Resistance is futile (Widerstand ist zwecklos) – Teil 1

Vor­ein­lei­tung

Ich woll­te einen Arti­kel schrei­ben. Es wird eine Serie. Heu­te mit dem ers­ten Teil.

Ein­lei­tung

Kris­ti­an Köhn­topp schreibt in sei­nem Blog, dass jeder Arbeit­neh­mer zwei Ver­trä­ge mit sei­nem Arbeit­ge­ber abschließt. Ich zitie­re eine kur­ze Pas­sa­ge, weil ich es nicht bes­ser aus­zu­drü­cken vermag:

Der eine exis­tiert auf dem Papier. Er regelt Geld, Urlaub, Daten­schutz, Kün­di­gungs­recht und sol­che Din­ge. Den ande­ren hat man im Kopf. Er regelt ‚Was erwar­te ich von mei­ner Fir­ma und mei­nen Kol­le­gen?‘ und ‚Was bin ich bereit an Ände­run­gen hin­zu­neh­men bis ich gehe?‘.“

Ich ken­ne sehr weni­ge Leh­rer, die tat­säch­lich äußer­lich gegan­gen sind und sich dem frei­en Stür­men des Arbeits­mark­tes aus­set­zen. Erstaun­li­cher­wei­se sind die weni­gen, die ich ken­ne. sehr, sehr glück­lich mit die­ser Ent­schei­dung (aber meist auch ander­wei­tig mate­ri­ell gut ver­sorgt). Trotz­dem glau­be ich, dass es eine Rei­he von Leh­rern gibt, die inner­lich gehen., d.h. den zwei­ten Ver­trag kün­di­gen, den ers­ten aber behal­ten. Dabei for­mu­lie­re ich meh­re­re Ste­reo­ty­pen, die Extrem­fäl­le(!) dar­stel­len, zwi­schen denen es natür­lich Gra­du­ie­run­gen gibt.

Ste­reo­typ I

Man kann im Extrem­fall nur noch das Not­wen­digs­te tun und dem Dienst­her­ren nur das unbe­dingt Nöti­ge ablie­fern  – wenn man sich for­mal kor­rekt ver­hält, hat man da in der Regel wenig Ärger von „oben“ zu befürch­ten. Das ist in die­ser radi­ka­len Form in mei­nen Augen aber unso­li­da­risch, weil unter der Ein­stel­lung des einen u.U. ande­re KuK lei­den – u.a. durch in mei­nen Augen fast unver­meid­ba­re Stellvertreterkriege.

Es ist für mich aber auch eine stil­le Form des Wider­stands gegen ein Sys­tem, wel­ches Loya­li­tät (Treue­pflicht) for­dert und dabei sogar so weit geht, dem Recht auf freie Mei­nungs­äu­ße­rung teil­wei­se einen Dienst­weg zu ver­ord­nen. Bestimm­te Vor­gän­ge unter­lie­gen der Schwei­ge­pflicht, weil Per­sön­lich­keits­rech­te von SuS gewahrt wer­den müs­sen oder das Sys­tem selbst eine Stö­rung des Schul­frie­dens fürch­tet. Mar­kus Han­sen, ein wie­der­ent­deck­ter Freund aus alten Tagen, schreibt:

Der posi­ti­ve Loya­li­täts­aspekt klappt dabei nur, wenn er mul­ti­la­te­ral ist, d.h. von allen Betei­lig­ten eben­falls Loya­li­tät gegen­über den ande­ren bei­getra­gen wird.“

Der Deal klappt also, wenn der Dienst­herr auch sei­nen Teil der Ver­tra­ges ein­hält, z.B. öffent­li­che Zusa­gen umsetzt, sei­ner Für­sor­ge­pflicht ent­spre­chend ali­men­tiert, sei­ne Beam­ten im Rah­men der Bei­hil­fe nicht gegen­über Kas­sen­pa­ti­en­ten benach­tei­ligt, trans­pa­ren­te Bewer­bungs­ver­fah­ren durch­führt, einen gewis­sen Stan­dard bei den Arbeits­be­din­gun­gen garan­tiert usw. – also ganz pro­fa­ne Din­ge, für die er Treue erwar­ten darf. Han­delt der Dienst­herr in der Wahr­neh­mung(!) sei­ner Beam­ten nicht loy­al, so evo­ziert er viel­leicht erst die hier beschrie­be­ne, mög­li­che Form des inne­ren Wider­stands, der nach mei­ner Mei­nung ein immenses Pro­blem darstellt:

  1. Die Fol­gen die­ses stil­len Wider­stands spürt der Dienst­herr nicht direkt. Schul­lei­tungs­mit­glie­der bekom­men das pri­mär ab – das ist in einem hier­ar­chi­schen Sys­tem halt so, sekun­där ande­re Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen (s.u.). Das ent­so­li­da­ri­siert und stärkt indi­rekt die Rol­le des Dienstherren.
  2. Die­se Art des inne­ren Wider­stand erle­be ich in Pha­sen, in denen ich mich dar­in befin­de, als extrem unbe­frie­di­gend. Ich muss viel von mei­ner Kraft ein­set­zen, das „Sys­tem“ abzu­weh­ren, mei­ne Arbeits­leis­tung und per­sön­li­che Zufrie­den­heit sin­ken. Man kann bedingt durch Pri­vat­le­ben kom­pen­sie­ren, bedingt.
  3. Es kann für die Schul­ge­mein­schaft zu einem erns­ten Pro­blem wer­den. Der Zorn und die Ent­täu­schung gehen in die­sem Sta­tus meist ja nicht ver­lo­ren, son­dern suchen sich nur ande­re Wege. Da sie sich nicht offen gegen den Dienst­her­ren rich­ten kön­nen (oder wol­len), suchen sie sich wahr­schein­lich ein ande­res Ziel. Ich habe vor eini­gen Jah­ren das Wort „Stell­ver­tre­ter­krieg“ gelernt, wel­ches ich immer noch als tref­fend anse­he. Stell­ver­tre­ter­krie­ge tref­fen grund­sätz­lich die schwächs­ten Glie­der – dumm, wenn das Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen, noch düm­mer, wenn es Schü­le­rin­nen und Schü­ler sind.

Da der Dienst­herr nichts oder sehr ober­fläch­lich oder nur sehr wenig „spürt“, setzt er fröh­lich nach: mit Refor­men, mit Spar­plä­nen, mit inhalt­li­chen Vor­ga­ben. Han­delt er dabei in der Wahr­neh­mung sei­ner Beam­ten nicht loy­al, zu kommt es ledig­lich zu einer Modi­fi­ka­ti­on die­ses inne­ren Wider­stands. Dum­mer­wei­se kom­men Regie­run­gen und gehen Regie­run­gen, die Ver­ant­wort­li­chen dort müs­sen weit weni­ger Jah­re „durch­hal­ten“ als ein Leh­ren­der – und wenn des­sen Res­sour­cen der Modi­fi­ka­ti­ons­fä­hig­keit die­ses sei­nes inne­ren Wider­stan­des auf­ge­braucht sind, dann gibt es Pro­ble­me in Form von sich ver­stär­ken­den Stell­ver­tre­ter­krie­gen. Des­we­gen hal­te ich die­se Form des Wider­stan­des für sinn­los. Sie ver­mei­det wahr­schein­lich lang­fris­tig  nicht ein­mal ernst­haf­te per­sön­li­che Kri­sen oder erhält die phy­si­sche Gesund­heit, obwohl sie ursprüng­lich genau dafür „gedacht“ ist.

Wir sind nicht allein

Es gibt Kol­le­gi­en – das fol­gen­de Bei­spiel kommt bezeich­nen­der­wei­se nicht aus Deutsch­land – die etwas tun wol­len gegen die „Schu­le im Sink­flug“ – ohne Berück­sich­ti­gung von Dienst­weg und Treue­pflicht. Sehr beein­druckt haben mich die unter dem gleich­na­mi­gen Link zu fin­den­den State­ments der Leh­re­rin­nen und Leh­rer. Hier der Link:

http://www.schule-im-sinkflug.ch/

Es ist trös­tend und erschre­ckend zugleich, wie sehr man alle getä­tig­ten Aus­sa­gen auf das Schul­sys­tem in Deutsch­land über­tra­gen kann. Es ist  für mich vor allem erschre­ckend zu sehen, dass die KuK dort vor Ort von „Logo­pä­den“, „Sozi­al­ar­bei­tern“, „Päd­ago­gen“ spre­chen (habe ich hier an mei­ner Schu­le noch nichts von gese­hen) und sich über Klas­sen­grö­ßen von um die 23 SuS bekla­gen – man möge sich die Klas­sen­tei­ler in Deutsch­land anschau­en. Mein ers­ter Reflex war zu sagen: „Och, euch geht es doch eigent­lich ganz gut!“ Viel­leicht sind wir deut­schen Beam­ten auch ein­fach zu maso­chis­tisch veranlagt…

GEHEIMHALTUNGSPFLICHT

GEHEIMHALTUNGSPFLICHT: Die­se E‑Mail und alle damit ver­bun­de­nen Anla­gen sind ver­trau­lich und dür­fen nur bestimm­ten Per­so­nen zugäng­lich gemacht wer­den. Sofern Sie nicht zu den ange­ge­be­nen Emp­fän­gern gehö­ren soll­ten, benach­rich­ti­gen Sie bit­te unver­züg­lich den Absen­der. Der Inhalt darf in die­sem Fall weder an Drit­te wei­ter­ge­ge­ben noch zu ande­ren Zwe­cken ver­wen­det werden.

Die­ser Hin­weis war in einer E‑Mail an mich von einem Ver­lag ent­hal­ten – die Blog­ger unter uns Leh­rern wer­den gleich wis­sen, um wel­chen Ver­lag es sich dabei han­delt, weil sie wahr­schein­lich auch ange­schrie­ben wur­den.  Die­se Mail ist ein offen­sicht­li­cher Text­bau­stein und geht in kei­ner Wei­se inhalt­lich auf irgend­et­was in mei­nem Blog ein. Ich soll in die­ser Mail mit einem „per­sön­li­chen Frei­schal­tungs­code“ für ein Por­tal die­ses Ver­la­ges (nicht, dass es sowas schon gäbe…) gewon­nen wer­den und mich dort durch Publi­ka­ti­on mei­ner Inhal­te mit ande­ren Leh­rern „ver­net­zen“. Ich habe gelernt, sofort die AGB bei so etwas zu lesen. Ich gebe die inter­es­san­ten Pas­sa­gen ein­mal mit eige­nen Wor­ten wieder:

  • ich soll sicher­stel­len, dass mei­ne Inhal­te frei von Rech­ten Drit­ter sind
  • der Ver­lag behält sich vor, spä­ter Tei­le des Ange­bots kos­ten­pflich­tig zu machen
  • ich darf die mir zugäng­li­chen Inhal­te in mei­nem Unter­richt nut­zen – aber nur dort!
  • der Ver­lag darf die Inhal­te zu allem nut­zen, z.B. für Publi­ka­tio­nen, Lern­soft­ware, Bücher…
  • der Ver­lag darf die AGB jeder­zeit anpassen
  • der Ver­lag darf Inhal­te und Kom­men­ta­re jeder­zeit löschen oder sper­ren oder kos­ten­pflich­tig machen

Da kann ich ja gleich wie­der zum FB gehen. Ich fra­ge mich, was sich jemand bei so einer E‑Mail eigent­lich denkt. Man kann das im Prin­zip wie folgt zusam­men­fas­sen: „Wir möch­ten ger­ne über dei­ne Inhal­te belie­big ver­fü­gen, d.h. sie auch z.B. ver­kau­fen kön­nen. Dafür bie­ten wir nichts, was du nicht auch über­all bes­ser bekom­men kannst – z.B. in einer FB-Grup­pe  (die Urhe­be­rechts­be­stim­mun­gen sehen da nur unwe­sent­lich schlech­ter aus). Aber wenn du die­se Mail wei­ter­gibst, dann ist das böse.“

Der Dis­clai­mer ist übri­gens ohne recht­li­che Rele­vanz – das spricht in mei­nen Augen nicht unbe­dingt für die Kom­pe­tenz die­ses Ver­lags. Ich darf hier auch die gan­ze Mail inkl. Absen­der ver­öf­fent­li­chen – das zitier­te ange­häng­te Urteil eines Amts­ge­rich­tes dürf­te sich wohl auf einen ganz ande­ren Fall bezie­hen. Das ist für mich ein sehr gutes Bei­spiel dafür, wie man als Ver­lag nicht an qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge Inhal­te kommt – das Prin­zip hat doch jeder Nut­zer nach spä­tes­tens einem Jahr duchschaut.

Was erwar­te ich von einem Ver­lag, mit dem ich zusam­men­ar­bei­ten möchte?

  1. Eine per­sön­li­che Anspra­che, die zeigt, dass man sich mit mir und mei­nen Inhal­ten beschäf­tigt hat
  2. Ein inhalt­s­of­fe­nes Ver­hand­lungs­an­ge­bot, wel­ches nicht von vorn­her­ein durch AGB und Ver­trags­klau­seln fest­ge­legt ist – reden lässt sich über alles
  3. Fair­ness bei der Ver­wer­tung von Inhal­ten. Ein Ver­lag soll und muss Geld ver­die­nen. Ich brau­che aber eine Gegen­leis­tung für die­se Rech­te­über­tra­gung, mit der ich leben kann.
  4. Inno­va­ti­on. Leh­rer­aus­tausch­por­ta­le gibt es vie­le – man­che lau­fen man­che nicht. Inno­va­ti­on kann bedeu­ten, fan­ta­sie­vol­le Autoren­aqui­se zu betrei­ben, kann aber auch bedeu­ten neue Por­tal­for­men zu ent­wi­ckeln. Bringt irgend­wer z.B. Eltern, Leh­rer und Schü­ler attrak­tiv auf einem Por­tal zusammen?

Aber wenn man eini­gen Aus­sa­gen von Ver­la­gen glau­ben schen­ken darf, besteht das Netz eh nur aus inhalt­li­chem, weit ver­streu­tem Schrott. Dum­mer­wei­se bedeu­tet Web2.0 inhalt­li­che und teil­wei­se doku­men­tier­te Evo­lu­ti­on (vgl. Wiki­pe­dia) sowie immer intel­li­gen­te­re Such­al­go­rith­men (da leben ja Leu­te gar nicht so schlecht von). Noch habt ihr einen Vor­sprung, lie­be Ver­la­ge, noch… Also nutzt ihn endlich!

The times, they are a‑changin‘

Ori­gi­nal­text bei: sing365 / Über­set­zung (gibt das Ori­gi­nal nur sinn­ge­mäß wie­der!) bei: golyr.

Ich hät­te ger­ne den Song­text zum Mit­le­sen hier ver­öf­fent­licht. Lei­der geht das aus ver­schie­de­nen Grün­den nicht.  Also macht euch am bes­ten einen neu­en Tab auf…

Der Song ist ja nun schon ein wenig älter, was man vor allem dar­an sieht, dass man Bob Dylan noch ver­steht und er auch die Into­na­ti­on hält. Beim Inhalt war ich immer wie­der erstaunt, wie wenig neu unse­re momen­ta­ne Dis­kus­si­on um Web2.0 und den damit ver­bun­de­nen gesell­schaft­li­chen Wan­del doch ist. Der Duk­tus ist der glei­che, den Text kann ich 1:1 neben jeden Web2.0‑freundlichen oder ‑feind­li­chen Arti­kel legen.

Was sich in den 60er Jah­ren gesell­schaft­lich geän­dert hat, ist hin­läng­lich bekannt und durch­ge­kaut. Span­nend scheint mir die Über­tra­gung auf unse­re Zeit und zwar nicht die Dis­kus­si­on, son­dern die Kon­se­quen­zen. Was ändert sich?

Wei­ter­le­sen

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