Kleiner Ausfall

Mein Web­ser­ver macht mir zur Zeit ein wenig Kum­mer. Daher war riecken.de heu­te Vor­mit­tag nicht zu errei­chen. Die Feh­ler­mel­dun­gen erge­ben kei­nen rech­ten Sinn, eigent­lich ist die Kon­fi­gu­ra­ti­on wie immer. Ich habe mein Admin­pa­nel (frox­lor) in Ver­dacht – offen­bar har­mo­niert des­sen neu­es Kon­fi­gu­ra­ti­ons­da­tei­for­mat nicht so ganz mit mei­nen manu­el­len Ein­grif­fen – geht jetzt ja erst­mal wieder…

Oberschule

Es ist sehr span­nend, mit­zu­ver­fol­gen, wie die Ein­füh­rung der neu­en Schul­form „Ober­schu­le“ hier in Nie­der­sach­sen vor allem von außen wahr­ge­nom­men wird.

  • Es gibt die Spöt­ter, die sagen, dass es ledig­lich ein poli­tisch ande­rer Begriff für Gesamt­schu­le wäre, den vor allem die CDU-Lan­des­re­gie­rung natür­lich nicht in den Mund neh­men könne.
  • Es gibt den Phi­lo­lo­gen­ver­band, der natür­lich dage­gen wet­tert, weil er den Bestand klei­ner Gym­na­si­en durch die Kon­kur­renz durch gym­na­sia­le Zwei­ge an der Ober­schu­le gefähr­det sieht. Es gibt Dis­kus­sio­nen, ob die Bil­dungs­qua­li­tät an einer Ober­schu­le der eines klas­si­schen Gym­na­si­ums äqui­va­lent ist.
  • Und nicht zuletzt gibt es auch in unse­rem Land­kreis klei­ne­re Schar­müt­zel in der Pres­se, denn auch hier hat eine Gemein­de die Ein­rich­tung einer Ober­schu­le beantragt.

Viel Auf­re­gung – erstaun­lich wenig Geset­zes­pa­pier dazu, in §10a bzw. §183a NSchG ist zu lesen:

(1) 1In der Ober­schu­le wer­den Schü­le­rin­nen und Schü­ler des 5. bis 10. Schul­jahr­gangs unter­rich­tet. 2Die Ober­schu­le ver­mit­telt ihren Schü­le­rin­nen und Schü­lern eine grund­le­gen­de, erwei­ter­te oder ver­tief­te All­ge­mein­bil­dung und ermög­licht ihnen im Sekun­dar­be­reich I den Erwerb der­sel­ben Abschlüs­se wie an den in den §§ 9, 10 und 11 genann­ten Schul­for­men. 3Sie stärkt Grund­fer­tig­kei­ten, selb­stän­di­ges Ler­nen, aber auch wis­sen­schafts­pro­pä­deu­ti­sches Arbei­ten und ermög­licht ihren Schü­le­rin­nen und Schü­lern ent­spre­chend ihrer Leis­tungs­fä­hig­keit und ihren Nei­gun­gen indi­vi­du­el­le Schwer­punkt­bil­dun­gen. 4Die Schwer­punkt­bil­dung befä­higt die Schü­le­rin­nen und Schü­ler, nach Maß­ga­be der Abschlüs­se ihren Bil­dungs­weg berufs‑, aber auch stu­di­en­be­zo­gen fort­zu­set­zen. 5Der Umfang der Schwer­punkt­bil­dung rich­tet sich nach den orga­ni­sa­to­ri­schen, per­so­nel­len und säch­li­chen Gege­ben­hei­ten der ein­zel­nen Schu­le. 6Die Ober­schu­le arbei­tet eng mit berufs­bil­den­den Schu­len zusammen.

(2) 1In der Ober­schu­le wer­den die Haupt­schu­le und die Real­schu­le als auf­ein­an­der bezo­ge­ne Schul­zwei­ge geführt oder sie ist nach Schul­jahr­gän­gen geglie­dert. 2Die Schu­le ent­schei­det jeweils nach Maß­ga­be der Sät­ze 3 und 4 sowie des Absat­zes 3 Satz 3, in wel­chen Schul­jahr­gän­gen und Fächern der Unter­richt jahr­gangs­be­zo­gen oder schul­zweig­spe­zi­fisch erteilt wird. 3In der Ober­schu­le soll ab dem 9. Schul­jahr­gang der schul­zweig­spe­zi­fi­sche Unter­richt über­wie­gen. 4Ist die Ober­schu­le in Schul­zwei­ge geglie­dert, so wird der Unter­richt über­wie­gend in schul­zweig­spe­zi­fi­schen Klas­sen­ver­bän­den erteilt.

(3) 1Die Ober­schu­le kann um ein gym­na­sia­les Ange­bot erwei­tert wer­den.2§ 11 Abs. 1 gilt ent­spre­chend. 3Für die Schü­le­rin­nen und Schü­ler des gym­na­sia­len Ange­bots soll ab dem 7. Schul­jahr­gang und muss ab dem 9. Schul­jahr­gang der Unter­richt über­wie­gend in schul­zweig­spe­zi­fi­schen Klas­sen­ver­bän­den erteilt wer­den. 4Der 10. Schul­jahr­gang des gym­na­sia­len Schul­zweigs ist zugleich die Ein­füh­rungs­pha­se der gym­na­sia­len Oberstufe.

Und ein paar inter­es­san­te Son­der­re­ge­lun­gen (teil­wei­se für die Über­gangs­zeit) gibt es auch:

(1) 1An neu errich­te­ten Ober­schu­len sind die Vor­schrif­ten für die Ober­schu­le im ers­ten Schul­jahr nach ihrer Errich­tung nur auf den ers­ten Schul­jahr­gang anzu­wen­den. 2Für die übri­gen Schul­jahr­gän­ge sind die Vor­schrif­ten wei­ter anzu­wen­den, die für die ent­spre­chen­den bis­he­ri­gen Schul­for­men gelten.

(2) 1An neu errich­te­ten Ober­schu­len kann die Qua­li­fi­ka­ti­ons­pha­se der gym­na­sia­len Ober­stu­fe geführt wer­den, wenn bei Errich­tung der Ober­schu­le gleich­zei­tig eine Gesamt­schu­le auf­ge­ho­ben wird, die die Qua­li­fi­ka­ti­ons­pha­se der gym­na­sia­len Ober­stu­fe geführt hat.2Abwei­chend von § 10a Abs. 1 wer­den dann auch Schü­le­rin­nen und Schü­ler des 11. und 12. Schul­jahr­gangs unter­rich­tet und es kön­nen auch alle Abschlüs­se wie am Gym­na­si­um erwor­ben wer­den. 3§ 11 Abs. 3 Satz 4 und Abs. 4 bis 9 gilt entsprechend.

(3) Geneh­mi­gun­gen zur Errich­tung von Ober­schu­len mit Wir­kung ab 1.August 2011 kön­nen bereits vor die­sem Zeit­punkt erteilt werden.

Ein wenig Übersetzung:

Die Ober­schu­le kann bis zum Jahr­gang 6 so geführt wer­den, dass alle SuS gemein­sam unter­rich­tet wer­den – im Prin­zip hal­te ich das für eine klei­ne Renais­sance unse­rer kürz­lich abge­schaff­ten Ori­en­tie­rungs­stu­fe. Ab der 7. Klas­se wer­den die gym­na­sia­len SuS schritt­wei­se abge­son­dert, bzw. „schul­zweig­spe­zi­fisch“ unter­rich­tet (Soll-Rege­lung – beamtisch fast ein „Muss“), ab der 9. Klas­se ist das zwin­gend Vor­schrift (muss – beamtisch: geht nicht anders). Es gibt also eine äuße­re Leis­tungs­dif­fe­ren­zie­rung, jedoch eine „sanf­te­re“. In der Tat sehe ich hier so man­ches Ele­ment von koope­ra­ti­ven und inte­gra­ti­ven Gesamt­schu­len rea­li­siert, wobei es dabei durch­aus Gestal­tungs­spiel­raum zu geben scheint. Das Ding darf natür­lich nicht Gesamt­schu­le hei­ßen, da dies als 70er-Jah­re­be­griff vor allem für die CDU wahr­schein­lich ideo­lo­gisch ver­brannt ist.

Wie kommt es zu den Oberschulen?

Es mag ver­wir­ren, dass „aus­ge­rech­net die CDU“ jetzt Qua­si-Gesamt­schu­len ein­führt, jedoch ist es eigent­lich recht logisch. Mit der Ober­schu­le las­sen sich gera­de in einem Flä­chen­land eine Rei­he von poli­ti­schen und demo­gra­phi­schen Pro­ble­men lösen. Nie­der­sach­sen wird in den nächs­ten Jah­ren einen Rück­gang der Schü­ler­zah­len erle­ben, der jedoch regio­nal sehr unter­schied­lich aus­fal­len kann. Unser Land­kreis ist als katho­li­schen Dispo­ra in Ver­bin­dung mit zwei Nach­bar­krei­sen immer noch ziem­lich frucht­bar – aller­dings noch stark getra­gen durch Spätaussiedler.

Was wol­len die Schulträger?

Jun­ge Fami­li­en brin­gen eine gewis­se wirt­schaft­li­che Dyna­mik in eine Regi­on. Eine Regi­on wird attrak­tiv durch eine brei­tes und orts­na­hes Bil­dungs­an­ge­bot. Zudem lau­fen die Haupt­schu­len zur­zeit schlecht – man­che Zah­len behaup­ten, dass 70% der nie­der­säch­si­schen Haupt­schu­len nicht mehr die gesetz­lich vor­ge­schrie­be­ne Min­dest­zü­gig­keit auf­wei­sen – dafür aber oft sehr klei­ne Lern­grup­pen, klei­ne Schu­len sind teu­er. Durch die Ober­schu­le kann ich als Schul­trä­ger Schü­ler an einem Ort bün­deln und so sogar als mit­tel­gro­ße Gemein­de die Anfor­de­run­gen für einen gym­na­sia­len Zweig erfül­len – attrak­tiv und pres­ti­ge­träch­tig. Beför­de­rungs­kos­ten für SuS spa­re ich natür­lich auch.

Was wol­len die Eltern?

Ich als Vater (gesetzt, ich wäre ein sol­cher) wür­de ungern anse­hen wol­le, dass mein Kind über 20km in die nächst­lie­gen­de Bil­dungs­ein­rich­tung gekarrt wird und so Lebens­zeit in vol­len Bus­sen ver­liert, die oft an jeder Milch­kan­ne hal­ten müs­sen und damit lang­sam sind. Begrü­ßen wür­de ich auch, wenn mei­ne Kin­der in ihren gewohn­ten sozia­len Umfeld ver­blei­ben könn­ten nicht dem „Umori­en­tie­rungs­stress“ aus­ge­setzt wären. Außer­dem spa­re ich mir viel­leicht prag­ma­tisch auch so man­che Abhol­fahrt zum Freund im über­nächs­ten Dorf.

Ich müss­te aber auch abwä­gen, ob ich em Kon­zept einer Ober­schu­le so sehr ver­traue, dass ich sie einem wei­ter ent­fern­tem Gym­na­si­um vor­zö­ge. Da es noch kei­ne Ober­schu­len gibt, habe ich noch kei­nen Ver­gleich – schwie­rig. Mei­ne Ent­schei­dung gegen die Ober­schu­le wür­de ich wahr­schein­lich mit einem Jah­res­bus­ti­cket bezah­len müs­sen, wenn in mei­ner Gemein­de an der Ober­schu­le ein ent­spre­chen­des Schul­an­ge­bot vor­liegt. Ich kann mein Kind auch regu­lär an einem Gym­na­si­um anmel­den, das der Schul­trä­ger in zumut­ba­rer Ent­fer­nung vor­hal­ten muss. Natür­lich stün­de mir dann auch ein Bus­ti­cket zu. Däch­ten vie­le mit mir so, könn­te das Gym­na­si­um noch eli­tä­rer werden.

Was wol­len die Kinder?

Zuerst ein­mal sind Kin­der kei­ne Wäh­ler (das war böse). Ich könn­te mir vor­stel­len, dass Kin­der auch nicht unbe­dingt stun­den­lang Bus fah­ren und stän­dig zu ihren Freun­den gebracht wer­den wol­len. Ich den­ke, dass Kin­der durch­aus die Vor­tei­le eines ort­na­hen Bil­dungs­an­ge­bots zu schät­zen wis­sen. Ich wür­de auch begrü­ßen, dass die Lern­grup­pen mit einem 28er-Tei­ler klei­ner als z.B. an einem Gym­na­si­um sind. Ver­hält­nis­se wie in man­cher Haupt­schul­klas­se wird es hin­sicht­lich der Klas­sen­grö­ße jedoch nicht geben… In die­sem einen Punkt tritt mit Sicher­heit eine Ver­schlech­te­rung zur bis­he­ri­gen Situa­ti­on ein.

Vor­läu­fi­ges Fazit

Das Kon­zept der Ober­schu­le ermög­licht also eine Fle­xi­bi­li­sie­rung des Bil­dungs­an­ge­bots in Nie­der­sach­sen. Mit sei­nem Bil­dungs­an­ge­bot vor Ort und dem im Ver­gleich zum Gym­na­si­um klei­ne­ren Klas­sen­tei­ler ist es für Schul­trä­ger, Eltern und SuS bestimmt erst­mal interessant.

Die Ängs­te

Eine gesell­schaft­lich nicht wei­ter rele­van­te Grup­pe macht sich natür­lich auch Sor­gen: Die Leh­rer (zum Glück muss ich gesell­schaft­lich nicht nur in der Rol­le „Leh­rer“ agie­ren). Leh­rer an einer Haupt­schu­le sehen sich und ihre Schütz­lin­ge in einer viel­leicht bis­her unge­wohn­ten 28er Lern­grup­pe. Mit Pech wird eine kom­bi­nier­te Real-/Haut­schu­le durch Zusam­men­le­gung weni­ger Klas­sen haben als zwei getrenn­te Schu­len. Das spart natür­lich Per­so­nal ein, da dadurch Leh­rer­stun­den gewon­nen wer­den. Der umge­kehr­te Fall dürf­te fast nur bei einem vor­han­de­nen, gym­na­sia­len Zweig auftreten.

Wenn ein gym­na­sia­ler Zweig ange­bo­ten wird, muss der auch durch Per­so­nal bedient wer­den, d.h. even­tu­ell wird der eine oder ande­re Gym­na­si­al­leh­rer an eine Ober­schu­le abge­ord­net wer­den – pro­tes­tie­ren kann man dage­gen, hat jedoch kaum ein Argu­ment auf sei­ner Sei­te: Ent­we­der ein Leh­rer fährt oder ein gan­zer Bus SuS.

Eini­ge klei­ne Gym­na­si­en fürch­ten um ihren Bestand, wenn in ihrem Umkreis Ober­schu­len mit ihren gym­na­sia­len Zwei­gen SuS „abzie­hen“ und so die Min­dest­zü­gig­keit des betrof­fe­nen Gym­na­si­ums unter­schrit­ten wird.

Ins­ge­samt schei­nen mir die Ängs­te also pri­mär im gym­na­sia­len Umfeld ange­sie­delt zu sein, bzw. hal­te ich die­se Wahr­neh­mung für die öffent­lich präsenteste.

Lose Gedan­ken

Die Bil­dungs­re­form in Ham­burg wur­de dadurch zu Fall gebracht, dass sich das Bil­dungs­bür­ger­tum ihr ver­wei­gert hat. Die Ein­rich­tung gym­na­sia­ler Zwei­ge in Ober­schu­len könn­te davon abhän­gen, inwie­weit die hie­si­gen „Bil­dungs­bür­ger“ ent­schei­den. Ich brau­che ja eine gewis­se Min­dest­schü­ler­zahl, um den gym­na­sia­len Zweig bis zur 10. Klas­se zu füh­ren (dau­er­haft über einen Zeit­raum von zehn Jah­ren 27 ). Ange­sichts der zu erwar­ten­den demo­gra­phi­schen Ent­wick­lung dürf­te die­se auch für recht gro­ße Gemein­den schwer zu errei­chen sein, sobald es vie­le „Jah­res­bus­fahr­kar­tenkäu­fer inan­spruch­neh­mer zum nächs­ten Gym­na­si­um“ im Ort gibt. Das macht ja auch die Sekun­dar­stu­fe II an einer Ober­schu­le so bri­sant: Ich muss ja lt. Erlass erst das sprach­li­che und das natur­wis­sen­schaft­li­che Pro­fil anbie­ten, bevor ich Din­ge wie eine gesell­schaft­li­che, künst­le­ri­sche oder sport­lich ori­en­tier­te Pro­fi­lie­rung rea­li­sie­ren kann.

Schon mit 40–50 SuS in einem Ober­stu­fen­jahr­gang könn­te das orga­ni­sa­to­risch inter­es­sant wer­den… Da ist von der Pro­fi­lie­rung her ein mit­tel­gro­ßes Gym­na­si­um oder ein spe­zia­li­sier­tes Fach­gym­na­si­um attrak­ti­ver aufgestellt.

Eine Ober­stu­fe an einer Ober­schu­le ist nur in Aus­nah­me­fäl­len vor­ge­se­hen – wenn z.B. eine Gesamt­schu­le mit bestehen­der Ober­stu­fe in eine sol­che umge­wan­delt wird. Es braucht hier eine Min­dest­schü­ler­zahl von 54 SuS in der Ober­stu­fe. Die Pro­ble­me mit dem Pro­fil­an­ge­bot bleiben.

Viel­leicht ist das der Grund dafür, das eine oder ande­re Bon­bon für die Ober­schu­le her­aus­zu­rü­cken, z.B. eine sozi­al­päd­ago­gi­sche Betreu­ung und ein eben nied­ri­ge­rer Klas­sen­tei­ler als am Gym­na­si­um. Den­noch sind Ober­schu­len von den Pri­vi­le­gi­en her weit weni­ger gut aus­ge­stat­tet wie eine „rich­ti­ge Gesamt­schu­le“. Dum­mer­wei­se ent­ste­hen dadurch wohl kaum mehr sozi­al­päd­ago­gi­sche Stel­len an Ober­schu­len, da wahr­schein­lich das bestehen­de Per­so­nal an Haupt­schu­len bei der Umwand­lung schlicht über­nom­men wird.

Mit einem kom­pe­ten­ten Schul­vor­stand bie­tet die Ober­schu­le jedoch bestimmt auch Bil­dungs­po­ten­tia­le, die in der öffent­li­chen Dis­kus­si­on allen­falls ange­ris­sen oder pau­scha­li­siert dar­ge­stellt wer­den. Viel­leicht ent­steht im Zuge mei­ner Gedan­ken ja eine Dis­kus­si­on – ich habe ja nun recht viel deskri­biert und die päd­ago­gi­sche Dimen­si­on fast gar nicht umris­sen – das ist ohne kon­kre­te Bei­spie­le jedoch auch schwie­rig – es gibt eben noch kei­ne Oberschulen.

Zum Wei­ter­le­sen:

Mit der Waage zählen

Die Her­aus­for­de­rung:

In der Che­mie hat man es sehr oft mit Zah­len­ver­hält­nis­sen zu tun – sel­te­ner mit Mas­sen­ver­hält­nis­sen. Das ein­fachs­te Bei­spiel ist die soge­nann­te Sum­men- oder Ver­hält­nis­for­mel. So bedeutet

Cu2S

etwa, dass im Stoff Kupfer(I)-Sulfid immer zwei Kup­fer­ato­me auf ein Schwe­fel­atom kom­men, bzw. das Anzahl­ver­hält­nis von Kup­fer- zu Schwefelatomen

2:1

beträgt. Nun haben wir so gewis­se Pro­ble­me, Ato­me in der rea­len Welt optisch aus­zu­ma­chen – zwar kann unser Auge weni­ge Pho­to­nen wahr­neh­men, ein­zel­ne Ato­me las­sen sich damit jedoch nicht anschau­en. Selbst Elek­tro­nen­ras­ter­mi­kro­sko­pe (ste­hen eher nicht in der Schu­le her­um) machen im Prin­zip ledig­lich Elektronen(-hüllen) durch Elek­tro­nen sicht­bar – die dort abge­bil­de­te Wirk­lich­keit passt jedoch erstaun­lich gut zur Quan­ten­theo­rie. Den­noch kommt der Begriff „Atom“ (von griech. ἄτομος/átomos) schon in der Anti­ke und weit vor der Erfin­dung des Ras­ter­mi­kro­skops vor. Wie um Him­mels Wil­len sind die Men­schen dar­auf gekom­men, dass unse­re Welt aus win­zi­gen, klei­nen Teil­chen besteht?

Im Wesent­li­chen wur­de zu expe­ri­men­tel­len Befun­den eine Theo­rie ent­wi­ckelt.  Lässt man Stof­fe mit­ein­an­der reagie­ren, so tun sie das immer in einem ganz bestimm­ten Mas­sen­ver­hält­nis. Ein klas­si­sches Bei­spiel ist die­ser Ver­such. Wie kommt man aber von der Tat­sa­che, dass Stof­fe in einem bestimm­ten Mas­sen­ver­hält­nis mit­ein­an­der reagie­ren, zur Annah­me, dass Ato­me, d.h. win­zi­ge Teil­chen mit weit­ge­hend kon­stan­ter Mas­se existieren?

Mei­ne bis­he­ri­gen Lösungansätze

Schritt 1:

Ich mache im Unter­richt die­sen oder die­sen Ver­such, bzw. las­se ihn die SuS machen. Ich ach­te dar­auf, dass die Ergeb­nis­se unge­fähr hin­kom­men – des­we­gen schie­be ich oft noch die Kup­fer­oxid­ge­schich­te hin­ter­her, wenn der ers­te Ver­such nicht so ein­deu­tig ver­läuft. Man bekommt her­aus, dass Stof­fe nicht in jedem belie­bi­gen Mas­sen­ver­hält­nis mit­ein­an­der reagie­ren – anschau­lich wird das beson­ders dadurch, indem man für jede Teil­mes­sung nor­miert, d.h. z.B. immer berech­nen lässt, mit wie wel­cher Mas­se Schwe­fel bzw. Sau­er­stoff 1g Kup­fer reagiert hät­te. Dafür braucht es heu­te nicht ein­mal einen Drei­satz mehr, da ich hier in Nie­der­sach­sen Raub­bau in der Mathe­ma­tik betrei­ben kann. Die lehrt Pro­por­tio­na­li­tä­ten in ihren Spi­ral­cur­ri­cu­lum näm­lich so:

Man muss nur ope­ra­tio­na­li­sie­ren, wie man auf den Fak­tor kommt (Fall 1: Die Zahl 1 ist klei­ner als der Mess­wert, Fall 2: Die Zahl 2 ist grö­ßer als der Mess­wert). – das ken­nen die SuS aber eigent­lich aus dem Mathe­ma­tik­un­ter­richt, bzw. das kommt dann schnell wie­der. Frü­her habe ich tat­säch­lich Ver­hält­nis­glei­chun­gen mit den SuS auf­ge­löst oder Gera­den mit Stei­gungs­drei­ecken gezeich­net. Damit erle­be ich heu­te eher kei­ne Erfol­ge mehr. Es ist eben so wie es ist und die oben skiz­zier­te Rechen­ope­ra­ti­on ist durch den Mathe­ma­tik­un­ter­richt in der 7. Klas­se hier in Nie­der­sach­sen sicher eingeführt.

Schritt 2:

Ich ver­tei­le zwei Arten von Kugeln. Leich­te und schwe­re Kugeln, wobei die Kugeln bei­der Gat­tun­gen aber unge­fähr die glei­che Mas­se haben. Jede Grup­pe erhält zusätz­lich eine Waa­ge und soll mit einem defi­nier­ten Start­wert von Kugeln begin­nen, also etwa drei leich­ten und einer schwe­ren Kugel. Die Mas­se der leich­ten Kugel wird ins­ge­samt bestimmt wie auch die Mas­se der schwe­ren Kugel. In den wei­te­ren Durch­gän­gen soll das Mas­sen­ver­hält­nis von leich­ten und schwe­ren Kugel­por­tio­nen stets erhal­ten blei­ben und die jewei­li­gen Anzah­len von leich­ten und schwe­ren Kugeln sol­len notiert werden.

Eine Tabel­le könn­te dann so aussehen:

m(Kugelportion,leicht) m(Kugelportion,schwer) Quotient(leicht/schwer) n(Kugeln, leicht) n(Kugeln,schwer) Quotient(leicht(schwer)
5g 5g 1 3 1 3
10g 10g 1 6 2 3
15g 15g 1 9 3 3

Her­aus­kom­men soll natür­lich: Hal­te ich das Mas­sen­ver­hält­nis der bei­den Kugel­ar­ten kon­stant, so bleibt auch das Anzahl­ver­hält­nis kon­stant. Ich fürch­te bloß, dass heu­te kaum noch etwas mit dem Begriff „Zah­len­ver­hält­nis“ anfan­gen kann – natür­lich könn­te ich bei der Tabel­le wie­der her­ge­hen und jeweils auf eine schwe­re Kugel normieren…

Schritt 3:

Was bedeu­tet das für den Ver­such mit Kup­fer und Schwe­fel bzw. Sau­er­stoff? Eine mög­li­che Erklä­rung für unse­re Beob­ach­tung der kon­stan­ten Mas­sen­ver­hält­nis­se könn­te dar­in lie­gen, dass die Stof­fe Kup­fer und Schwe­fel aus ein­an­der glei­chen, aber stoff­spe­zi­fisch unter­schied­lich schwe­ren „Kugeln“, den Ato­men auf­ge­baut sind – es gibt fai­rer­wei­se auch ande­re Erklä­run­gen, aber das klingt erst­mal plau­si­bel. Die Kis­te so zu erklä­ren deckt sich zudem mit ande­ren Beob­ach­tun­gen aus der Chemie.

Schritt 4:

Dann kommt ein klei­ner Exkurs in den Begriff des Ver­hält­nis­ses. Ich arbei­te immer mit Mäd­chen- und Jun­gen­por­tio­nen in einer Klas­se: Wenn jeder Jun­ge 40 Kilo wiegt, wie vie­le Jun­gen sind dann in einer Jun­gen­por­ti­on mit einer Mas­se 400 Kilo ent­hal­ten?  Dann ist der Weg zur Berech­nung von Anzahl­ver­hält­nis­sen nicht mehr weit.

Von

n(Junge)=m(Jungenportion)/m(Junge)

ist es dann auch nicht mehr weit zu

n(Kupferatom)=m(Kupferportion)/m(Kupferatom)

Man kann sogar ket­ze­ri­sche Fra­gen stel­len, on die Jun­gen lie­ber in Klas­se a) wäre, für die gilt:

n(Jungen)/n(Mädchen) > 1

oder in Klas­se b), für die gilt:

n(Jungen)/n(Mädchen) < 1

Pro­blem:

Ich fin­de kei­nen über­zeu­gen­den Über­gang von Schritt 2 zu Schritt 3. Ich muss das im Unter­richt immer übers didak­ti­sche Knie bre­chen. Ich habe in die­sem Jahr auch schon Schritt 4 vor­ge­zo­gen… Immer sel­te­ner höre ich die­sen Gedan­ken­gang von mei­nen SuS. Viel­leicht ist Schritt 2 ja auch doof. Oder die SuS gehen in ihrem All­tag sel­ten mit Ver­hält­nis­sen um… . Viel­leicht lässt sich im Vor­we­ge noch mehr und etwas anders machen. Habt ihr da drau­ßen Ideen? Ich hät­te es schon ger­ne etwas selbst­be­stimm­ter, weil für mich genau so etwas ja auch natur­wis­sen­schaft­li­ches Den­ken ausmacht.

Verlorene Links – Teil 6

  1. Es gibt ein neu­es, inter­es­san­tes Leh­rer­blog – wahr­schein­lich sogar aus Nie­der­sach­sen – was ich ent­deckt habe. Der Kol­le­ge oder die Kol­le­gin schreibt anonym mit DE-Domain. Das funk­tio­niert über einen Domain­treu­hand­dienst mit Sitz in der Tür­kei. Man ist so natür­lich schon wesent­lich frei­er mit Mei­nungs­äu­ße­run­gen zum Dienstherren…
  2. Herr Rau zeigt, wie sich über CSS Zei­chen­sät­ze direkt im Web ver­drah­ten las­sen, sodass end­lich alle päd­ago­gi­schen Sei­ten in Comic Sans erschei­nen können.
  3. Auf moodle.org läuft eine Akti­on zum The­ma „49 Fra­gen zu Mood­le“ (spe­zi­el­les Forum). Spe­zi­ell ist hier­bei, dass für ein eigent­lich kol­la­bo­ra­ti­ves Vor­ha­ben das Fra­ge-Ant­wort-Forum genutzt wird, d.h. man sieht erst die Bei­trä­ge der ande­ren, wenn man auch eine Ant­wort gepos­tet hat, was ech­te Kol­la­bo­ra­ti­on und u.a. Inspiration/Evolution durch ande­re Bei­trä­ge wir­kungs­voll ver­hin­dert, aber eben auch dafür sorgt, dass man sich als „Neu­ein­stei­ger“ eben viel­leicht nicht durch Bei­trä­ge von „Mood­le­grö­ßen“ abschre­cken lässt. Ich per­sön­lich fin­de die Metho­dik gewöh­nungs­be­dürf­tig und eben „typisch Mood­le“. Wäre ich in Mood­le noch unbe­leckt, sähe das wahr­schein­lich aber anders aus…

Ähm – ich habe ges­tern ein Fort­bil­dung mei­nes Dienst­her­ren erlebt, die Sinn gemacht hat, d.h. von jeder Schu­le wur­den zwei KuK durch die Dezer­nen­ten dazu ein­be­stellt, weil es schließ­lich um das neue Kern­cur­ri­cu­lum gehen soll­te (des­sen Halb­werts­zeit wahr­schein­lich abzu­se­hen ist). Es ging um Film­ana­ly­se und es wäre metho­disch natür­lich noch mehr her­aus­zu­ho­len gewe­sen – von drei Stun­den hat­ten die Fort­zu­bil­den­den einen geschätz­ten Rede­an­teil von 0,5%. Dum­mer­wei­se habe ich mich dabei ertappt, mich von mei­ner eige­nen Nuller­war­tungs­hal­tung ein­neh­men zu las­sen und eben wie ein ech­ter Leh­rer dort zu sit­zen, des­sen Kör­per­spra­che sagt: „Sprich mich nicht an!“ Erschre­ckend, wie sehr man durch die Jah­re domes­ti­ziert wor­den ist…

Fort­bil­der kann man wohl noch mit Freu­den sein. Die Inhal­te kann ich zumin­dest für mei­nen Unter­richt sehr gut gebrau­chen und sie waren sogar auf die Pra­xis bezogen.

Warum Schulinspektion allein wertlos ist

Tho­mas Ker­stan erwar­tet gespannt die Schul­in­spek­ti­on an der Grund­schu­le sei­ner Toch­ter, bzw. natür­lich auch die Ergeb­nis­se. Die Schul­in­spek­ti­on ist ein Instru­men­ta­ri­um zu Deskrip­ti­on, zur Dar­stel­lung eines Ist-Zustan­des einer Schu­le und läuft hier in Nie­der­sach­sen hin­sicht­lich der Kri­te­ri­en in mei­nen Augen sehr trans­pa­rent ab. Sehr vie­le Res­sour­cen flie­ßen in die Orga­ni­sa­ti­on der Inspek­ti­on, per­so­nell, finan­zi­ell und ideell – es muss geschult, kon­zep­tio­niert, nach­ge­dacht, reflek­tiert wer­den. Nach der Inspek­ti­on hält die Schu­le einen über­sicht­li­chen Plan über ihre Stär­ken und Schwä­chen in der Hand. Das hört sich doch gut an, oder?

Wohl­wol­lend lie­ße sich for­mu­lie­ren, dass die Deskrip­ti­on eines Ist-Zustan­des immer der ers­te Schritt für nach­hal­ti­ge Qua­li­täts­ent­wick­lung ist. Aus mei­ner guten alten Jugend­ar­beits­zeit ist mir mit Blick auf die „Qua­li­täts­ent­wick­lung“ fol­gen­der Vier­schritt bekannt:

  1. Wo ste­hen wir?
  2. Wo wol­len wir hin?
  3. Wie errei­chen wir das Ziel?
  4. Wel­che kon­kre­ten Maß­nah­men lei­ten wir wann ein?

Die Inspek­ti­on bleibt bei der ers­ten Fra­ge ste­hen. Viel­leicht ver­schrift­licht sie ledig­lich, was an der Schu­le meist dif­fus eh schon bekannt ist – aus unse­rem Inspek­ti­ons­be­richt habe ich z.B. null Über­ra­schun­gen her­aus­ge­le­sen. Trotz­dem ist er natür­lich hilf­reich in bestimm­ten Argumentationssituationen.

Ent­schei­dend ist, dass Schu­le mit den Ergeb­nis­sen der Inspek­ti­on und den letz­ten drei Schrit­ten – also bei der eigent­li­chen Arbeit – weit­ge­hend auf sich gestellt  bleibt oder böse for­mu­liert: Damit allei­ne gelas­sen wird. Die Her­aus­for­de­run­gen sind in der jewei­li­gen Schu­len ent­stan­den – die Her­aus­for­de­run­gen sol­len jetzt intrin­sisch gelöst wer­den. Ich habe gehört, dass Schu­len A14- oder A15-Stel­len für den Bereich der Qua­li­täts­ent­wick­lung aus­schrei­ben und ich habe gehört, dass sol­che oft schul­in­tern besetzt werden.Das hal­te ich für pro­ble­ma­tisch, weil der Fokus dann schnell auf „Noch mehr neben dem Unter­richt“ gelegt wird.

Bes­ser fän­de ich ein umfang­rei­ches und qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ges Ange­bot von exter­nem Per­so­nal, um den Kern schu­li­schen Han­delns zu stär­ken, z.B. die Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung von Lehr­per­so­nen und damit den Unter­richt selbst – dafür gibt es kei­ne „inter­ne Instanz“ und die wür­de zudem dort auch gar kei­nen Sinn machen.

Der Nacht­teil liegt auf der Hand: Ein neu­es Kon­zept zu XY ist schnell instal­liert und steht dann in der Lokal­zei­tung. Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung dau­ert und ist kaum pres­se­gän­gig, weil Pres­se und Öffent­lich­keit sel­ten auf Nach­hal­tig­keit schau­en. Teu­er ist es auch. Der Tages­satz von qua­li­fi­zier­ten Refe­ren­ten fängt so bei einem Fünf­tel­jah­res­bud­get für die selbst­stän­di­ge Schu­le an – ein Topf, aus dem hier in NDS noch mehr zu bedie­nen ist… Es ist eben auch eine Fra­ge des Geldes.

Update:

Das Land Nie­der­sach­sen bie­tet den Schu­len mit der Schul­ent­wick­lungs­be­ra­tung eine kos­ten­lo­se Unter­stüt­zung an – aller­dings gehört der Auf­ga­ben­be­reich der Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung von Lehr­kräf­ten nicht zum Kata­log der Ange­bo­te – der müsst also wohl nach wie vor extern „ein­ge­kauft“ wer­den. Geschätz­te Zah­len und Infor­ma­tio­nen zum Qua­li­fi­zie­rungs­pro­zess der zur­zeit 30 Schul­ent­wick­lungs­be­ra­te­rin­nen und ‑bera­ter an vier Stand­or­ten im Land las­sen sich hier fin­den. Mir fehlt als Infor­ma­ti­on eigent­lich nur ein Link auf die Stu­die der Schwei­zer Fir­ma und Infor­ma­tio­nen zum Umfang der Stun­den­ent­las­tung des inner­halb der Schul­ent­wick­lung­be­ra­tung täti­gen Personals.

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