Gren­ze über­schrei­ten, bei der wir nicht mehr weg­schau­en kön­nen und wollen.

Es han­delt sich nach vie­len über­ein­stim­men­den Aus­sa­gen dabei um unse­re Schü­le­rin­nen und Schü­ler, also um jun­ge Men­schen, die uns anver­traut sind.

 Sie fer­ti­gen von sich oder Drit­ten unbe­klei­det Auf­nah­men an und laden die­se frei­wil­lig in sozia­le Netz­wer­ke hoch.

 Ins­be­son­de­re Mäd­chen und jun­ge Frau­en wer­den dar­über hin­aus in ein­deu­ti­ger Situa­ti­on foto­gra­fiert und die­se Auf­nah­men unter Miss­ach­tung der Men­schen­wür­de weitergegeben.

 Die­se Bil­der ver­brei­ten sich schnell über Smart­phones. Es besteht zudem wenig Hoff­nung, sel­bi­ge jemals wie­der aus dem Inter­net ent­fer­nen zu können.

 Die­se Vor­komm­nis­se spie­len sich i.d.R. außer­halb des Wahr­neh­mungs­be­rei­ches unse­rer Erwach­se­nen­welt ab.

Wenn du, lie­be Schü­le­rin, lie­ber Schü­ler, sol­che Bil­der selbst anfer­tigst und hoch­lädst, dann â€¦

  • sei dir dar­über bewusst, dass die­se immer in fal­sche Hän­de gelan­gen, egal wie sehr du dei­nen Adres­sa­ten auch in die­sem Moment ver­trau­en magst.

  • sei dir dar­über bewusst, dass sich die­se Bil­der höchst­wahr­schein­lich nicht mehr aus den sozia­len Netz­wer­ken ent­fer­nen lassen

  • sei dir dar­über bewusst, dass du über Jah­re durch der­ar­ti­ge Bil­der ver­letz­bar bleibst.

  • sei dir dar­über bewusst, dass der­ar­ti­ge Bil­der mit aller­größ­ter Sicher­heit für pädo­phi­le Krei­se von höchs­tem Inter­es­se sein werden.

  • sei dir dar­über bewusst, dass du lan­ge unter den Fol­gen der Ver­brei­tung dei­nes Bil­des lei­den wirst.

Wir bit­ten dich daher in dei­nem eige­nen Inter­es­se dar­um, für nie­man­den, auch nicht für dich selbst, auch nicht als Mut­pro­be, auch nicht im Spaß der­ar­ti­ge Bil­der von dir anzu­fer­ti­gen oder anfer­ti­gen zu lassen.

Wenn du, lie­be Schü­le­rin, lie­ber Schü­ler, sol­che Bil­der von Drit­ten auf dei­nem Han­dy spei­cherst oder wei­ter­gibst (via Whats­App, Face­book usw.) â€¦

  • sei dir dar­über bewusst, dass allein der Besitz nach deut­schem Recht u.U. eine Straf­tat darstellt.

  • sei dir dar­über bewusst, dass du allein auf Grund des Bil­des nicht ent­schei­den kannst, ob die abge­bil­de­ten Per­so­nen vor dem Gesetz Kin­der oder Jugend­li­che sind. Dar­an bemisst sich, ob du im Extrem­fall Kin­der- oder Jugend­por­no­gra­fie in dei­ner Hand hältst.

  • sei dir dar­über bewusst, dass der Gesetz­ge­ber ins­be­son­de­re auch die Wei­ter­ga­be die­ser Bil­der unter Stra­fe stellt.

  • sei dir dar­über bewusst, dass du so oder so die Men­schen­wür­de und die Per­sön­lich­keits­rech­te der abge­bil­de­ten Per­son ver­letzt – los­ge­löst davon, dass sel­bi­ge die Bil­der ggf. sogar frei­wil­lig zur Ver­fü­gung stellt.

Wir bit­ten dich dar­um, in einer sol­chen Situa­ti­on mit einem Erwach­se­nen dei­nes Ver­trau­ens zu spre­chen. Er allein kann ent­schei­den, wie wei­ter vor­ge­gan­gen wer­den soll. Und er wird dei­ne Iden­ti­tät auf dei­nen Wunsch hin zu schüt­zen wis­sen, wenn du es wünscht.

Lie­be Eltern,

  • wir wis­sen, dass Sie unter hohem sozia­len Druck ste­hen, ihrem Kind immer frü­her ein Smart­phone zu kaufen

  • wir wis­sen, dass Sie in der Situa­ti­on, in der Sie von der Exis­tenz sol­cher Bil­der Kennt­nis erlan­gen, über­for­dert sind.

  • wir wis­sen, dass der Bereich der sozia­len Netz­wer­ke für Sie oft Neu­land darstellt

  • wir wis­sen, dass Sie froh sein wer­den, wenn es ihr Kind gera­de nicht betrifft

  • wir wis­sen, dass die ger­ne infor­miert wer­den wür­den, wenn es ihr Kind betrifft.

  • wir wis­sen, dass Sie auf­grund ihrer Lebens­er­fah­rung beur­tei­len kön­nen, wann eine Gren­ze über­schrit­ten wird

Wir bit­ten Sie dar­um, hin­zu­schau­en und nicht den Man­tel des Schwei­gens über die Sache auszubreiten.

Spre­chen Sie mit Eltern von Kin­dern, die Sie auf Fotos wie­der­erken­nen. Infor­mie­ren Sie sich gegen­sei­tig. Gera­de die betrof­fe­nen Fami­li­en haben ein Recht dar­auf zu erfah­ren, was ihren Kin­dern widerfährt.

Und: Ent­schei­den Sie nicht nach sozia­lem Druck, wann ihr Kind ein Smart­phone erhält. Ent­schei­den Sie nach Ihrem Gefühl und der Rei­fe des Kindes.

Sie kau­fen kein Tele­fon – zum Tele­fo­nie­ren wer­den die Gerä­te von Jugend­li­chen und Kin­dern nicht oder kaum eingesetzt.

Sie kau­fen ein Gerät mit unbe­schränk­tem Zugang zum Internet.

Ich weiß, dass Tei­le mei­nes Tex­tes von Schu­len für einen Eltern­brief ver­wen­det wor­den sind und dass es auch schon Pres­se­re­ak­tio­nen gege­ben hat, ggf. wer­den auch noch ande­re Bei­trä­ge hier­zu erstellt wer­den – man mun­kelt, das Fern­se­hen sei auch schon dage­we­sen. Ich wer­de von Zeit zu Zeit die­sen Arti­kel aktualisieren.

Es ist für mich abso­lut fas­zi­nie­rend zu sehen, dass eine Sache Wir­kung ent­fal­tet, wenn man sie zum rich­ti­gen Zeit­punkt an der rich­ti­gen Stel­le ein­speist. Ganz vie­le Men­schen aus mei­ner Regi­on tra­gen die Inhal­te und das Anlie­gen nun mutig und öffent­lich offen­siv mit.