Ich sehe zurzeit viel baulichen Unsinn in Zusammenhang mit interaktiven Tafellösungen. Oft bedingen die baulichen Gegebenheiten immense Einschränkung bei der Nutzung von interaktiven Tafeln, die sich durch etwas Überlegung und wenig Mehrkosten leicht vermeiden lassen, teilweise aber auch die Produktwahl von vornherein beeinflussen. Ich möchte an dieser Stelle einmal vier verschiedene Grundsettings vorstellen und auch gleich werten. Ich vertrete dabei die Grundannahme, dass jede Lösung immer in ein System integrierbar sein muss – dabei ist es egal, ob es sich um ein technisches oder didaktisches System handelt. Außerdem verwende ich den Begriff „SMART-Board“ genau wie das Wort „Tempo“ für Taschentuch: Damit sind auch die Produkte von Epson, Promethean usw. gemeint – eben Tafeln, die als größenwahnsinnige Pen Tablets konzipiert sind.
Setting A – oft anzutreffen:

Kurzbeschreibung:
Ein SMART-Board wird an der Stelle der Tafel montiert und besitzt ein leistungsfähiges Lautsprechersystem. Ein Notebook oder ein Steuerungsrechner steht auf einem Tisch daneben. Es ist idealerweise in eine Schulnetzwerklösung eingebunden.
Möglichkeiten:
Man kann alle Medien und Inhalte aus dem Internet auf das SMART-Board holen. Mit der interaktiven Software lassen sich Tafelbilder erstellen und auf einem Laufwerk der Schulnetzwerklösung ggf. auch Schülerinnen und Schülern direkt nach der Stunde durch einfaches Speichern zur Verfügung stellen. Durch das Standardnotebook ist man bei der Wahl der Software nicht weiter eingeschränkt.
Einschränkungen:
Es ist schon „by design“ ein streng frontales Setting. Kollaboration ist nur im dem Rahmen denkbar, wie sie auch mit einer normalen Kreidetafel möglich ist (das geht aber tatsächlich). Als Lehrkraft steht man immer mit dem Rücken zur Lerngruppe. Man kann das durch den Einsatz einer wertigen Funktastatur lindern. Diese Lösung bildet in 80% aller Unterrichtssituationen Schule ab, wie sie heute ist, bzw. lädt geradezu dazu ein. Nur durch recht teure Fortbildungsarbeit erweitert so eine Lösung die methodischen und didaktischen Möglichkeiten. Ich würde so etwas nicht kaufen oder empfehlen.
Setting B:
Wie Setting A, nur dass der Steuerungsrechner direkt neben oder auf dem Lehrerpult steht. Diese Lösung ist baulich mit einem SMART-Board viel schwieriger zu realisieren, da USB, VGA und Netzwerkanschlüsse zum Lehrerpult geführt werden müssen. Das geht mit einem Hohlboden sehr gut, den ich auch aus anderen Gründen in Schulen für sinnvoll halte.
Möglichkeiten:
Wie bei Setting A. Zusätzlich ist aber die Arbeit für die Lehrkraft leichter, weil ich die Lerngruppe während des Unterrichts anschauen kann. Wenn ich die Anschlüsse flexibel als Box auslege, kann ich sogar sehr schnell mein eigenes, mitgebrachtes Gerät verwenden und z.B. in einer Stillarbeitsphase ohne Unterrichtszeitverlust vor mich hinstöpseln.
Einschränkungen:
Wie Setting A.
Setting C:
Neu: Es wird kein aktives Board eingesetzt, sondern eine Lösung mit aktiven Stiften, wie sie etwa Dymo vertreibt.
Möglichkeiten:
Wie bei Setting A & B. Da die Technologie notebookseitig nicht auf USB, sondern auf einem schlichten Funktastaturmechanismus beruht, sind Kabelverbindung nur beim Anzeigegerät für VGA/HDMI erforderlich. Durch Zusatzprodukte, etwa verschiedenen Eingabegeräten, kann ich auf Schüler vom Platz aus am Board arbeiten lassen. Läuft die bisherige Tafel an Pylonen, kann ich den Zwischenraum weiß streichen und als Projektions- und Arbeitsfläche nutzen – die Tafel bleibt als zusätzliche Lösung dabei erhalten. Das System kostet mit 700,- Euro weitaus weniger als eine Tafellösung mit berührungsempfindlicher Oberfläche. Das gesparte Geld lässt sich z.B. in einen wirklich lichtstarken Beamer mit ordentlichem Bild stecken – den ich beim Marktführer immer mehr vermisse. Für gleiche Kosten lassen sich ca. zwei Räume bei besserer Projektion ausstatten. Auch ohne(!) Projektion kann auf einer normalen Tafel ein Bild digitalisiert werden – dem Gerät ist es egal, ob es mit oder ohne optisches Feedback digitalisiert.
Einschränkungen:
Wie Setting B. Die aktiven Stifte werden zwar berührungslos (induktiv) geladen, besitzen aber gleichwohl ein in seiner Lebensdauer begrenzten Akku. Das System basiert auf Infrarot- und Ultraschalldistanzmessung. Es geht das Gerücht, dass einfallendes Sonnenlicht für Störungen sorgt.
Setting D:
Stellvertretend habe ich einmal eine Applelösung ausgesucht – man kann dafür auch andere Pads uns andere Bildübertragungstechniken (RDP, FreeNX, VNC usw.) nutzen. Jeder Schüler verfügt über ein eigenes Endgerät, dessen Bildschirminhalt an die zentrale Tafel vorne übertragen werden kann. Das geht über Apples Airplay-Technik recht einfach, wenn man für den Klassenraum eine weitgehend autarke Netzinfrastruktur baut. Bei Standardkomponenten ist eine stärkere Einbindung in eine ggf. vorhandene Schulcloud denkbar.

Möglichkeiten:
Wie bei Setting A & B. Eine interaktive Tafel ist gar nicht erst notwendig, da die Pads die interaktive Komponente vollständig übernehmen – daher reicht ein leistungsstarker Beamer eigentlich aus. Man vermeidet mediale Brüche zwischen Papier und Digitalem. Die Kamera beim SMART-Board ist ja lieb gemeint, macht aber eigentlich nur bestehende Strukturen digital.
Einschränkungen:
Es dürfte noch sehr wenige Erfahrungen mit so einem System geben. Pads ohne WLAN sind für mich wie Häuser ohne Fenster. Ein WLAN für 20+ simultane Clients ist aber technisch nicht trivial. Die Kosten sind immens, da schließlich eine 1:1‑Ausstattung mit entsprechenden Finanzierungs- und Wartungskonzepten erforderlich ist. Mit geschickter App-Auswahl und konsequentem Einsatz der vorhandenen Angebote (Taschenrechner, Wörterbuch, digitale Schulbücher etc.) ließe sich das aber kompensieren.
Abschließende Bemerkungen
Keins der Settings berücksichtigt eine Schule, die sich den veränderten Gegebenheiten und Anforderungen durch die fortschreitende Digitalisierung bereits vollständig angepasst hat. Das sieht man natürlich an den grundsätzlichen Raumgestaltungen. Da könnte ich mir noch ganz andere Dinge vorstellen, z.B. Tischprojektionen usw.. Setting D hat viel Reiz, ist aber stark von einem zu entwickelnden Gesamtkonzept abhängig – die ganze Schulgemeinschaft sollte da mitkommen. Selbst 60 iPads pflegen zu müssen, wäre für mich schon eine Horrorvorstellung. Für klassische Netzwerke gibt es da zentrale Lösungen und Steuerungen – für Pads sind diese nur zugänglich, wenn die Hardware lösgelöst vom Betriebssystem funktioniert. Sonst macht man eben keine Turnschuh‑, aber immer noch Kofferbückadministration – 1:1 wäre da schon wünschenswert.
Viele Nachteile von den Settings A‑C lassen sich auch heute schon durch Einsatz von Web2.0‑Tools kompensieren: In einem GoogleDocs- oder Etherpad-Lite-Dokument lässt sich mit beliebigen Endgeräten gleichzeitig und kollaborativ arbeiten. Die interaktiven Tafeln verkommen dann natürlich wie ggf. ein Pad zu reinen Anzeigegeräten. Ich persönlich habe aber auch nach mehreren Schulungen noch keinen großen Sinn in der zu einem interaktiven System passenden Software gefunden – außer dass sie den Rechner langsam macht.
Wer das übrigens auch so sieht, sollte einen Blick auf EasyChalk werfen: 1,4 Mbyte groß, vollständig HTML5-basiert – rennt auf jedem Endgerät mit aktuellem Browser wie Schmidts Katze, speichert auf Wunsch gleich in der Cloud und ist recht bezahlbar.