Lernplattformen

Vorbemerkung:

Ich äuße­re hier mei­ne Sicht und mei­ne Mei­nung zum The­ma Lern­platt­for­men, die sich allein auf mei­nem per­sön­li­chen Erfah­rungs­wis­sen grün­det. Auch ich ken­ne Schu­len, an denen es mit einer Lern­platt­form gut läuft und auch ich den­ke, dass in bestimm­ten Kon­stel­la­tio­nen eine Lern­platt­form ggf. hilf­reich für Schul­ent­wick­lung sein kann.

Warum ich Lernplattformen sehr kritisch sehe

Lern­platt­for­men wie Mood­le, Comm­sy oder auch kom­mer­zi­el­le Vari­an­ten wie its­lear­ningWeb­wea­ver, Goog­le Class­room und iTu­nes U stel­len eine vir­tu­el­le Lern­um­ge­bung bereit.

Das Prin­zip ist fast immer gleich: Ein zen­tra­les Log­in ermög­licht Zugriff auf bestimm­te Funk­tio­nen, die sich grup­pie­ren und struk­tu­rie­ren las­sen, z.B. kann ich inner­halb von Mood­le soge­nann­te Kur­se anbie­ten, die diver­se Funk­tio­nen bereit­stel­len, etwa ein Forum, Arbeits­ma­te­ria­li­en, ein­ge­bet­te­te Medi­en, Online­tests u.v.m.. Die­se Kur­se kann ich tei­len, expor­tie­ren, wie­der­ver­wer­ten, gemein­sam mit ande­ren Lehr­kräf­ten ent­wi­ckeln. Dar­über­hin­aus wer­den zuneh­mend Kura­ti­ons­tools ein­ge­setzt, etwa bei iTu­nes U: Ich kann ähn­lich wie bei paper.li Web­in­hal­te auf einer spe­zi­el­len Sei­te zusam­men­stel­len – qua­si ein Web­quest auf multimedial.

Das hört sich erst­mal pri­ma an. Ich war in Deutsch­land lan­ge Zeit sehr aktiv in der Mood­le­sze­ne und hat­te als Bera­ter Zugriff auf zahl­rei­che Test­in­stal­la­tio­nen kom­mer­zi­el­ler Pro­duk­te. Ich bin kein Maß­stab, weil ich zen­tra­li­sier­te Din­ge für die Arbeit mit digi­ta­len Medi­en nicht mehr benö­ti­ge, aber kei­ne der Test­stel­lun­gen und kei­ne mei­ner Test­in­stal­la­tio­nen in den letz­ten Jah­ren hat mich in irgend­ei­ner Wei­se dazu gebracht, Spaß oder Freu­de bei der Arbeit mit dem jewei­li­gen Sys­tem zu empfinden.

Das ist ja auch nicht zwin­gend not­wen­dig, aber dazu kam, dass auch der für mich sehr typi­sche prag­ma­ti­sche Zugang auf kei­ner der Lern­platt­for­men mög­lich war: Sie kos­te­ten mich ein­fach nur Zeit durch die kom­pli­zier­te Bedie­nung, die vor­ge­ge­be­nen Struk­tu­ren, das oft haar­sträu­ben­de Datei­ma­nage­ment, die pro­prie­tä­ren Schnitt­stel­len – und ich hal­te mich selbst für einen mit­tel­mä­ßig begab­ten Anwen­der (das ist etwas völ­lig ande­res als ein Tech­ni­ker oder Admi­nis­tra­tor). Es gibt eine Rei­he von Wer­be­aus­sa­gen zu Lern­platt­for­men, die ich im Fol­gen­den ein­mal aufs Korn neh­men möchte:

1. Eine Lernplattform bietet schulweit einen geschützten Raum mit klar definierter Benutzerführung

Das stimmt von einem tech­no­lo­gi­schen Stand­punkt aus. Hypo­the­tisch bie­tet sie das. „Schul­weit“ bedeu­tet für mich, dass alle Lehr­kräf­te in die­se Platt­form ein­ge­wie­sen sind und regel­mä­ßig im Unter­richt mit ihr arbei­ten. Nur so ent­wi­ckeln sich Rou­ti­nen im All­tag. Tat­säch­lich höre ich von Schu­len, in denen Lern­platt­for­men „ein­ge­führt“ sind, ganz oft ganz ande­re Din­ge. „Schul­weit“ bedeu­tet in der Rea­li­tät oft genug „drei oder vier beson­ders akti­ve Lehr­kräf­te mit ihren Lerngruppen“.

Schul­weit“ ist eine Hal­tung, die schon vor­han­den sein muss, bevor eine Lern­platt­form ihr unter­stüt­zen­des Poten­ti­al über­haupt ent­wi­ckeln kann.

Ein­fach mal machen“ führt oft genug ledig­lich dazu, dass eine Lern­platt­form 1:1 die Struk­tu­ren an einer Schu­le abbil­det – somit ist sie für mich dann zwar ein tol­les Bera­tungs­in­stru­ment, aber oft genug sehr bald für die Schu­le selbst eine zusätz­li­che Belastung.

Man sieht das recht hübsch an den Dis­kus­sio­nen im deut­schen Forum auf moodle.org. Immer noch dre­hen sich gefühlt 90% der Fra­gen um Sper­ren, Ein­schrän­ken, Bewer­tungs­ras­ter fein­tu­nen und ähn­li­che Dinge.

Wenn ich ver­su­che, in Rich­tung  „schul­weit“ zu bera­ten, kommt selt­sa­mer­wei­se am Schluss oft eben nicht die Ent­schei­dung für eine Lern­platt­form dabei her­aus, son­dern erst­mal sowas in die Rich­tung wie Datei­aus­tausch, Ter­mi­ne, E‑Mail – also typi­sche Cloud­funk­tio­nen. Danach ent­wi­ckelt es sich oft eher von dem Grund­kon­strukt „Lern­platt­form“ weg.

2. Eine Lernplattform bietet erweiterte Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften durch z.B. Austausch von Materialien, Aufgabenstellungen und Medien

Das stimmt von einem tech­no­lo­gi­schen Stand­punkt aus. Hypo­the­tisch bie­tet sie das. Ich kann z.B. bestimm­te Struk­tu­ren expor­tie­ren und im nächs­ten Jahr wie­der­ver­wen­den. Wenn ich einen Kurs zum The­ma „Pro­gram­mie­ren mit Ardui­no“ erstellt habe, kann ich die­sen dar­über­hin­aus mit ande­ren Lehr­kräf­ten tei­len. Bei Mood­le kann ich sogar im glei­chen Kurs mit ver­schie­den Grup­pen gleich­zei­tig arbei­ten, ohne dass die­se Grup­pen sich gegen­sei­tig sehen. Ich kann das. Was ist mit mei­nem Kol­le­gen, der nicht ein­mal weiß, wie er das Bild des Note­books auf den Bea­mer bekommt? Der wird schon an der Anmel­dung und der Ein­rich­tung eines Kur­ses in Mood­le schei­tern – ande­re Sys­te­me sind da aber tat­säch­lich ent­schie­den intuitiver.

Wer dar­über­hin­aus schon ein­mal einen Kurs in einer Lern­platt­form gebaut hat, weiß, dass das oft Stun­den dau­ert – für mich völ­lig inef­fi­zi­ent. Zudem will ich ja gera­de nicht nur Inhal­te bereit­stel­len, son­dern ich möch­te mich z.B. im Fach Deutsch mit mei­nem Fach­wis­sen mit den von SuS erstell­ten Inhal­ten aus­ein­an­der­set­zen und sie selbst dar­über ins Gespräch bringen.

Wenn ich hin­ge­gen Inhal­te bereit­stel­len muss (z.B. im Fach Che­mie), dann tue ich das doch nicht auf einer pro­prie­tä­ren Lern­platt­form mit ihren für mich extremst ein­ge­schränk­ten Im- und Export­funk­tio­nen. Mei­ne Inhal­te sind für mich als Leh­rer eine essen­ti­el­le Res­sour­ce, mit der ich mich nicht an ein For­mat bin­den möch­te, was ich nicht selbst kon­trol­lie­ren kann. Wenn eine Schu­le z.B. jah­re­lang bei Anbie­ter x auf Lern­platt­form y gear­bei­tet und der Anbie­ter dann z.B. die Preis­struk­tur mas­siv ändert (das ist kein hypo­the­ti­sches Set­ting, son­dern das kommt vor!) – sage ich dann als Schu­le: „Och, jetzt ist zwar die Arbeit von Jah­ren im Sys­tem, aber den Preis, nö, den zah­le ich nicht und wechs­le jetzt zu Anbie­ter z!“

Mei­ner Mei­nung nach unter­schät­zen vie­le Anbie­ter genau die­sen Aspekt, weil er sel­ten so klar for­mu­liert wird, aber intui­tiv bei vie­len Lehr­kräf­ten eine sehr gro­ße Rol­le spielt. Dazu kommt die Angst, dass Mate­ria­li­en durch die digi­ta­le Prä­senz auf ein­mal auch beur­teil- und eva­lu­ier­bar wer­den. Das kann man kri­ti­sie­ren und doof fin­den. Die Angst bleibt trotzdem.

3. Eine Lernplattform ist ein zentrales Instrument zur Organisation von Kommunikationsprozessen an Schulen und schafft so Transparenz

Das stimmt von einem völ­lig ver­al­te­ten tech­no­lo­gi­schen Stand­punkt aus. Meist funk­tio­nie­ren Lern­platt­for­men so, dass man sich über eine Web­ober­flä­che ein­log­gen muss, um dann auf eine Art Dash­board zu kom­men, was alle rele­van­ten Infor­ma­tio­nen für mich anzeigt. Oder es gibt eine geson­der­te App für ein Mobil­ge­rät (Han­dy, Tablet), die das für mich erle­digt. In mei­ner Welt (und in der Welt der Mobil­ge­rä­te über­haupt) fin­det Daten­aus­tausch aber recht anders statt:

  • E‑Mail über imaps
  • Ter­mi­ne über CalDAVs
  • Datei­en über WebDAVs
  • Nach­rich­ten über XMPP (mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung)
  • Kon­takt­da­ten über CardDAVs
  • Inhal­te über XML
  • […]

Das sind alles offe­ne Protokolle/Formate, wie sie jeder von uns täg­lich nutzt ohne es zu wis­sen, weil irgend­ei­ne App das erle­digt, die wir ent­we­der vom Her­stel­ler des Betriebs­sys­tem über­neh­men oder aber selbst bestim­men. Her­stel­ler von Lern­platt­for­men nei­gen zum über­wie­gen­den Teil dazu, die­se offe­nen, frei­en und ver­schlüs­sel­ten Stan­dards durch irgend­et­was zu erset­zen, das nur zu ihrer jewei­li­gen Lern­platt­form passt.

Schlachtung meiner Thesen durch Anbieter

In der Kom­mu­ni­ka­ti­on mit Anbie­tern, wer­den der­ar­ti­ge The­sen von mir nicht geschlach­tet, son­dern in einer ganz bestimm­ten Art und Wei­se gekontert.

  • pro­prie­tä­re For­ma­te sind für die Kon­sis­tenz der Daten not­wen­dig. Zudem sind tech­nisch kei­ne über­grei­fen­den Aus­tausch­for­ma­te mög­lich (PS: Das XML-For­mat von Mood­le oder Word­Press zeigt, dass das wohl schon irgend­wie geht)
  • die Schul­kul­tur, die zu der von mir gefor­der­ten „schulweit“-Lösung not­wen­dig ist, kann sich ja evo­lu­tio­när durch Unter­stüt­zung mit einer Lern­platt­form bil­den – ohne gin­ge es ja gar nicht – das sei ja gera­de die Ver­ant­wor­tung der Schu­le (PS: Da liegt der Kern der Arbeit, bei dem eine Lern­platt­form gera­de nicht unterstützt)
  • für die meis­ten Schu­len sind die durch Lern­platt­for­men gebo­te­nen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­er­wei­te­run­gen schon Quan­ten­sprün­ge gegen­über der bis­he­ri­gen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­kul­tur (PS: Die Sache wäre wesent­lich nie­der­schwel­li­ger zu bewerk­stel­li­gen ohne den Umweg über Weboberflächen)
  • Lern­platt­for­men las­sen sich durch Zusatz­tools her­vor­ra­gend ergän­zen und in ihren Mög­lich­kei­ten erwei­tern – Mood­le etwa durch das schü­ler­zen­trier­te Maha­ra (PS: Die Inte­gra­ti­on der dabei ent­ste­hen­den Inhal­te in die ursprüng­li­che Lern­platt­form ist dann meist eher recht rudi­men­tär implementiert)
  • Lern­platt­for­men haben als Mit­tel zur Orga­ni­sa­ti­on von instruk­ti­ven Lern­pro­zes­sen eine wich­ti­ge Rolle

Ich sehe das viel zu nega­tiv, weil ich immer mit der „Kun­den­bin­dungs­po­ten­ti­al­bril­le“ auf die ver­schie­de­nen Ange­bo­te schaue: Ein Anbie­ter ist auf Wert­schöp­fung ange­wie­sen – dar­an ist über­haupt nichts Verwerfliches.

Ich hal­te die Kun­den­bin­dung aber auch für ein Motiv, eben z.B. kei­ne anbie­ter­über­grei­fen­den Im- und Export­stan­dards zu imple­men­tie­ren – natür­lich wird das nie­mand so offen nach außen kommunizieren.

 

Wie soll man es denn sonst machen?

Das wäre eine eige­ner Arti­kel. Des­we­gen hier nur zwei Thesen:

  • Identity‑, Grup­pen- und Rol­len­ma­nage­ment gehö­ren nicht in eine Lern­platt­form, son­dern öffent­lich orga­ni­siert. Durch ACLs wird fest­ge­legt, was die Lern­platt­form (oder die jewei­li­ge Appli­ka­ti­on) lesen/sehen darf und was nicht und wel­che Rol­le wer wo im Sys­tem erhält.
  • Die zen­tra­le Ver­wal­tung des Iden­ti­ty­ma­nage­ments gibt jeder Lehr­kraft bzw. jeder Schu­le die Mög­lich­keit, die Tools ein­zu­set­zen, die sie für ihren Unter­richt für not­wen­dig hält: Lern­platt­form, Blog, Wiki, Video­kon­fe­renz­soft­ware – alles wer­den ledig­lich „Apps“, die dar­an anbind­bar sind – auf Knopf­druck instal­liert, mit Nut­zern befüllt.

PS: Das geht alles schon und ist auch schon so umge­setzt – aller­dings eher auf Firmenebene.

Schöne neue dokumentierte Schülerwelt

Haus­auf­ga­ben? Samm­le ich oft mit pseud­ony­mi­sier­ten und nicht öffent­li­chen Blogs ein. Das hat ent­schei­den­de Vorteile:

  • Ich weiß schon am Abend vor­her, wel­che Feh­ler­schwer­punk­te in der Lern­grup­pe auf­tre­ten und kann für die Stun­de gezielt Übungs­ma­te­ri­al zusammenstellen.
  • Durch das Blog bin ich nicht an Datei­for­ma­te gebun­den und kann quer­le­sen – end­lich kein x‑faches Gekli­cke mehr in der Hoff­nung, dass mei­ne Text­ver­ar­bei­tung das aktu­el­le Micro­soft­for­mat frisst.
  • Durch den Bei­trags­zäh­ler bei den Autoren­na­men weiß ich ganz genau, wer in wel­chem Umfang gear­bei­tet, bzw. die Haus­auf­ga­be über­haupt erle­digt hat.
  • Gera­de für stil­le­re SuS ist von Vor­teil, dass ihre Leis­tun­gen doku­men­tiert sind und für die Beno­tung der „sons­ti­gen Leis­tung“ mit her­an­ge­zo­gen wer­den kön­nen. So wird nie­mand dafür „bestraft“ im Unter­richt still zu sein.
  • Durch die Sor­tie­rung nach Autoren ent­ste­hen nach und nach Port­fo­li­os, die auch dabei hel­fen, SuS Ent­wick­lun­gen in ihren Schreib­fer­tig­kei­ten aufzuzeigen.

Herr Riecken, zu Ihrer Blog­ge­rei mit uns, muss ich Ihnen mal ein paar Din­ge sagen. Immer wenn ich eine Haus­auf­ga­be inner­halb des Blogs erle­di­ge, füh­le ich mich genö­tigt, das beson­ders zeit­auf­wen­dig und gut zu machen, weil es eben für immer und ewig dort ste­hen­bleibt. Das kos­tet mich Zeit und ist im Ver­gleich zum nor­ma­len Heft ein­fach unglaub­lich auf­wän­dig. Außer­dem wer­de ich ja immer „erwischt“, wenn ich etwas nicht erle­digt habe. In einer nor­ma­len Unter­richts­stun­de kann ich hof­fen, ein­fach nicht dran­zu­kom­men – es gibt neben den gan­zen Haus­auf­ga­ben schließ­lich immer noch sowas wie ein Leben – gera­de in Zei­ten von G8. Zu die­ser gan­zen Port­fo­lio- und „Sons­ti­ge Leistungen“-Geschichte: Machen Sie das mit allen Ihren SuS? Um Klau­su­ren zu kor­ri­gie­ren, brau­che Sie doch jetzt schon eher Wochen als Tage. Sie schau­en sich ernst­haft für alle Ihre Schü­lern­nen und Schü­ler die „Schreib­ent­wick­lung“ an? Hal­lo? Wachen Sie mal auf und kom­men Sie in der Rea­li­tät an. Krie­gen Sie mal Ihre täg­li­che Ver­wal­tungs­ar­beit in den Griff, bevor Sie hier Ihr Traum­tän­zer­zeug mit uns machen!

Hin­weis: Die­se Äuße­rung ist fik­tiv und erdacht!

Also die­se Lern­platt­for­men – ein­fach Klas­se. Was da alles mit mög­lich wird! Wenn man ein rich­ti­ges Kon­zept besitzt, dann…

  • kön­nen wir von der Grund­schu­le an für die wei­te­re Schul­lauf­bahn doku­men­tie­ren, wel­che Inhal­te schon behan­delt wor­den sind.
  • erhal­te ich durch stan­dar­di­sier­te Test­auf­ga­ben indi­vi­dua­lier­te Rück­mel­dun­gen zu den Stär­ken und Schwä­chen der ein­zel­nen Schü­le­rin­nen und Schüler
  • kann ich explo­ra­ti­ves Ver­hal­ten im Netz (Chat, Blog, Wiki usw.) in einem Schutz­raum ent­wi­ckeln, das ist gera­de für jün­ge­re SuS wichtig.
  • ent­steht struk­tu­riert über die Jah­re ein Port­fo­lio, wel­ches mir hilft, auf indi­vi­du­el­le Ent­wick­lun­gen einzugehen
  • wer­den durch die Arbeit in der Platt­form alle Mit­glie­der einer Lern­grup­pe glei­cher­ma­ßen akti­viert, da ja alle arbei­ten und nie­mand sich ent­zie­hen kann.

Herr Riecken – haben Sie sich eigent­lich schon­mal gefragt, ob ich stän­dig „akti­viert“ sein will? Also wenn alle LuL mit Ihrem Ansatz arbei­ten, bin ich nach 90 Minu­ten echt durch mit der Welt. Soviel „Akti­vie­rung“ hält doch nie­mand über einen Schul­tag aus. Kann ich bei der Arbeit mit einer Lern­platt­form aus dem Fens­ter schau­en? Kann ich auch mal „abschal­ten“, ohne dass das gleich „doku­men­tiert“ wird, weil mein Text viel­leicht im Ver­gleich zu ande­ren viel zu kurz ist? Außer­dem schä­me ich mich manch­mal auch mei­ner Pro­duk­te: Ich kann es ein­fach nicht bes­ser und es hilft mir dann nicht, dass ich zum xten-Mal sehe, dass Jose­phi­ne schon wie­der den Vogel mit ihrem Pro­dukt abge­schos­sen hat. Mei­nen Wer­de­gang in einer Lern­platt­form doku­men­tie­ren, damit Sie wis­sen, was ich schon alles gemacht habe? Ich will nicht, dass Sie das wis­sen. Und wis­sen Sie auch war­um? Nur weil da steht, dass schon etwas behan­delt wor­den ist, ist es doch noch lan­ge nicht von mir ver­stan­den wor­den. Ich will, dass Sie es mir noch ein­mal erklä­ren – nicht weil Sie lesen, dass z.B. mei­ne Berich­te schon immer gro­ßer Mist waren, son­dern weil Sie mein ehr­lich fra­gen­des Gesicht im Unter­richt sehen. Ich will, dass Sie mich sehen und nicht mei­ne „Sta­tis­ti­ken“ und „Klick­ra­ten“ und „Besuchs- und Bear­bei­tungs­zei­ten. Auf die­ses E‑Learningzeug habe ich oft genau­so wenig Bock wie auf die­se blö­den Lek­tü­ren. Bei­des ist halt Schu­le – nur eben ein­mal Schu­le auf dem Com­pu­ter. Mei­nen Sie, dass ich das nicht sehr bald raffe?

Hin­weis: Die­se Äuße­rung ist fik­tiv und erdacht!

Und raus aus der lite­ra­ri­sche Auf­ar­bei­tung des Themas:

  • Wie vie­le Stim­men von Ler­nen­den höre wir, wenn wir über Blogs, Wikis und Lern­platt­for­men in z.B. Fach­fo­ren diskutieren?
  • Wel­che Inter­es­sen haben wir und wel­che Inter­es­sen haben die Lernenden?
  • Wie bewäl­ti­gen wir unse­ren Anspruch, z.B. den Auf­bau, die Beglei­tung und die Bewer­tung von Portfolios?
  • Wie kön­nen wir unse­ren Ansprü­chen, die wir im Kon­text von Blog‑, Wiki- und Lern­platt­form­ar­beit im Kon­text des bestehen­den Sys­tems genügen?
  • Mit wel­chem Ein­druck ver­las­sen Ler­nen­de unse­re Lern­grup­pen nach der Web2.0‑Arbeit?
  • Wie bekom­men wir den „Mehr­wert“ auch für die meis­ten Ler­nen­den transportiert?
  • Wel­che Inter­es­sen und Moti­va­ti­on lei­ten uns neben dem Wil­len nach qua­li­ta­ti­ver Ver­bes­se­rung von Unterricht?
  • Wel­che „heim­li­chen“ Hoff­nun­gen gibt es bei uns in die­sem Kontext?

Die Nernstsche Gleichung aufstellen

Ein­lei­tung

Die­ser Arti­kel dient auch als klei­nes Expe­ri­ment, um die Mög­lich­kei­ten des LaTeX-Plug­ins Quick­La­TeX aus­zu­lo­ten. Ich bin recht beein­druckt von den Satz­mög­lich­kei­ten, die ich hier nur zu 90% opti­miert habe… Da kön­nen jetzt also noch wei­te­re Arti­kel aus der Serie „Wie man leicht sieht…“ fol­gen. Dort habe ich für die For­meln einen Web­dienst bemüht, der aus TeX-Syn­tax Vek­tor­gra­fi­ken erstellt – das sieht natür­lich dann hüb­scher aus, tippt sich aber nicht so fluffig.

Zur Sache

Die Nernst­sche Glei­chung ist einer der fun­da­men­ta­len Lern­in­hal­te im Bereich der Elek­tro­che­mie und prin­zi­pi­ell eigent­lich nichts wei­ter als ein arg ver­klau­sur­lier­tes che­mi­sche Gleich­ge­wicht, also ein ande­rer Aus­druck für K – im Prin­zip natür­lich. In Schul­bü­chern läuft einem das Ding eigent­lich fast nur in die­ser Form über den Weg:

    \[ (1) \; U_{H(Ox/Red)} = U_{H(Ox/Red)}^0 + \frac{0,059V}{z}\cdot lg \left( \frac{c(Ox)}{c(Red)} \right) \]

oder auch:

    \[ (2) \; U_{H(Ox/Red)} = U_{H(Ox/Red)}^0 + \frac{0,059V}{z}\cdot lg (K) \]

Wie erhält man nun die Nernst­sche Glei­chung für belie­bi­ge che­mi­sche Gleichgewichte?

Für das Chlor­sys­tem gilt:

    \[ (3)\; Cl_{2(g)} + 2e^- \rightleftharpoons 2Cl_{(aq)}^- \]

Für die­ses Gleich­ge­wicht stellt die Nernst­sche Glei­chung qua­si eine Umrech­nungs­vor­schrift dar. So kann ich z.B. aus einem gemes­se­nen Poten­ti­al eine tat­säch­lich vor­han­de­ne Chlo­rid­io­nen­kon­zen­tra­ti­on in einem Gleich­ge­wicht berech­nen. Dazu bestim­me ich zunächst auf bei­den Sei­ten der Glei­chung (2) die zuge­hö­ri­gen Oxidationszahlen:

    \[ (4)\; \overset{\text{0}}{Cl_2(g)} + 2e^- \rightleftharpoons 2\overset{\text{-I}}{Cl_{(aq)}^-} \]

Das Chlo­rid­ion besitzt mit ‑I die nied­ri­ge­re Oxi­da­ti­on­zahl und ist damit die redu­zier­te Form (Red). Das Chlor­mo­le­kül ist die oxi­dier­te Form (Ox). Jetzt muss ich dem Term für K so auf­stel­len, dass die oxi­dier­te Form oben steht:

    \[ (5) K = \frac{c(Ox)}{c(Red)} = \frac{c(Cl_2)\cdot c(e^-)^2}{c(Cl^-)^2} \]

Elek­tro­nen und das Chlor­gas besit­zen in einer Lösung kei­ne Kon­zen­tra­ti­on bzw. die­se kann als kon­stant ange­nom­men und gleich 1 gesetzt wer­den. Damit lau­tet die Gleichung:

    \[ (6) \; U_{H\;(Cl_2/Cl^-)} = U_{H\;(Cl_2/Cl^-)}^0 + \frac{0,059V}{2}\cdot lg \left( \frac{1}{c(Cl^-)^2}\right) \]

Freund­li­cher­wei­se gilt außerdem:

    \[ (7) \; lg(a)^b = b \cdot lg(a) \]

d.h., ich kann die Potenz aus dem Nen­ner des letz­ten Fak­tors vor den Aus­druck zie­hen, weil der Zäh­ler net­ter­wei­se gleich 1 ist:

    \[ (8) \; U_{H\;(Cl_2/Cl^-)} = U_{H\;(Cl_2/Cl^-)}^0 + \frac{0,059V}{2}\cdot 2 \cdot lg \left(\frac{1}{c(Cl^-)}\right) \]

und dann kürzen:

    \[ (9) \; U_{H\;(Cl_2/Cl^-)} = U_{H\;(Cl_2/Cl^-)}^0 + 0,059V \cdot lg\left(\frac{1}{c(Cl^-)}\right) \]

Che­mie­bü­cher schrei­ben die Nernst­sche Glei­chung ger­ne anders auf, wenn die redu­zier­te Form die lös­li­che ist, indem sie meist still­schwei­gend vor­aus­set­zen, dass gilt:

    \[ (10) \; lg\left(\frac{a}{b}\right) = -lg\left(\frac{b}{a}\right) \]

also hier konkret:

    \[ (11) \; U_{H\;(Cl_2/Cl^-)} = U_{H\;(Cl_2/Cl^-)}^0 + \frac{0,059V}{1}\cdot - lg\left(\frac{c(Cl^-)}{1}\right) \]

bzw. mit vor­ge­hol­tem Minus­zei­chen und ande­rer Bruchschreibweise:

    \[ (12) \; U_{H\;(Cl_2/Cl^-)} = U_{H\;(Cl_2/Cl^-)}^0 - 0,059V \cdot lg \left(c(Cl^-)\right) \]

Ich fin­de die­se Unter­schei­dung nicht beson­ders sinn­voll. Natür­lich sieht die Glei­chung so für SuS erst­mal ein­fa­cher aus, aber es bleibt eben das Pro­blem, wann ein Minus­zei­chen und wann ein Plus­zei­chen in der Nernst­schen Glei­chung ver­wen­det wer­den soll/muss. Ich lege mich im Unter­richt immer auf die Vari­an­te mit dem Plus­zei­chen fest. So bekommt man jedes Redox­sys­tem durch eine ein­fa­che Schritt­fol­ge in den Griff.

Ein schwe­res Beispiel

Das Per­man­ga­nat­sys­tem ist schon nicht ganz einfach.

    \[ (13)\; MnO_{4(aq)}^- + 8H^+ + 5e^- \rightleftharpoons Mn_{(aq)}^{2+} + 4H_2 O_{(l)} \]

Schritt 1: Oxi­da­ti­ons­zah­len bestim­men – Wo ist die redu­zier­te Form?

Dafür schau­en wir uns die Per­man­ga­nat- und Man­gan­io­nen an:

    \[ (14)\; \overset{\text{+VII}}{Mn}O_{4(aq)}^- + 8H^+ + 5e^- \rightleftharpoons \overset{\text{+II}}{Mn_{(aq)}^{2+}} + 4H_2 O_{(l)} \]

 

Das Man­gan­ion besitzt die nied­ri­ge­re Oxi­da­ti­ons­zahl, ist also die redu­zier­te Form. Dem­nach muss die rech­te Sei­te der Glei­chung im Term für K nach unten.

Schritt 2: Aus­druck für K bestimmen

Die Kon­zen­tra­ti­on des Lösungs­mit­tels Was­ser kann als kon­stant ange­nom­men und gleich 1 gesetzt wer­den, taucht im Nen­ner also nicht mehr auf:

    \[ (15)\; K=\frac{c(MnO_{4(aq)})^- \cdot c(H^+)^8}{c(Mn_{(aq)}^{2+})} \]

Schritt 3: Aus­druck in die Nernst­sche Glei­chung einsetzen

    \[ (16) \; U_{H\;(MnO_{4(aq)}/Mn_{(aq)}^{2+})} = U_{(MnO_{4(aq)}/Mn_{(aq)}^{2+})}^0\right) \]

    \[ + \frac{0,059V}{5}\cdot lg \left( \frac{c(MnO_{4(aq)})^- \cdot c(H^+)^8}{c(Mn_{(aq)}^{2+})} \right) \]

Paraphrase und Reorganisation

… in z.B. Inhalts­an­ga­ben. Wir Deutsch­leh­rer ver­lan­gen dort oft eine Reor­ga­ni­sa­ti­on wie die­se Visua­li­sie­rung von Achin­gers berühmt-berüch­tig­ter Kurz­ge­schich­te „Das Fenstertheater“:

Wir bekom­men sehr oft eine Para­phra­se, wie die­se hier:

Dank die­ser bei­den Visua­li­sie­run­gen, die bei­de in der glei­chen Stun­de ent­stan­den sind und natür­lich sofort als Klein­ko­pie den Weg in die Regel­hef­te der SuS gefun­den haben, wird in mei­nen Augen deut­lich, was ich als Deutsch­leh­rer unter Reor­ga­ni­sa­ti­on in einer Inhalts­an­ga­be – sowie spä­ter wei­ter­füh­rend in Ana­ly­se und Inter­pre­ta­ti­on –  ver­ste­he. Des­we­gen habe ich mich über bei­de Arbei­ten sehr, sehr gefreut. Die Wir­kung ent­steht in mei­nen Augen dicho­to­misch: In der Dif­fe­renz bei­der Visua­li­sie­rung liegt der Erkenntniswert.

Und des­we­gen tue ich mich auch sehr schwer mit der Kate­go­ri­sie­rung in „rich­tig“ und „falsch“ – bezo­gen auf den Lernprozess.

Macht und Schule

Die­je­ni­gen, die die Gabe haben, die Macht effek­tiv anzu­wen­den, besit­zen meis­ter­haf­te Kräf­te, wie Tele­pa­thie, Tele­ki­ne­se, Vor­her­wis­sen und geis­ti­ge Beein­flus­sung ande­rer Lebe­we­sen. In der Ori­gi­nal­tri­lo­gie wur­den zwei Aspek­te der Macht her­vor­ge­ho­ben: Die hel­le und die dunk­le Sei­te. Die hel­le Sei­te der Macht ist auf Ver­tei­di­gung, Gut­mü­tig­keit, Wohl­wol­len und Hei­lung aus­ge­rich­tet. Die dunk­le Sei­te der Macht beschäf­tigt sich dage­gen mit Furcht, Hass, Aggres­si­on und Bos­haf­tig­keit; die­se Sei­te der Macht scheint von Hass und Wut kon­trol­liert zu wer­den – die­se Wir­kung ist weit effek­ti­ver und mäch­ti­ger in Bezug auf Ver­nich­tung. Meis­ter Yoda, der eine füh­ren­de Rol­le unter den Jedi-Rit­tern inne hat­te, bezeich­net in Star Wars V die dunk­le Sei­te der Macht als schnel­ler und ver­lo­cken­der als die hel­le. In den Fil­men erlan­gen jedoch eini­ge Jedi die Unsterb­lich­keit, was den Sith der dunk­len Sei­te offen­bar ver­schlos­sen blieb.

Quel­le: http://de.wikipedia.org/wiki/Star_Wars#Die_Macht

An der Schu­le kommt es mir so vor, als hät­te ich selbst oft mit den bei­den Sei­ten der Macht zu tun. Schu­le ist für mich ein Raum, der in sehr hohem Maße durch Macht­struk­tu­ren gekenn­zeich­net ist.

Die insti­tu­tio­nel­le Macht

Schu­le ist im Prin­zip hier­ar­chisch orga­ni­siert. Es gibt z.B. Aus­hilfs­leh­rer, KuK mit Lebens­zeit­ver­be­am­tung, KuK in der Schul­lei­tung, KuK ohne Lebens­zeit­ver­be­am­tung, ange­stell­te LuL, Dezer­nen­ten, einen Schul­lei­ter usw. – ach ja: SuS gibt es ja auch noch. Sie alle sind ein­ge­bun­den in ein Gefü­ge insti­tu­tio­nel­ler Macht­struk­tu­ren, die im Prin­zip nicht flüch­tig sind – es sei denn bei gro­bem  und öffent­li­chen Fehl­ver­hal­ten eines Prot­ago­nis­ten. Die­se hiera­chi­sche Aus­rich­tung ist zum einen der Garant für die blo­ße Funk­ti­on von Schu­le. Ande­rer­seits führt sie bei allen Betei­lig­ten auch oft genug zu Ohnmachtsgefühlen.

Die­se Form der Macht wird für mich z.B. spür­bar, wenn

  • Eltern mit Lehr­kräf­ten aus Angst vor schlech­ten Noten für ihre Kin­der nicht in der Deut­lich­keit reden, die rein logisch not­wen­dig wäre
  • Ich mich ohne Lebens­zeit­ver­be­am­tung anders an der Schu­le bewe­ge als mit
  • SuS, die sich unge­recht behan­delt füh­len, das aus Sor­ge um ihr Anse­hen bei der Lehr­kraft nicht äußern
  • Wei­sun­gen durch die Schul­ei­tung erfolgen
  • Noten erteilt werden
  • usw.

Wei­ter­le­sen