Ist unser Verhalten algorithmisch vorhersagbar?

Am Wochen­en­de geis­ter­te ein ver­stö­ren­der Arti­kel durch Twit­ter - „Ich habe nur gezeigt, dass es die Bom­be gibt“. Mit der „Bom­be“ war gemeint, dass ein For­scher namens Mich­al Kos­in­ski glaubt anhand von Face­book-Likes recht inti­me Din­ge von Men­schen vor­her­sa­gen zu kön­nen – etwa die sexu­el­le Orientierung.

Den Ori­gi­nalt­text der Stu­die fin­det man hier, ers­te Aus­ein­an­der­set­zung mit der sta­tis­ti­schen Qua­li­tät hier. Die Stu­die wur­de schon vor eini­ger Zeit medi­al dis­ku­tiert, gewinnt natür­lich aber natür­lich im Kon­text des Brexit oder der Trump­wahl wie­der an Bri­sanz: Sind bei­de Wah­len viel­leicht über Social-Media-Bots gezielt mani­pu­liert wor­den? Nutzt viel­leicht sogar die AFD die­se Tech­no­lo­gie, um Wahl­er­geb­nis­se in ihrem Sinn zu beeinflussen?

Algo­rith­mi­sche Model­le, um das Ver­hal­ten von Men­schen vor­aus­zu­sa­gen oder zu simu­lie­ren, gibt es schon sehr lan­ge. Schon in den 60er Jah­ren ent­wi­ckel­te Joseph Wei­zen­baum ein nach heu­ti­gen Maß­stä­ben pri­mi­ti­ves Pro­gramm, um ein mensch­li­ches Gegen­über zu simu­lie­ren. Heu­te ken­nen wir digi­ta­le Assis­ten­ten wie Siri oder Cort­a­na, die ein­fa­che Funk­tio­nen sprach­ba­siert zur Ver­fü­gung stellen.

Etwas Ähn­li­ches macht ein Social-Media-Bot. Im ein­fachs­ten Fall twit­tert er über das Wet­ter auf Basis von Wet­ter­da­ten aus einer Daten­bank. Bots gibt es unglaub­lich vie­le – man­che sind leicht als sol­che zu erken­nen, bei man­chen fällt es erst auf, wenn ver­sucht, mit ihnen in Inter­ak­ti­on zu tre­ten. Im Prin­zip ist schon ein Word­Press­sys­tem, wel­ches bei neu­en Arti­keln direkt twit­tert, eine Art Bot. So etwas nutzt natür­lich auch die AFD – reiht sich damit aber in die Rei­he der ande­ren Par­tei­en ein.

Natür­lich lässt sich ein Bot prin­zi­pi­ell mit belie­bi­gen Daten kop­peln, also auch mit Daten­ban­ken zu Vor­her­sa­ge von mensch­li­chem Ver­hal­ten – Kon­sin­ski glaubt ja, eine sol­che auf Basis von öffent­lich zugäng­li­chen Pro­fil­da­ten erstel­len zu können.

Damit „sucht“ der Bot im Fal­le der Trump­wahl also gezielt Pro­fi­le von Men­schen, die noch unent­schie­den sind und „ver­sorgt“ die­se mit geeig­ne­ten Arti­keln oder schlägt Pro­fi­le vor, die Trump nahe stehen.

Die­se Vor­stel­lung wird in Tei­len des Inter­nets als „Angst­ma­che­rei“ und „völ­lig über­zo­gen“ abge­tan. Die algo­rith­mi­sche Ana­ly­se mensch­li­chen Ver­hal­tens habe sich oft genug als „Bull­shit“ her­aus­ge­stellt. Der­ar­ti­ge Dar­stel­lun­gen sei­en also zu unter­las­sen (sie könn­ten die Bevöl­ke­rung verunsichern).

Das stimmt für mich nur teil­wei­se. Tat­säch­lich ist das bezo­gen auf den Trump- oder AFD-Kon­text wah­schein­lich Bull­shit. Mei­ne Lieb­lings­ge­schich­te ist die der Dro­ge­rie­markt­ket­te Tar­get, die algo­rith­misch bestim­men konn­te, ob eine Schwan­ger­schaft bei einer Frau vorlag.

Um schwan­ge­re Frau­en zu beein­flus­sen, muss nicht zwin­gend etwas über deren Cha­rak­ter bekannt sein. Es reicht u.U. schon zu wis­sen, dass sie schwan­ger sind.

Hin­ter der „Angst­ma­che­rei­the­se“ ste­cken für mich gewis­se bil­dungs­bür­ger­lich-roman­ti­sche Grundannahmen:

  1. Mensch­li­ches Ver­hal­ten ist sehr kom­plex, zu kom­plex, um einer algo­rith­mi­schen Ana­ly­se zugäng­lich zu sein.
  2. Men­schen sind auto­no­me Geschöp­fe mit einem frei­en Willen.
  3. Social­me­dia erwei­tert den Hori­zont durch die Mög­lich­keit der unbe­grenz­ten Vernetzung.
  4. Das Inter­net ist eine Berei­che­rung der mensch­li­chen Aus­drucks­fä­hig­keit und Freiheit.

Dem­ge­gen­über ste­hen über 50 Jah­re algo­rith­mi­sche Ent­wick­lungs­ar­beit und immense, bis­her wohl weit­ge­hend unge­nutz­te Daten­be­stän­de. Das Indi­vi­du­um kann man heu­te wohl (noch) nicht mit hin­rei­chen­der Genau­ig­keit bestim­men – außer Leh­rern mit ihren sehr typi­schen Tweets und Posts :o)…

Bei der Mas­se bin ich mir da nicht so sicher. Infor­ma­ti­ons­ver­brei­tung kos­tet heu­te kaum noch etwas, sodass auch mit Unschär­fe das Prin­zip der gro­ßen Zahl immer noch tra­gen wird. Bei knap­pen Ent­schei­dun­gen muss ich nicht alle adres­sie­ren. Weni­ge Pro­zent rei­chen u.U..

Das wäre natür­lich doof, weil es den Mythos des frei­en Inter­nets doch arg demon­tiert. Wenn Tech­no­lo­gie­kon­zer­ne und Agen­tu­ren bestim­men, was wir sehen und mit wem wir in Kon­takt tre­ten – schon irgend­wie eher feu­da­lis­tisch. Sehr beru­hi­gend, dass Goog­le, Face­book, Apple, Ama­zon und Micro­soft ja sehr trans­pa­rent dar­le­gen, wie ihr jewei­li­ger Algo­rith­mus eigent­lich arbeitet.

Ach nee – das mit der Trans­pa­renz war ja nicht in die­ser Welt.

 

 

 

Einen literarischen Charakter visualisieren

Die­se Auf­ga­be war eine typi­sche Schnaps­idee, wie sie aus der Not her­aus gebo­ren wird, wenn etwas in einer Stun­de nicht so passt. Ich ste­he momen­tan voll auf Visua­li­sie­run­gen, weil mir unge­heu­re Ein­bli­cke in die Köp­fe mei­ner SuS ermög­licht. Ich lese in mei­ner 7. Klas­se gera­de die­ses Jugend­buch hier und in die­sem Zusam­men­hang galt es eine Visua­li­sie­rung zur Figur „Miche­al Bai­ley“ zu erstel­len. Die fol­gen­de Band­brei­te kam dabei heraus:

Bei­spiel 1:

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Die gute, alte nach Kate­go­rien struk­tu­rier­te Tabel­le. Nicht schlecht und eini­ger­ma­ßen über­sicht­lich, aber irgend­wie nicht so „visu­ell“.

Bei­spiel 2:

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Man neh­me ein Cha­rak­ter­merk­mal und set­ze es mit einem Säu­len­dia­gramm  in Bezie­hung zum iden­ti­schen Merk­mal ande­rer Figu­ren. Nicht schlecht. So bekommt man gleich einen Ein­druck von der sozia­len Stel­lung der Figur inner­halb der Grup­pe in der Handlung.

Bei­spiel 3:

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Hier wur­de zwar nicht die eigent­li­che Auf­ga­be bear­bei­tet, jedoch haben die bei­den betei­lig­ten SuS „mal eben“ die nar­ra­ti­ve Par­al­le­li­tät von Vor­ge­schich­te und aktu­el­ler Hand­lung her­aus­ge­ar­bei­tet (vgl. Jugend­buch). Damit lässt sich zu gege­be­ner Zeit wei­ter­ar­bei­ten, es ist also ein wert­vol­ler Beitrag!

Bei­spiel 4:

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Die­ses Bild trifft so vie­le Cha­rak­ter­zü­ge der Figur, dass es schon fast ein wenig unheim­lich ist, wie sehr bild­li­ches Aus­drucks­ver­mö­gen und sprach­li­che Fähig­kei­ten in die­sem Alter aus­ein­an­der­zu­klaf­fen scheinen.

Ich hat­te die Visua­li­sie­run­gen in Part­ner­ar­beit erstel­len las­sen und mit nach Hau­se genom­men. Die obe­ren vier wur­den des­we­gen von mir aus­ge­wählt, weil sie eine gro­ße Band­brei­te abde­cken. Frap­pie­rend war auch, dass jede Dar­stel­lung in der Reflek­ti­on mit den SuS bei irgend­wem sei­ne indi­vi­du­el­le Berech­ti­gung fand. Der eine konn­te mit dem Bild, die ande­re mit der Tabel­le mehr anfan­gen. Dar­an ließ sich gleich eine klei­ne Meta­dis­kus­si­on zu „richtig/falsch“ im Deutsch­un­ter­richt anschlie­ßen. Ich mag Stun­den, die „zufäl­lig“ einen sol­chen Ertrag bringen.