Ich bin ein schlechter Lehrer…
Dies ist ein fiktiver Artikel. Alle Schicksale und Namen sind erdacht. Das Allermeiste habe ich durch (Blog-)beiträge anderer Lehrer und Eltern(-foren) aufgeschnappt. Die Zahl 180 SuS ist für den gymnasialen Bereich realistisch, da das Deputat bei voller Stelle in etwa 6–7 Lerngruppen umfasst. Die systemkundigen Leser mögen beurteilen, ob die folgende Zusammenstellung irreal ist.
Die Ich-Form ist bewusst gewählt, um ein Identifkationsangebot zu schaffen. Der Ich-Erzähler des Textes ist selbst eine Fiktion und hat mit dem Autor (mir) nicht alles gemein – also nur das Gute…
Die SuS (keine Extremfälle):
- Petra hat AD(H)S. Sie kann sich nicht konzentrieren. Sie kann sich nur helfen, indem sie sich bewegt, indem sie laut ist, indem sie auffällt. Petra kann dafür nichts.
- Ulrich ist hochbegabt und ständig unterfordert. Ulrich fällt auf, wird zornig, stört. Ulrich geht mich vor der Klasse verbal an.
- Constanze ist still. Constanze schreibt hervorrragende Arbeiten, trägt zum Unterricht jedoch nichts bei. Bei Constanze müsste ich eigentlich ganz oft die Hausaufgaben nachschauen.
- Hussein kommt aus einem Haushalt, in dem der Mann alles und die Frau nichts zählt. Meine Kolleginnen quälen sich mit Hussein.
- Chloé ist sozial hoch engagiert. Sie setzt sich ständig für die Klasse ein, sagt mir, was aus ihrer Sicht schiefläuft, wo es brennt – mit Kolleginnen und Kollegen, in der Klasse. Ihr fehlt ein wenig Empathie und Redetechnik. Da müsste man sie fördern.
- Petr kommt aus einem klischeehaften(!!!) Spätaussiedlerhaushalt. Er kann keinen guten Aufsatz schreiben, weil zu Hause nur russisch gesprochen wird. Viele Worte versteht er einfach nicht. Petr bräuchte dringend Deutschförderunterricht.
- Haakon verhält sich unauffällig. Haakon entwickelt in Tests sehr eigenständige, hochinteressante Lösungsansätze, die er allein methodisch nicht sinnvoll zu Ende führt. Auf einen Dreier kommt Haakon immer. Man sieht Haakon aber an, dass er damit nicht zufrieden ist, dass er denkt: „Da muss doch noch mehr sein!“. Man müsste ihm mehr bieten.
- Martina ist ein hübsches Mädchen. Sie sagt von sich, dass sie für Naturwissenschaften eh zu dumm ist. Martina legt eher wert auf Mode. Martina glaubt nicht an sich. Martina liest keine Hausaufgabe vor, ohne vorher zu betonen, dass ihr Text schlecht ist oder irgendwelche Macken hat. Martina braucht dringend Unterstützung im Bereich Selbstbehauptung – vielleicht hilft Martina auch schon Mann‑, äh: Frauschaftssport.
- Georginas Eltern haben sich kürzlich scheiden lassen.
- Cynthia war lange krank.
- … (bitte hochzählen bis 180)