Visualisierungen – Deutsch – objektorientiert – OpenOffice

Nach ca. 20 Minu­ten Ein­füh­rung und einer inhalt­lich vor­be­rei­te­ten­den Haus­auf­ga­be konn­ten mei­ne Sechst­kläss­ler der­er­lei Open­Of­fice-Draw-Doku­men­te erstellen:

Es gab eine Rei­he wei­te­rer Visua­li­sie­run­gen, an Hand derer wir mit klas­si­schen Regel­heft­ein­trag die genau­en inhalt­li­chen Anfor­de­run­gen erar­bei­tet haben, aber dar­um geht es mir hier in die­sem Arti­kel nicht.

Ich habe ein ande­res Ver­fah­ren aus­pro­biert, um den SuS den Zugang zu den Funk­tio­nen von Open­Of­fice zu erklä­ren – ein im Prin­zip objektorientiertes.

Neh­men wir eine ein­fa­che Form in Open­Of­fice Draw, akti­vie­ren sie und kli­cken mit der rech­ten Maus­tas­te darauf:

Objekt­ori­en­tiert gedacht haben wir jetzt direk­ten Zugriff auf Metho­den (Aus­schnei­den, Kopie­ren, Spie­geln…), die wir auf die­ses spe­zi­el­le Objekt anwen­den kön­nen. Wir haben aber auch Zugriff auf Objek­tei­gen­schaf­ten bzw. Attri­bu­te (Flä­che, Text), die sich über ande­re Wege (Menu oder Schalt­flä­che) viel müh­sa­mer erschließen.

Ich habe gegen­über den SuS ledig­lich dar­über gespro­chen, dass alles, was gestal­te­risch im Hin­blick auf den Hin­ter­grund mög­lich ist, sich hin­ter dem Punkt „Flä­che“ ver­birgt – mit „Text“ oder „Linie“ ver­hält es sich metho­disch gleich.

Das reich­te für sie zum Ent­de­cken und Aus­pro­bie­ren, was so weit ging, dass sie ihre Objek­te u.a. mit Tex­tu­ren und Ver­läu­fen ver­se­hen haben, auch der eine oder ande­re Scroll­text floss oder hüpf­te durch die Gegend – nie­mand betä­tig­te in die­ser Stun­de nach irgend­ein Menu oder eine Schalt­flä­che in der Toolbar.

Das sind ja alles völ­lig neue Sachen, Herr Riecken!“ – „Nee, aber im Menu fin­dest du sowas nicht auf Anhieb…“.

Das Prin­zip lässt sich übri­gens auf belie­bi­ge Objek­te in einer Office­suite über­tra­gen (Absät­ze, Wor­te, Sei­ten…) – und genau dar­um geht es mir in der Fol­ge des künf­ti­gen Unter­richts auch – even­tu­ell kann ich die Kin­der auch irgend­wann beim rich­ti­gen Namen nen­nen (Objek­te, Attri­bu­te, Methoden).

Was vie­le Web2.0‑Tools so unglaub­lich intui­tiv benutz­bar macht, ist die Bün­de­lung häu­fig vor­kom­men­der Metho­den zu Sets, die sich per Schalt­flä­che oder Mul­ti­touch­ges­te abru­fen las­sen. Man erkauft sich die­se „Ready-to-run“-Settings durch in mei­nen Augen immensen Krea­ti­vi­täts- und Indi­vi­dua­li­täts­ver­lust. Pre­zi gibt z.B. den „Anflug“ auf gedreh­te Objek­te halt vor. Da die­se Sets oft so fest­ge­zurrt sind, wird man sich dar­an schnell satt­se­hen, wenn ein bestimm­ter kri­ti­scher Ver­brei­tungs­grad des jewei­li­gen Tools erreicht ist. Dann muss was „Neu­es“ her – mit neu­en Sets.

So wird ein gut erzo­ge­ner Kon­su­ment sei­ne Hard­ware wie­der und wie­der ergän­zen bzw. erneu­ern, um „neu krea­tiv“ sein zu kön­nen.  Im Prin­zip geht das aber auch mit einem Basis­le­go­kas­ten – so man des­sen grund­le­gen­de Funk­ti­on ver­stan­den hat.

So wie ich Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung ver­ste­he, leh­ren wir in der Schu­le Kon­zep­te von Tools und kei­ne Tools. Das tun Leu­te, die Office mit Klick­we­gen und Screen­s­hot­kas­ka­den erklä­ren. Mit einer Kom­pe­tenz ist es mir egal, ob ich Word, Open­Of­fice, Word­Per­fect, Abi­Word oder was auch immer bedie­ne. Bin ich auf Klick­we­ge und fes­te Posi­tio­nen ange­wie­sen, muss ich mich an ein Pro­dukt bin­den (und wer­de es bis aufs Blut ver­tei­di­gen, wenn ich mich dar­an gebun­den habe, weil mir das Erler­nen des Kon­zep­tes dahin­ter halt zu müh­sam erscheint).

Paraphrase und Reorganisation

… in z.B. Inhalts­an­ga­ben. Wir Deutsch­leh­rer ver­lan­gen dort oft eine Reor­ga­ni­sa­ti­on wie die­se Visua­li­sie­rung von Achin­gers berühmt-berüch­tig­ter Kurz­ge­schich­te „Das Fenstertheater“:

Wir bekom­men sehr oft eine Para­phra­se, wie die­se hier:

Dank die­ser bei­den Visua­li­sie­run­gen, die bei­de in der glei­chen Stun­de ent­stan­den sind und natür­lich sofort als Klein­ko­pie den Weg in die Regel­hef­te der SuS gefun­den haben, wird in mei­nen Augen deut­lich, was ich als Deutsch­leh­rer unter Reor­ga­ni­sa­ti­on in einer Inhalts­an­ga­be – sowie spä­ter wei­ter­füh­rend in Ana­ly­se und Inter­pre­ta­ti­on –  ver­ste­he. Des­we­gen habe ich mich über bei­de Arbei­ten sehr, sehr gefreut. Die Wir­kung ent­steht in mei­nen Augen dicho­to­misch: In der Dif­fe­renz bei­der Visua­li­sie­rung liegt der Erkenntniswert.

Und des­we­gen tue ich mich auch sehr schwer mit der Kate­go­ri­sie­rung in „rich­tig“ und „falsch“ – bezo­gen auf den Lernprozess.

Einen literarischen Charakter visualisieren

Die­se Auf­ga­be war eine typi­sche Schnaps­idee, wie sie aus der Not her­aus gebo­ren wird, wenn etwas in einer Stun­de nicht so passt. Ich ste­he momen­tan voll auf Visua­li­sie­run­gen, weil mir unge­heu­re Ein­bli­cke in die Köp­fe mei­ner SuS ermög­licht. Ich lese in mei­ner 7. Klas­se gera­de die­ses Jugend­buch hier und in die­sem Zusam­men­hang galt es eine Visua­li­sie­rung zur Figur „Miche­al Bai­ley“ zu erstel­len. Die fol­gen­de Band­brei­te kam dabei heraus:

Bei­spiel 1:

bailey_01

Die gute, alte nach Kate­go­rien struk­tu­rier­te Tabel­le. Nicht schlecht und eini­ger­ma­ßen über­sicht­lich, aber irgend­wie nicht so „visu­ell“.

Bei­spiel 2:

bailey_02

Man neh­me ein Cha­rak­ter­merk­mal und set­ze es mit einem Säu­len­dia­gramm  in Bezie­hung zum iden­ti­schen Merk­mal ande­rer Figu­ren. Nicht schlecht. So bekommt man gleich einen Ein­druck von der sozia­len Stel­lung der Figur inner­halb der Grup­pe in der Handlung.

Bei­spiel 3:

bailey_03

Hier wur­de zwar nicht die eigent­li­che Auf­ga­be bear­bei­tet, jedoch haben die bei­den betei­lig­ten SuS „mal eben“ die nar­ra­ti­ve Par­al­le­li­tät von Vor­ge­schich­te und aktu­el­ler Hand­lung her­aus­ge­ar­bei­tet (vgl. Jugend­buch). Damit lässt sich zu gege­be­ner Zeit wei­ter­ar­bei­ten, es ist also ein wert­vol­ler Beitrag!

Bei­spiel 4:

bailey_04

Die­ses Bild trifft so vie­le Cha­rak­ter­zü­ge der Figur, dass es schon fast ein wenig unheim­lich ist, wie sehr bild­li­ches Aus­drucks­ver­mö­gen und sprach­li­che Fähig­kei­ten in die­sem Alter aus­ein­an­der­zu­klaf­fen scheinen.

Ich hat­te die Visua­li­sie­run­gen in Part­ner­ar­beit erstel­len las­sen und mit nach Hau­se genom­men. Die obe­ren vier wur­den des­we­gen von mir aus­ge­wählt, weil sie eine gro­ße Band­brei­te abde­cken. Frap­pie­rend war auch, dass jede Dar­stel­lung in der Reflek­ti­on mit den SuS bei irgend­wem sei­ne indi­vi­du­el­le Berech­ti­gung fand. Der eine konn­te mit dem Bild, die ande­re mit der Tabel­le mehr anfan­gen. Dar­an ließ sich gleich eine klei­ne Meta­dis­kus­si­on zu „richtig/falsch“ im Deutsch­un­ter­richt anschlie­ßen. Ich mag Stun­den, die „zufäl­lig“ einen sol­chen Ertrag bringen.