Konjugationstabellen

Eigent­lich macht man sowas im Deutsch­un­ter­richt nicht. Das ist drö­ge, stump­fe Arbeit, die ein Latein­leh­rer aber wahr­schein­lich mit Knie­fäl­len dankt.

In mei­ner 6. Klas­se habe ich gera­de die Zeit­for­men wie­der­holt – und zwar alle: Prä­sens, Prä­ter­itum, Per­fekt, Plus­quam­per­fekt, Futur I und Futur II, natür­lich im Pas­siv und Aktiv. Auf die Idee brach­te mich die Eng­lisch­kol­le­gin der Klas­se: „Sag‘ mal, haben die noch kein Pas­siv?“. Nee, haben sie laut Schul­cur­ri­cu­lum tat­säch­lich nicht. Um die gan­ze Geschich­te etwas zu ver­tie­fen, bin ich in den Com­pu­ter­raum gegan­gen, in dem die SuS nach einer kur­zen Ein­füh­rung zu Tabel­len in Open­Of­fice ihre eige­ne Kon­ju­ga­ti­ons­ta­bel­le ent­wer­fen soll­ten – natür­lich auch mit dem Verb „sein“. Hin­ter­ge­dan­ke war dabei, dass die SuS ihre eige­ne Struk­tur ent­wi­ckeln. und nicht  der Deutsch­leh­rer oder ein Lehr­werk sel­bi­ge vor­gibt. Das Ergeb­nis wies fol­gen­de Band­brei­te auf:

  1. Bei­spiel 1
  2. Bei­spiel 2

Bei­spiel 1 setzt die gege­be­nen Hil­fen zu Tabel­len­for­ma­tie­run­gen in mei­nen Augen sehr über­sicht­lich um. Die jeweils dar­ge­stell­te Zeit­form ist durch eine Schrift­aus­zeich­nung deut­lich von den Bei­spie­len unter­schie­den. Die Far­be struk­tu­riert das Ergeb­nis zusätz­lich. Das Span­nen­de ist, dass die­se Arbeit von einem Schü­ler stammt, der sich ansons­ten nicht unbe­dingt durch Struk­tur her­vor­tut, hier aber eine kom­ple­xe Auf­ga­ben­stel­lung in einer vor­ge­ge­be­nen Zeit fast voll­stän­dig bear­bei­tet – das hät­te ich nicht ver­mu­tet. Durch die­se Auf­ga­be ist jetzt mein Inter­es­se an die­sem Schü­ler geweckt.

Einen gänz­lich ande­ren Struk­tur­an­satz wählt Bei­spiel 2. Die an sich gute Idee, alle Zeit­for­men einer Ver­bes neben­ein­an­der zu stel­len, wird hier durch die merk­wür­di­ge For­ma­tie­rung zunich­te gemacht. Dazu gehört vor allem auch die Groß­schrei­bung in jeder Zelle.

Die Vor­zü­ge und Pro­ble­me bei­der Vor­schlä­ge wur­den von der Lern­grup­pe benannt und jeweils pro­ble­ma­ti­siert. In die­ser Form fin­de ich in der Rück­schau die Beschäf­ti­gung mit Kon­ju­ga­ti­ons­ta­bel­len im Deutsch­un­ter­richt ertrag­reich – schon im Hin­blick auf mei­ne ver­än­der­te Ein­stel­lung zu dem einen Schüler.

Wenn man der­ar­ti­ge Ergeb­nis­se noch „port­fo­li­sie­ren“ wür­de, wäre viel­leicht bei dem einen oder ande­ren noch eine zusätz­li­che Moti­va­ti­on vor­han­den – da kann dann ja auch immer wie­der nach­ge­ar­bei­tet werden…

Und was meint eigentlich das Verb „analysieren“? (Teil 1)

Spra­che zu ana­ly­sie­ren ist für die meis­ten Schü­le­rin­nen und Schü­ler meist ein schwie­ri­ges Unter­fan­gen – denn was bedeu­tet eigent­lich „Spra­che“? Ich glau­be, dass wir Deutsch­leh­rer das oft selbst nicht so genau wis­sen und und des­we­gen sehr ger­ne auf den Kunst­aus­druck „sprach­lich-for­mal“ ret­ten, weil wir dann die genaue Gren­ze nicht zie­hen müs­sen. Hier ein paar Ideen zum The­ma „Tem­pus in Eräh­lun­gen“ – eine für mich eher for­ma­le Komponente…

Tem­pus als Stil­mit­tel in Erzählungen

Prä­ter­itum:
„Das Prä­ter­itum ist als Ver­gan­gen­heits­tem­pus das Haupt­tem­pus in allen Erzäh­lun­gen, die von einem erdach­ten (fik­ti­ven) oder wirk­li­chen (nicht­fik­ti­ven) Gesche­hen in der Ver­gan­gen­heit handeln.“ (div. Autoren: „Die Grammatik“, S.150, Duden)

Das Prä­ter­itum stellt den „Normalfall“ in Erzäh­lun­gen dar. Abwei­chun­gen vom Prä­ter­itum geben immer Anlass, an die­ser Stel­le genau­er auf den Text zu schauen.

Plus­quam­per­fekt:
Das Plus­quam­per­fekt dient in Erzäh­lun­gen zur Dar­stel­lung von Sach­ver­hal­ten, die bereits vor den erzäh­le­ri­schen Ereig­nis­sen abge­schlos­sen waren. Somit fun­giert es qua­si als „Vergangenheit der Vergangenheit“.
Sehr oft begin­nen Erzäh­lun­gen auch mit dem Plusquamperfekt.

Bsp.:
Es war um Sie gesche­hen. Kei­ner konn­te ihr nun mehr helfen.

Präsens:

In Erzäh­lun­gen wird das Prä­sens in einem Text meist mit einer bestimm­ten Absicht ein­ge­setzt., d.h. der Leser soll durch das Ver­las­sen des nor­ma­len Erzähl­tempus „Präteritum“ auf­merk­sam gemacht wer­den. Dabei besitzt das Prä­sens ver­schie­de­ne Funktionen:

a) Das sze­ni­sche Präsens
Im sze­ni­schen Prä­sens bricht ein erzäh­len­der Text aus dem eigent­lich vor­ge­ge­be­nen Prä­ter­itum aus. Durch die Ver­wen­dung des Prä­sens gelingt es dem Autor, den Leser mit in ein Gesche­hen (eine Sze­ne des Tex­tes) einzubeziehen.

Bsp.:
„Und aus einem klei­nen Tor bricht etwas Ele­men­ta­res hervor…“ (Tho­mas Mann)

Auf die Spit­ze getrie­ben wird die­ser Effekt durch die „Stream-of-consciousness“‑Technik, die den Leser sogar mit in die Gedan­ken­struk­tur einer Figur nimmt, indem so geschrie­ben wird, wie ein Mensch i.A. denkt: ungram­ma­tisch, abge­hackt, inhalt­lich stark springend.

Bsp.:
„Soll ich – nein, ich kann nicht – aber war­um? Nein! Das darf doch nicht sein!“

b) Prä­sens als Aus­druck von all­ge­mein Gültigem
Auch in erzäh­len­den Tex­ten wird das Prä­sens oft zum Aus­druck von all­ge­mein gül­ti­gen, regel­haf­ten Sach­ver­hal­ten gebraucht, so z.B. im Epi­my­thion einer Fabel („die Moral von der Geschichte“) oder aber auch in ein­zel­nen Sät­zen, die der Leser unbe­dingt „mitnehmen“ soll. Meist han­delt es sich um Erzäh­lun­gen, die dem Men­schen all­ge­mein etwas ver­mit­teln, etwas leh­ren sol­len (Para­beln, gele­gent­lich auch Anekdoten).

Per­fekt:
Das Per­fekt spielt in erzäh­len­den Tex­ten kaum eine Rol­le mit zwei wich­ti­gen Ausnahmen:

  • Es kann als Ver­gan­gen­heits­form für das sze­ni­sche Prä­sens dienen
  • Es kann all­ge­mein gül­ti­ge Aus­sa­gen für die Zukunft treffen.

Bsp.:
Ein Unglück ist schnell geschehen!