Fortbildung für Lehrkräfte im Zeitalter der Digitalisierung

In mei­nen „Meta-Prä­sen­ta­tio­nen“, mit deren Hil­fe ich mich mit ande­ren medi­en­päd­ago­gi­schen Bera­te­rin­nen und Bera­ter in Nie­der­sach­sen aus­tau­sche, blieb ein Kol­le­ge an die­ser Folie hängen:

Nach sei­ner Mei­nung sei das eine ganz bedeu­ten­de Gra­fik für die zukünf­ti­ge Arbeit von medi­en­päd­ago­gi­schen Bera­te­rin­nen und Bera­tern. Ich war erst ein wenig irri­tiert und bin dar­über dann hinweggehuscht.

Der Bedarf hier bei uns in der Gegend ist gera­de im Bereich „Umgang mit Gerä­ten“ sehr groß. Das ist für mich eigent­lich der zwei­te Schritt vor dem ers­ten, aber ich habe da schon eini­ge Ideen. Einer mei­ner Aus­schrei­bungs­tex­te in der Ver­an­stal­tungs­da­ten­bank des Lan­des lau­tet wie folgt:

Die inter­ak­ti­ve Tafel im Schulalltag

Vie­le Schu­len im Land­kreis Clop­pen­burg sind in den letz­ten Jah­ren mit inter­ak­ti­ven Tafel­lö­sun­gen aus­ge­stat­tet worden.

 Im Rah­men die­ser Fort­bil­dung ler­nen Sie Bei­spie­le zum didak­ti­schen Ein­satz die­ser Gerä­te ken­nen. Der Fokus liegt dabei nicht auf der Vor­stel­lung von Spe­zi­al­an­wen­dungs­fäl­len, son­dern schwer­punkt­mä­ßig wer­den Sie mit den Grund­funk­tio­nen der Gerä­te ver­traut gemacht.

Ihr eige­nes Han­deln steht dabei im Vor­der­grund. Sie arbei­ten selbst oder in klei­nen Teams pro­dukt­ori­en­tiert anhand von Auf­ga­ben mit unter­schied­li­chem Schwie­rig­keits­grad. Fron­ta­le Antei­le beschrän­ken sich auf kur­ze Impul­se. Wäh­rend der Ver­an­stal­tung wer­den Sie selbst­ver­ständ­lich beglei­tet und beraten.

 Für die Dau­er der Ver­an­stal­tung ste­hen fünf inter­ak­ti­ve Tafel­lö­sun­gen in vier Räu­men zur Ver­fü­gung, an denen in 3er-Teams gear­bei­tet wer­den kann.

 Falls vor­han­den brin­gen Sie bit­te Ihr eige­nes digi­ta­les Arbeits­ge­rät mit, wel­ches Sie im Schul­all­tag nut­zen (Tablet, Note­book, Handy …).

Es wird kei­ne Mate­ria­li­en in gedruck­ter Form geben, son­dern die­se ste­hen in Form eines Wikis aus­schließ­lich digi­tal bereit. Die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer müs­sen also streng genom­men gar nicht selbst kom­men. Wenn Schwie­rig­kei­ten bei der Umset­zung auf­tre­ten, kön­nen sie sich aber ent­we­der gegen­sei­tig unter­stüt­zen oder von mir Hil­fe holen. Auch das gin­ge prin­zi­pi­ell auch digi­tal ver­mit­telt. Ich möch­te in einer Feed­back­run­de das Mate­ri­al bespre­chen. Ver­bes­se­rungs­vor­schlä­ge arbei­te ich gleich live ins Wiki ein. Das könn­ten die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer prin­zi­pi­ell auch selbst tun. All das möch­te ich ganz am Ende in einer Meta­me­ta­dis­kus­si­on noch ein­mal offen­le­gen und reflektieren.

Mir ist auf die­ser Fort­bil­dung wich­tig, die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer mit­ein­an­der in Inter­ak­ti­on zu brin­gen und ihnen bewusst zu machen, dass alle ange­wand­ten Prin­zi­pi­en auf auch ande­re The­men­be­rei­che über­trag­bar sind – z.B. auf die Fort­bil­dungs­an­ge­bo­te, die bereits schnell aus­ge­bucht waren – weil es das Netz prin­zi­pi­ell mög­lich macht. Ich nut­ze dafür bewusst sehr nie­der­schwel­li­ge Inhal­te. Die Inhal­te sind hier wich­tig – aber auch die Metho­dik. Die­se Metho­dik brau­che ich für sinn­vol­le Fort­bil­dun­gen zu allen ande­ren Berei­chen – z.B. bei ver­netz­ter und geleb­ter Curriculumsarbeit.

Ich hof­fe, dass der Aus­schrei­bungs­text schon ent­spre­chend vor­fil­tert und nur Lehr­per­so­nen anspricht, die kei­ne fron­ta­len Set­tings erwarten.

Just zum glei­chen Zeit­punkt hat Phil­ip­pe Wampf­ler einen Bei­trag mit den Titel „Lehr­per­so­nen über­for­dern – ein Vor­schlag für Work­shops“ ver­öf­fent­licht. Ich ver­ste­he den Arti­kel so, dass es eine „Hid­den Agen­da“ gibt: Ein­mal wer­den Lehr­per­so­nen mit Inhal­ten kon­fron­tiert, die nicht zu ihren erlern­ten und als sicher emp­fun­de­nen Vor­stel­lun­gen von Schu­le und Ler­nen pas­sen (z.B. in BYOD-Set­tings ver­liert Instruk­ti­on an Bedeu­tung). Zum ande­ren wer­den Lehr­kräf­te mit unge­wohn­ten Tools kon­fron­tiert (z.B. dem kol­la­bo­ra­ti­ven HackMD), die wahr­schein­lich impli­zit die Hid­den Agen­da auf der metho­di­schen Ebe­ne ver­stär­ken (sol­len). Dazu kommt ein tech­no­lo­gi­scher Ter­mi­nus „Block­chain“, der im Zen­trum der eigent­li­chen Auf­ga­ben­stel­lung steht (in Deutsch­land mutiert die­ser Begriff mitt­ler­wei­le zu einem der tra­gen­den beim Bull­shit-Bin­go in Reden von Poli­ti­kern über Bil­dung). Ja, das ist geziel­te Überforderung.

Aus mei­ner Pra­xis her­aus sage ich: Der Ansatz *muss* auf sehr vie­len Ebe­nen schei­tern und wird nur einen Bruch­teil von Work­shop­teil­neh­mern errei­chen kön­nen – wahr­schein­lich sogar nur die­je­ni­gen, die die­sen Work­shop gar nicht für ihren Lern­pro­zess gebraucht hät­ten. Hoch­pro­ble­ma­tisch fin­de ich vor allem die Hid­den Agen­da. Sie ist eigent­lich ein typi­scher Beglei­ter des klas­si­schen gym­na­sia­len Unter­richts (oder von Expe­ri­men­ten in der psy­cho­lo­gi­schen For­schung): Lern­zie­le ste­hen vor der Stun­de fest und die Schü­le­rin­nen und Schü­ler wer­den durch aus­ge­klü­gel­te didak­tisch-metho­di­sche Set­tings zu die­sen Zie­len „geführt“. Hid­den Agen­das sind für mich abso­lut in Ord­nung, wenn sie am Schluss einer Lern­si­tua­ti­on mit den Teil­neh­men­den auf­ge­deckt und reflek­tiert wer­den. Das scheint bei die­ser Work­shop­an­la­ge aber nicht zu gesche­hen oder wird in der Beschrei­bung nur nicht sichtbar.

 

Die Autonomie der Schule und Medienentwicklungsplanung

Wenn Sie an einer Schu­le tätig sind, wird Sie der nächs­te Abschnitt wahr­schein­lich ärgern. Wenn Sie wohl­wol­lend lesen, tun Sie es mit der Bril­le eines Schul­trä­gers, der vor der Auf­ga­be steht, sei­ne Schu­len struk­tu­riert zu unter­stüt­zen und dabei von außen auf Sie und sei­ne Schu­len schaut.

Bei der Erstel­lung und vor allem der Umset­zung eines Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nes wird immer wie­der unter­schätzt, dass Schu­len über einen lan­gen Zeit­raum gewohnt waren, hin­sicht­lich des Ein­sat­zes von Mit­teln und der Anschaf­fung von Gerä­ten weit­ge­hend auto­nom zu ent­schei­den. Das ist bei Grund­schu­len, die in der Regel bei der Zuwei­sung von Etat­mit­teln gegen­über wei­ter­füh­ren­den Schu­len eher das Nach­se­hen hat­ten, weit weni­ger aus­ge­prägt als z.B. bei Gym­na­si­en oder tech­ni­schen Berufsschulen.

Bei letz­te­ren sind oft sowohl orga­ni­sa­to­risch als auch tech­nisch z.T. erheb­li­che Kom­pe­ten­zen vor­han­den, so dass die­se Sys­te­me bis­her auto­nom gut in ihrem Rah­men zurecht­ge­kom­men sind. Die Aus­sicht, jetzt mit einer struk­tu­rier­ten exter­nen Aus­stat­tungs­pla­nung kon­fron­tiert zu sein, sorgt in der­ar­ti­gen wei­ter­füh­ren­den Schu­len nicht unbe­dingt für Freu­de. Unter­stüt­zung in Form von qua­li­fi­zier­tem Per­so­nal sieht man zwar immer ger­ne, aber nur dann, wenn die jewei­li­ge Schu­le über deren Zeit und Ein­satz voll bestim­men kann. Zudem sol­len sol­che Mit­ar­bei­ter der Schu­le natür­lich exklu­siv zur Ver­fü­gung stehen.

Es geht bei Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung also um nichts weni­ger als um die Auf­he­bung einer klas­si­schen Rollenverteilung!

Damit wird klar, dass gera­de zu Anfang ein gut mode­rier­ter Pro­zess essen­ti­ell ist.

Schu­len waren bis­her gewohnt

  • … selbst Hard­ware auszuwählen
  • … ggf. Ver­gleichs­an­ge­bo­te dafür einzuholen
  • … Bud­gets „krea­tiv“ zu nutzen
  • … Beschaf­fungs­an­trä­ge zu sam­meln und einzureichen
  • … Hard­ware teil­wei­se selbst zu warten

Trä­ger waren bis­her gewohnt

  • … Hard­ware nach Vor­ga­ben der Schu­len auszuschreiben
  • … Für rechts­kon­for­me Aus­schrei­bungs­ver­fah­ren zu sorgen
  • … nicht nach Sinn oder Unsinn einer Beschaf­fungs­maß­nah­me zu fragen
  • … sich stets im Rah­men der Haus­halts­mit­tel bewe­gen zu müssen
  • … kaum objek­ti­ve Kri­te­ri­en an eine Beschaf­fungs­maß­nah­me anle­gen zu können

Gute Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung ver­knüpft die Beschaf­fung von Aus­stat­tung eng mit päd­ago­gi­schen Fra­ge­stel­lun­gen. Es kann der Fall ein­tre­ten, in dem ein Aus­stat­tungs­wunsch extern von Fach­per­so­nal kri­tisch hin­ter­fragt wird – das hat man nicht so ger­ne. Bis­her war es gera­de in berufs­bil­den­den Schu­len prin­zi­pi­ell mög­lich, dass Lehr­kräf­te teu­re Nischen­pro­duk­te für die Aus­bil­dung beschaf­fen konn­ten, die letzt­lich aber nur spo­ra­disch im Unter­richt genutzt wur­den und ansons­ten eher der Außen­dar­stel­lung dien­ten. Das heißt nicht, dass sol­che Vor­komm­nis­se die Regel sind, zeigt aber ein Pro­blem: Woher soll ein Ver­wal­tungs­mit­ar­bei­ter wis­sen, was päd­ago­gisch sinn­voll ist und was ggf. von eine Schu­le bei einem Aus­stat­tungs­wunsch nicht bedacht wur­de, damit z.B. ein Gerät über­haupt unter­richt­lich nutz­bar wird?

Sowohl die Frei­heit bei der Aus­wahl von Hard- und Soft­ware als auch die weit­ge­hen­de Auto­no­mie beim päd­ago­gi­schen Ein­satz der­sel­ben ist durch Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung „bedroht“.

Dazu kommt erschwe­rend, dass kom­ple­xe Pro­zes­se wie die Umset­zung einer Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung gera­de in der Anfangs­zeit gar nicht opti­mal lau­fen kön­nen und sich Erfol­ge nur so lang­sam ein­stel­len, dass Schu­len mit hohem Auto­no­mie­be­stre­ben die­se gar nicht wahr­neh­men wer­den und sich nach den „alten“ Zei­ten zurück­seh­nen, in denen schließ­lich alles bes­ser lief. Alter­na­tiv las­sen der­ar­ti­ge Schu­len sich gar nicht erst auf eine über­ge­ord­ne­te Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung ein. Aus ihrer Sicht sind das zusätz­li­che Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren, die den ohne­hin schon schwie­ri­gen schu­li­schen All­tag wei­ter verkomplizieren.

Von Sei­ten wei­ter­füh­ren­der Schu­len soll­te man sich als Trä­ger auf viel Wider­stand ein­stel­len, gleich­zei­tig aber auch selbst­kri­tisch reflek­tie­ren, was man selbst in der Ver­gan­gen­heit zu die­sem oft­mals vor­han­de­nen Miss­trau­en bei­getra­gen hat: Man­che Sor­ge ist vor dem Hin­ter­grund ver­gan­ge­ner Pro­zes­se und Ver­wal­tungs­ab­läu­fe durch­aus berechtigt.

Ohne eine struk­tu­rier­te Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung ist aber etwas ganz Wesent­li­ches nicht mög­lich – streng­ge­nom­men auch nicht mehr in den „alten“ Beschaf­fungs­stru­ku­ren: Die Gewähr­leis­tung von Sup­port. Zum einen wach­sen zur­zeit auch durch den Digi­tal­pakt immense digi­ta­le Gerä­te­struk­tu­ren in den Schu­len auf, die der Betreu­ung bedür­fen und die gewohn­ten Struk­tu­ren bald über­for­dern dürf­ten. Zum ande­ren sind die bis­her hete­ro­ge­nen Umge­bun­gen ( z.B. dort iPads, hier Note­books, da Bea­mer, hier LED-Dis­plays, dort Prä­fe­renz für Her­stel­ler A, dort für Her­stel­ler B ) sup­port­tech­nisch nicht mit end­lich viel Per­so­nal zu bewäl­ti­gen. Schu­len möch­ten einer­seits oft auto­nom ent­schei­den kön­nen, wel­che Gerä­te und wel­che Soft­ware beschafft wird, ander­seits bei Pro­ble­men aber auf ein Sup­port­sys­tem tref­fen, wel­ches mit jeder Pro­blem­stel­lung bei jeder Hard- und Soft­ware sofort zurecht­kommt. Das ist in der Band­brei­te der anzu­tref­fen­den Vor­stel­lun­gen nicht zu leisten.

Die Idee, zusam­men mit der Hard­ware gleich bestimm­te Sup­port­leis­tun­gen eines Her­stel­lers aus­zu­schrei­ben, ist nach mei­ner Erfah­rung als schein­ba­rer Aus­weg eini­ger­ma­ßen naiv: Der Haupt­zeit­fres­ser ist die Kom­mu­ni­ka­ti­on – ein Feh­ler will fest­ge­stellt, beschrie­ben und wei­ter­ge­lei­tet sein. Die Feh­ler­be­he­bung muss beglei­tet wer­den. Je mehr unter­schied­li­che Sup­port­part­ner hier mit im Boot sind, des­to kom­ple­xer und auf­wän­di­ger wird ein sol­ches Vorhaben.

IT-Mit­ar­bei­ter für den öffent­li­chen Bereich sind sehr schwie­rig zu fin­den, da u.a. die Ver­gü­tung tarif­recht­lich fest­ge­schrie­ben und zum frei­en Markt nicht kon­kur­renz­fä­hig ist. Tref­fen Per­so­nen dann schon in der Pro­be­zeit auf sehr hete­ro­ge­ne Umge­bun­gen mit indi­vi­dua­li­sier­ten Ansprü­chen von Lehr­kräf­ten, ist das eine Situa­ti­on, die in der frei­en Wirt­schaft nicht üblich ist. Ohne Ansät­ze der Ver­ein­heit­li­chung ist das für vie­le nicht lan­ge ein attrak­ti­ves Arbeits­um­feld – die­se Per­spek­ti­ven ist Schu­len i.d.R. völ­lig fremd, da dort meist ein unre­flek­tier­ter gene­rel­ler Leis­tungs­an­spruch for­mu­liert wird. Die natür­lich nach­voll­zieh­ba­re und über Jah­re ange­stau­te Ent­täu­schung bekommt i.d.R. das Sup­port­per­so­nal vor Ort zuerst ab. Das muss trä­ger­sei­tig durch z.B. regel­mä­ßi­ge Gesprä­che, aber auch ein ent­schie­de­nes Auf­tre­ten gegen­über Schul­lei­tun­gen kom­pen­siert wer­den – gera­de in der Anfangszeit.

Mythen zum Digitalpakt

Es fällt mir sehr schwer ange­sichts der Bericht­erstat­tung zum Digi­tal­pakt ruhig zu blei­ben. Sel­ten lese ich so viel Unsinn wie zu die­sem The­ma – ich fin­de sogar, dass vie­les ver­ant­wor­tungs­los dar­ge­stellt wird und para­do­xer­wei­se nützt genau die­se Dar­stel­lung ins­be­son­de­re den gro­ßen glo­ba­len Digi­tal­un­ter­neh­men, die man ja eigent­lich aus den Schu­len her­aus hal­ten möch­te. Ein­fa­ches Lesen der Bund-Län­der-Ver­ein­ba­rung zum Digi­tal­pakt oder z.B. der nie­der­säch­si­schen För­der­richt­li­nie wür­de da schon hel­fen, aber das wäre wohl viel zu viel an Erwar­tung zur Recherchekompetenz.

Dem Wesen nach gel­ten mei­ne Aus­sa­gen für wahr­schein­lich alle För­der­richt­li­ni­en der Län­der, weil sich die­se alle an der Bund-Län­der-Ver­ein­ba­rung ori­en­tie­ren müs­sen.

Mythos 1: „Es muss alles ganz schnell gehen“

Das ist zumin­dest in Nie­der­sach­sen nicht so. In der För­der­richt­li­nie steht:

För­der­an­trä­ge sind mit den erfor­der­li­chen Anga­ben spä­tes­tens bis zum 16.05.2023 bei der
Bewil­li­gungs­be­hör­de zu stel­len […]“ (Satz 7.4)

Zusätz­lich gibt es in Nie­der­sach­sen kein Wind­hund­prin­zip. Die För­der­sum­men sind für jeden Trä­ger errech­net und ste­hen ihm fest zu.

Mythos 2: „Jetzt kön­nen wir iPads kaufen“

Dem Kauf von End­ge­rä­ten sind schon in der Bund-Län­der-Ver­ein­ba­rung kla­re Gren­zen gesetzt. In Nie­der­sach­sen wird das noch­mal konkretisiert:

[För­der­fä­hig sind] [m]obile End­ge­rä­te (Tablets, Lap­tops und Note­books) inkl. Lade- und Auf­be­wah­rungs­zu­be­hör, wenn
a) die Schu­le über die not­wen­di­ge Infra­struk­tur nach den Nrn. 2.1 bis 2.5 verfügt,
b) spe­zi­fi­sche fach­li­che oder päd­ago­gi­sche Anfor­de­run­gen den Ein­satz sol­cher Geräte
erfor­dern und dies in einem päd­ago­gisch-tech­ni­schen Anfor­de­rungs­pro­fil (4.3) der Schu­le dar­ge­stellt ist, der Antrag­stel­ler bestä­tigt, dass wei­te­re Inves­ti­tio­nen nach den Nrn. 2.1 bis 2.5 nicht erfor­der­lich sind, und
c) die Gesamt­kos­ten für mobi­le End­ge­rä­te von 25.000 Euro je ein­zel­ne Schu­le nicht
über­schrit­ten wer­den.“ ( Satz 2.6 )

Für die­se Sum­me bekommt man maxi­mal 1–2 Klas­sen­sät­ze, um z.B. Lehr­kräf­te mit die­sen Gerä­ten zu schu­len – was ich auch für sinn­voll hal­te. Ruft eine Schu­le die­ses Geld ab, ver­wirkt der Trä­ger auto­ma­tisch die För­der­fä­hig­keit für ALLES ande­re, was för­der­fä­hig ist – schau­en wir in den nächs­ten Mythos:

Mythos 3: „Die gan­ze Koh­le geht nur in Hardware!“

Jein. Kri­tisch ist für mich hier nur Satz 2.4 (rot), merk­wür­dig der hin­te­re Teil­satz 2.1 (grün)

Geför­dert werden
2.1 Maß­nah­men zum Auf­bau und zur Ver­bes­se­rung der digi­ta­len Ver­net­zung in Schul­ge­bäu­den und auf dem Schul­ge­län­de; Ser­ver­lö­sun­gen jedoch nur, sofern zum Zeit­punkt der Antrag­stel­lung von kei­nem Anbie­ter ein Anschluss der betref­fen­den Schu­le an das Glas­fa­ser­netz inner­halb von min­des­tens 12 Mona­ten garan­tiert wer­den kann,
2.2 die Ein­rich­tung von schu­li­schem WLAN mit den in Anla­ge 1 defi­nier­ten tech­ni­schen Mindeststandards,
2.3 Auf­bau und Wei­ter­ent­wick­lung digi­ta­ler Lehr-/Lern-Infra­struk­tu­ren (z. B. Lern­platt­for­men, päd­ago­gi­sche Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Arbeits­platt­for­men, Por­ta­le, Cloud-Ange­bo­te), soweit sie im Ver­gleich zu bestehen­den oder im Auf­bau befind­li­chen Ange­bo­ten päd­ago­gi­sche oder funk­tio­na­le Vor­tei­le bieten,
2.4 Anzei­ge- und Inter­ak­ti­ons­ge­rä­te (z. B. inter­ak­ti­ve Tafeln, Dis­plays nebst zuge­hö­ri­ger Steue­rungs­ge­rä­te) zum päd­ago­gi­schen Betrieb in der Schule,
2.5 digi­ta­le Arbeits­ge­rä­te, ins­be­son­de­re für die tech­nisch-natur­wis­sen­schaft­li­che Bil­dung oder die berufs­be­zo­ge­ne Aus­bil­dung,“ (Satz 2, För­der­richt­li­nie Niedersachsen)

Die gan­ze Koh­le geht in Infra­struk­tur. Wenn es ganz schlimm läuft, geht sie aus­schließ­lich in inter­ak­ti­ve Tafel­sys­te­me. Sie geht NICHT in Endgeräte.

Wer pro­fi­tiert von Infra­struk­tur­aus­ga­ben? Bera­tungs­agen­tu­ren für Aus­schrei­bungs­er­stel­lung Ele­kro­pla­nungs­bü­ros, Elek­tro­in­stal­la­ti­ons­un­ter­neh­men – das ist klas­si­sche loka­le Wirtschaftsförderung.

Wei­ter­hin pro­fi­tie­ren Anbie­ter von Schul­ser­ver­lö­sun­gen und Kol­la­bo­ra­ti­ons­um­ge­bun­gen – hof­fent­lich nicht Anbie­ter von leh­rer­zen­trier­ten Lehrplattformen.

Und: Es könn­ten tat­säch­lich Her­stel­ler inter­ak­ti­ver Tafel­lö­sun­gen pro­fi­tie­ren – dann gin­ge das Geld wirk­lich in Hardware.

Aber das Geld geht defi­ni­tiv nicht zu Goog­le, Micro­soft oder Apple. Oder ich über­le­se da etwas in der Förderrichtlinie.

Mythos 4: „Die Schu­len bekom­men Geld!“

Das ist falsch. Der Schul­trä­ger erhält einen För­der­topf. 30.000 Euro muss er als Sockel­be­trag zweck­ge­bun­den pro Schu­le mit min­des­tens 60 SuS (in Nie­der­sach­sen) ein­set­zen, wenn er Mit­tel bean­tragt. Der Rest ist theo­re­tisch frei zwi­schen den Schu­len eines Trä­gers ver­schieb­bar. An die Mit­tel­frei­ga­be ist in Nie­der­sach­sen ein zwei­stu­fi­ges – aber beherrsch­ba­res – Antrags­ver­fah­ren gebun­den, bei dem die Schu­le dar­le­gen muss, wie sie die Mit­tel päd­ago­gisch ein­zu­set­zen gedenkt. Genügt die­ses Kon­zept nicht bestimm­ten Kri­te­ri­en, droht dem Trä­ger im schlimms­ten Fall die Mit­tel­rück­for­de­rung – und der Schu­le dann äußerst schlech­te Presse.

Mythos 5: „Durch den Digi­tal­pakt bekom­men alle Schu­len Glasfaser!“

Das ist falsch. Die Erschlie­ßung der Schu­len durch Glas­fa­ser ist nicht durch den Digi­tal­pakt för­der­fä­hig. Das liegt dar­an, dass es dazu ein geson­der­tes För­der­pro­gramm des BMWI gibt und man eine Dop­pel­för­de­rung immer juris­tisch aus­schlie­ßen muss.

 

Fazit

Der Digi­tal­pakt hat vie­le Bau­feh­ler u.a.:

  • Der Trä­ger wird mit dem The­ma Sup­port allein gelassen
  • eine Ein­mal­för­de­rung ist nicht ausreichend
  • Wie soll ein päd­ago­gi­sches Kon­zept für Infra­struk­tur (LAN/WLAN) aus­se­hen? Braucht man das überhaupt?
  • usw.

Natür­lich berei­tet Infra­struk­tur den Weg zur Nut­zung der tol­len Ange­bo­te der Big5-Unter­neh­men. Er schafft die Vor­aus­set­zung zum Ein­satz mobi­ler Gerä­te. Aber wir als Gesell­schaft haben in der Hand, WIE wir die­se Struk­tu­ren nut­zen. Und die Schu­len haben etwas Zeit, das zu reflek­tie­ren und dabei bera­ten zu wer­den – denn Infra­struk­tur ist die kom­ple­xes­te Auf­ga­be unter allen förderfähigen.

Die Ver­brei­ter die­ser Mythen kom­men aus den unter­schied­lichs­ten Lagern – „Qua­li­täts­me­di­en“ sind eben­so wie der Bou­le­vard betrof­fen, so dass ich die Unter­stel­lung wage, dass man sich oft nicht hin­rei­chend oder nur sehr ober­fläch­lich mit dem The­ma beschäf­tigt hat.

Es ist bei Kri­tik dann schnell „en vogue“ sich nicht mit die­sen „undurch­schau­ba­ren digi­ta­len Teu­fels­zeug“ beschäf­tigt zu haben. Die Hal­tung ist für mich ursäch­lich für unse­re schwie­ri­ge gesell­schaft­li­che Lage in Bezug auf Digi­ta­li­en. Aber was weiß ich schon.

 

Niedersachsen überarbeitet sein Schulgesetz hinsichtlich den Erfordernissen der DSGVO

Yeah. Wer es ganz genau nach­le­sen möch­te, fin­det den heu­te ver­ab­schie­de­ten Gesetz­ent­wurf in vol­ler Län­ge hier: http://www.stk.niedersachsen.de/portal/live.php?article_id=180273&_psmand=6.

Da das Lesen echt kei­nen Spaß macht, das aus mei­ner Sicht Wich­tigs­te kurz zusammengefasst:

Lernplattformen und Schulclouds

Kurz­fas­sung: Man wird in Nie­der­sach­sen nach mei­ner Ein­schät­zung jetzt Lern­platt­for­men und Schul­clouds noch abge­si­cher­ter als vor­her ohne Ein­wil­li­gung der Betrof­fe­nen ein­set­zen kön­nen. Die ent­spre­chen­de Rechts­norm lau­tet im geän­der­ten Schul­ge­setz folgendermaßen:

§31, Absatz 5, Satz 1–2: (1) Inter­net­ba­sier­te Lern- und Unter­richts­platt­for­men dür­fen nur ein­ge­setzt wer­den, soweit die­se den Anfor­de­run­gen der Daten­schutz-Grund­ver­ord­nung ent­spre­chen und die Schul­lei­tung dem Ein­satz zuge­stimmt hat. (2) Die Schu­le darf für den Ein­satz digi­ta­ler Lehr- und Lern­mit­tel per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten der Schü­le­rin­nen und Schü­ler, der Lehr­kräf­te und der Erzie­hungs­be­rech­tig­ten ver­ar­bei­ten, soweit dies für die Auf­ga­ben der Schu­le erfor­der­lich ist.

Es gab dazu bis­her in Nie­der­sach­sen bereits eine geleb­te Rechts­pra­xis, du nun aus mei­ner Sicht noch­mal kon­kre­ti­siert und an die DS-GVO ange­passt wur­de. Im Wesent­li­chen hat man sich vor­her allein auf das Erfor­der­lich­keits­kri­te­ri­um gestützt.  Nicht freu­en wird kri­ti­sche Men­schen, dass die Schul­lei­tung hier als qua­si „geneh­mi­gen­de Instanz“ auf­ge­führt ist (über Aus­wahl digi­ta­ler Lehr- und Lern­mit­tel befin­det trotz­dem noch die Fach­kon­fe­renz, in der Eltern sowie SuS unter­re­prä­sen­tiert sind) und – soll­te z.B. Office365 die DS-GVO-Kon­for­mi­tät beschei­nigt wer­den – natür­lich auch kom­mer­zi­el­le Anbie­ter zur Wahl ste­hen (poli­tisch wird es m.E. eher dar­um gehen, die Nie­der­sach­sen­cloud recht­lich zu legitimieren).

Da Unter­richts­ent­wick­lung jedoch stets eng mit mög­lichst vie­len Betei­lig­ten an einer Schu­le ver­bun­den ist, wird man an Schu­len schon sehr dar­auf ach­ten, das The­ma mög­lichst breit zu diskutieren.

Span­nend ist die wie­der­um die doch recht wei­te Rechts­aus­le­gung des neu­en Absatz 5 auf S.23 der Ent­wurfs­fas­sung in „Beson­de­ren Teil“:

Satz 2 sichert die Zuläs­sig­keit des Ein­sat­zes digi­ta­ler End­ge­rä­te und stellt klar, dass die­se im Unter­richt und ins­be­son­de­re in schrift­li­chen Arbei­ten und Prü­fun­gen ver­wen­det wer­den dür­fen, auch wenn dabei per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten ver­ar­bei­tet werden.

Über­haupt gebe ich dem „beson­de­ren Teil“ eine Lese­emp­feh­lung. Für jeman­den, der wie ich schon lan­ge mit den Dis­kus­sio­nen auf Lan­des­ebe­ne ver­traut ist, liest sich das stel­len­wei­se wie ein Kri­mi­nal­ro­man, weil man eben die Hand­schrift ein­zel­ner Play­er wie­der­zu­er­ken­nen glaubt – für Unein­ge­weih­te dann doch eher tro­cken. In der Grund­ten­denz sind aus mei­ner Sicht aber Eltern­rech­te beschnit­ten worden.

Mit Sicher­heit wer­den wir dem­nächst ergän­zen­de Erlas­se sehen. Es bleibt spannend.

 

 

Für den Philologenverband – Fremdschämen ist angesagt

Ich bin schon vor Jah­ren aus dem Phi­lo­lo­gen­ver­band aus­ge­tre­ten. Das hat­te im Wesent­li­chen mit den Inhal­ten der Ver­bands­mit­tei­lun­gen zu tun. Inno­va­tio­nen und ande­re Per­spek­ti­ven konn­te man mei­ner Mei­nung nach stets mit der Lupe suchen.

In letz­ter Zeit gab es wie­der einen abso­lu­ten Klop­fer: Ein Mit­glied äußer­te sich in der Ver­bands­zeit­schrift kri­tisch gegen­über der Fri­days4­Fu­ture-Bewe­gung. Das gehört zu einem gesun­den demo­kra­ti­schen Pro­zess und zur frei­en Mei­nungs­äu­ße­rung. Aber ein Name stand da nicht. Über die Grün­de lässt sich spekulieren.

Heu­te:

https://www.news4teachers.de/2019/08/a13-fuer-alle-lehrer-philologen-kuendigen-widerstand-an-sie-beharren-auf-mehr-geld-fuer-gymnasiallehrer/amp/?__twitter_impression=true

Grund­schul­lehr­kräf­te sol­len nicht höher besol­det wer­den – sagt der hes­si­sche Bil­dungs­mi­nis­ter. Und der deut­sche Dach­ver­band der Phi­lo­lo­gen steigt dar­auf ein:

https://www.dphv.de/aktuell/nachrichten/details/article/zur-eingruppierung-von-grund-und-gymnasiallehrkraeften-wertschaetzung-aller-lehrkraefte-ja-untersc.html

Ich bin Gym­na­si­al­leh­rer – zumin­dest noch der Aus­bil­dung nach. Ich bil­de mir ein, Men­schen zu soli­da­ri­schem Han­deln und demo­kra­ti­schen Den­ken befä­hi­gen zu sol­len. Das ich für mich der Kern des Gym­na­si­ums. Den sehe ich in die­sem Stan­des­den­ken nicht. Es zeugt von abso­lu­ter Ahnungs­lo­sig­keit bezüg­lich des ste­tig wach­sen­den Anspruchs an den Grund­schu­len. Ich habe nicht einen Cent weni­ger in der Tasche, nur weil Grund­schul­leh­rer mehr bekom­men – mei­net­we­gen zahlt die all­ge­mei­ne Stel­len­zu­la­ge dann nur den Gymnasiallehrkräften.

Nicht mei­ne Inter­es­sen­ver­tre­tung. Gute Ent­schei­dung damals.

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