Akt der Notwehr – Reaktionen auf die Arbeitszeiterhöhungen

Schu­len in Han­no­ver strei­chen die Klas­sen­fahr­ten, um einen Aus­gleich für die anste­hen­de Mehr­ar­beit zu schaf­fen (vgl. Arti­kel hier im Blog). Der Phi­lo­lo­gen­ver­band Nie­der­sach­sen arbei­tet dezi­diert und sach­ori­en­tiert mit Mythen zur Leh­rer­ar­beits­zeit auf. Das Kul­tus­mi­nis­te­ri­um legt sei­ne Plä­ne zur bes­se­ren Aus­stat­tung von Bil­dungs­in­sti­tu­tio­nen offen. Die finan­zi­el­le Rea­li­sie­rung die­ser Plä­ne wird einer­seits durch Erhö­hung der Mit­tel für Bil­dung durch die Poli­tik geleis­tet, ande­rer­seits durch Maß­nah­men wie die Arbeits­zeit­er­hö­hung und Strei­chung der Alters­re­ge­lun­gen aus dem Sys­tem selbst „gewon­nen“.

Ich den­ke nicht, dass irgend­ei­ne Hoff­nung besteht, dass die Poli­tik die bereits beschlos­se­nen und zur Finan­zie­rung ande­rer Pro­jek­te genutz­ten Ver­än­de­run­gen zurück­neh­men wird. Ich den­ke auch nicht, dass eine direk­te, sach­ori­en­tier­te Reak­ti­on auf die­se Maß­nah­men erfolg­reich sein wird.

Den­noch macht man sich in vie­len Gym­na­si­en in Nie­der­sach­sen Gedan­ken, wie man mit die­sen Arbeits­zeit­er­hö­hun­gen umgeht. Beam­te sind ali­men­tiert. Rein logisch könn­te man tat­säch­lich an Stel­len Arbeits­zeit redu­zie­ren, die nicht zwin­gend durch die Auf­ga­ben­be­schrei­bung einer Lehr­kraft abge­deckt sind.

Das sind z.B. Klas­sen­fahr­ten, Exkur­sio­nen, AGs, sozia­le Ange­bo­te wie Streit­schlich­ter, Kon­zer­te, Sport- und Schul­fes­te, Inter­net­auf­trit­te und ja, auch mei­ne Art der Schul­netz­werk­ad­mi­nis­tra­ti­on gehört dazu – ich soll das Netz­werk koor­di­nie­ren und wei­ter­ent­wi­ckeln – für das Hand­an­le­gen wer­de ich eigent­lich nicht bezahlt, eher für die Auf­trags­er­tei­lung an Fachfirmen.

Der Dienst­herr wird die­ses Dilem­ma wahr­schein­lich erken­nen, da es die ein­zi­ge Achil­les­fer­se in sei­ner öffent­li­chen Dar­stel­lung ist. Der Dienst­herr wird nach mei­nen Schät­zun­gen  die Kor­rek­tur­be­las­tun­gen an Gym­na­si­en an die­je­ni­ge ande­rer Bun­des­län­der anglei­chen, d.h. zumin­dest die Anzahl der zu schrei­ben­den Arbei­ten in der Mit­tel­stu­fe redu­zie­ren. Damit wäre dann tat­säch­lich ein spür­ba­rer Aus­gleich geschaf­fen und ein wesent­li­ches Argu­ment der „Wider­ständ­ler“ ausgehebelt.

Wenn es einen sol­chen „Deal“ nach einer öffent­li­chen Debat­te geben wird: Ist Bil­dung am Gym­na­si­um dadurch dann nach­hal­tig ver­bes­sert wor­den? Wie sieht mit dem Bil­dungs­sys­tem in Nie­der­sach­sen dann ins­ge­samt aus? Macht es Fortschritte?

Wenn es so kommt – was soll ein Gym­na­si­um als Reak­ti­on beschließen?

Auch wenn es gebets­müh­len­ar­tig z.B. von Ver­bän­den behaup­tet wird: Dass der Beruf des Leh­rers in der Öffent­lich­keit an Anse­hen gewinnt, sehe ich allen­falls in Umfra­gen. Wit­zi­ger­wei­se for­dern gera­de Ver­bän­de ihre Mit­glie­der dazu auf, an Umfra­gen teil­zu­neh­men – sta­tis­tisch schon eine rele­van­te Stör­grö­ße. Vie­le der übli­chen Ste­reo­ty­pe bestehen in mei­nem Umfeld weiterhin.

Ich sehe eine Gefahr dar­in, die­se Ste­reo­ty­pe durch irgend­wel­che Aktio­nen zu bestä­ti­gen – das wird z.B. der Fall sein, wenn man Klas­sen­fahr­ten streicht oder die Strei­chung androht – bei bereits geplan­ten Aktio­nen tritt zusätz­lich das Pro­blem auf, wie man mit Vor­leis­tun­gen (Buchun­gen, Anzah­lun­gen etc.) sau­ber umgeht. Schu­len aus mei­nem Umkreis ver­su­chen dem zu begeg­nen, indem sie Dienst nach Vor­schrift andro­hen – wird die­se Dro­hung dann auch tat­säch­lich Rea­li­tät? Wenn sie Rea­li­tät wird – wie lan­ge bleibt sie das dann auch? Es soll z.B. ja auch Lehr­kräf­te mit Fami­lie geben, die aus einer ande­ren Posi­ti­on her­aus Inter­es­se an einem leben­di­gen Schul­le­ben haben.

Die Gefahr besteht für mich dar­in, dass wir die Soli­da­ri­tät und Unter­stüt­zung der­je­ni­gen dadurch ver­lie­ren, die wir für eine poli­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung drin­gend benö­ti­gen. Die kurz- und mit­tel­fris­ti­ge Akti­vie­rung durch sol­che Aktio­nen mag aller­dings klappen.

Ich ver­tre­te die Theo­rie, dass Schu­le in der Öffent­lich­keit als sehr wenig trans­pa­rent wahr­ge­nom­men wird. Und ich neh­me war, dass Eltern und Schü­le­rin­nen sowie Schü­ler mit recht gerin­ger insti­tu­tio­nel­ler Macht an Schu­len aus­ge­stat­tet sind – der Schul­vor­stand hier in Nie­der­sach­sen böte aller­dings eine Gele­gen­heit zu star­ker Par­ti­zi­pa­ti­on, setzt aber ein poli­ti­sches Bewusst­sein der Akteu­re voraus.

Die ein­zi­ge Chan­ce zu wirk­li­chen Refor­men bie­tet ent­we­der der schon oft pro­gnos­ti­zier­te Break­down des Bil­dungs­sys­tems (der Pati­ent ist aber zäh) oder die geziel­te poli­ti­sche Akti­vie­rung von Eltern sowie Schü­le­rin­nen und Schü­lern – sie sind schließ­lich nicht treue­pflich­tig oder an Dienst­we­ge gebunden.

Die Arbeits­zeit­er­hö­hung für Gym­na­si­al­lehr­kräf­te ist m.E. eine der gering­fü­gi­ge­ren Her­aus­for­de­run­gen im Bil­dungs­sys­tem, son­dern steht eher im Zei­chen der sich nach mei­ner Wahr­neh­mung in vie­len sozia­len Kon­tex­ten aus­brei­ten­den Hal­tung: „Mehr Qua­li­tät durch weni­ger Per­so­nal und mehr Eva­lua­ti­on“ – man möge z.B. ein­mal mit Alten­pfle­gern, Kran­ken­schwes­tern, Kin­der­be­treu­ungs­ein­rich­tun­gen oder sogar der Poli­zei sprechen.

Idee

Jeden Tag lädt eine Schu­le eine Woche lang zehn Exter­ne ein, eine Lehr­kraft einen Tag bei ihrer Arbeit zu beglei­ten. Bedin­gun­gen: Der Exter­ne setzt sich, wenn sich die Lehr­kraft setzt. Der Exter­ne trinkt einen Kaf­fee, wenn die Lehr­kraft einen Kaf­fee trinkt. Der Exter­ne schreibt ein paar Zei­len zu sei­nen Ein­drü­cken. Sowas muss natür­lich in der Pres­se ange­kün­digt wer­den. Und es soll­ten mög­lichst vie­le Schu­len unter­schied­li­cher Schul­for­men in einer Regi­on dar­an teilnehmen.

Was soll das bringen?

  • Es ver­mit­telt der Öffent­lich­keit einen Ein­druck von der Arbeit an einer Schule
  • Es rich­tet den Blick dar­auf, dass nicht nur Gym­na­si­en vor Her­aus­for­de­run­gen ste­hen, son­dern auch ande­re Schulformen
  • Es setzt ein Zei­chen, dass schul­über­grei­fen­de Zusam­men­ar­beit und schul­über­grei­fen­de Wahr­neh­mung mög­lich ist
  • Es hilft ggf. dabei, Ste­reo­ty­pe in einen erfahr­ba­ren Kon­text zu stellen
  • Es schafft mehr Trans­pa­renz über die Abläu­fe und tat­säch­li­chen Belas­tun­gen an einer Schule
  • Es bie­tet unsi­che­ren Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen einen gewis­sen Schutz – es muss sich ja nie­mand „outen“

Ich glau­be nicht, dass wir als Beam­te in nen­nens­wer­tem Umfang allein das not­wen­di­ge poli­ti­sche Gewicht bekom­men kön­nen, wel­ches drin­gend not­wen­dig wäre. Daher kann die Öff­nung des Sys­tems nach außen – mit allen ver­meint­li­chen „Gefah­ren“ – m.E. schon etwas bewirken.

Der Worst-Case wäre für mich fol­gen­der: Die Gym­na­si­en beschlie­ßen allei­ne, Arbeits­zeit durch Strei­chung außer­un­ter­richt­li­cher Akti­vi­tä­ten zu redu­zie­ren (in denen oft viel mehr gelernt wird als im Unter­richt!). Dann kommt der Dienst­herr und redu­ziert sei­ner­seits z.B. die Kor­rek­tur­be­las­tung. Was dann? Alles zurück­neh­men? Man hat ja schließ­lich nur ange­droht – und Din­ge wie die Inklu­si­on kom­men am Gym­na­si­um irgend­wann auch noch an – neue Run­de, neu­es Spiel?

Am 9. Dezem­ber fin­det die ent­schei­den­de Sit­zung im Land­tag statt. Man darf gespannt sein.

Datenschutzformalia für Schulen in Niedersachsen

Ich habe ein­mal ein wenig recher­chiert und zusam­men­ge­tra­gen, was nach mei­ner Auf­fas­sung eine Schu­le an Papie­ren hier in Nie­der­sach­sen pro­du­zie­ren muss, um grund­le­gen­de Daten­schutz­auf­la­gen zu erfül­len – die juris­ti­schen Kom­men­ta­re zu den Vor­schrif­ten habe ich noch nicht alle gelesen:

1. Daten­schutz­be­auf­trag­ter

Ein Daten­schutz­be­auf­trag­ter muss benannt sein (§8a NDSG).

  1. Er muss nicht der Schu­le angehören
  2. Er muss über Sach­kennt­nis und Zuver­läs­sig­keit verfügen
  3. Er darf durch die Bestel­lung kei­nem Inter­es­sens­kon­flikt aus­ge­setzt sein
  4. Er muss sei­ne Arbeit jeder­mann ver­füg­bar machen

Der Sys­tem­ad­mi­nis­tra­tor kann also nicht Daten­schutz­be­auf­trag­ter sein, da ein Inter­es­sens­kon­flikt besteht – schließ­lich müss­te er sich selbst kontrollieren.

2. Ver­fah­ren­be­schrei­bun­gen

Jedes Ver­fah­ren, bei dem Daten Drit­ter in der Schu­le ver­ar­bei­tet wer­den, bedarf einer Ver­fah­rens­be­schrei­bung gemäß §8 NDSG.

Typi­scher­wei­se wird das in der Schu­le gel­ten für:

  1. Schü­ler­ver­wal­tungs­pro­gram­me (DANIS, Sibank …)
  2. Office­pro­gram­me (Lis­ten, Kol­le­gi­ums­da­ten etc.)
  3. Ober­stu­fen­ver­wal­tung (Apol­lon)
  4. Stun­den­pla­nung­pro­gramm (UNTIS etc.)
  5. Zeug­nis­pro­gram­me (Win­ZEP etc.)
  6. usw. (hängt von den Ver­wal­tungs­struk­tu­ren ab)

3. Ver­pflich­tungs­er­klä­run­gen von Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen gemäß Erlass „Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten auf pri­va­ten Infor­ma­ti­ons­tech­ni­schen Sys­te­men (IT Sys­te­men) von Lehr­kräf­ten“

Die Ver­pflich­tungs­er­klä­rung ERSETZT hier die sonst not­wen­di­ge Ver­fah­rens­be­schrei­bung – schließ­lich ist das ja durch die Erlass­vor­ga­be eine Rechts­norm. Es ist NICHT not­wen­dig Ver­fah­rens­be­schrei­bun­gen für jedes denk­ba­re Ver­fah­ren auf einem pri­va­ten Gerät zu erstellen.

4. Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten durch Dritte

Bei­spie­le:

  • Lern­stands­er­he­bun­gen durch Verlage
  • durch Anbie­ter gehos­te­te Lernplattformen
  • digi­ta­le Klassenbücher
  • etc.

Hier haben wir zwei Konstrukte:

a) Es gibt ein Ver­trags­ver­hält­nis zwi­schen Schu­le und Anbie­ter. Dafür braucht man einen Ver­ein­ba­rung zur Auf­trags­da­ten­ver­ar­bei­tung. Zusätz­lich ist eine Ver­fah­ren­be­schrei­bung     notwendig.

b) Es gibt nach wie vor ein Für­sor­ge­ver­hält­nis zwi­schen Schu­le und Schü­lern bzw. Eltern. Wenn z.B. der Nach­weis nicht erbracht wer­den kann, dass es erfor­der­lich ist (und das ist lt. Schul­ge­setz z.Zt. juris­tisch fast immer wack­lig), dass die Daten im Auf­trag ver­ar­bei­tet     wer­den, braucht man eine Ein­wil­li­gungs­er­klä­rung der Betroffenen.

Abso­lut unüber­sicht­lich wird es, wenn der Ver­lag z.B. die Test­soft­ware zur Lern­stands­er­he­bung nicht selbst hos­tet, son­dern sich wie­der­um bei einem Dienst­leis­ter ein­ge­mie­tet hat. Dann braucht man eine wei­te­re Ver­ein­ba­rung zur Auf­rags­da­ten­ver­ar­bei­tung (Unter­ver­ein­ba­rung) zwi­schen die­sem Dienst­leis­ter, z.B. dem Rechen­zen­trums­be­trei­ber und dem Ver­lag, die auch dem LfD auf Anfra­ge vor­ge­legt wer­den muss.

5. Ein­wil­li­gungs­er­klä­run­gen

Für ALLE Arten der Daten­ver­ar­bei­tung, die gemäß NSchG NICHT erfor­der­lich sind.

  1. Ver­wen­dung von Fotos (Schul­home­page, Leh­rer­ka­len­der, Noten­ver­wal­tung von Lehr­kräf­ten etc.)
  2. Wei­ter­ga­be von Adress­da­ten (Tele­fon, E‑Mail, Adres­se) an z.B. den Klas­sen­leh­rer aber auch Eltern
  3. Ver­wen­dung von Schü­ler­ar­bei­ten bei jeder Art von Veröffentlichung
  4. Schul­netz­werk (Nut­zungs­ver­ein­ba­rung, Auf­klä­rung über Art um Umfang der Daten­ver­ar­bei­tung im päd­ago­gi­schen Netz)
  5. WLAN-Nut­zungs­ver­ein­ba­rung, wenn durch Lehr­kräf­te und/oder SuS genutzt
  6. Gibt es ggf. wei­te­re Daten­ver­ar­bei­tungs- und Ver­öf­fent­li­chungs­pro­zes­se, die z.B. die Belan­ge des Per­so­nals betreffen?
  7. [ … ]

Tech­ni­scher Datenschutz

Wo ste­hen die IT-Sys­te­me mit sen­si­blen Daten?
Wer hat Zugriff auf die Pass­wör­ter? Wie kom­plex sind die Pass­wör­ter? Wann wer­den sie ausgestauscht?
Was pas­siert bei Dieb­stahl oder Beschä­di­gung der daten­ver­ar­bei­ten­den Systeme?
Was pas­siert bei einem z.B. krank­heits­be­ding­ten Aus­fall des Systemadministrators?
Wie kann ich den Aus­kunfts­an­spruch gem. §16 NSchG mit ver­tret­ba­rem Auf­wand in ver­tret­ba­rem Zeit­rah­men sicherstellen?

Tja. Die­se Lis­te ist garan­tiert weder voll­stän­dig noch kom­plett kor­rekt. Es feh­len noch diver­se Rege­lun­gen bezüg­lich des Urhe­ber­rechts, das ger­ne mal mit dem Daten­schutz ver­mischt wird. Wei­ter infor­mie­ren kann man sich auf dem Nibis anschauen.

Ich will das nicht wei­ter kom­men­tie­ren, fän­de es aber schön, wenn:

  • das Schul­ge­setz ver­bind­li­che und kon­kre­te Vor­ga­ben dar­über macht, wel­che Daten von SuS ver­ar­bei­tet wer­den dürfen
  • wei­te­re Ver­fah­rens­be­schrei­bun­gen durch den Dienst­herrn erstellt würden
  • Mus­ter­tex­te durch den Dienst­herrn erstellt wür­den (Nut­zungs­ord­nung, Ein­wil­li­gung in Ver­wen­dung von Fotos etc.)
  • all­ge­mein der Dienst­herr sich sei­ner Schu­len im Rah­men der Für­sor­ge­pflicht in Bezug auf den Daten­schutz noch mehr annimmt, als er das jetzt schon tut (das war doch jetzt diplo­ma­tisch, oder?)

Größ­ten­teils haben wir hier näm­lich For­ma­lis­men. Die Cur­ri­cu­la schrei­ben mehr und mehr die Nut­zung digi­ta­ler Medi­en vor oder legen sie nahe. Dann muss die Rechts­ord­nung das auch ermög­li­chen und eine kla­re Ori­en­tie­rung bie­ten. Schu­len sol­len nach mei­ner Wahr­neh­mung noch ande­re Din­ge zu tun haben, als sich um den Daten­schutz zu küm­mern. Zudem sit­zen dort eher Lehr­kräf­te als Volljuristen.

Player in Abiturkorrekturen

Bei der Kor­rek­tur des Abiturs gel­ten beson­de­re Regu­la­ri­en. Immer­hin kommt den Abitur­klau­su­ren erheb­li­ches Gewicht bei der Fin­dung der Abschluss­no­te zu, die dann wie­der­um für die Bewer­bung an der Wunsch­sch­uni­ver­si­tät, das Wunsch­fach oder den Wunsch­be­ruf eine gro­ße Rol­le spielt. Daher läuft jede schrift­li­che Abitur­ar­beit hier in Nie­der­sach­sen über drei Schreibtische:

  1. Den des Fach­leh­rers (Refe­rent)
  2. Den eines Fach­kol­le­gen (Kor­re­fe­rent)
  3. Den eines wei­te­ren Fach­kol­le­gen (Fach­prü­fungs­lei­ter)

Im Regel­fall sit­zen alle drei Betei­lig­ten an der glei­chen Schu­le (wor­über man strei­ten kann). Es kann aber auch vor­kom­men, dass der Vor­sit­zen­de der Prü­fungs­kom­mis­si­on (i.d.R. der Schul­lei­ter) eine exter­ne Fach­prü­fungs­lei­tung bei der Schul­be­hör­de anfor­dert. Die Grün­de dafür kön­nen viel­fäl­tig sein – auch ich hat­te schon die­ses Ver­gnü­gen, einen Kol­le­gen einer ande­ren Schu­le als Fach­prü­fungs­lei­ter „kon­trol­lie­ren“ zu dür­fen, was dann aber natür­lich mehr Rich­tung Dritt­kor­rek­tur geht.

Jeder Betei­lig­te hat eine gewis­se Rol­le zu spie­len, die sich aber grund­le­gend von der Fach­leh­rer­rol­le unter­schei­den soll­te, wenn man sich das Leben nicht künst­lich erschwe­ren will.

Der Refe­rent

Dienst­li­che Vorgaben:

Die Refe­ren­tin oder der Refe­rent kenn­zeich­net am Ran­de jeder Arbeit Vor­zü­ge und Män­gel, so dass die Grund­la­ge der Bewer­tung erkenn­bar wird. Ein Gut­ach­ten, das sich auf die Rand­ver­mer­ke bezieht, ist anzu­fü­gen. Schwer­wie­gen­de und gehäuf­te Ver­stö­ße gegen die sprach­li­che Rich­tig­keit in der deut­schen Spra­che oder gegen die äuße­re Form füh­ren zu einem Abzug von einem Punkt oder zwei Punk­ten bei der ein­fa­chen Wer­tung. Als Richt­wer­te sol­len gel­ten: Abzug eines Punk­tes bei durch­schnitt­lich fünf Feh­lern auf einer in nor­ma­ler Schrift­grö­ße beschrie­be­nen Sei­te; Abzug von zwei Punk­ten bei durch­schnitt­lich sie­ben und mehr Feh­lern auf einer in nor­ma­ler Schrift­grö­ße beschrie­be­nen Sei­te. Bei der Ent­schei­dung über einen Punkt­ab­zug ist ein nur quan­ti­fi­zie­ren­des Ver­fah­ren nicht sach­ge­recht. Viel­mehr sind Zahl und Art der Ver­stö­ße zu gewich­ten und in Rela­ti­on zu Wort­zahl, Wort­schatz und Satz­bau zu set­zen. Wie­der­ho­lungs­feh­ler wer­den in der Regel nur ein­mal gewer­tet. Ein Punkt­ab­zug muss eben­so wie in Grenz­fäl­len ein Ver­zicht auf Punkt­ab­zug begrün­det wer­den. Unüber­sicht­li­che Text­stel­len wer­den nicht bewer­tet. Ent­wür­fe kön­nen ergän­zend zur Bewer­tung nur her­an­ge­zo­gen wer­den, wenn sie zusam­men­hän­gend kon­zi­piert sind und die Rein­schrift etwa drei Vier­tel des erkenn­bar ange­streb­ten Gesamt­um­fangs umfasst.

Quel­le: Ergän­zen­de Bestim­mun­gen zur Ver­ord­nung über die Abschlüs­se in der gym­na­sia­len Ober­stu­fe, im Beruf­li­chen Gym­na­si­um, im Abend­gym­na­si­um und im Kol­leg (EBAVOGOBAK), Stand: 19. Mai 2013

An ande­rer Stel­le habe ich geschrie­ben, was ein Kol­le­ge mir dazu ein­mal ans Herz gelegt hat. Das fin­de ich immer noch wich­tig, wenn man sich selbst das Leben nicht zu schwer machen will – z.B. durch den übli­chen „Posi­tiv­kor­rek­tur­re­flex“.

Mehr Gum­mi zum Abzug bei gehäuf­ten Ver­stö­ßen gegen die Sprach­rich­tig­keit geht m.E. eigent­lich nicht mehr. Ich per­sön­lich wäre mit Blick auf die Ver­gleich­bar­keit auf jeden Fall für eine „quan­ti­fi­zie­ren­des Ver­fah­ren“, indem man z.B. Wort­an­zahl in Rela­ti­on zu Feh­ler­an­zahl setzt. Aber es wird schon Grün­de für das vor­ge­ge­be­ne Ver­fah­ren geben.

Will man Abzü­ge durch­set­zen, soll­te man tun­lichst dar­auf ach­ten, Feh­ler­zei­chen zu ver­mei­den, die dem sprach­li­chen Bereich „hin­zu­zu­in­ter­pre­tie­ren“ sind, wie z.B. Wort- oder Aus­drucks­feh­ler. Da eine Schu­le ja immer ger­ne über rei­ne Zah­len mit ande­ren ver­gli­chen wird, mag es Schul­lei­tun­gen geben, die mit Blick auf die Außen­dar­stel­lung die­sen Bereich eher wohl­wol­lend kor­ri­giert sehen wol­len – und der brei­te Inter­pre­ta­ti­ons­spiel­raum der Ver­ord­nung ist eben breit.

Der Korreferent

Dienst­li­che Vorgaben:

Die Kor­re­fe­ren­tin oder der Kor­re­fe­rent schließt sich ent­we­der der Bewer­tung der Refe­ren­tin oder des Refe­ren­ten an oder fer­tigt eine eige­ne Beur­tei­lung mit Bewer­tung an.

Quel­le: Ergän­zen­de Bestim­mun­gen zur Ver­ord­nung über die Abschlüs­se in der gym­na­sia­len Ober­stu­fe, im Beruf­li­chen Gym­na­si­um, im Abend­gym­na­si­um und im Kol­leg (EBAVOGOBAK), Stand: 19. Mai 2013

Span­nend ist dabei nicht, was da steht, son­dern eher, was da nicht steht. Mei­ner Erfah­rung nach kann man sich beim Kor­re­fe­rat das Leben gegen­sei­tig immens schwer machen. Es geht für mich beim Kor­re­fe­rat schlicht und ergrei­fend dar­um, ob ich – vor Gericht einer Kla­ge von Eltern und Gesicht sehend – zu der Bewer­tung, d.h. vor allem zur Note des Refe­ren­ten ste­hen könn­te, auch wenn ich sie u.U. dann anders begrün­den würde.

Natür­lich ach­te ich dabei z.B. auch auf for­ma­le Feh­ler, die alle von uns ger­ne über­se­hen. Auch ach­te ich als Kor­re­fe­rent dar­auf, dass bei allen SuS iden­ti­sche Bewer­tungs­maß­stä­be ange­setzt wer­den. Ich emp­fin­de mich dabei vor allem als neu­tra­les Kor­rek­tiv für den Fach­leh­rer, der sei­ne Schütz­lin­ge eben kennt und des­sen Objek­ti­vi­tät dadurch u.U. hin und wie­der ein­ge­schränkt sein kann. Völ­lig irrele­vant ist, ob ich z.B. Punk­te bei Auf­ga­ben­tei­len ger­ne hin- und her­ge­scho­ben hät­te, wenn die Gesamt­no­te sich dadurch sowie­so nicht ändert.

Als Fach­leh­rer bzw. Refe­rent bin ich i.d.R. dem Kor­re­fe­ren­ten immer dank­bar, gera­de auch bei der Absi­che­rung sehr schwa­cher Arbei­ten. Wenn der Kor­re­fe­rent die Note hoch­set­zen möch­te – sehr gut. Das wird gemacht und nicht wei­ter dis­ku­tiert oder hin­ter­fragt. Sieht schließ­lich auf mei­nem Sta­tis­tik­zet­tel auch bes­ser aus. Im umge­kehr­ten Fall schaue ich dann schon noch ein­mal genau hin – es kommt aber sel­ten dazu, dass ich Din­ge par­tout nicht nach­voll­zie­hen kann. Meist „einigt“ man sich dann irgend­wie in der Mitte.

Die Erfah­rung sagt dabei: Je mehr Ste­cken­pfer­de der ein­zel­ne aus die­sem Team rei­tet, des­to mehr Zeit wird man auf­wen­den müs­sen und je öfter soll­te man sich die zugrun­de­lie­gen­de Ver­ord­nung vor Augen führen.

Wenn man sich nicht eini­gen kann, soll­te man den Kor­re­fe­ren­ten eben um ein Gegen­gut­ach­ten gemäß Ver­ord­nung bit­ten und den Fach­prü­fungs­lei­ter bzw. den Vor­sit­zen­den der Prü­fungs­kom­mis­si­on dann ent­schei­den las­sen.  Das macht viel Arbeit und begüns­tigt dadurch hin und wie­der einen ein­ver­nehm­li­chen Kompromiss.

Der Fach­prü­fungs­lei­ter

Dienst­li­che Vorgaben:

Die Fach­prü­fungs­lei­te­rin oder der Fach­prü­fungs­lei­ter über­prüft die vor­ge­nom­me­ne Bewer­tung, fer­tigt ggf. eine eige­ne Stel­lung­nah­me mit einem Bewer­tungs­vor­schlag an und ach­tet auch auf die Bestim­mun­gen nach Nr. 9.11 Sät­ze 3 bis 10 [also das, was beim Refe­ren­ten steht…]. Die bewer­te­ten Arbei­ten sind von der Fach­prü­fungs­lei­te­rin oder von dem Fach­prü­fungs­lei­ter der Schul­lei­te­rin oder dem Schul­lei­ter zu übergehen.

Quel­le: Ergän­zen­de Bestim­mun­gen zur Ver­ord­nung über die Abschlüs­se in der gym­na­sia­len Ober­stu­fe, im Beruf­li­chen Gym­na­si­um, im Abend­gym­na­si­um und im Kol­leg (EBAVOGOBAK), Stand: 19. Mai 2013

Es soll Leu­te geben, die dar­aus eine Dritt­kor­rek­tur machen. Dar­um geht es aber eigent­lich nicht, son­dern es geht dar­um, ob Rand­be­mer­kun­gen und Gut­ach­ten zuein­an­der pas­sen, ob die vor­ge­ge­be­ne Gewich­tung der Auf­ga­ben ein­ge­hal­ten wur­de, ob nicht mehr Punk­te ver­teilt wor­den sind als vor­ge­se­hen, ob nicht (…). Es geht also um die Über­prü­fung, ob for­ma­le Regu­la­ri­en ein­ge­hal­ten wor­den sind, weil man fast allein über Form­feh­ler vor Gericht die Kla­ge gegen eine Note gewinnt.

Ich schaue als Fach­prü­fungs­lei­ter auch noch danach, ob ein­heit­li­che Bewer­tungs­grund­la­gen für alle Prüf­lin­ge ein­ge­hal­ten wor­den sind. Ich kor­ri­gie­re aber nichts mehr nach – vor mir haben schließ­lich zwei aus­ge­bil­de­te Lehr­kräf­te inten­siv an die­ser Abitur­klau­sur gearbeitet.

Eine Dritt­kor­rek­tur wird es aber u.U. genau dann, wenn die vor­an­ge­gan­ge­ne Arbeit der Kol­le­gen opti­mier­bar aus­fällt – und das merkt man meist schon an den for­ma­len Kriterien …

 

Der böse Datenschutz

Teil 1: „Moral ist, wenn man mora­lisch ist.“

Nein, man darf Schü­le­rin­nen und Schü­ler als Leh­rer nicht dazu brin­gen, im Netz Pro­duk­te unter dem jewei­li­gen Klar­na­men zu ver­öf­fent­li­chen. Man darf auch nicht Pro­duk­te von Schü­le­rin­nen und Schü­ler der Netz­öf­fent­lich­keit zugäng­lich machen. Bil­der ver­öf­fent­li­chen? Fehl­an­zei­ge, wenn Per­so­nen den Motiv­schwer­punkt bil­den – das gilt auch für z.B. Klas­sen­fo­tos. Man darf so erst­mal im Unter­richt kei­ne Web2.0‑Tools mit ihnen nut­zen und man darf auch Face­book oder Twit­ter nicht zu unter­richt­li­chen Zwe­cken einsetzen.

Dass man das alles nicht darf, liegt an denen im Ver­gleich zur übri­gen Welt recht eng gefass­ten Daten­schutz­ge­set­zen, an die wir als ver­be­am­te­te Lehr­kräf­te in ganz beson­de­rer Wei­se gebun­den sind. Das ist schlimm, oder? Es behin­dert uns gemein­sam mit dem Urhe­ber­recht in unse­rer täg­li­chen Arbeit, es behin­dert uns dabei, zeit­ge­mäß mit digi­ta­len Medi­en im schu­li­schen Kon­text umzu­ge­hen. Das könn­te doch alles viel leich­ter sein!

Ein Auf­schrei ertönt in der Gesell­schaft, wenn Bür­ger­rech­te beschnit­ten wer­den, wenn pri­va­te Unter­neh­men z.B. ohne Rich­ter­vor­be­halt per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten abfra­gen kön­nen – dann ist es ganz schnell aus mit der Anony­mi­tät – als anonym blog­gen­der Kol­le­ge jeman­dem zivil­recht­lich auf die Füße tre­ten? Der Klar­na­me ist dann nur einen Klick ent­fernt – übri­gens wahr­schein­lich sogar auf Jah­re noch nach­weis­bar. Des­we­gen so rich­tig nach Daten­schutz schrei­en? Aber der Staat hat gefäl­ligst dafür zu sor­gen, dass mei­ne Daten und mei­ne Rech­te geschützt wer­den! Und das bit­te­schön auch prak­ti­ka­bel! Und umsetzbar.

Was waren Beam­te noch ein­mal? Ach ja – Bediens­te­te und damit Ver­tre­ter des Staa­tes. Wenn per­sön­li­che Frei­hei­ten bedroht sind, ruft man laut. Wenn Geset­ze, die dafür da sind, per­sön­li­che Frei­hei­ten Drit­ter zu schüt­zen, von uns Lehr­kräf­ten umge­setzt wer­den sol­len, ruft man auch laut.

The­se 1: Ist man selbst als Per­son betrof­fen, fin­det man Daten­schutz super. Soll man Daten­schutz in der Rol­le des Staa­tes umset­zen, fin­det man das doof.

Teil 2: „Die Daten von Schü­lern sind für nie­man­den rele­vant. Die Sor­gen der Daten­schüt­zer sind übertrieben.“

Elek­tro­ni­sche Klas­sen­bü­cher sind eine fei­ne Sache. Unter­richts­pro­to­kol­le, Krank­mel­dun­gen, Beur­lau­bun­gen, Tadel, ver­ges­se­ne Haus­auf­ga­ben – alles kom­for­ta­bel über die Web­schnitt­stel­le oder per Syn­chro­ni­sa­ti­on auf dem Mobil­ge­rät abruf­bar. Lern­platt­for­men mit Leis­tungs­da­ten und Schü­ler­pro­duk­ten – end­lich eine Über­sicht zu den ein­zel­nen Leis­tungs­stän­den, end­lich die Mög­lich­keit, indi­vi­du­ell zu för­dern. Port­fo­lio­sys­te­me? Sehr bequem und trans­pa­rent. Und vor allem: Jeder sieht nur die Daten, die er auch sehen darf! Die­se Daten wer­den meist bei exter­nen Anbie­tern gehos­tet und sind dort zen­tral zugäng­lich. Das ist auch kein Pro­blem. Schließ­lich sind die­se Daten dort sicher und für nie­man­den inter­es­sant – zumin­dest wird das ger­ne kommuniziert.

Nur: Abso­lu­te Daten­si­cher­heit gibt es nicht, obwohl jeder Anbie­ter alles dar­an set­zen wird, den maxi­ma­len Stan­dards gerecht zu wer­den. Lei­der sind zen­tral vor­lie­gen­de Daten immer recht attrak­tiv, da sie in der Regel struk­tu­riert und in ein­heit­li­chen For­ma­ten vor­lie­gen­den, die sich sehr leicht aus­wer­ten las­sen. Die Attrak­ti­vi­tät beschränkt sich dabei nicht auf „die bösen Hacker“. Vor­stell­bar sind auch Aus­wer­tun­gen für künf­ti­ge Arbeit­ge­ber und Ver­si­che­rungs­ge­sell­schaf­ten. Die Rele­vanz von Daten für zukünf­tig denk­ba­re Kon­tex­te ist heu­te nicht vor­her­seh­bar. Daher ist die Aus­sa­ge „Die Daten von Schü­lern sind für nie­man­den rele­vant“ m.E. sehr mutig, weil eine gehö­ri­ge Por­ti­on „Glas­ku­gel“ ein­ge­dacht wird.

Und ich weiß nicht, ob sowas nie gesche­hen wird. Ich sehe, dass es Men­schen gibt, die bei EC-Kar­ten­za­hun­gen vor mir an der Kas­se bei jedem noch so klei­nen Betrag ihre PIN ein­ge­ben müs­sen, wäh­rend ande­re bei wesent­lich höh­re­ren Sum­men einen Wisch unter­schrei­ben. Das liegt natür­lich nicht dar­an, dass die Zah­lung per PIN dem Händ­ler garan­tiert wird, wäh­rend die Ein­tei­lung der Ein­zugs­er­mäch­ti­gung per Unter­schrift weni­ger Kos­ten ver­ur­sacht, aber das Risi­ko eines unge­deck­ten Kon­tos birgt. Es kom­men auch nie Zugangs­da­ten gro­ßer Web­diens­te in Umlauf. Auch Kre­dit­kar­ten­da­ten wer­den nicht in ent­spre­chen­den Foren gehan­delt. Unse­re Daten sind sicher. Alle. Immer.

The­se 2: Die Attrak­ti­vi­tät bzw. Rele­vanz von Daten für die Zukunft ist heu­te nicht vor­her­sag­bar. Aus­sa­gen wie „Damit wird schon nichts pas­sie­ren!“ erschei­nen gera­de im Kon­text der heu­te schon beob­acht­ba­ren Ent­wick­lun­gen mutig. 

Teil 3: „Die Klas­sen­bü­cher lie­gen in den Pau­sen frei aus. Im Leh­rer­zim­mer trei­ben sich auch SuS her­um. Da ist es doch gera­de­zu hirn­ris­sig zu sagen, dass Daten in einer geschütz­ten IT-Umge­bung bei einem Anbie­ter nicht viel siche­rer auf­ge­ho­ben sind!“

Rechen­zeit ist nicht teu­er. Auch das Algo­rith­men­schrei­ben nicht son­der­lich. Daten auf Papier sind einem Algo­rith­mus nur mit erheb­li­chem Auf­wand zugäng­lich. Ein Klas­sen­buch muss Sei­te für Sei­te gescannt wer­den, um einer Daten­ver­ar­bei­tung zugäng­lich zu wer­den – auf­grund der indi­vi­du­el­len Klas­sen­buch­füh­rung dürf­ten auch OCR-Ver­su­che einer erheb­li­chen Nach­be­ar­bei­tung bedür­fen. Und dann habe ich immer noch nur die Daten einer Klas­se. Der Auf­wand rech­net sich in der Regel nicht – Leh­rer­ka­len­der und Klas­sen­bü­cher sind Daten­schutz­ka­ta­stro­phen – ohne Fra­ge. Aber nur in einem eng begrenz­tem Kon­text. Eine Daten­bank liegt immer in einem For­mat vor, was einem Algo­rith­mus direkt zugäng­lich ist. Daten auf Papier nicht. Dass die­se bei­den Medi­en so unter­schied­lich behan­delt wer­den, hat also tech­ni­sche Gründe.

The­se 3: „Das Vor­han­den­sein von Daten­schutz­lü­cken auf Papier­me­di­en ist kein Argu­ment für die Daten­ver­ab­ei­tung in Rechenzentren.“

Was macht der Datenschutz?

  1. Er for­dert eine gesetz­li­che Grund­la­ge zur Ver­ar­bei­tung von per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten, da dies ein Ein­griff in die Grund­rech­te des Ein­zel­nen darstellt.
  2. Er for­dert Daten­spar­sam­keit: Nur für den jewei­li­gen Zweck erford­li­che Daten dür­fen erho­ben wer­den. Im Fal­le einer tech­ni­schen Pan­ne sind so die offen­ge­leg­ten Daten in ihrer Men­ge von vorn­her­ein begrenzt.
  3. Er schreibt Rech­te fest: Man hat z.B. das Recht, Aus­kunft über die durch eine Fir­ma oder Behör­de ver­ar­bei­te­ten Daten zu verlangen.
  4. Er schützt in beson­de­rer Wei­se die Rech­te von Per­so­nen, die nicht in aus­rei­chen­dem Maße über tech­ni­sche Kom­pe­ten­zen ver­fü­gen, um mög­li­chen Stol­per­stei­ne auszuweichen.
  5. Er nervt, wenn man selbst mit Daten Drit­ter umge­hen möchte.
  6. Er ist viel­leicht jetzt schon voll­kom­men über­flüs­sig, weil eh schon alle Daten über uns frei ver­füg­bar sind. Die Fra­ge ist, ob wir das in eini­gen Jah­ren immer noch den­ken wer­den. Naja. Der Mensch ist von Natur aus gut.

Wer mehr über die Grund­la­gen des Daten­schut­zes im Kon­text von Schu­len hier in Nie­der­sach­sen wis­sen möch­te, sei auf eine Pre­zi ver­wie­sen, die ich nach einer Schu­lung durch Mit­ar­bei­ter des Lan­des­da­ten­schutz­be­auf­trag­ten erstellt habe.

Wie gehe ich als explo­ra­ti­ve Lehr­kraft damit um?

  1. Ich erzeu­ge öffent­lich kei­ne per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten (mehr). Ent­spre­chen­de Ein­trä­ge lösche ich zur Zeit aus die­sem Blog. Ich kann im Netz Schü­ler­na­men pseud­ony­mi­sie­ren. Es ist wich­tig, dass ICH das tue. SuS nei­gen oft dazu, gän­gi­ge Nicks aus sozia­len Netz­wer­ken weiterzuverwenden.
  2. Ich kann mir die Ein­wil­li­gung des Erzie­hungs­be­rech­tig­ten für die Ver­ar­bei­tung von Daten holen, die nicht durch Geset­ze oder Erlas­se abge­seg­net ist. Am bes­ten ent­wi­ckelt dabei die Schu­le selbst Richt­li­ni­en und Ein­wil­li­gungs­er­klä­run­gen, die dann ein­fach im Rah­men der Schul­an­mel­dung mit unter­zeich­net wer­den – das macht ja eh jede Schu­le schon für die Ver­wen­dung von Schü­ler­fo­tos, oder? An so eine Ein­wil­li­gungs­er­klä­rung sind aber bestimm­te for­ma­le Regu­la­ri­en geknüpft. Viel­leicht gibt es ja einen Juris­ten in der Elternschaft.
  3. Mit exter­nen Anbie­tern müs­sen zwin­gend Ver­ein­ba­run­gen zur Auf­trags­da­ten­ver­ar­bei­tung geschlos­sen wer­den (Bun­des­da­ten­schutz­ge­setz).  Es gibt die Unsit­te, z.B. Lern­platt­for­men oder Web­diens­te für die Schul­or­ga­ni­sa­ti­on ein­fach als Erwei­te­rung des „Ver­wal­tungs­net­zes“ zu dekla­rie­ren, des­sen Daten­ver­ar­bei­tung meist durch z.B. hier in Nie­der­sach­sen das Schul­ge­setz gere­gelt ist. Aber auch da gilt der Grund­satz der Erfor­der­lich­keit – hier für Verwaltungsaufgaben.
  4. Die Daten dezen­tral spei­chern, z.B. indem ich eige­ne Schul­clouds auf­baue. Die Daten lie­gen dort meist nicht struk­tu­riert und in einem Umfang vor, der es son­der­lich loh­nend machen wür­de, die­sen Daten­be­stand von außen anzu­grei­fen. Für Angrif­fe von innen hat man ggf. ganz ande­re foren­si­sche Mög­lich­kei­ten.  Neben­ef­fekt: Für einen „staat­li­chen Ser­ver“ gel­ten vie­le Rege­lun­gen nicht, die ein pri­va­ter Anbie­ter umzu­set­zen hat – z.B. die Schaf­fung von „Abhör­schnitt­stel­len“ ab einer gewis­sen Nutzerzahl.

Alles Quatsch und realitätsfern …

… es sind doch eh alle in sozia­len Netz­wer­ken. Post-Pri­va­cy! Es gibt schon jetzt kein Zurück. Mei­ne kur­ze Ant­wort: Was Men­schen selbst durch die Gegend pus­ten, pus­ten sie selbst durch die Gegend. Ich fin­de es nicht immer schlecht, Beruf­li­ches und Pri­va­tes zu tren­nen. Immer­hin erwar­te ich auch von mei­nem Arbeit­ge­ber, dass er sich in bestimm­te Ange­le­gen­hei­ten nicht ein­mischt. Und natür­lich sorgt die Vor­la­ge von Ein­wil­li­gungs­er­klä­run­gen für sozia­len Stress, wenn z.B. eini­ge Eltern oder SuS nicht unter­schrei­ben wol­len. Die­ser Stress erzeugt nach mei­ner Erfah­rung aber auch eine Aus­ein­an­der­set­zung mit dem The­ma Daten­schutz. In der Schul­cloud kann man durch­aus die Ertei­lung eines Accounts von die­ser Erklä­rung abhän­gig machen. Ist es gar nicht zu lösen, arbei­te ich eben mit der gan­zen Grup­pe pseud­ony­mi­siert und bin dann durch nichts ein­ge­schränkt, weil ich – etwas Umsicht vor­aus­ge­setzt – kei­ne per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten erzeuge.

 

 

Klassenarbeiten – eigenverantwortliche Schule (NDS)

Im Rah­men einer Vor­be­rei­tung für eine Fach­kon­fe­renz habe ich mich ein wenig in die Erlass­struk­tur hier in Nie­der­sach­sen ein­ge­le­sen, um mei­ne Posi­tio­nen auf eine schul­ver­wal­tungs­recht­li­che Ebe­ne zie­hen zu kön­nen. Das hört sich tro­cken an, wird aber sehr span­nend, wenn man dar­über päd­ago­gi­sche Neue­run­gen an gewach­se­nen Struk­tu­ren vor­bei durch­set­zen kann, falls man in den ent­spre­chen­den Gre­mi­en (s.u.) Mehr­hei­ten erreicht – z.B. auch durch Vor­de­mo­kra­ti­sie­rung von Ent­schei­dun­gen.

Das Gan­ze spie­le ich hier ein­mal am Bei­spiel der Art und der Anzahl von Klas­sen­ar­bei­ten in der Mit­tel­stu­fe des Gym­na­si­ums hier in Nie­der­sach­sen durch. Ich wei­se dar­auf hin, dass hier­bei mei­ne Inter­pre­ta­ti­on der ent­spre­chen­den Rechts­quel­len zum Aus­druck kommt – ich bin aber nur ein ein­fa­cher Leh­rer und kein Jurist. Alles von dem, was sich mein gesun­der Men­schen­ver­stand hier zusam­men­reimt, kann also falsch sein.

Wer regelt Anzahl und Art der Klas­sen­ar­bei­ten (Leis­tungs­nach­wei­se, Lern­kon­trol­len etc.) in Niedersachsen?

Erst­mal gibt es einen über­ge­ord­ne­ten Erlass:

6.4 Für die Anzahl der zu zen­sie­ren­den schrift­li­chen Lern­kon­trol­len gilt in den Schul­jahr­gän­gen 5 bis 10: In einem fünf­stün­di­gen Fach sind 5 bis 7, in einem vier­stün­di­gen Fach 4 bis 6 und in einem drei­stün­di­gen Fach 3 bis 5 schrift­li­che Lern­kon­trol­len je Schul­jahr zu schrei­ben; die mitt­le­re Zahl gibt den Regel­fall an.

6.5 In den übri­gen Fächern sind mit Aus­nah­me des Faches Sport zwei zen­sier­te schrift­li­che Lern­kon­trol­len im Schul­jahr ver­bind­lich. Bei Unter­richt, der nur ein Schul­halb­jahr erteilt wird, ent­schei­det die Fach­kon­fe­renz, ob eine zen­sier­te schrift­li­che Lern­kon­trol­le ver­bind­lich ist oder zwei zen­sier­te schrift­li­che Lern­kon­trol­len ver­bind­lich sind; sofern eine ver­bind­lich ist, kann die­se nicht ersetzt wer­den durch eine ande­re Form von Lern­kon­trol­le nach Nr. 6.7.

6.7 An die Stel­le einer der ver­bind­li­chen Lern­kon­trol­len nach den Nrn. 6.4 und 6.5 kann in den Schul­jahr­gän­gen 7 bis 9, in den Fächern Musik und Kunst in den Schul­jahr­gän­gen 5 bis 9 nach Beschluss der Fach­kon­fe­renz eine ande­re Form von Lern­kon­trol­le tre­ten, die schrift­lich oder fach­prak­tisch zu doku­men­tie­ren und münd­lich zu prä­sen­tie­ren ist. Die Lern­kon­trol­le hat sich auf die im Unter­richt behan­del­ten Inhal­te und Metho­den zu bezie­hen. Das Nähe­re regelt die Fach­kon­fe­renz.

Quel­le: Arbeit in den Schul­jahr­gän­gen 5 bis 10 des Gym­na­si­ums (VORIS 22410 von 3.2.2004)

Zu den Auf­ga­ben der Fach­kon­fe­renz gehört u.a.:

Die Fach­kon­fe­renz:

  • trifft Abspra­chen über die Anzahl und Ver­tei­lung ver­bind­li­cher Lern­kon­trol­len im Schuljahr
  • trifft Abspra­chen zur Kon­zep­ti­on und Bewer­tung von schrift­li­chen, münd­li­chen und fach­spe­zi­fi­schen Lernkontrollen

Quel­le: Kern­cur­ri­cu­lum für das Gym­na­si­um – Schul­jahr­gän­ge 5–10

Die Fach­kon­fe­renz kann also prin­zi­pi­ell beschlie­ßen, vom Regel­fall des Rah­men­er­las­ses abzu­wei­chen und z.B. weni­ger Lern­kon­trol­len zu schrei­ben, oder bestimm­te Lern­kon­trol­len durch neue For­men zu erset­zen, die natür­lich auch einen schrift­li­chen Teil umfas­sen. Natür­lich ist bei­des kom­bi­nier­bar. Natür­lich erfor­dert bei­des einen demo­kra­ti­schen Pro­zess, jedoch einen an der Basis. Und die Klas­se 10 sieht bei alter­na­ti­ven Lern­kon­troll­kon­zep­ti­on, die an die Stel­le einer klas­si­schen tritt, in die Röh­re (das mit der Röh­re scheint mir in die­ser Stu­fe ohne­hin ein sich durch­zie­hen­des Merk­mal zu sein).

Lei­der ist es doch nicht ganz so ein­fach, da es im Zuge der eigen­ver­ant­wort­li­chen Schu­le eine Art „Over­lay-Erlass“ gibt, der den Spiel­raum einer Schu­le in die­sem Bereich regelt:

Nrn. 6.4, 6.5 und 6.7 (Schrift­li­che Lern­kon­trol­len) mit der Maß­ga­be, dass die Schu­le in eige­ner Ver­ant­wor­tung ent­schei­den kann, dass in einem drei- oder mehr­stün­di­gem Fach min­des­tens zwei schrift­li­che Lern­kon­trol­len je Schul­halb­jahr, in einem zwei­stün­di­gen Fach mit Aus­nah­me des Fachs Sport min­des­tens eine schrift­li­che Lern­kon­trol­le je Schul­halb­jahr und in einem nur ein Schul­halb­jahr unter­rich­te­ten Fach eine oder zwei schrift­li­che Lern­kon­trol­len nach Ent­schei­dung der Fach­kon­fe­renz geschrie­ben wer­den und außer­dem dar­über, ob in einem Fach wei­te­re schrift­li­che oder wei­te­re ande­re, z. B. fach­prak­tisch zu doku­men­tie­ren­de und münd­lich zu prä­sen­tie­ren­de For­men von Lern­kon­trol­len ver­langt werden,

 

Eigen­ver­ant­wort­li­che Schu­le umfasst in mei­ner Les­art den Kom­pe­tenz­be­reich des Nie­der­säch­si­schen Schul­vor­stan­des, der nicht per Erlass, son­dern per Gesetz gere­gelt wird. Bei den Auf­ga­ben steht nicht expli­zit, dass der Schul­vor­stand die Anzahl und die Art der Klas­sen­ar­bei­ten regelt, gleich­wohl ist er aber durch den „Over­lay-Erlass“ anschei­nend mit im Boot, denn es heißt in §38a, Abs. 3:

Der Schul­vor­stand ent­schei­det über die Inan­spruch­nah­me der den Schu­len im Hin­blick auf ihre Eigen­ver­ant­wort­lich­keit von der obers­ten Schul­be­hör­de ein­ge­räum­ten Ent­schei­dungs­spiel­räu­me,

womit der oben zitier­te „Over­lay-Erlass“ mit im Spiel ist. Damit scheint mir das recht­li­che Pro­ze­de­re vorgegeben:

  1. Die Fach­kon­fe­renz beschließt
  2. Die Fach­kon­fe­renz stellt einen ent­spre­chend begrün­de­ten Antrag an den Schulvorstand
  3. Der Schul­vor­stand befin­det über den Antrag
  4. Der Beschluss des Schul­vor­stands wird umgesetzt
Die Anzahl der Klas­sen­ar­bei­ten in Klas­se 10 lässt sich z.B. aber nicht unter zwei pro Halb­jahr absen­ken, weil der Ent­schei­dungs­spiel­raum des Schul­vor­stan­des hier durch den „Over­lay-Erlass“ beschnit­ten ist. Das ist recht übel, da durch Spie­le­rei­en wie das ver­bind­li­che Betriebs­prak­ti­kum zwei Wochen Unter­richt im ers­ten Halb­jahr weg­fal­len und so in Ver­bin­dung mit den not­wen­di­gen vier Klau­su­ren auch päd­ago­gisch sinn­vol­le Klas­sen­fahr­ten (immer­hin tren­nen sich in der Zehn vie­le Wege, z.B. durch Abgän­ge zu den Fach­gym­na­si­en) fast schon obso­let werden.

 

Mei­ne Bewer­tung des recht­li­chen Rahmens
Zunächst ein­mal bie­tet der Rah­men die Mög­lich­keit für Ver­än­de­rung – nicht nur im Bereich der Klas­sen­ar­bei­ten. In der Fach­kon­fe­renz sit­zen (zumin­dest theo­re­tisch) auch Eltern und Schü­ler, im Schul­vor­stand bil­den sie eine fes­te Grup­pe, die jedoch gegen­über der Leh­rer­schaft in der Min­der­heit ist (acht Lehr­kräf­te + Schul­lei­ter + vier Eltern + vier Schü­ler). Den­noch sind Eltern und Schü­ler erkenn­bar am Ent­schei­dungs­pro­zess beteiligt.
Prak­tisch müs­sen alle Ent­schei­dun­gen zwei Hür­den neh­men, die z.B. Kräf­ten mit „Bewah­rer­qua­li­tä­ten“ auf ver­schie­de­ne Ebe­nen erlau­ben, den Pro­zess in ihrem Sin­ne zu steu­ern – das ist ein Hemm­nis für Inno­va­ti­on, da sich Bewah­rer auch auf allen Ebe­nen und in allen Grup­pen finden.
Daher ist eine inno­va­ti­ons­freu­di­ge Fach­schaft eben­so wich­tig wie ein Schul­vor­stand (mehr Sit­ze für enga­gier­te sowie poli­tisch moti­vier­te Eltern und Schü­ler dar­in wären eigent­lich auch nicht schlecht), der auf die fach­li­che und päd­ago­gi­sche Kom­pe­tenz sel­bi­ger ver­traut, so dass ent­spre­chen­de Mehr­hei­ten tat­säch­lich auch zustan­de kommen.
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