Und was ist mit Chromebooks?

Die Geschichte hinter der Geschichte

Ich habe ver­gan­ge­ne Woche einen Arti­kel bei Hei­se-Online zu der Fra­ge ver­öf­fent­licht, war­um iPads in deut­schen Schu­len so weit ver­brei­tet sind. Das Publi­kum bei Hei­se-Online ist i.d.R. eher tech­nik­af­fin und wesent­lich bun­ter gemischt als z.B. im Twitterlehrer:innenzimmer. Dem­entspre­chend kann man es nie­man­dem Recht machen, weil immer irgend­was nicht erwähnt oder zu ver­kürzt  dar­ge­stellt ist – oder man wahl­wei­se eh kei­ne Ahnung hat. Das ist der Fluch der Zei­chen­be­gren­zung. Beson­de­re Wel­len im Nach­gang schlug die Fra­ge, inwie­fern Chrome­books nicht eine gute Alter­na­ti­ve dar­stel­len wür­den. Die­se räum­ten schließ­lich auch gera­de die US-ame­ri­ka­ni­schen Markt auf.

Tat­säch­lich hal­te ich selbst Chrome­books tech­nisch dem iPad mitt­ler­wei­le für über­le­gen, ins­be­son­de­re im Hin­blick auf die zuneh­men­de Ver­an­ke­rung des Faches Infor­ma­tik (ja, es geht vor­an) an den Schu­len. Ich wäre tech­nisch sehr glück­lich mit Chrome­books in der Schu­le. Aber es geht nicht um mich. Das müs­sen gera­de wir Män­ner in Bera­tungs­pro­zes­sen immer wie­der neu lernen.

Die Perspektive des medienpädagogischen Beraters

In mei­ner Rol­le als medi­en­päd­ago­gi­scher Bera­ter bin ich prin­zi­pi­ell zu Neu­tra­li­tät ver­pflich­tet. Ich muss unter­schied­li­che Sys­te­me gleich­wer­tig neben­ein­an­der stel­len. Pro­dukt­vor­stel­lun­gen las­se ich i.d.R. die betref­fen­den Fir­men oder deren Distributor:innen machen. Schu­len defi­nie­ren dann ihre Anfor­de­run­gen und man schaut ins Umfeld der Schu­le, wel­che Resour­cen z.B. für Admi­nis­tra­ti­on und Garan­tie­ab­wick­lung vor­han­den sind. Wie sehen die Beschaf­fungs­struk­tu­ren beim Trä­ger aus? Und man schaut in das päd­ago­gi­sche Umfeld: Womit arbei­ten eigent­lich im Fal­le der Grund­schu­len die wei­ter­füh­ren­den Schu­len? Wel­che Sys­te­me sind in der beruf­li­chen Bil­dung eta­bliert? Wel­che über­schu­li­schen Koope­ra­ti­ons­mög­lich­kei­ten tun sich auf? Schu­len sind zudem zuneh­mend sen­si­bi­li­siert für Fra­gen des Daten­schut­zes und des Urhe­ber­rechts. Alle Anfor­de­run­gen und Wün­sche erfüllt heu­te kein Sys­tem. Wer bei der Beschaf­fung von End­ge­rä­ten für Schüler:innen nur auf die jewei­li­ge Schu­le schaut, denkt m.E. deut­lich zu kurz. Für den Erfolg oder Miss­erfolg einer Ein­füh­rung von End­ge­rä­ten gibt es deut­lich mehr Gelin­gens­be­din­gun­gen als rein technische.

Die Voraussetzungen vor Ort

Mein eige­ner Land­kreis ist rela­tiv fest in der Hand von IServ. Des­sen MDM kommt bis­her nur mit iPads zurecht. Daher gibt es hier vor Ort schon rein prag­ma­tisch bestimm­te Vor­ga­ben, die sich aber auch fle­xi­bel ändern. Unser Medi­en­zen­trum betreibt z.B. einen Big­BlueBut­ton-Clus­ter als Video­kon­fe­renz­lö­sung, die nach­mit­tags auch gemein­nüt­zi­gen Ver­ei­nen und ande­ren Bil­dungs­ein­rich­tun­gen offen­ste­hen wür­de – allein unser Mar­ke­ting dafür ist noch zu schlecht. Es gibt ein eige­nes Ether­pad, Din­ge wie einen Onlineau­dio­edi­tor, eine Video­dis­tri­bu­ti­ons­platt­form oder ein Sys­tem zur Vor­be­rei­tung von Tafel­bil­dern. Vie­le ande­re Medi­en­zen­tren sind da noch nicht soweit mit ihrem Ange­bot an frei­en Softwarelösungen.

Bei Thema bleiben: Chromebooks?

Tat­säch­lich gibt es Schu­len in kom­mu­na­len Trä­ger­schaf­ten des Land­krei­ses, die eher Rich­tung Chro­me­OS oder auch Android gehen möch­ten. Daher habe ich mir in Koope­ra­ti­on mit einem Dis­tri­bu­tor drei Gerä­te ange­schaut, die über die Goog­le Admin-Kon­so­le steu­er­bar waren. Durch den Dis­tri­bu­tor wur­de die „Mana­ged Guest Ses­si­on“ als daten­schutz­kon­for­me Kon­fi­gu­ra­ti­ons­mög­lich­keit vor­ge­stellt. Dabei wer­den nach jeder Abmel­dung sämt­li­che Ein­stel­lun­gen vom Gerät gelöscht, sodass z.B. ein Nut­zer, der das Gerät am glei­chen Schul­tag ver­wen­det, kei­nen Zugriff auf frem­de Inhal­te und Doku­men­te hat. Ein Goo­gle­kon­to ist zur Nut­zung der Gerä­te dabei nicht not­wen­dig. Die Nut­zung erfolgt kom­plett anonym – aller­dings ist der Ein­satz­zweck damit begrenzt: Die­ser Modus eig­net sich eigent­lich nur für „Kof­fer­ge­rä­te“, die man für ein­zel­nen Schul­stun­den ent­leiht. Tech­nisch ent­spricht das dem Gast­mo­dus von Shared-iPads.

Bei persönlichen Geräten möchte man etwas anderes

Chrome­Books zeich­nen sich dadurch aus, dass sowohl Ein­stel­lun­gen, Datei­en und sons­ti­ge Inhal­te mit den Cloud­sys­te­men von Goog­le abge­bil­det wer­den. Eine loka­le Nut­zung ist tech­nisch begrenzt mög­lich, beschnei­det aber die Ein­satz­mög­lich­kei­ten enorm. Bei einem Gerät, was kein Kof­fer­ge­rät ist, möch­te man die­sen Kom­fort nut­zen können.

Dazu wird tech­nisch ein Goo­gle­kon­to benö­tigt. Die­ses kann man zwar über alter­na­ti­ve Authen­ti­fi­zie­rungs­sys­te­me wie z.B. auch IServ nut­zen – gleich­wohl muss eine wie immer gear­te­te Kopp­lung zwi­schen Authen­ti­fi­zie­rungs­me­tho­de und einem Benut­zer­ac­count in Goog­le Class­room statt­fin­den. Der Vor­schlag zum daten­schutz­kon­for­men Ein­satz lau­tet in dem Fall: Pseud­ony­mi­sie­rung, d.h. man erstellt Kon­ten mit Fan­ta­sie­na­men. In Bil­dungs­kon­tex­ten sind Fan­ta­sie­na­men wie­der­um sehr unprak­tisch – vor allem bei Koope­ra­ti­on und Kol­la­bo­ra­ti­on. Goog­le garan­tiert für Bil­dungs­in­sti­tu­tio­nen, dass Daten von Schüler:innen nicht für Wer­be­zwe­cke genutzt wer­den – mit Schrems II ist klar, dass US-Anbie­ter daten­schutz­tech­nisch bis­her alle das glei­che Pro­blem haben. Das Behar­ren von z.B. Micro­soft auf „Tele­me­trie­da­ten zur Ver­bes­se­rung der Nut­zungs­er­fah­rung“ gibt deut­lich Hin­wei­se dar­auf, wor­um es Anbie­tern letzt­lich geht. Das ist bei Erwach­se­nen, die die tech­ni­schen Abläu­fe dahin­ter nicht ver­ste­hen, schon frag­wür­dig, bei Schutz­be­foh­le­nen, die der Schul­pflicht unter­lie­gen, aus mei­ner Sicht ein kla­res Ausschlusskriterium.

Goog­le muss die­se Daten auch gar nicht nut­zen. Es reicht, die­se Daten zu haben, um sie spä­ter nut­zen zu kön­nen. Die Pseud­ony­mi­sie­rung schützt davor gera­de nicht – zuneh­mend wei­chen Anbie­ter auf bio­me­tri­sches Track­ing aus, was inner­halb einer kon­zern­ei­ge­nen Platt­form noch ein­mal wesent­lich bes­ser funktioniert.

Bei App­le­pro­duk­ten ist es für eine Schu­le schon schwie­rig, im Fal­le von exter­nen Anfra­gen eine daten­schutz­kon­for­me Nut­zung nach­zu­wei­sen – die offe­ne Flan­ke sind hier tat­säch­lich „nur“ die MDM-Sys­te­me so man nicht App­les Class­room App nutzt.  Bei der per­so­na­li­sier­ten Nut­zung von Goog­le-Class­room oder der Online-Office­suite von Goog­le dürf­te das unmög­lich werden.

Und ja: In ihrer Frei­zeit machen Schüler:innen ja sol­che Din­ge auch und gehen viel sorg­lo­ser mit die­sen Daten um. Aus Eltern- oder Anbie­ter­per­spek­ti­ve ist die­se Argu­men­ta­ti­on nach­voll­zieh­bar – als Bera­ter kann ich mir das so nicht erlauben.

Bei iPads brau­che ich kei­nen per­so­na­li­sier­ten Nut­zer (obwohl dadurch vie­les deut­lich prak­ti­scher wird). Ich kann als Insti­tu­ti­on das Gerät trotz­dem weit­ge­hend auf die Anfor­de­run­gen der Schu­le zuschnei­den (das geht über die Admin­kon­so­le von Goog­le auch) und Ein­ga­ben wie z.B. Anmel­de­da­ten auf dem Gerät selbst erhal­ten. Das geht bei der „Mana­ged Guest Ses­si­on“ bei Chrome­books nicht und braucht – zumin­dest nach mei­nen Erfah­run­gen mit den Leih­ge­rä­ten  – eine per­so­na­li­sier­te Anmel­dung. Da vie­le Men­schen kein pra­xis­taug­li­ches Manage­ment von Zugangs­da­ten haben – Schüler:innen bis auf Aus­nah­men schon gar nicht – wird man im Unter­richt viel Zeit genau damit ver­lie­ren, Zugangs­da­ten wie­der­her­zu­stel­len oder zu besorgen.

Schließ­lich kann lokal nicht gespei­chert wer­den: Jedes Unter­richts­pro­dukt, jeder Text muss irgend­wie im Web erstellt oder dort abge­legt wer­den. Die Goo­gle­welt lebt von einem per­so­na­li­sier­tem Zuschnitt. Ohne sind die Kom­fort­ein­bu­ßen und der Ver­lust an päd­ago­gi­schen Mög­lich­kei­ten immens. Als rei­nes Zugangs­ge­rät für web­ba­sier­tes Arbei­ten sind Chrome­books hin­ge­gen m.E. unschlag­bar und eine ech­te Alter­na­ti­ve zu iPads. Doch wel­che Schu­le ver­fügt dazu bis­her über eine ent­spre­chen­de Infra­struk­tur ohne vom Regen in die Trau­fe zu kom­men wie etwa bei Office 365 – was eine per­so­na­li­sier­te Anmel­dung erfordert?

Wie würde ich Chromebooks nutzen?

Ich arbei­te seit Jah­ren web­ba­siert. Mit der Mana­ged Guest Ses­si­on ist eine tech­ni­sche Grund­la­ge geschaf­fen, zumin­dest in der Schu­le daten­schutz­kon­form zu arbei­ten. Zu Hau­se kön­nen natür­lich alle Fami­li­en­mit­glie­der auf eige­ne Ver­ant­wor­tung wild ihre Goog­le-Accounts nut­zen – ggf. leis­tet man dem Vor­schub, wenn man Chrome­books in der Schu­le nutzt – aber das ist bei Apple umge­kehrt ja auch so. Ich kann mir das „leis­ten“, weil ich seit Jah­ren kei­ne Schul­bü­cher nut­ze und dazu auch die ent­spre­chen­den Fächer habe, die das ermög­li­chen. Für eine gan­ze Schu­le ist das erst­mal noch nichts in mei­nen Augen.

Sobald über die Schu­le beschaff­te Inhal­te ver­teilt wer­den sol­len, wird es wie­der haa­rig, wenn Tot­holz (= Papier) dabei kei­ne Rol­le spie­len soll. Da hat Apple mit dem ASM wie­der die Nase vorn. Wer heu­te schon kei­ne loka­len Apps braucht (man kommt auch ohne aus) und über eine DS-GVO-kon­for­mes, web­ba­sier­tes Cloud­sys­tem ver­fügt – dem wür­de ich auf gar kei­nen Fall zu iPads raten, das geht dann mit Chro­me- oder Linux­note­books deut­lich bes­ser – selbst rechts­kon­for­me Prü­fun­gen wären mög­lich, wenn­gleich je nach Sys­tem tech­nisch noch etwas tri­cky zu organisieren.

 

Twitter mit Institutionsaccount (na, so halb)

Trans­pa­renz­dis­clai­mer:

Die­ser Arti­kel schlum­mert seit etwa drei Mona­ten als Ent­wurf im Blog. Ich habe ihn jetzt her­aus­ge­holt, weil die Kon­flik­te im Twitterlehrer:innenzimmer jetzt wie­der an einer Stel­le sind, an der sie schon vor drei Mona­ten waren und in drei Mona­ten wie­der sein wer­den. Ihr wer­det das Alter des Arti­kels an Ent­wick­lun­gen mer­ken, die schon jetzt nach drei Mona­ten wie­der weit­ge­hend Geschich­te sind.

Und los:

Ich ver­ges­se jedes Jahr wie­der, dass Kon­flik­te auf Twit­ter unter ver­schie­de­nen Grup­pen enorm eska­lie­ren. Eigent­lich müss­te man jedes Jahr im Novem­ber (und in Pan­de­mie­jah­ren wohl zusätz­lich vor den Som­mer­fe­ri­en) eine ent­spre­chen­de Warn­mel­dung herausgeben.

Ich will nicht mehr emo­tio­nal in die­sen Stru­del gezo­gen wer­den – den per­sön­li­chen Account hat­te ich schon im Spät­som­mer 2019 auf­ge­ge­ben. Jetzt ver­su­che ich es mit einem „Institutions“-Account, der bei Lich­te bese­hen eigent­lich kei­ner ist.

Zeit, ein­mal ein Resü­mée zu ziehen:

  1. Es gelingt mir gut, mich aus öffent­li­chen Meta­dis­kus­sio­nen her­aus­zu­hal­ten. Ich ver­wen­de die­se Ener­gie für Din­ge, die ich für nach­hal­ti­ger hal­te, z.B. für die loka­le Vernetzung.
  2. Ich füh­le mich dar­in bestärkt, dass es ab einer bestimm­ten Reich­wei­te sehr schwie­rig wird, einen vor­her abge­steck­ten Kurs zu hal­ten. Es gibt Effek­te, die man nicht leicht han­deln kann, z.B. den Umgang mit Öffent­lich­keit. Viel Auf­merk­sam­keit bedeu­tet viel Stress und zieht Kraft. Ich bin z.B. nie­mand, der es genie­ßen kann, viel Auf­merk­sam­keit zu bekom­men. Tat­säch­lich habe ich immer wie­der Kon­takt zu z.B. Jour­na­lis­ten, gebe da aber eher Tipps zu Kon­tak­ten oder Ansatz­punk­ten. Das ist eine Form von Auf­merk­sam­keit, die ich ehr­li­cher­wei­se sehr genie­ße. Und: Ich habe tat­säch­lich die Foren­re­ak­ti­on auf Hei­se Online im Kon­text eines Arti­kels rela­tiv unbe­ein­druckt über­stan­den. Da kann man jetzt Schritt für Schritt muti­ger werden.
  3. Ich füh­le mich dar­in bestärkt, dass es sehr schwie­rig ist, ab einer bestimm­ten Reich­wei­te nicht Ver­su­chun­gen zu erlie­gen, z.B. Posts danach vor­zu­fil­tern, wie­viel Reich­wei­te sie womög­lich erzeugen.
  4. Es ist eigent­lich mei­ne erklär­te Absicht, Twit­ter als Bau­stein für eine mehr lokalere Ver­net­zungs­stra­te­gie zu nut­zen, um z.B. Lehr­kräf­te aus Nie­der­sach­sen geziel­ter anzu­spre­chen. Das kol­li­diert natür­lich mit der regio­na­len Unge­bun­den­heit von Twit­ter. Aller­dings ist momen­tan das Inter­es­se an Ange­bo­ten zu Digi­krams so groß, dass schon der Ein­trag in die Ver­an­stal­tungs­bank des Lan­des reicht, um Fort­bil­dun­gen an Teilgeber:innen zu bringen.
  5. Twit­ter hat für die „Magie“ hin­ter Ver­än­de­rungs­pro­zes­sen kei­ner­lei Rele­vanz. Die pas­siert ganz woan­ders, z.B. hier in Nie­der­sach­sen bei einer zuneh­men­den Ver­net­zun­gen von Bera­tungs­sys­te­men über Insti­tu­ti­ons­gren­zen hin­weg. Das ist übri­gens recht har­te Arbeit, umso här­ter, je expo­nier­ter die eige­ne Posi­ti­on im Sys­tem ist. Auch die­se Expo­nie­rung ver­mei­de ich noch. Dar­an wird in der Zukunft noch zu arbei­ten sein.
  6. Twit­ter spielt für die Hil­fe im All­tag unter­ein­an­der eine immense Rol­le. Das funk­tio­niert am aller­bes­ten über zusätz­li­che Bin­dun­gen auf ande­ren Kanä­len. Die Wohl­fühl­b­la­sen sind für Außen­ste­hen­de oft weder wirk­lich zugäng­lich noch ohne wei­te­ren Kon­text über­haupt ver­steh­bar. Gleich­zei­tig bie­ten sie aber einen unglaub­li­chen Reiz, dass man sie z.B. aus theo­re­ti­schen Über­le­gun­gen her­aus kri­ti­siert, z.B. weil man den Ein­satz eines bestimm­ten Tools aus dem eige­nen Ver­ständ­nis von Digi­ta­li­tät bewer­tet bzw. „dif­fe­ren­ziert und kri­tisch dis­ku­tie­ren will“. Das war z.B. mei­ne gro­ße Fal­le, in die ich jah­re­lang getappt bin.
Das Konzept der intendierten Öffentlichkeit aus Konfliktauslöser

Phil­ip­pe Wampf­ler hat in einem ande­ren Kon­text auf das Kon­zept der inten­dier­ten Öffent­lich­keit von Anil Dash hin­ge­wie­sen. Ich glau­be, dass dar­in der ers­te Schlüs­sel für vie­le Kon­flik­te liegt.

Ein gar nicht so kon­stru­ier­tes Bei­spiel, wovon für mich immer wie­der Initi­al­zün­dun­gen ausgehen:

Wenn ich dar­auf stolz bin, ein Tool ein­ge­setzt zu haben, besteht die Mög­lich­keit, dass ich nicht „kri­tisch hin­ter­fragt“ wer­den möch­te, son­dern mei­ne Erfah­run­gen nur in einem bestimm­ten Adres­sa­ten­kreis wei­ter­ge­ben zu wol­len. Dass mir z.B. Bil­dungs­in­ter­es­sier­te oder Didak­ti­ker fol­gen, wird mir u.U. erst im Pro­zess deutlich.

Die Kri­tik und die Rück­fra­gen von Außen­ste­hen­den müs­sen dar­über hin­aus einen bestimm­ten Kon­text kon­stru­ie­ren (wohl­wol­lend oder z.b. kri­tisch) – für etwas ande­res ist Twit­ter gene­rell zu begrenzt. Die Beur­tei­lung des Gegen­übers z.B. auf Basis eines iso­lier­ten Tweets ist für mich mit der jour­na­lis­ti­schen Situa­ti­on ver­gleich­bar, in der Zita­te aus dem Zusam­men­hang geris­sen wer­den, um einen bestimm­ten Frame zu set­zen – nur tun das die Tweeten­den in iro­ni­scher Wei­se im Prin­zip ja durch den Tweet selbst.

Tief­grei­fen­de Dis­kus­sio­nen führt man nicht auf 240-Zei­chen – der neue Trend ist ja auch „Ein Thread“ (qua­si das Pen­dant der Sprach­nach­richt auf Twit­ter). Der Ein­satz eines Tools im Unter­richt in sei­nem Kon­text kann ja nicht öffent­lich sein, sich aber dadurch durch­aus relativieren.

Jeman­dem, der sich schon lan­ge auf Social­me­dia bewegt, sind die Dyna­mi­ken von Online­kom­mu­ni­ka­ti­on bewusst. Die „alten Hasen“ ken­nen teil­wei­se auch die Geschich­te hin­ter der Geschich­te. Neu­lin­ge nicht. Das wird leicht ver­ges­sen. Der Grad zwi­schen der Zuschrei­bung von „man­geln­der Kri­tik­fä­hig­keit“ und „Über­for­de­rung“ ist schmal. „Das ist doch hier schon 100mal widerlegt/geklärt/diskutiert wor­den!“ hal­te ich für einen Aus­druck die­ser Asymmetrie.

Und die ideel­len Macht­ver­hält­nis­se sind nicht nur dadurch asym­me­trisch. Auf Twit­ter und spe­zi­ell im Twitterlehrer:innenzimmer sind nicht alle „gleich“ und „auf Augen­hö­he“. Das ist in mei­nen Augen eine roman­ti­sche und nai­ve Web­fan­ta­sie. Dahin­ter steckt viel­leicht viel­mehr der Wunsch nach einer Platt­form oder Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ebe­ne, auf der es so emp­fun­den wird.

Asym­me­tri­sche Macht­ver­hält­nis­se konn­ten his­to­risch schon immer allein durch Soli­da­ri­tät und Grup­pen­bil­dung aus­ge­gli­chen wer­den. Das geschieht auf Twit­ter. Es wird sich in dem Maße ver­stär­ken, in dem asym­me­tri­sche Macht­ver­hält­nis­se igno­riert bzw. weg­ro­man­ti­siert wer­den. Es sind defi­ni­tiv nicht alle gleich. Gefor­dert sind hier vor allem die ideell Mäch­ti­gen – zuneh­mend aber auch im Aus­hal­ten per­sön­li­cher Angriffe.

Wirk­lich gro­ße Accounts wie der von in die­sem Jahr wirk­lich prä­sen­ten Vere­na Paus­der lächeln das nach anfäng­li­cher Ver­wir­rung weg. Da ste­hen oft ein Team und gewis­se Mar­ke­ting­ress­our­cen zur Reich­wei­ten­er­hö­hung zur Seite

 

Als wäre das nicht schon kompliziert genug

Mit Digi­ta­li­tät und Schu­le lässt sich Geld ver­die­nen. Um Geld ver­die­nen zu kön­nen, braucht es Auf­merk­sam­keit. Auf­merk­sam­keit an sich ist auf Social­me­dia eine begrenz­te Res­sour­ce und eigent­lich auch sowas wie Geld. Geld und Auf­merk­sam­keit ver­dient man momen­tan nicht mit Ent­wür­fen einer refor­mier­ten Schu­le. Man ver­dient es mit Inhal­ten und Mate­ria­li­en, die den Bedürf­nis­sen des Sys­tems Schu­le jetzt und hier maxi­mal ent­ge­gen­kom­men. Fragt man Ver­la­ge, wie das Ver­hält­nis zwi­schen „tech­ni­sier­ten“ und Print­pro­duk­ten bei der Wert­schöp­fung ist, ist die Ant­wort klar, was vie­le Lehr­kräf­te zur­zeit immer noch wün­schen und kau­fen. Das kann mir gefal­len oder nicht.

Ich fin­de immer wie­der Par­al­le­len zu den SUV-Ver­käu­fen: Es gibt kei­ne objek­ti­ven Grün­de, sich einen Stadt­pan­zer zuzu­le­gen. Kri­ti­sche Geis­ter hört man sich ger­ne auf Vor­trags­aben­den zum Kli­ma­wan­del an – dann hat man ja schon etwas getan. Und die sich sowas wie SUVs nicht leis­ten kön­nen, sind ent­we­der nei­disch oder Spaß­brem­sen. Fer­tig. Danach steigt man allei­ne in den eige­nen SUV und fährt nach Hause.

Was errei­che ich dadurch einen SUV-Fah­rer immer wie­der öffent­lich kri­tisch zu hin­ter­fra­gen? Wel­che „Dia­log“ auf Augen­hö­he kann ich erwar­ten ange­sichts mei­ner „mora­li­schen“ / „theo­re­ti­schen“ oder sonst wie gear­te­ten „Über­le­gen­heit“? Erwar­te ich wirk­lich einen Dia­log und möch­te ich mich in mei­ner Argu­men­ta­ti­on bestä­tigt sehen? Weiß ich nicht schon, dass das Gegen­über auf der sach­li­chen Ebe­ne (den emo­tio­na­len Aspekt in Dis­kur­sen kürzt man lie­ber raus) wenig ent­ge­gen­zu­set­zen hat?

Wenn ich Vor­trä­ge an Schu­len zu Digi­ta­li­tät hal­te, ist das im Grun­de struk­tu­rell sehr ähn­lich. Das mache ich mir nichts vor.

Oft gibt es Zustim­mung. Oder alle sind recht platt und baff. Nach einer Wei­le: „Und wie set­zen wir das jetzt im Aus­bil­dungs­gang x in der Ein­heit y um?“ Der (mitt­ler­wei­le still gedach­te)  Satz „Ja das ist doch ihre Kom­pe­tenz als Fach­ob­frau/-mann!“ hilft da nicht wirk­lich. Eigent­lich stellt er eher bloß.

Des­we­gen habe ich oben auch geschrie­ben, dass Twit­ter für noch recht bedeu­tungs­los bei die­sem gro­ßen The­ma hal­te. Die Ver­bin­dun­gen vom Bil­dungs­jour­na­lis­mus zur Lehr­kräf­te­sze­ne auf Twit­ter ist noch zu schwach. Aber auch die­se Stun­de wird kommen.

Es geht auf Twit­ter und über­haupt in sozia­len Medi­en immer um Auf­merk­sam­keit. Auf­merk­sam­keit für die Ver­mark­tung von Ideen, Kon­zep­ten, Ver­an­stal­tun­gen und Theo­rien. Mei­nen „neu­en“ Account gibt es allein des­halb. Um Auf­merk­sam­keit für mei­ne Ange­bo­te, die Ange­bo­te der Medi­en­be­ra­tung und die Medi­en­zen­tren zu generieren.

 

Kaffeesatzlesen

Twit­ter wird sich in die­sem Jahr noch stär­ker seg­men­tie­ren in Unter­grup­pen. Kom­mu­ni­ka­ti­on über die­se Grup­pen wird sich zuneh­mend ver­kom­pli­zie­ren, weil sich die Wer­te und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­dür­fe die­ser Grup­pen sich immer stär­ker von­ein­an­der unter­schei­den wer­den. Immer weni­ger neue Kolleg:innen wer­den dem gewach­sen sein und sich u.U. rasch wie­der abwenden.

Schwachstellen im Schulsystem

Seit gerau­mer Zeit bewe­ge ich mich mehr in einer Beob­ach­ter­po­si­ti­on im Schul­sys­tem. Ich habe regel­mä­ßig Kon­takt mit allen denk­ba­ren Hier­ar­chie­ebe­nen. Das liegt vor allem dar­an, dass Medi­en­be­ra­tung mas­siv in Fokus gerät, seit­dem „Digi­ta­li­sie­rung“ als eines der poli­ti­schen Haupt­the­men in Erschei­nung tritt. Zuneh­mend fährt man als medi­en­päd­ago­gi­sche Bera­tung nicht mehr „unter dem Radar“, son­dern ich bin mit mei­nen Kolleg:innen durch­aus in Pro­zes­se von lan­des­wei­ter Bedeu­tung hier in Nie­der­sach­sen ein­ge­bun­den. Dadurch dass alles gera­de „ganz schnell“ gehen muss, kommt es immer wie­der zu Begeg­nun­gen mit sehr grund­sätz­li­chen Schwach­stel­len im Sys­tem, die m.E. man eigent­lich „nur“ gezielt „unter Feu­er“ neh­men müss­te, um Ver­än­de­run­gen zu beschleu­ni­gen. Als Beam­ter fehlt aller­dings das Instru­men­ta­ri­um, bzw. es soll­te tun­lichst im Schrank blei­ben, wenn die eige­ne Macht­po­si­ti­on ledig­lich eine ideel­le ist. „Unter Feu­er neh­men“ ist dabei wirk­lich kein schö­ner Aus­druck, aber ein guter Spie­gel so man­ches Wun­sches, der einem manch­mal kommt. Wel­che Schwach­stel­len mei­ne ich?

Schwachstelle 1: Alle müssen unter allen Umständen ihr Gesicht wahren können

Im Schul­sys­tem arbei­ten Men­schen in Lei­tungs­po­si­tio­nen, die Feh­ler machen. Darf man das offen benen­nen? Einer der wesent­li­chen stil­len Ver­trä­ge schreibt m.E. unge­sagt fest, dass das nicht gesche­hen darf. Ich ken­ne Schul­lei­tun­gen, die ver­sucht haben, offen damit umzu­ge­hen und erle­ben muss­ten, dass ihnen das nicht als Stär­ke ange­rech­net wur­de. Es gibt „Sprach­re­ge­lun­gen“ – durch­aus auch für mas­si­ves Fehl­ver­hal­ten, z.B. „nicht den not­wen­di­gen Abstand zu Schüler:innen ein­ge­hal­ten“. Im Grun­de geht es für mich dabei dar­um, Ver­ant­wor­tung zu ent­per­so­na­li­sie­ren. Auf Schul- und Schul­amts­ebe­ne wird nur das repro­du­ziert, was u.a. Pres­se­ab­tei­lun­gen von Minis­te­ri­en vor­le­ben. Wenn sich etwas nicht 120%ig auf eine Rege­lung oder einen Erlass zurück­füh­ren lässt, gibt es äußerst sel­ten schrift­li­che Aus­künf­te oder Gesprä­che in grö­ße­ren Grup­pen. Das gespro­che­ne Wort genießt in Deutsch­land einen hohen Schutz­sta­tus und ist rela­tiv leicht glaub­haft im Nach­hin­ein erin­ne­rungs­tech­nisch modifizierbar.

Ich bin selbst Teil die­ser stil­len Ver­trä­ge. Mate­ria­li­en und Vor­ga­ben, die ich oder mei­ne Kolleg:innen pro­du­zie­ren, erschei­nen „ent­per­so­na­li­siert“ auf offi­zi­el­len Web­sei­ten und sind von außen nur immens schwie­rig einer Per­son zuzu­ord­nen. Das ist manch­mal ganz ange­nehm, aller­dings pro­fi­tie­re ich auch indi­rekt davon, was ich an ande­rer Stel­le kri­ti­sie­re. Ich kann Inhal­te set­zen – ganz ohne Verantwortung.

Eigent­lich steckt für mich dahin­ter ins­ge­samt viel Angst. Angst z.B. vor einer media­len Dar­stel­lung, die sehr ver­kürzt und oft „pla­ka­tiv“ ope­riert, damit Kom­ple­xi­tät mög­lichst ein­fach zu ver­ste­hen ist. Oder Angst, an Glaub­wür­dig­keit zu ver­lie­ren. Die­se Angst ist gera­de im Beam­ten­sta­tus objek­tiv eigent­lich völ­lig unbe­grün­det (zumin­dest wirt­schaft­lich), aber auch ich muss beim öffent­li­chen Schrei­ben die­se im Sys­tem ver­an­ker­ten Ängs­te immer mit­den­ken und im Blick haben – zumu­te ist mir manch­mal durch­aus anders.

Ich arbei­te in einem Umfeld, in dem mein Vor­ge­setz­ter mir bei Feh­lern immer sagt: „Und Maik, has­te was draus gelernt?“ – und danach wird bespro­chen und es geht wei­ter. Das pas­siert übri­gens inner­halb des Sys­tems. Abso­lut ist nichts.

Schwachstelle 2: Angst vor Öffentlichkeit

Eigent­lich hängt die­se Schwach­stel­le sehr eng mit der ers­ten zusam­men. Im Beam­ten­sys­tem ist immens stark regle­men­tiert, wer sich zu was im Sys­tem öffent­lich äußern darf. Die Kon­se­quen­zen bei einer Über­schrei­tung sind rela­tiv deut­lich. Das bekom­men Jour­na­lis­ten zu spü­ren, die zitier­ba­re Aus­sa­gen von Lehr­kräf­ten in Inter­views erhal­ten möch­ten. Oft bin ich schon gefragt wor­den, ob ich Schu­len ken­nen wür­de, die dies und jenes schon rea­li­siert haben oder in die­ser oder jener Pro­blem­stel­lung ste­cken. Natür­lich ver­su­che ich, Kon­tak­te her­zu­stel­len, aller­dings steht davor immer das Bera­tungs­ge­heim­nis: Ich ent­schei­de nicht, ob eine Schu­le sich zu die­ser oder jener Sache äußern möch­te. Ich iden­ti­fi­zie­re nicht für Jour­na­lis­ten Schu­len, die zu die­ser oder jener Fra­ge­stel­lung pas­sen OHNE mir vor­her die Legi­ti­ma­ti­on zu holen. Und genau da wird es immer wie­der schwie­rig: Das braucht u.U. so viel Zeit, dass Dead­lines in Redak­tio­nen dann schon längst ver­stri­chen sind und die Sache dann im San­de ver­läuft. Es gibt eine unglaub­li­che Scheu, sich als Schul­lei­tung öffent­lich zu bestimm­ten Abläu­fen im Schul­sys­tem zu äußern – wahr­schein­lich weil die Abhän­gig­kei­ten sehr groß sind, z.B. bei der Lehrer:innenversorgung. Zu all­ge­mei­nen poli­ti­schen Aus­sa­gen geht das zuneh­mend. Zu Her­aus­for­de­run­gen, die „dienst­in­tern“ auf­tre­ten, geht das nicht, da die Treue­pflicht dem ent­ge­gen­steht. Aller­dings sit­zen in Schul­vor­stän­den, in denen sol­che Din­ge dis­ku­tiert wer­den, stets auch Per­so­nen, die nicht die­sen Regu­la­ri­en unter­lie­gen und die direk­te Anfra­gen ohne Ein­hal­tung des Dienst­we­ges an die Behör­de stel­len könn­ten – was im ers­ten Schritt ein Gebot der Fair­ness wäre, bevor man nach außen geht. Den­noch: Die Angst vor Öffent­lich­keit ist tief ver­wur­zelt im Schul­sys­tem und sie ist daher geeig­net, Ver­än­de­run­gen zu beschleunigen.

Schwachstelle 3: Rang sticht inhaltliche Kompetenz

Der/Die A15er:in ent­wirft Kon­zep­te, der/die A14er:in setzt die­se dann in der Schul­ge­mein­schaft um!“ (Bit­te nicht über die Besol­dungs­stu­fen wun­dern, ich kom­me aus einem gym­na­sia­len Sys­tem). Anders geht es anschei­nend nicht. Die­ses Den­ken ist tief ver­wur­zelt in man­chen Schul­struk­tu­ren. Als ich damals ange­fan­gen habe, kon­se­quent nach die­sem Anspruch zu arbei­ten, hat­te ich auf ein­mal viel weni­ger zu tun (und weni­ger Moti­va­ti­on, viel weni­ger Spaß sowie erst­mal schlaf­lo­se Gewis­sens­näch­te). Ich war ja nur der­je­ni­ge, der umsetzt. Die gan­zen Trans­ak­ti­ons­kos­ten für unaus­ge­go­re­ne Pro­jek­te konn­te ich dann nach oben wie­der abge­ben. Um die­sen Mecha­nis­mus aus­zu­he­beln, muss man nur auf­hö­ren, unaus­ge­go­re­ne Über­le­gun­gen aus Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein „zu ret­ten“ und „nach­zu­steu­ern“. Man könn­te die Ver­ant­wor­tung ein­fach nur dahin umlei­ten, wo sie hin­ge­hört, anstatt sich selbst ver­ant­wort­lich zu füh­len und inhalt­lich etwas bewe­gen zu wol­len. Wenn das alle machen wür­den, wäre Schu­le viel, viel ärmer, aber die Struk­tur bekä­me mehr und mehr Ris­se. Gera­de das The­ma Digi­ta­li­sie­rung legt feh­len­de Kom­pe­ten­zen recht scho­nungs­los offen. War­um nicht die insti­tu­tio­nell „Höher­ste­hen­den“ ein­fach in die Ver­ant­wor­tung neh­men, statt immer­zu zu ret­ten, was zu ret­ten ist?

Und damit ist nichts einfach …

Das Spiel heißt im Grun­de immer wie­der „Anpas­sung und Wider­stand“. Und es heißt auch Ver­ant­wor­tung und ste­ti­ges Abwä­gen, wenn „dienst­li­chen Inter­es­sen“ sinn­haf­tem Ver­hal­ten manch­mal ent­ge­gen­ste­hen. „Das Sys­tem“ ist im Grun­de nicht so stark, wie es manch­mal scheint. Von innen her­aus ist man als Kri­ti­ker immer sehr stark auf die Soli­da­ri­tät von ande­ren ange­wie­sen, sonst kann es schnell zu insti­tu­tio­nel­len Macht­aus­brü­chen und Kurz­schlüs­sen kom­men, bei denen man das Ein­zel­ner kaum bestehen kann – außer wenn „öffent­li­che Schein­wer­fer“ das ermög­li­chen – aber auch die­ser labi­le „Schutz“ ist extrem flüchtig.

Der Zeitpunkt, an dem man nicht mehr umkehren kann

Die Schu­len sind sicher. Das beschlos­se­ne Maß­nah­men­pa­ket muss in sei­ner Wir­kung erst ein­mal beob­ach­tet wer­den. Das Coro­na­vi­rus ist letzt­lich nur eine Grippe.

Das sind so eini­ge Annah­men, die von unter­schied­li­chen Men­schen momen­tan gelebt wer­den. Falls sich die­se Annah­men als falsch oder gra­du­ell falsch her­aus­stel­len, könn­ten die Kon­se­quen­zen sowohl für das Indi­vi­du­um, die so etwas behaup­tet als auch für uns als demo­kra­ti­sche Gesell­schaft erheb­lich sein. Daher müs­sen sol­che Annah­men irgend­wann stim­men. Man kommt hin­ter sie nicht mehr zurück, ohne als kom­plet­ter Voll­idi­ot dazu­ste­hen, der das Offen­sicht­li­che nicht sehen woll­te. Wenn man sei­ne Ansicht ändert, anders han­delt, ist man den­noch in der Wahr­neh­mung oft der Voll­idi­ot, der vor­her z.B. gelo­gen hat. Egal, wie ich mich ver­hal­te, ich kom­me da nicht heil her­aus. Ich kann also zwi­schen dem Tun­nel wäh­len, der mich als Indi­vi­du­um vor mir selbst nach eine Wei­le sym­bo­lisch intakt lässt oder der Selbst­auf­ga­be und der Kon­fron­ta­ti­on mit mei­nem eige­nen Ver­hal­ten. Auf der Ebe­ne des Indi­vi­du­ums ist das maxi­mal tragisch.

Es ist leich­ter, Koali­ti­ons­ver­trä­ge aus­zu­han­deln, als sich dem Drau­ßen zu stel­len. Die­se Struk­tur ist bekannt, in „nor­ma­len“ Zei­ten legi­ti­miert, ein ein­ge­spiel­tes Mus­ter. Sich dem Drau­ßen zu stel­len, bedeu­tet letzt­lich, mit Struk­tu­ren und Mus­tern kom­plett zu bre­chen, die als poli­ti­scher Plot seit Jahr­zehn­ten ablaufen.

Ana­lo­ges mag für die Denk­struk­tu­ren der Impf­ver­wei­ge­rer gel­ten. Wenn es wirk­lich so ist, dass sie die Ver­ant­wor­tung für erneu­te Ein­schrän­kun­gen des Frei­heits­rech­te, ein Zusam­men­bre­chen der medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung und erheb­li­che sozia­le Ver­wer­fun­gen auf ihr Kon­to gehen, dann haben die­se Men­schen ein Pro­blem vor sich selbst.

Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men bedeu­tet momen­tan, dass Ent­schei­dun­gen getrof­fen wer­den müs­sen. Die­se kön­nen sich als falsch her­aus­stel­len. Gerich­te kön­nen die­se Maß­nah­men und Ent­schei­dun­gen im Nach­hin­ein kas­sie­ren. Das ist dann so. Es gibt aber auch ein nicht uner­heb­li­ches Risi­ko, dass gera­de das Nicht­han­deln oder das Behar­ren auf Posi­tio­nen und Struk­tu­ren erheb­li­che Kon­se­quen­zen nach sich zieht.

Ziem­li­che Sicher­heit dürf­te dar­in bestehen, dass Imp­fun­gen nichts an der bestehen­den Situa­ti­on ändern wer­den. Die Men­schen sind infi­ziert. Sie wer­den zu unter­schied­li­chen Antei­len bei Geimpf­ten und Unge­impf­ten im Kran­ken­haus enden. Mit hoher Wahr­schein­lich­keit wer­den wir Men­schen ver­lie­ren, die wir ken­nen. Und wir haben bereits Pfle­ge­per­so­nal ver­lo­ren und wer­den das auch weiterhin.

Das sind jedoch alles offen­bar kei­ne Argu­men­te, um kon­kret zu han­deln. Die Struk­tur des Zögerns und hin­ter der Situa­ti­on Hin­ter­her­lau­fens bleibt nach wie vor sta­bil. Die Struk­tu­ren sind immun gegen Fak­ten. Auch gegen sol­che, die mit dem Fort­schrei­ten der Pan­de­mie nicht mehr durch ihre his­to­ri­sche Bei­spiel­lo­sig­keit ent­schul­digt wer­den können.

Die Stra­te­gie des Erklä­rens ver­fängt nicht. Die Stra­te­gie des Mütend-Seins ver­fängt nicht. Erst kon­kre­te For­de­run­gen der Exper­ten nach „Lock­downs“ oder „Pro­tes­te der Ver­nünf­ti­gen“ bie­ten ggf. den poli­ti­schen Ent­schei­dern die Art „Legi­ti­ma­ti­on“, die zum rea­len Han­deln erfor­der­lich ist. Wenn schon die ande­ren nicht mehr umkeh­ren kön­nen – wir kön­nen es in Bezug auf die Mit­tel, die wir bis­her ange­wen­det haben, um uns Gehör und „denen“ Legi­ti­ma­ti­on zu verschaffen.

Die Alter­na­ti­ve ist, dass es ganz schlimm wird – wenn das noch geht.

Frisches Hack …

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