Das leidige Thema Rauchen auf Jugendfreizeiten

Mei­ne ver­klär­te Sicht
Der Glimms­ten­gel stört oft in der Jugend­ar­beit. Mal sind es die 13 oder gar 12jährigen Teil­neh­mer, die sich im tro­cke­nen Hoch­som­mer in den Wald ver­zie­hen, um dort „cool“ zu sein. Mal sind es die Mit­ar­bei­ter, die sich als Rau­cher immer zwi­schen­durch eine berech­tig­te (?) Pau­se erlau­ben und dann die­se doch ein wenig län­ger aus­deh­nen, weil das Rau­chen schließ­lich Gemein­schaft schafft.
Alles in allem ist das Rau­chen oft ein lei­di­ges The­ma und bie­tet reich­lich Anlaß zu Dis­kus­sio­nen mit recht merk­wür­di­gen Argu­men­ten von sonst ganz ver­nünf­ti­gen Leu­ten… Tja, wie soll ich nun als unwis­sen­der Nicht­rau­cher die­se The­ma mög­lichst neu­tral ange­hen? Ich grei­fe auf einen alten rhe­to­ri­schen Trick zurück: Ich fan­ge mal mit Vor­ur­tei­len gegen­über Rau­chern an! Rau­cher sind:

  • Grund­sätz­lich rück­sichts­los gegen­über Nichtrauchern
  • Immer in Hor­den in der Rau­cher­ecke anzutreffen
  • Poten­ti­el­le Lungenkrebskandidaten
  • Nicht umwelt­be­wußt, wenn sie ihre Kip­pen entsorgen
  • Eine Belas­tung für die Krankenkassen
  • Als Säug­lin­ge nicht gestillt worden
  • Ganz eklig zu küssen
  • Immer zu einer Pau­se aufgelegt
  • Steu­er­zah­lend und finanzstark
  • Nicht zu einer objek­ti­ven Dis­kus­si­on bereit
  • Eine Ver­füh­rung für jedes Kind
  • Ja und die Nicht­rau­cher? Das sind die Lie­ben! Nun­ja, da wären wir bereits beim ers­ten Knack­punkt. Man hat ja als mus­ter­gül­ti­ger Jugend­lei­ter stets das Wohl sei­ner Teil­neh­mer vor Augen – und irgend­wie stört da die­ser Rauch! Vie­le von den oben genann­ten Vor­ur­tei­len tau­chen immer wie­der in zähen Dis­kus­sio­nen auf, wo sich oft Fron­ten ver­här­ten, anstatt man sich ernst­haft um eine Lösung zu bemüht.

    Noch nicht 18jährige Teil­neh­mer und das Rauchen
    Das ein­fachs­te, was man hier tun kann, ist sich hin­ter dem berühm­ten Para­gra­phen des Jugend­schutz­ge­set­zes zu ver­ste­cken, der besagt, daß sel­bi­ge Per­so­nen nicht in der Öffent­lich­keit rau­chen dür­fen. Das Ergeb­nis sind ziem­lich oft nächt­li­che Jagd­sze­nen im Wald und uner­laub­te Gän­ge zum nächs­ten Dorf. Das Dilem­ma: Man darf den Teil­neh­mer das Rau­chen nicht erlau­ben, obwohl sich die Rechts­ge­lehr­ten strei­ten, ob eine Frei­zeit eine „Öffent­lich­keit“ dar­stellt oder nicht.
    Neben der Geset­zes­vor­ga­be gibt es für mich aber noch einen ande­ren, weit gewich­ti­ge­ren Grund, mich gegen das Rau­chen in die­ser Alters­grup­pe aus­zu­spre­chen: Ich tue mich schwer mit der spä­te­ren Erkennt­nis, daß Jugend­li­che auf einer mei­ner Frei­zei­ten mit dem Rau­chen ange­fan­gen haben. Dabei ist es mir egal, ob bestimm­te Teil­neh­mer mit elter­li­cher Erlaub­nis rau­chen dür­fen. Poten­ti­ell gefähr­den sie in der beson­de­ren Situa­ti­on einer Frei­zeit ande­re Teil­neh­mer mit ihrem Glimms­ten­gel. Was soll man also tun?
    Ich gin­ge fol­gen­der­ma­ßen vor: Nach Mög­lich­keit emp­feh­le ich ein Frei­zeit-Vor­tref­fen auf dem ich klar dar­le­ge, wie mei­ne Ein­stel­lung zum The­ma Rau­chen in die­ser Alters­grup­pe aus­sieht (wobei man natür­lich kei­ne Vor­tref­fen orga­ni­se­ren soll­te, um nur Restrik­tio­nen zu ver­brei­ten, das ist dann doch zu scha­de). Damit gebe ich den Teil­neh­mern not­falls die Mög­lich­keit, sich wie­der abzu­mel­den, wenn sie par­tout nicht auf den Glimms­ten­gel ver­zich­ten wol­len (oder kön­nen?). Ich wür­de sogar soweit gehen, um Hand­zei­chen zu bit­ten, wenn sich jemand nicht auf die von mir getrof­fe­nen Rege­lun­gen ein­las­sen kann. Eine Dis­kus­si­on braucht ihr in der Regel kaum zu scheu­en, da die Geset­zes­vor­ga­be not­falls immer ein Tot­schlag­ar­gu­ment ist. Ich wür­de aller­dings vor­her immer die Lei­er mit der Gefähr­dung ande­rer auf­le­gen. Wich­tig ist, daß ihr mit den Teil­neh­mern eine kla­re Abspra­che trefft, auf die man sich auf der Frei­zeit immer wie­der beru­fen kann.
    Auf der Frei­zeit gin­ge ich als Jugend­lei­ter nie­mals soweit, jeman­den auf­grund eines Ver­sto­ßes gegen die­se Regel nach Hau­se zu schi­cken. Es ist mei­ner Erfah­rung nach gera­de in den ers­ten Tagen sehr wich­tig, die Abspra­che vehe­ment durch­zu­set­zen und den Teil­neh­mern wenig Gele­gen­heit zu geben, „sich in den Wald zu ver­drü­cken“. Das bedeu­tet Streß, puren Streß, der sich mei­ner Erfah­rung nach aber lohnt. Rauch­wa­ren wür­de ich hem­mungs­los ein­kas­sie­ren, da der finan­zi­el­le Arm von Teil­neh­mern in der Regel recht schwach ist. Bei immer­wäh­ren­den Vor­komm­nis­se emp­feh­le ich immer wie­der Gesprä­che und zwar nicht nur mit den „Böse­wich­tern“, son­dern auch mit der betrof­fe­nen Teil­neh­mer­grup­pe zusam­men (das ist Streß, purer Streß für die Teil­neh­mer). In den aller­meis­ten Fäl­len soll­ten die­se Maß­nah­men eigent­lich ausreichen…

    18jährige Teil­neh­mer und das Rauchen
    Hier wird es nun rich­tig span­nend, da es kei­ner­lei gesetz­li­che Grund­la­ge gibt, hin­ter der man sich ver­ste­cken kann. Daher kann ich hier nur für mich selbst und mei­ne Erfah­run­gen sprechen.
    Ich bin der Mei­nung, daß es sich beim Rau­chen um eine (teu­re) Sucht han­delt, die auf gar kei­nen Fall von mir als Jugend­lei­ter belohnt wer­den darf. Mei­ner Erfah­rung nach kön­nen (!) mit rau­chen­den Teil­neh­mern fol­gen­de Pro­ble­me auftreten:

  • Abhän­ge­rei“ mit Gleich­ge­sinn­ten in der Raucherecke
  • Dadurch Tei­lung der Teilnehmergruppe
  • Ver­schmut­zung der Umge­bung mit Kippen
  • Ver­füh­rung ande­rer zum Rauchen
  • Ver­mehr­te Gän­ge ins Dorf, um Kip­pen zu kaufen
  • Teil­wei­se Dieb­stahl von Kip­pen und Geld
  • Auf unse­rer gro­ßen Som­mer­frei­zeit begeg­nen wir die­sen Pro­ble­men, indem wir das Rau­chen mit Sank­tio­nen ver­bin­den. Geraucht wer­den darf nur an bestimm­ten Plät­zen, an denen sich maxi­mal drei Leu­te gleich­zei­tig auf­hal­ten dür­fen, egal ob nur zwei oder einer rau­chen. Auch Mit­ar­bei­ter sind mit in die­se Rege­lung ein­ge­schlos­sen! (es gibt aller­dings einen zen­tra­le­ren Platz, an dem aus­schließ­lich Mit­ar­bei­ter auch in grö­ße­ren Grup­pen rau­chen dür­fen). Aus­nah­men von die­ser Rege­lung gibt es nur auf Tages­aus­flü­gen nach vor­he­ri­ger Abspra­che. Auf­grund unse­rer Mit­ar­bei­ter­struk­tur haben wir die Mög­lich­keit, das Ein­hal­ten die­ser Regeln rela­tiv gut zu kontrollieren.
    Das klingt jetzt natür­lich so, als ob wir Rau­cher dis­kri­mi­nie­ren. Es hat aber einen durch­aus nach­voll­zieh­ba­ren Hin­ter­grund: Eltern ver­trau­en uns ihre Kin­der im Glau­ben an, daß sie auf der Frei­zeit gut auf­ge­ho­ben sind. Ich fin­de es ganz wich­tig, daß Kin­der und Jugend­li­che die Erfah­rung machen, daß Rau­chen eine Sucht ist, die mit bestimm­ten Nach­tei­len ein­her­geht. Rau­cher gel­ten im nor­ma­len Leben ger­ne als „cool“ und läs­sig. Die Nach­tei­le die­ser Sucht ver­schwin­den im All­ge­mei­nen in der gesell­schaft­li­chen Aner­ken­nung. Durch eine der­ar­ti­ge Rege­lung wer­den die­se Nach­tei­le wie­der in das Bewußt­sein gerückt: Bestimm­te Leu­te „brau­chen“ in gewis­sen Abstän­den ihren Glimms­ten­gel. Bestimm­te Leu­te hus­ten mor­gens ganz komisch usw.. Auch die Rau­cher selbst machen sich dadurch zwar sel­ten, aber den­noch ein paar Gedanken.
    Des­wei­te­ren ver­mei­det man die Aus­bil­dung von Teil­neh­mer­hor­den an den Rauch­plät­zen und die Ver­schmut­zung der Umge­bung durch Kip­pen. (Die Rauch­plät­ze müs­sen von den Rau­chern selbst sau­ber­ge­hal­ten wer­den). Der Ein­stieg in das Rau­chen ist auch zumin­des­tens erschwert.
    Wir haben mit die­ser Metho­de recht gute Erfah­run­gen gemacht. Vor­aus­set­zung ist aller­dings, daß auch die Mit­ar­bei­ter dabei mit- und vor allem gemein­sam an einem Strang zie­hen. Dem ein­set­zen­den Teil­neh­mer­ge­mau­le läßt sich zwar kein Ende set­zen, aber man kann sich doch hin und wie­der an die­sem Indiz von zar­ten Anfän­gen per­sön­li­cher Selbst­re­fle­xi­on erfreu­en :o).

    Mit­ar­bei­ter und das Rauchen
    Mei­ner Erfah­rung nach ist das mit rau­chen­den Mit­ar­bei­tern gar nicht so ein­fach. Oft­mals besteht immer Mit­ar­bei­ter­kreis gro­ße Einig­keit dar­über, daß das Rau­chen für Kin­der und Jugend­li­che „nicht gut ist“ und daß man das auf Frei­zei­ten irgend­wie „regeln“ muß. Die­se Rege­lun­gen sol­len aber nach Mög­lich­keit nicht bei den Rau­chern selbst ansetzen.
    Ein wich­ti­ges Argu­ment kommt da immer wie­der: Ich darf mich mit mei­ner Sucht vor den Kin­dern nicht ver­ste­cken und wenn mich jemand dar­auf anspricht, neh­me ich ihn bei­sei­te und erzäh­le, wie anhän­gig ich doch bin und wie schlecht es mir geht. Außer­dem wäre es unau­then­tisch, mich mit mei­ner Sucht in irgend­ei­ner Form zu ver­ste­cken. Wohl gespro­chen und dage­gen läßt sich wenig sagen.
    Für mich gehört zur Authen­ti­zi­tät immer auch das Prin­zip: Glei­ches oder wenigs­tens ähn­li­ches Recht für alle. Ent­we­der ich mei­ne es ernst mit mei­nem Anlie­gen, Kin­dern in Bezug auf das Rau­chen kein Vor­bild zu sein und neh­me Ein­schrän­kun­gen für mich selbst in Kauf, oder ich ris­kie­re bewußt, daß ich even­tu­ell ein schlech­tes Vor­bild bin, wor­an auch der wie­der­hol­te Hin­weis auf die Ver­werf­lich­keit des Rau­chens nicht viel ändern kann. McGy­ver sagt immer so schön: Auf jede Akti­on folgt eine Reak­ti­on. Ich kann mir nicht vor­stel­len, daß die Reak­ti­on auf einen Mit­ar­bei­ter, der sei­nen Glimms­ten­gel über den gan­zen Zelt­platz trägt, irgend­wie prä­ven­tiv aus­fällt (ich las­se mich dahin­ge­hend ger­ne beleh­ren). Als Jugend­lei­ter muß man halt manch­mal bereit sein, die eige­ne Frei­heit um der Teil­neh­mer wil­len etwas einzuschränken.
    Unse­rer Rau­cher im Mit­ar­bei­ter­kreis haben sich frei­wil­lig bestimm­te Regeln auf­er­legt. Fol­gen­de gehö­ren dazu:

  • An Orten, wo sich vie­le Teil­neh­mer ver­sam­meln, wird nicht geraucht
  • Jeder Rau­cher gibt sich Mühe, sei­ne Rauch­pau­sen (wenn nötig) mit betrof­fe­nen Per­so­nen abzusprechen
  • Kip­pen wer­den nicht auf den Boden geworfen
  • Wäh­rend wich­ti­ger Ein­hei­ten (Bibel­ar­beit, Sport­spie­le, Inter­es­sen­grup­pen, Gelän­de­spie­le) wird nicht geraucht
  • Auf Nicht­rau­cher wird Rück­sicht genommen
  • Eigent­lich sind das ja Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten, aber wir haben das sogar in einem Pro­to­koll fest­ge­schrie­ben. Unse­re Rau­cher haben sich so nach und nach an ihre bösen nicht­rau­chen­den Kol­le­gen gewöhnt und ste­hen all­mäh­lich sogar mit einen drei­vier­tel Her­zen hin­ter der Sache.