Genese einer Vorabiturklausuraufgabe (Rahmen)

In den letz­ten bei­den Wochen habe ich gemerkt, dass das Erstel­len einer „Klau­sur unter Abitur­be­din­gun­gen“ ganz schö­ne Anfor­de­run­gen stellt, z.B. die rein for­ma­len Vor­ga­ben:

  • man muss die the­ma­ti­schen Vor­ga­ben des KM berücksichtigen
  • auch die EPA soll­te rea­li­siert sein
  • der Umfang muss anhand frü­he­rer zen­tra­ler Abitur­auf­ga­ben fest­ge­legt werden
  • Ope­ra­to­ren sind bei Auf­ga­ben­stel­lun­gen zu beachten
  • Auf­ga­ben soll­ten nach Mög­lich­keit zwei unter­schied­li­che Kurs­halb­jah­re sinn­voll verbinden
  • der sinn­vol­le Ein­satz eines an der Schu­le ein­ge­führ­ten Taschen­rech­ners soll­te obli­ga­to­risch sein
  • die ein­ge­führ­te For­mel­samm­lung soll­te benutzt wer­den müssen

Man könn­te jetzt dar­über schrei­ben, inwie­weit die letz­ten zen­tra­len Abitur­auf­ga­ben in mei­nen bei­den Fächern die­sen for­ma­len, durch das Kul­tus­mi­nis­te­ri­um vor­ge­ge­be­nen Anfor­de­run­gen genügt haben, aber das wird nur ein Mit­tel sein, mei­nen Blut­druck zu heben.

Ich stel­le per­sön­lich noch wei­te­re Anfor­de­run­gen an eine Vorabiturklausur:

  • sie soll den SuS einen rea­lis­ti­schen Ein­druck ver­schaf­fen, wel­che Abitur­leis­tung sie zum jet­zi­gen Zeit­punkt errei­chen können
  • min­des­tens eine Auf­ga­be soll­te auf mei­nen Mist gewach­sen und mir in die­ser Form noch nicht unter­ge­kom­men sein
  • ich selbst möch­te dabei tüf­teln und lernen
  • sie soll­te eini­ger­ma­ßen kor­rek­tur­freund­lich gestal­tet sein, fünf Zeit­stun­den bie­ten viel Poten­ti­al für Quantität
  • die Ver­bin­dung zwei­er the­ma­ti­scher Schwer­punk­te soll­te nicht zu kon­stru­iert sein und wirk­lich jewei­li­ge Kern­be­rei­che betreffen
  • idea­ler­wei­se wird die rich­ti­ge Abitur­klau­sur dann eher noch etwas leichter
  • in den EPA steht etwas von „wis­sen­schafts­pro­pä­deu­tisch“ – lie­ber als ein Ein­serab­i­tur wäre mir per­sön­lich, dass ich spä­ter von den SuS höre, dass sie an der Uni klar­kom­men. Aber das ist ein Dilem­ma.

Das hat also teil­wei­se immer etwas von Kaf­fee­satz­le­sen. Vie­le hier in NDS wet­ten zur Zeit dar­auf, dass das Anfor­de­rungs­ni­veau in die­sem Jahr nicht so hoch sein wird, weil der Dop­pel­jahr­gang und damit der „Test“ für das G8 ansteht – fal­len im G8-Zug vie­le SuS durch, könn­te das ein bestimm­tes Licht auf die Kul­tus­po­li­tik wer­fen – oder auch nicht. Ich ver­mu­te, dass die Noten der Vor­ab­i­tur­klau­su­ren nach G8/G9 dif­fe­ren­ziert gemel­det wer­den müs­sen – mal sehen. Über Grün­de zu sin­nie­ren, wäre in die­sem Fall natür­lich spekulativ.

Sexuelle Aufklärung

Ich habe die­se Woche eine schö­ne Rück­mel­dung per E‑Mail zu einem mei­ner ganz alten Arti­kel erhal­ten: Schon seit zehn Jah­ren dürf­te der Bei­trag „Gemisch­tes Schla­fen auf Frei­zei­ten“ im Netz ste­hen – das Alter merkt man dem Teil auch deut­lich an. Recht­lich hat sich seit­dem gar nicht so viel ver­än­dert, außer dass der Gesetz­ge­ber homo­se­xu­el­le Kon­tak­te mitt­ler­wei­le den hete­ro­se­xu­el­len recht­lich ange­gli­chen hat und auch nicht mehr zwi­schen den Geschlech­tern unterscheidet.

Ich könn­te zu dem The­ma eine Men­ge mehr schrei­ben, weil es so ambi­va­lent ist:

  • Einer­seits grin­sen uns von jedem Pla­kat Six­packs und poten­ti­el­le Milch­ver­pa­ckun­gen an, ander­seits kommt es immer noch zu Schwan­ger­schaf­ten bei Kindern.
  • Einer­seits schimpft Deutsch­land oft über die „prü­den Ame­ri­ka­ner“, ande­rer­seits zieht man sich am Strand eigent­lich nur noch Sachen über die nas­sen Sache „drü­ber“ oder die Bade­be­klei­dung eben gleich „drun­ter“ – abso­lut hygie­nisch im Sommer.
  • Immer noch legen wir in der Schu­le den Schwer­punkt auf „Geschlechts­akt-“ statt auf Auf­klä­rungs­un­ter­richt, obwohl in Zei­ten des Cyber-Groo­mings und Anspruchs­wol­ken­krat­zern hin­sicht­lich der Partn­er­fin­dung und des eige­nen Kör­per­bil­des gera­de durch die Wer­bung auch noch ganz ande­re Din­ge wich­tig wären.

Viel­leicht soll­te man wirk­lich in der Schu­le mehr zum The­ma „sexua­li­sier­te Spra­che“, „sexu­el­le Abgren­zung“, „Selbst­be­haup­tung“, „Los­las­sen“, „Sexua­li­sier­te Wer­bung“, „Mein Kör­per und ich“  und so Kram machen. Das alles gab es zu Zei­ten, in denen ich noch als Team­er Klas­sen­ta­gun­gen gelei­tet habe, ziem­lich oft, und es hat allen auch immer sehr viel Spaß gemacht. Das Sys­tem Schu­le scheint mir jedoch für die dafür erfor­der­li­che päd­ago­gi­sche Nähe nicht ausgelegt.

Wesent­li­cher Teil unse­rer Tagun­gen war eine Übung, die da hieß „Fra­gen an das ande­re Geschlecht“ (ging nicht mit jeder Schul­klas­se und erst recht nicht mit jeder Begleitlehrrkraft):

Die Jun­gen durf­ten sich sechs Fra­gen an die Mäd­chen, die Mäd­chen sechs Fra­gen an die Jun­gen aus­den­ken. Fünf Fra­gen muss­ten bear­bei­tet, eine durf­te abge­lehnt wer­den. In einem Rever­se-Fisch­bowl (eine Grup­pe sprach in der Mit­te über die Fra­gen, die ande­re saß mit dem Gesicht zur Wand um sie her­um) dis­ku­tier­ten dann z.B. die Mäd­chen unter Mode­ra­ti­on einer Teame­rin über die Fra­gen der Jun­gen und spä­ter dann umge­kehrt. Höhe­punkt bil­de­te immer ein letz­te Run­de: „Fra­gen an die Erwach­se­nen“ (Team­er unter sich im Rever­se-Fisch­bowl, ging auch nicht in jedem Team…).

Am meis­ten Spaß bei die­ser Übung hat­ten wir übri­gens an dem Wochen­en­de, an dem die Teame­rin­nen und Team­er sie im Rah­men ihrer Aus­bil­dung selbst aus­pro­biert und erlebt haben… In Schu­le könn­te ich mir so etwas zur Zeit eher nicht vor­stel­len, eher im exter­nen Bereich – obwohl: Auch das könn­te wit­zig und lehr­reich werden…

Wasser auf meine Mühlen…

Ich wer­de heu­te eine empi­ri­sche Unter­su­chung vor­stel­len, nach der wir in der neun­ten Jahr­gangs­stu­fe eines nord­rhein-west­fä­li­schen Gym­na­si­ums eine Abitur-Leis­tungs­kurs­ar­beit Bio­lo­gie haben schrei­ben las­sen – ohne jede inhalt­li­che Vor­be­rei­tung. Das Ergeb­nis war erschre­ckend, denn zwei Drit­tel Schü­ler hät­ten die Abitur­ar­beit bestan­den, einer sogar mit einer Eins.“

Fund­stel­le: FR-online

Nun ist der gute Hans Peter Klein ursprüng­lich ein Gym­na­si­al­leh­rer und damit für eine Viel­zahl von Ste­reo­ty­pen prä­de­sti­niert – aber die­se Stu­die deckt sich mit mei­nen sub­jek­ti­ven Erfah­run­gen in mei­nen Fächern hier in Niedersachsen.

Mein Spruch dazu letz­tens im Che­mie­kurs auf erhöh­tem Niveau: „Ich berei­te euch nicht auf das Abitur vor – ich möch­te, dass ihr spä­ter im Grund­stu­di­um klar­kommt“. In mei­nem Deutsch­kurs auf erhöh­tem Niveau gab es in die­sem Jahr auch einen sat­ten Schnitt – nur: Das dazu not­wen­di­ge Wis­sen hät­te  wahr­schein­lich auch in einem hal­ben Jahr ver­mit­telt wer­den können.

Viel­leicht bin ich ein unglaub­li­cher Mie­se­pe­ter und freue mich nicht des eige­nen „Erfolgs“. Viel­leicht sind mei­ne Ansprü­che mitt­ler­wei­le welt­fremd, ich weiß es manch­mal nicht mehr.