Es ist nun schon einige Tage her, seitdem Christian Wulff sein Kabinett umgebildet hat. Schlagzeilen machte eine neue Sozialministerin mit ihrer Anregung, religiöse Symbole aus den Schulen zu verbannen, keine oder wenige Schlagzeilen machte der Weggang von Frau Heister-Neumann aus dem Kultusministerium.
Ich habe in der Begründung für diese Entscheidung oft den Duktus der „Herausnahme einer angeschlagenen, tapferen Spielerin aus dem Feld“ vernommen. Meiner Meinung nach stimmt das.
Frau Heister-Neumann war aus verschiedenen Gründen hier in Niedersachsen nicht sehr beliebt, im Kontext mit der Verlagerung des Stundenkontos (LAzKo) direkt vor die Pension kam es zum ersten Mal zu Protesten von Lehrerinnen und Lehrern vor dem Landtag – eigentlich ein Widerspruch in sich: Lehrer solidarisch(!) auf der Straße.
Aber auch sonst hatte Frau Heister-Neumann für die mit der Machtübernahme der schwarz-gelben Koalition eingeführten, umfassenden Schulreformen (Abschaffung der Orientierungsstufe, zentrale Abiturprüfungen, Profiloberstufe, G8, selbstständige Schulen usw.) geradezustehen. Neid und Verantwortung sind mit Macht immer sehr stark verbunden – das muss man in der Politik aushalten. Und es ist ein Zeichen der Stärke, die damit einhergehende, teils heftige Kritik auch zu ertragen.
Die meisten Reformen wurden unter dem ersten Kultusminister der schwarz-gelben Koalition, Bernd Busemann eingeführt. Dieser übernahm nach einiger Zeit im Amt das Justizministerium von Frau Heister-Neumann, die ihrerseits Kultusministerin wurde (Tausch). Ob dabei Sachzwänge eine Rolle spielten, oder die sich regenden Herausforderungen an den Schulen und der damit verbundene Druck auf den Minister, ist reine Spekulation.
Jedoch sah sich Frau Heister-Neumann in meinen Augen nun mit Wirkungen von Reformen konfrontiert, die sie im Kern nicht zu verantworten hatte. Frau Heister-Neumann ging meiner Meinung nach sachlogisch vor: Das Gelingen von G8 und dabei gerade der Doppeljahrgang waren massiv von der Versorgung mit Lehrkräften abhängig. Und just in diesem Zeitraum sollte das Arbeitszeitkonto in die Rückzahlungsphase kommen. Von einem verwaltungstechnischen Standpunkt aus ist es absolut logisch, durch eine Verlagerung der Rückzahlungsphase des Arbeitszeitkontos das Gelingen der Reform personell sicherzustellen.
Die entscheidende Frage mit Blick auf die Lehrerversorgung in der Zukunft war für mich bereits damals, warum die Auszahlung „am Stück“ direkt vor der Pensionierung damit einhergehen sollte und nicht direkt ein Modell angestrebt wurde, wie wir es jetzt in Niedersachsen (erstritten) haben: Die Auszahlungsphase wird auf die Zeit nach dem Doppeljahrgang verschoben und es gibt Anreize für KuK, die bereits in die Ausgleichsphase gekommen wären, den Eintritt in selbige zu verschieben mit teilweise sehr flexiblen Regelungen. Hat Frau Heister-Neumann wirklich nicht gewusst, dass sie genau an diesem Punkt massiven Widerstand evozieren würde? Oder lagen dem Kultusministerium Zahlen vor, die dieses doch recht rabiate Vorgehen sachlogisch rechtfertigen können?
Es ist ja viel zugesagt worden: Z.B. die Senkung der Klassenfrequenzen (personalintensiv) durch Verbleib der durch die „Überwindung des Doppeljahrgangs“ neu geschaffenen Stellen an den Gymnasien, deren Schülerzahl wahrscheinlich weiter leicht steigen wird. Dem entgegen steht die Ausgleichsphase des LAzKo, die ab dem 1.8.2012 beginnen wird.
Nehmen wir einmal an, dass von 60 KuK an einer Schule 20 davon profitieren, fallen an dieser Schule einmal eben 20x4=80 Stunden (mehr als drei volle Stellen) weg – die Kollegen unterrichten ja die zwei LAzKo-Stunden nicht mehr und bekommen zusätzlich pro Jahr zwei angesparte LAzKo-Stunden vergütet. Weiterhin geht das Gerücht, dass in den nächsten sechs Jahren der eine oder andere Kollege bzw. die eine oder andere Kollegin in Pension gehen wird. Ob die angedachte Verkürzung des Vorbereitungsdienstes auf 1,5 Jahre und der Ausbau der Studienseminare diese Effekte kompensieren können, wäre auf Basis von konkretem Zahlenmaterial zu überprüfen. Außerdem soll es ja in Niedersachsen auch leichter werden, als Quereinsteiger – gerade in Mangelfächern – den Beamtenstatus zu erlangen.
Die entscheidende Frage ist, ob diese Maßnahmen ausreichend sind oder ob der einzige Ausweg doch in einer Erhöhung des Stundendeputates bestehen wird. Dafür bietet sich die Ausgleichsphase ja nahezu an, weil die KuK durch auch noch einer Deputatserhöhung um zwei Stunden unter dem Strich noch zwei Stunden weniger als vorher unterrichten… Außerdem hat Niedersachsen ohnehin bundesweit eines der kleinsten Stundendeputate (wenn man Seiteneffekte wie Stellenschlüssel und Klassenfrequenzen nicht berücksichtigt). Die Lobby von Lehrern in der Öffentlichkeit ist – u.U. auch selbst mitverschuldet – klein… Zwei Stunden – was ist das denn schon? 30–33 SuS mehr. Fällt bei den bis 180 – je nach Fächerkombination – , die man mit voller Stelle zu betreuen hat, auch kaum auf.
Sollte Herr Althusmann, unser neuer Kultusminister, diese Entscheidung aus Sachzwängen heraus treffen müssen und dadurch unter Druck geraten, so hoffe ich wenigstens, dass er diese Schlacht dann selber schlagen kann und nicht ein anderes Ministerium seiner Hilfe bedarf.
Schöner wäre es natürlich, wenn das Kultusministerium die vorliegenden Zahlen transparent veröffentlichen würde… Dann könnte man gemeinsam über etwas Konkretes reden, bilateral, kollegial und auf Augenhöhe. Und da Lehrerinnen und Lehrer in der Summe keine Unmenschen sind, ergäbe sich vielleicht sogar ein nachhaltiges Konzept für die Zukunft und zurückgewonnenes Vertrauen – es geht um eines der wertvollsten Güter, die wir besitzen.