Warum bekommen es die Kultusministerien es einfach nicht hin mit den Schulclouds?

Mebis ist vor den Weih­nachts­fe­ri­en unter der Last der Nut­zer­an­fra­gen zusam­men­ge­bro­chen. Das hat vie­le Nach­fra­gen aus­ge­löst und Was­ser auf die Müh­len der­je­ni­gen lau­fen las­sen, die pro­prie­tä­re Lösun­gen wie MS-Teams bevor­zu­gen: „Siehs­te, die Kul­tus­mi­nis­te­ri­en bekom­men es nicht auf die Rei­he!“ Ich möch­te in die­sem Arti­kel ein­mal eine Lan­ze bre­chen für die Situa­ti­on, in denen sich Fach­re­fe­ra­te in Kul­tus­mi­nis­te­ri­en befin­den und vor wel­chen Auf­ga­ben sie ste­hen, wenn man wirk­lich eine Platt­form lan­des­weit zur Ver­fü­gung stel­len möchte.

Shortread

  • Fach­per­so­nal mit IT-Kom­pe­tenz ist im öffent­li­chen Bereich rar. Wer hier etwas errei­chen und krea­tiv oder prag­ma­tisch sein möch­te, muss oft Ent­schei­dun­gen tref­fen und Men­schen blind ver­trau­en, die er/sie zunächst nicht ver­steht. Man braucht Mut zum Han­deln. Der wird aber nicht belohnt – schon gar nicht von der Öffent­lich­keit (s.u.).
  • Han­delt man ein­fach und setzt um, kom­men mit Sicher­heit kri­ti­sche Nach­fra­gen zum Aus­schrei­bungs­recht. Das ist momen­tan kaum ein­zu­hal­ten. Bei den Sum­men, von denen wir reden, kom­men wir zumin­dest mit dem Anspruch „lan­des­weit“ immer in die euro­pa­wei­te Aus­schrei­bung. Wenn man es ganz eng am Aus­chrei­bungs­recht macht, muss man offen aus­schrei­ben und kann das spä­te­re Pro­dukt nur in Gren­zen vorherbestimmen.
  • Beach­tet man das Aus­schrei­bungs­recht, kom­men mit Sicher­heit kri­ti­sche Nach­fra­gen zum The­ma Daten­schutz. Der tech­ni­sier­te Schul­be­trieb auf Distanz stellt ohne trans­pa­rent und demo­kra­tisch ver­ab­schie­de­te gesetz­li­che Rege­lun­gen für man­che Kri­ti­ker per se „einen schwe­ren Grund­rechts­ein­griff“ dar. Dass Schu­le, die gar nicht statt­fin­det, auch Grund­rech­te berüh­ren könn­te, ist bei den Nach­fra­gen­den oft nicht so ent­schei­dend – auch nicht, dass beim Betrieb durch die öffent­li­che Hand Daten in der öffent­li­chen Hand ver­blei­ben und For­ma­lia im Prin­zip nach­ge­holt wer­den könnten.
  • Beach­tet man das Aus­schrei­bungs­recht und Daten­schutz­recht kom­men kri­ti­sche Nach­fra­gen zur Ein­bin­dung der Betrof­fe­nen in den Ent­schei­dungs­pro­zess. Die Berück­sich­ti­gung von Daten­schutz­aspek­ten schränkt tech­ni­sche Mög­lich­kei­ten erheb­lich ein. Die Lösun­gen, die dabei her­aus­kom­men müs­sen, wer­den fast zwangs­läu­fig päd­ago­gisch unbe­frie­di­gend sein.

Das kann man alles berück­sich­ti­gen und machen. Es dau­ert aber Jah­re. Die Minis­te­ri­en kön­nen also han­deln und dafür öffent­lich „auf die Fres­se“ bekom­men oder sie kön­nen die not­wen­di­gen Schrit­te für eine trans­pa­ren­te und rechts­fes­te Umset­zung gehen und für ihre Lang­sam­keit „auf die Fres­se“ bekommen.

Ja, das hät­te man ggf. weit frü­her in Angriff neh­men müs­sen. Hat man aber nicht. Dafür gibt es ja auch berech­tigt „auf die Fres­se“. Aber hel­fen tut das auch nicht gerade.

Der Aus­weg: Man han­delt jetzt sys­tem­lo­gisch m.E. oft gera­de so, dass man sich nicht dem Untä­tig­keits­vor­wurf aus­set­zen muss, aber auch nicht zu viel Geld ver­senkt, was man dann spä­ter ver­ant­wor­ten muss. Das die­se oft­mals „Ver­le­gen­heits­lö­sun­gen“ im Betrieb mit allen Schüler:innen nicht stand­hält, ist lang­fris­tig bes­ser ver­ant­wort­bar, als wenn man gleich sehr viel Geld inves­tiert hät­te. „Es waren halt die Umstände!“

Longread

Schau­en wir uns mal Mood­le an und tun wir so, als woll­ten für das lan­des­weit aus­rol­len. Dar­an lässt sich ganz hübsch die gesam­te Band­brei­te an Her­aus­for­de­run­gen zeigen:

Mood­le ist erst­mal so eine Art Pro­gramm. Eigent­lich noch viel weni­ger. Es ist viel mehr ein Text mit vie­len Anwei­sun­gen. Die­ser Text muss von einem Über­set­zer („Inter­pre­ter“) in etwas über­setzt wer­den, was ein Brow­ser wie Fire­fox oder Chro­me anzei­gen kann. Das nennt man „Sei­ten­quell­text“ und den kann man sich anzei­gen las­sen, wenn man auf einer Inter­net­sei­te die rech­te Maus­tas­te drückt und „Sei­ten­quell­text anzei­gen“ aus­wählt. Die­ser Sei­ten­quell­text wird von einem wei­te­ren, dies­mal ech­ten Pro­gramm („Web­ser­ver“) an den Brow­ser bzw. Anwen­der aus­ge­lie­fert. Für das Pro­ze­de­re braucht man pri­mär einen schnel­len Pro­zes­sor (CPU). Etwas Haupt­spei­cher (RAM) gehört auch dazu.

Damit Mood­le Daten spei­chern und aus­ge­ben kann, wird ein Daten­bank­sys­tem (DBMS) ver­wen­det. Das ist ein Pro­gramm, wel­chen Daten sehr effi­zi­ent spei­chern und i.d.R. noch viel effi­zi­en­ter wie­der aus­ge­ben kann. Das klappt beson­ders gut, wenn die Daten mög­lichst voll­stän­dig im Haupt­spei­cher (RAM) lie­gen. Selbst eine SSD ist deut­lich lang­sa­mer beim Zugriff.

Gro­ße Datei­en las­sen sich nicht sinn­voll in einem Daten­bank­sys­tem able­gen. Mood­le legt nur Ver­wei­se (Links) in sei­ne Daten­bank, die dem Mood­le­code sagen, wo ein Bild oder eine PDF-Datei zu fin­den ist. Datei­en wer­den in Sto­rages gela­gert. Für den RAM wären sie schlicht zu groß. Sto­rages kön­nen SSDs (teu­er) oder nor­ma­le Fest­plat­ten (güns­tig) sein. Mood­le ver­schlüs­selt aber sei­ne Datei­en. Zum Ver- und Ent­schlüs­seln braucht man wie­der­um CPU-Leis­tung. RAM zum Aus­lie­fern braucht man ver­hält­nis­mä­ßig wenig, da Datei­en in klei­nen Por­tio­nen und nicht voll­stän­dig ver­schickt werden.

Wenn man Mood­le selbst auf­setzt, wird man i.d.R. sowas bauen:

Alle drei Kom­po­nen­ten lau­fen auf dem glei­chen Ser­ver und kon­kur­rie­ren dann um CPU, RAM und Sto­rage. Man kann für 50,- Euro Ser­ver mie­ten, die für 800‑1000 Schüler:innen aus­rei­chen. Aller­dings kommt es sehr stark auf die Nut­zung an: Wenn man vor­wie­gend Kur­se baut, in denen ledig­lich Auf­ga­ben und PDFs koexis­tie­ren, klappt das spie­lend. Die dazu nöti­gen Abfra­gen sind harm­los. Wenn aber z.B. das Test­mo­dul oder der Chat exzes­si­ver genutzt wer­den, kann es schnell aus sein mit der Freu­de an der tol­len Funk­ti­on. Dann muss man den nächst­grö­ße­ren Ser­ver kau­fen oder her­um­op­ti­mie­ren (mehr als 15–20% holt man damit aber nach mei­ner Erfah­rung nicht raus).

Ich bin davon über­zeugt, dass alle Instal­la­tio­nen von Mood­le auch auf Lan­des­ebe­ne genau so ange­fan­gen haben: Erst mal einen Test­ser­ver auf­set­zen und schau­en, wie der Betrieb so läuft.

Das Spiel „Hard­ware upgraden“ ist aber irgend­wann zu Ende: Wenn vie­le Anfra­gen her­ein­kom­men, star­tet der Web­ser­ver mehr Inter­pre­ter. Die­se pro­du­zie­ren dann mehr Anfra­gen an das Daten­bank­sys­tem. Und sie bele­gen mehr RAM.

Der Mood­le­ser­ver fängt an zu ster­ben, wenn die Daten aus der Daten­bank nicht mehr in den Haupt­spei­cher pas­sen. Dann kom­men die­se Daten auf die lang­sa­me Fest­plat­te. Dadurch stau­en sich Anfra­gen, die das DBMS unter nor­ma­len Umstän­den spie­lend bewäl­tigt hät­te und immer mehr Inter­pre­ter müs­sen war­ten und wer­den nicht been­det. Wenn RAM und Aus­la­ge­rungs­spei­cher voll sind, wer­den die Über­le­bens­in­stink­te des Betriebs­sys­tems geweckt. Die­ses beginnt nun damit, Inter­pre­ter zu been­den, um wie­der RAM frei zu bekom­men. Die Anfra­gen an die­se Inter­pre­ter lau­fen nun ins Nir­wa­na und es geht für den Nut­zer ent­we­der ins Nir­wa­na (Con­nec­tion timed out) oder mit einem letz­ten Lebens­zei­chen in den Kur­ort (500 – Bad Gate­way). Ein Absturz ist das tech­nisch gese­hen nicht. Das Sys­tem selbst funk­tio­niert ja noch, tut aber nicht das, was es soll.

Was tun?

Eine simp­le Mög­lich­keit besteht dar­in, die Arbeit ein­fach auf meh­re­re Ser­ver zu ver­tei­len. Das geht mit die­sem ein­fa­chen Ver­fah­ren, wenn Schu­len jeweils eige­ne Mood­le­sys­te­me erhal­ten sollen,

Wenn man merkt, dass ein Ser­ver über­las­tet ist, schiebt man die ent­spre­chen­de Schu­le ein­fach auf einen neu­en. Man kann auch Schu­len, die nicht viel Last erzeu­gen, mit meh­re­ren ande­ren auf einen Ser­ver packen. Kom­men neue Schu­len, kauft man neue Ser­ver dazu.

Ich baue davor ger­ne noch einen Pro­xy. Ein Pro­xy spei­chert Sei­ten, die schon ein­mal von Mood­le gebaut wor­den sind in sei­nem Spei­cher als Kopie. Wenn ein Anwen­der wie­der genau die­se Sei­te anfor­dern, muss man nicht den Mood­le­ser­ver selbst damit behel­li­gen. Die ein­zel­nen Mood­le­ser­ver machen dabei immer noch alles gleich­zei­tig: Mood­le­code + DBMS + Storage.

Für so ein Set­up muss man erheb­lich mehr kön­nen als beim ers­ten. Vor allem beim Über­wa­chen der Ser­ver. Und man soll­te z.B. das Ver­schie­ben einer Schu­le auf einen ande­ren Ser­ver tun­lichst auto­ma­ti­sie­ren. Sich einen Root­ser­ver mie­ten und mit einem Ver­wal­tungs­tool Mood­le zu instal­lie­ren rei­chen dann nicht mehr. Trotz­dem ist das Set­up sehr sim­pel, da die Mood­les­ser­ver für sich selbst­stän­dig arbei­ten. Den Pro­xy kann man z.B. durch Fail­over-IPs im Not­fall als „sin­gle point of fail­ure“ auto­ma­tisch eliminieren.

Ich wet­te, dass auch auf Lan­des­ebe­ne das oft die ers­te Eska­la­ti­ons­stu­fe ist, weil man sol­che Set­ups selbst als Laie noch mit eige­nen Mit­teln hinbekommt.

Mebis hat noch mehr Probleme

Mebis ist eine zen­tra­le Instal­la­ti­on. Es gibt kei­ne Seg­men­tie­rung in Ein­zel­mood­le­sys­te­me für Schu­len. Wil­des Her­um­ge­schie­be der Schu­len ist nicht mög­lich. Also muss man noch eine Schip­pe Kom­ple­xi­tät drauf­le­gen und jetzt wirk­lich skalieren.

Man trennt jetzt kei­ne Mood­les­sys­te­me – das geht ja auch gar nicht. Man trennt die ein­zel­nen Kom­po­nen­ten wie Mood­le­code, DBMS und Sto­rage auf. Man kann dadurch die ein­zel­nen Ser­ver auf ihre Auf­ga­be hin opti­mie­ren. Für den Mood­le­code viel CPU-Wumps, für die Daten­bank viel Spei­cher. Und man kann Read-Only-Daten­ban­ken vor­hal­ten, aus den nur gele­sen wird. Schrei­b­ope­ra­tio­nen bei Mood­le sind ver­gleichs­wei­se gering. Ein dies­mal rich­ti­ger Load­ba­lan­cer ent­schei­det je nach Aus­las­tung der CPU-Nodes, wohin die Anfra­ge geht. Wenn es nicht reicht, stellt man neue Ser­ver dazu. Wenn man es gut macht, belie­big vie­le. Für ein gan­zes Bun­des­land wird man das über Rechen­zen­trums­gren­zen hin­aus machen müs­sen. Und die Ser­ver müs­sen unter­ein­an­der durch schnel­le Ver­bin­dun­gen ver­netzt sein. Die Daten müs­sen ja unter den DBMS- und Sto­rage-Ser­vern schnell aktua­li­siert wer­den Moni­to­ring bleibt Pflicht. Und Back­ups. Und Desaster-Recovery.

Durch Auto­ma­ti­sie­rung kann man schnell reagie­ren. Gro­ße Anbie­ter wie its­lear­ning dürf­ten ver­gleich­ba­re Set­ups fah­ren und selbst die haben sich bezüg­lich der Anfra­ge­men­ge beim Wech­sel ins Schul­sze­na­rio C offen­bar stel­len­wei­se verkalkuliert.

Micro­soft und Goog­le stel­len aller Wahr­schein­lich­keit nach nicht mal mehr eige­ne Ser­ver für sol­che Auf­ga­ben hin. Das wird so ziem­lich alles in wirk­lich gro­ßen Rechen­zen­trum mit aber­tau­sen­den von Maschi­nen vir­tua­li­siert sein. Bei einer dro­hen­den Über­las­tung „bläst“ sich das Sys­tem dann auto­ma­ti­siert auf.

Das Problem der Ausschreibung

Das letz­te Set­up kann man nicht durch eine beschränk­te Aus­schrei­bung (drei Ver­gleichs­an­ge­bo­te) bekom­men. Da geht es um mehr Taler. Das Teu­re ist weni­ger die spä­ter Ska­lie­rung (der Zubau an Ser­vern). Das Teu­re ist der Gehirn­schmalz, der in die Kon­zep­ti­on flie­ßen muss. Schon für die Aus­schrei­bung braucht man für das Las­ten­heft immense tech­ni­sche Kennt­nis­se. Wer bei der Kon­zep­ti­on einer Aus­schrei­bung mit­wirkt (und so jeman­den wird man brau­chen), darf übri­gens spä­ter nicht mehr mitbieten.

Schon ein klei­nes Set­up wird dadurch immens teu­er. Rech­nen tut sich eine sol­che Vor­be­rei­tung nur bei spä­te­ren Wach­sen in die Brei­te. Daher wird man erst schlicht das Geld dafür nicht bekom­men. Und wenn man es kri­sen­be­dingt dann doch bekommt, sind die Anbie­ter und IT-Spe­zia­lis­ten, die so etwas hoch­zie­hen könn­ten, auf wun­der­ba­re Wei­se mit Auf­trä­gen ausgelastet.

Das ist Men­schen mit begrenz­tem tech­ni­schen Know-How nicht ver­mit­tel­bar. Oder – wäre Coro­na nicht gekom­men – wäre man in der Pres­se bit­ter­bö­se ver­prü­gelt wor­den, dass man so viel Geld für ein so klei­nes Set­up ver­bal­lert hat.

Was wesent­lich leich­ter daher­kommt, ist die Aus­schrei­bung eines spe­zi­fi­schen Pro­dukts wie z.B. Micro­soft Teams. Dafür dürf­ten sogar extra Bera­ter / Lob­by­is­ten von Micro­soft oder Apple oder … ins Haus kom­men, die die Minis­te­ri­en bei der Erstel­lung einer sach­ge­rech­ten Aus­schrei­bung „unter­stüt­zen“. Um das Aus­schrei­bungs­recht ein­zu­hal­ten, müs­sen das streng­ge­nom­men Mitarbeiter:innen einer „Toch­ter“ des Groß­un­ter­neh­mens sein (s.u.).

Und natür­lich ist die­se Vari­an­te für die Fach­re­fe­ra­te der Kul­tus­mi­nis­te­ri­en attraktiv!

Das Datenschutzproblem

Das ein­zi­ge mir bekann­te Sys­tem, das in Zusam­men­ar­beit mit einem Lan­des­da­ten­schutz­in­sti­tut ent­wi­ckelt wor­den ist, ist die nie­der­säch­si­sche Bil­dungs­cloud (NBC). Über die dadurch ver­blei­ben­de Funk­tio­na­li­tät mag sich jeder selbst ein Bild machen. Die NBC bzw. die dar­un­ter­lie­gen­de HPI-Schul­cloud ist unter star­kem Beschuss hin­sicht­lich der Finan­zie­rung – Aus­schrei­bungs­recht halt.

Bei gro­ßen us-ame­ri­ka­ni­schen Anbie­tern ist die Daten­schutz­pro­ble­ma­tik oft noch nicht geklärt. Schlägt ein Kul­tus­mi­nis­te­ri­um hier zu, gibt es öffent­li­chen Unmut. Des­we­gen ist der Daten­schutz der erklär­te Feind der­je­ni­gen, die schnell han­deln und eben­so schnell zu einem funk­ti­ons­fä­hi­gem Sys­tem kom­men wol­len. Auf deren Sei­te ste­hen zur­zeit vie­le Anwen­der, deren Anfor­de­run­gen man eigent­lich oft so zusam­men­fas­sen kann: „Wenn eine öffent­lich finan­zier­te Cloud mir nicht das bie­ten kann, was mir MS-Teams bie­tet, dann ist sie nichts!“ Spoi­ler: Sys­te­me, die den Daten­schutz berück­sich­ti­gen, kön­nen das rein for­mal schon nicht.

Die „Gefahr“, die von gro­ßen Anbie­tern aus­geht, ist eine noch sehr abs­trak­te – wie etwa die Aus­sicht auf die zwei­te Coro­na­wel­le im August für die meis­ten Kul­tus­mi­nis­te­ri­en. Es ist abso­lut nicht abzu­schät­zen, was uns da bei der Ver­wen­dung von Schüler:innendaten durch das Sili­con-Val­ley noch bevor­ste­hen könn­te. Das Ver­trau­en in rei­ne Lern­platt­form­an­bie­ter ist da noch gefühlt grö­ßer – die wer­den ja auch nie­mals an Inves­to­ren ver­kauft wer­den, oder? Bei kom­plett offe­nen Sys­te­men wie z.B. Mood­le hat man als öffent­li­che Hand die vol­le Kon­trol­le und alle Pro­ble­me und Her­aus­for­de­run­gen gegen sich.

Das Beteiligungsproblem

Gegen Anwender:innen, die eine Lösung mit ihren Fea­tures gewohnt sind, lässt sich schwer etwas durch­set­zen, was tech­nisch einen Rück­schritt dar­stellt. Lehr­ma­nage­ment­sys­te­me sind hier viel bes­ser gewor­den, aber eben immer noch nicht rich­tig gut. Außer­dem gibt dann noch Leu­te wie mich, die gro­ße Schwie­rig­kei­ten mit Lehr­ma­nage­ment­sys­te­men haben. Apple, Micro­soft, its­lear­ning, die NBC und Mood­le sind des­halb so erfolg­reich, weil sie Schu­le so abbil­den, wie Schu­le ist: Die Lehr­kraft gibt die Struk­tu­ren bis hin zu „Lauf­we­gen“ (Lern­pfa­de) vor, die die Schüler:innen dann ent­lang­lau­fen. Man kann Lehr­ma­nage­ment­sys­te­me anders nut­zen – nur braucht man sie dann eigent­lich nicht mehr.

Onen­ote kann das gute, alte Schul­heft tech­nisch am aller­bes­ten imi­tie­ren und zudem alle Hef­te immer für die Lehr­kraft ver­füg­bar machen. Ob letz­te­res ein Vor­teil ist, müss­te man noch dis­ku­tie­ren. Für mich gibt nicht viel Über­grif­fi­ge­res als ein Blick auf alle Bild­schir­me z.B. via Apple Class­room. Aber das ent­spricht den Anfor­de­run­gen, die an Apple her­an­ge­tra­gen werden.

Anwender:innen sind oft in Ver­bän­den orga­ni­siert. Ein Ver­band ist immer das Gegen­über des Kul­tus­mi­nis­te­ri­ums bei Beneh­mens­pro­zes­sen. Die Mit­glie­der wer­den gera­de im Bereich der Anwen­dung digi­ta­ler Tech­no­lo­gie extrem hete­ro­gen sein. Herz­li­chen Glück­wunsch bei der Konsensfindung.

Das Qualifizierungsproblem

Um eine Schul­cloud sinn­voll nut­zen zu kön­nen, muss man in der Anwen­dung digi­ta­ler Werk­zeu­ge kom­pe­tent sein. Las­sen wir die­sen Punkt lie­ber. Der Arti­kel ist eh schon zu lang.

Fazit

Schul­clouds in der öffent­li­chen Hand zu ent­wi­ckeln war auch schon vor Coro­na nicht so ein­fach. Die Kom­pro­miss­lö­sun­gen kön­nen dem jet­zi­gen Ansturm nicht gewach­sen sein und auch nicht pro­blem­los und unbü­ro­kra­tisch auf­ge­pus­tet wer­den. Wenn ich ein Kul­tus­mi­nis­te­ri­um mit der Auf­ga­be einer schnel­len Umset­zung bera­ten müss­te, wür­de ich zu einem Fer­tig­pro­dukt raten.

For­mal sind vie­le Fach­re­fe­ra­te in den MKs fit. Der Weg zu einem Lehr­ma­nage­ment­sys­tem in der öffent­li­chen Hand ist mehr als stei­nig: Tech­ni­sche Exper­ti­se, Aus­schrei­bungs­recht, Betei­li­gungs­ver­fah­ren – alles viel ein­fa­cher mit Lock-in-Lösun­gen, wie es Teams, itu­nes oder auch Web­wea­ver oder its­lear­ning oder <belie­bi­ges Lehr­ma­nage­ment­sys­tem> nun­mal so sind.

Mood­le ist eine ech­te Aus­nah­me, wes­we­gen ich den bay­ri­schen Weg mit Mebis per­sön­lich abso­lut klas­se fin­de. Muss jetzt halt tech­nisch nur noch lau­fen. Wenn es die Bay­ern nicht schaf­fen, ist die Welt­ord­nung nicht nur in der Bun­des­li­ga außer Kraft gesetzt.

Entidentifizierung – eine Gefahr für „Bildung“ unter Coronabedingungen

War­um bin ich medi­en­päd­ago­gi­scher Bera­ter? War­um bin ich das in Voll­zeit? War­um bin ich nicht mehr in der Schule?

Jeder Mensch hat zwei Arbeitsverträge:

Der ers­te regelt das For­ma­le. Wie viel Geld? Wie vie­le Stun­den? Wel­che Spe­sen? Wel­cher Urlaubs­an­spruch? usw.

Der zwei­te regelt das Informelle:

Füh­le ich mich an mei­nem Arbeits­platz wohl? Kann ich die Zie­le der Insti­tu­ti­on oder des Betrie­bes enga­giert mit­tra­gen? Habe ich funk­tio­nie­ren­de sozia­le Netz­wer­ke in mei­nem Arbeits­kon­text? Steht das, was ich in mei­ne Arbeit „ste­cke“, in sinn­vol­ler Rela­ti­on zu der Wert­schät­zung, die mir auf der Arbeit u.a. von Vor­ge­setz­ten ent­ge­gen­ge­bracht wird?

Was Insti­tu­tio­nen sowie Betrie­be sehen und wahr­neh­men, ist die Kün­di­gung des ers­ten Arbeits­ver­tra­ges. Wenn das zu über­hand nimmt, erfol­gen spä­tes­tens Maß­nah­men zur Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung. Wenn die­se gut ist, schaut sie auf den Zustand der „zwei­ten“, inne­ren Arbeitsverträge.

Schu­le ist beson­ders. Vie­le dort täti­gen Lehr­kräf­te haben nach spä­tes­tens 10 Jah­ren kei­ne sinn­vol­le Aus­stiegs­op­ti­on ohne das Risi­ko des Kom­plett­ver­lus­tes der Alters­ver­sor­gung. Auch vor die­sem Hin­ter­grund wäre es mei­nes Erach­tens sinn­voll, hier zukünf­tig umzu­den­ken und die gesetz­li­che Ren­ten­ver­si­che­rung zumin­dest zu ermög­li­chen – auch den Beamt:innen. Die Mög­lich­kei­ten, sich inner­halb des Sys­tems Schu­le neue Arbeits­fel­der zu erschlie­ßen, sind sehr begrenzt.

(Rand­no­tiz: Die Medi­en­be­ra­tung nimmt offen­bar an Attrak­ti­vi­tät zu. Sehr vie­le sehr klu­ge und kom­pe­ten­te Men­schen wol­len zu uns. Das war ein­mal anders. Vie­le von ihnen woll­ten bis­her lie­ber an Schu­le sein.)

Die inne­re Kün­di­gung führt in Schu­le zur Aus­bil­dung von Wohl­fühl­b­la­sen: Ich umge­be mich mit Men­schen, die zu mir pas­sen. Ich schaf­fe mir Frei­räu­me in mei­nem Unter­richt (die ich aber oft nicht tei­len darf, ohne mit dem umge­ben­den Sys­tem zu kol­li­die­ren). Ich fin­de Stra­te­gien, um für mich sinn­lo­se Situa­ti­on zu über­ste­hen und auszusitzen.

Eine Wohl­fühl­b­la­se ist fra­gil, weil ihre Sta­bil­tät und Ver­läss­lich­keit nicht allein von mir bestimmt wird: Die Lieblingskolleg:in lässt sich ver­set­zen. Ein bis­he­ri­ges Her­zens­the­ma wird von Men­schen über­nom­men, die sich mit mei­ner Vor­ar­beit inner­halb der Schul­ge­mein­schaft pro­fi­lie­ren – das kann ich nicht beeinflussen.

Kün­di­gen Mit­ar­bei­ten­de inner­lich, sind Wer­te und Zie­le der Insti­tu­ti­on oder des Betrie­bes in Gefahr. In guten Orga­ni­sa­tio­nen iden­ti­fi­zie­ren sich vie­le Mit­ar­bei­ten­de mit ihrer Ein­rich­tung. Erst so wer­den gemein­sa­me Hand­lun­gen mög­lich – gera­de im päd­ago­gi­schen Bereich ist das immens wich­tig für die Ori­en­tie­rung von z.B. Kin­dern und Jugendlichen.

Das Gemein­sa­me stirbt durch den Pro­zess der Ent­i­den­ti­fi­zie­rung und weicht der Kon­kur­renz und dem Kampf der Wohl­fühl­b­la­sen unter- und miteinander.

Ich stel­le mir gera­de hel­le Köp­fe in den Kul­tus­mi­nis­te­ri­en vor, bzw. muss ich mir sie gar nicht vor­stel­len – ich ken­ne tat­säch­lich eine gan­ze Anzahl hier in Nie­der­sach­sen. Ich stel­le mir vor, dass es dort sehr gute Ideen über die Ent­wick­lung von Schu­le in der Zukunft gibt.

Wel­che Erfah­run­gen machen gera­de Lehr­kräf­te bei der „Coro­nastra­te­gie für Schu­len“ – das muss man sich immer klar­ma­chen – mit Tei­len(!) der an Kul­tus­mi­nis­te­ri­um täti­gen Men­schen und der Poli­tik? Ich glau­be, dass es zur Zeit vie­le poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen gibt, die Lehr­kräf­te von dem Sys­tem ent­frem­den, was sie bis­her viel­leicht noch leid­lich unter­stüt­zend im Hin­ter­grund wahr­ge­nom­men haben.

Hel­le Köp­fe in Kul­tus­struk­tu­ren wer­den es nach Coro­na sehr schwer haben, Ver­trau­en auf­zu­bau­en – weil ich ver­mu­te, dass sich vie­le Lehr­kräf­te von ihrem Dienst­herrn bzw. den dahin­ter­lie­gen­den Struk­tu­ren gera­de ent­i­den­ti­f­zie­ren. Die Muti­gen kri­ti­sie­ren öffent­lich – das hat es in die­ser Aus­prä­gung in mei­ner gesam­ten Amts­zeit noch nicht gege­ben, obwohl es bei ande­ren The­men Schief­la­gen gab: Chan­cen­ge­rech­tig­keit, Inklu­si­on etc..

Ich sehe viel Erschöp­fung. Die gefähr­lichs­te Erschöp­fung für eine Orga­ni­sa­ti­on ist lang­fris­tig die, die heu­te zu Resi­gna­ti­on führt: „Von oben ist nichts zu erwar­ten. Ich muss den Schüler:innen gerecht wer­den, dafür bren­ne ich, dafür brau­che ich mei­ne Kraft!“ Das sagt nie­mand, aber ich bil­de mir ein, genau das zu spü­ren. Die öffent­lich Kri­ti­schen haben ein Ven­til. Die ste­hen not­falls auch allei­ne auf­recht. Die Kul­tus­bü­ro­kra­tie täte m.E. sehr gut dar­an, da hin­zu­hö­ren und ins direk­te Gespräch zu gehen – unter dem Schutz der Öffentlichkeit.

Ich bin pri­vi­le­giert. Ich bekom­me mein Geld ohne Abzü­ge. Des­we­gen habe ich auch die Ver­pflich­tung, gera­de jetzt beson­ders viel zurück­zu­ge­ben. Aber wie weit darf das gehen? Die Gren­ze ist erreicht, wenn die eige­ne Gesund­heit gefähr­det ist. Und vie­le, die als Lehr­kraft oder Schul­lei­tung in der Müh­le des Sys­tems ste­cken, gehen momen­tan über die­se Gren­ze hin­aus. Schu­le braucht Men­schen die bren­nen. Mei­ne Kin­der brau­chen das. Iden­ti­fi­ka­ti­on hal­te ich für einen der maß­geb­li­chen Brenn­stof­fe überhaupt.

 

 

Baufehler des Digitalpakts

Domi­nik Schö­ne­berg hat schö­ne Arti­kel rund um die Pro­ble­ma­tik beim Digi­tal­pakt geschrie­ben. Durch Twit­ter und die Medi­en­land­schaft gehen gera­de Arti­kel, die vor­rech­nen, wie viel Geld die ein­zel­nen Bun­des­län­der bis­her aus dem Digi­tal­pakt abge­ru­fen haben. Da das alles nach lang­läu­fi­ger Mei­nung viel zu wenig ist, wird der Feh­ler im kom­pli­zier­ten Antrags­ver­fah­ren gese­hen und nach Ver­ein­fa­chung geru­fen, damit „Gel­der schnel­ler fließen“.

Ich möch­te ger­ne dafür argu­men­tie­ren, dass die­ser Ruf abso­lut schäd­lich für das The­ma Bil­dung ist. Ich bin frus­triert, weil sich nach mei­ner Mei­nung eine durch die Bank schlech­te Recher­che­qua­li­tät selbst von „Qua­li­täts­me­di­en“ hier fort­setzt. Ich gene­ra­li­sie­re hier, weil ich bis­her wirk­lich nichts aus mei­ner Sicht Brauch­ba­res oder Dif­fe­ren­zier­tes gele­sen habe.

Der Digi­tal­pakt hat Bau­feh­ler. Die­ser deckt sich struk­tu­rell mit dem für mich wahr­nehm­ba­ren aktu­el­len Jour­na­lis­mus zum The­ma Digi­tal­pakt: Man hat nicht sorg­fäl­tig auf die ande­re, gro­ße Sei­te des Digi­tal­pak­tes geschaut: Den Schulträger.

 

Bau­feh­ler 1: Kon­zept für Selbstverständlichkeiten

Der Digi­tal­pakt unter­schei­det in der Bund-Län­der-Ver­ein­ba­rung nicht zwi­schen Infra­struk­tur und End­ge­rä­ten: Bei­des muss eine Schu­le in tech­nisch-päd­ago­gi­schen Ein­satz­kon­zep­ten“ oder ”Medi­en­bil­dungs­kon­zep­ten“ begrün­den. Aber wie begrün­de ich die Not­wen­dig­keit von Stra­ßen und Schie­nen, wenn ich mich zwi­schen Orten mit Ver­kehrs­mit­teln bewe­gen kön­nen will? Infra­struk­tur wird immer benö­tigt und ist in mei­nen Augen päd­ago­gik­neu­tral. Span­nend wird es eigent­lich erst bei der Aus­wahl von Prä­sen­ta­ti­ons­sys­te­men und End­ge­rä­ten – da sehe Schu­len in der Pflicht, sich Gedan­ken zum Ein­satz zu machen, damit sich die Geschich­te der bea­mer­ge­stütz­ten White­board­lö­sun­gen aus vor­an­ge­gan­ge­nen Kon­junk­tur­pa­ke­ten nicht wie­der­holt. Und man hät­te die Zeit, die der Auf­bau von Infra­struk­tur benö­tigt, gut dafür nut­zen kön­nen, um sich dar­um Gedan­ken zu machen. So sind die Schu­len schon vor­ab dazu gezwun­gen. Mei­ne Befürch­tung geht dahin, dass nun Kon­zep­te für den Leit­z­ord­ner ent­ste­hen, die ähn­lich wie Hygie­ne­plä­ne oder Metho­den­kon­zep­te in der Schu­le nicht gelebt wer­den kön­nen. Dazu bräuch­te es pro­zess­ori­en­tier­te Ansät­ze und ste­ti­ge ver­netz­te Wei­ter­ent­wick­lung – das Netz wird die nächs­ten Jah­re auch nicht ruhen.

Mei­ne Lösung: Ich stel­le Schu­len für die­sen Punkt Mus­ter­for­mu­lie­run­gen bereit. Aber nur für diesen.

 

Bau­feh­ler 2: Der Digi­tal­pakt als Einmalfeuerwerk

Der Digi­tal­pakt ver­steht sich als eine ein­ma­li­ge Anschub­fi­nan­zie­rung. Aber es besteht ein kon­ti­nu­ier­li­cher Bedarf an finan­zi­el­len und per­so­nel­len Res­sour­cen in den nächs­ten Jah­ren. Mit einem iso­lier­ten poli­ti­schen Zei­chen ist es nicht getan. Es braucht eine kon­zep­tio­nel­le Verstetigung.

Die Trä­ger sind natür­lich vor­sich­tig mit Inves­ti­tio­nen, weil sie Fol­ge­kos­ten fürch­ten und damit Recht haben.

Mei­ne Lösung: Ich bera­te zunächst(!) ganz strin­gent in Rich­tung digi­ta­le Infra­struk­tur. Die kos­tet im Betrieb wenig, in der Pla­nung viel. End­ge­rä­te sind vor­erst nett. Ohne Infra­struk­tur sind sie tota­ler Mist.

 

Bau­feh­ler 3: Die allein­ge­las­se­nen Träger
Mit der kon­kre­ten Umset­zung ste­hen die Trä­ger allei­ne da. Aus­schrei­bun­gen, Leis­tungs­ver­zeich­nis­se, die Gewähr­leis­tung von Sup­port u.v.m. sind hier die Her­aus­for­de­run­gen. Auf­grund tarif­li­cher Ver­ein­ba­run­gen sind Trä­ger gegen­über der frei­en Wirt­schaft bei der Gewin­nung kom­pe­ten­ter IT-Mit­ar­bei­ter im Nach­teil. Das Arbeits­um­feld Schu­le ist zudem nur für weni­ge ITler attrak­tiv – zu wenig struk­tu­riert gewach­se­ne IT-Land­schaf­ten, sehr anspruchs­vol­le Lehr­kräf­te und sehr indi­vi­du­el­le Anfor­de­run­gen gilt es zu kon­so­li­die­ren. Da sind erheb­li­che kom­mu­ni­ka­ti­ve Kon­se­quen­zen erfor­der­lich. Ent­spre­chend ange­spannt ist die Bewer­ber­la­ge und ent­spre­chend hoch die Fluktuation.

Mei­ne Lösung: Gibt es nicht. Hier müs­sen die Trä­ger fach­li­che Unter­stüt­zung erfah­ren. Nie­der­sach­sen hat Stan­dards für IT-Infra­struk­tur ver­öf­fent­licht. Den dort for­mu­lier­ten Anspruch habe ich mit zu ver­tre­ten. Die Vor­ga­ben nüt­zen aber nichts, da sie in indi­vi­du­el­le Leis­tungs­ver­zeich­nis­se und Aus­schrei­bungs­un­ter­la­gen über­führt wer­den müs­sen. Hier braucht es Erleich­te­run­gen. Im länd­li­chen Bereich ist es üblich, dass Mit­tel­ständ­ler vor Ort Schu­len betreu­en. Sobald die­se aber in Pla­nun­gen invol­viert sind, dür­fen sie sich nicht mehr an Aus­schrei­bun­gen betei­li­gen. Es gibt aber oft in der Flä­che nicht mehr Kom­pe­tenz als die­se Mit­tel­ständ­ler. Also muss ich Gemein­den raten, den lan­gen Weg über Pla­nungs­bü­ros zu gehen, obwohl man es im Klei­nen vor Ort bes­ser lösen könn­te. Das erzeugt immense Trans­ak­ti­ons­kos­ten und Ver­zö­ge­run­gen und Mit­tel­ab­fluss zum Planer.

 

Bau­feh­ler 4: Die (eigent­lich) unlös­ba­re Auf­ga­be der Lehrkräftequalifikation
Momen­tan ist so gut wie kei­ne Pha­se der Leh­rer­aus­bil­dung inhalt­lich oder metho­disch hin­rei­chend an eine Schu­le im Zeit­al­ter der Digi­ta­li­sie­rung ange­passt. Die Lehr­kräf­te, die die Aus­bil­dung mit hin­rei­chen­den Kom­pe­ten­zen ver­las­sen, haben die­se in gro­ßen Tei­len auto­di­dak­tisch erwor­ben. Gleich­zei­tig besteht die Not­wen­dig­keit für eine Qua­li­fi­ka­ti­on ja nicht nur für Leh­re­rin­nen und Leh­rer in Aus­bil­dung, son­dern für sämt­li­che Lehr­kräf­te im deut­schen Bil­dungs­sys­tem. Genau wie bei den IT-Sup­port­kräf­ten stellt sich hier schnell die Fra­ge, wer das in die­sem gewal­ti­gen Umfang momen­tan leis­ten soll. In eini­gen Bun­des­län­dern scheint man dem Mut der Ver­zweif­lung auf Blen­ded-Lear­nin­g­an­ge­bo­te im Inter­net zu set­zen. Mul­ti­pli­ka­to­ren ent­wi­ckeln Online­kur­se, in den dann im güns­tigs­ten Fall ein Rah­men für die Kom­pe­tenz­ent­wick­lung der Teil­neh­men­den gesetzt wird. Ver­schär­fend kommt hin­zu, dass Schu­le Men­schen lan­ge Zeit einen Schutz­raum gebo­ten hat: Sie kön­nen heu­te noch VHS-Kas­set­ten weit­ge­hend pro­blem­los in einer Schu­le abspie­len. Allein die Ankün­di­gung, dass auch die DVD auf Dau­er ver­schwin­den wird, kann an man­cher Schu­le vie­le Lehr­kräf­te immer noch erheb­lich irri­tie­ren. Auch das ändert sich, jedoch immer noch lang­sa­mer als der tech­no­lo­gi­sche Fort­schritt mit sei­ner engen Ver­flech­tung mit kul­tu­rel­len Ver­än­de­run­gen. Wir ste­hen wie­der ein­mal mehr vor einer bei­spiel­lo­sen Situation.

Mei­ne Lösung: Coro­na hat hier viel ver­än­dert und ermög­licht Din­ge, die ich bis­her nicht für mög­lich gehal­ten hät­te. Im Team mit der Medi­en­be­ra­tung, ein­ge­kauf­ten Fort­bil­dungs­an­ge­bo­ten und den Kom­pe­tenz­zen­tren haben wir in der Feri­en­zeit über 4000 Lehr­kräf­te erreicht. Die Initia­ti­ve geht hier in Nie­der­sach­sen wei­ter und wird in über 1000 staat­lich getra­ge­nen Ange­bo­ten mün­den. Schon in der kur­zen Coro­na­zeit hat sich enorm viel getan. 

 

Das Nadel­öhr im Digi­tal­pakt sind die Trä­ger, weil man sie nicht ange­mes­sen mit­ge­dacht hat. Wenn man jetzt von Grund­prin­zi­pi­en wie „Infra­struk­tur zuerst“ (und par­al­lel dazu Beglei­tung, Schu­lung und Gedan­ken zum Ler­nen mit und über Medi­en) abweicht, hilft man Trä­gern natür­lich auch: End­ge­rä­te aus­zu­schrei­ben ist pil­le­pal­le. Dann noch schön die Auf­la­gen für die Schu­len lockern, dass sie ohne gedank­li­che Vor­be­rei­tung Tablets in Men­gen beschaf­fen kön­nen (so hät­te es ja auch ger­ne der Phi­lo­lo­gen­ver­band) und wir sind wie­der im Jah­re 2009 bei den geschei­ter­ten kom­mu­na­len Kon­junk­tur­pa­ke­ten ange­langt. Das ist das vor­her­seh­ba­re Ergeb­nis von For­de­run­gen nach „Ver­ein­fa­chung des Antragsverfahren“.

Was Trä­gern und Bil­dung glei­cher­ma­ßen hel­fen wür­de sind Ände­run­gen bei Aus­schrei­bungs- und Ver­ga­be­ver­fah­ren – das dürf­te aber EU-Recht betref­fen. Was Trä­ger wei­ter­hin hel­fen wür­de, sind Qua­li­fie­rungs­an­ge­bo­te für Mitarbeiter:innen oder bes­ser: Ein Bus vol­ler tol­ler Leu­te, die vor dem Rat­haus aus­stei­gen und den Digi­tal­pakt rocken und gegen­fi­nan­ziert wer­den. Solan­ge die­se Bus­se nicht fah­ren, wird es eben lang­sam gehen. Aber bes­ser so als die zwei­te Wel­le inter­ak­ti­ver Tafel­sys­te­me oder (kli­schee­haf­te) Tablet­klas­sen, in denen (kli­schee­haft) PDF-Doku­men­te mit App­lepen­cils aus­ge­füllt werden.

 

Von uns Gralshütern – oder wie Beratung in sozialen Medien scheitern muss

Es gibt auf Twit­ter bestimm­te Plots, die immer wie­der ablaufen:

  1. Jemand gibt bekannt, das er/sie eine Klas­se mit Gerä­ten neu über­nimmt und fragt nach Pro­gram­men, Tipps und Ressourcen
  2. Das wird dann kom­men­tiert mit Hin­wei­sen wie: „Aber so oder so muss das doch schei­tern, es gibt ja kein Konzept!“
  3. Dann schal­ten sich Twit­ter­au­tori­tä­ten ein und ver­wei­sen auf Theo­rie­ar­ti­kel und beschrei­ben, inwie­fern die­se oder jene Vor­ge­hens­wei­se alte Struk­tu­ren zemen­tie­ren würde.
  4. Viel­leicht erbarmt sich noch irgend­wer und gibt eine lösungs­ori­en­tier­te Antwort.

Ich habe mich oft genug in den Schrit­ten 2–3 ein­ge­schal­tet und in Kon­zept- und Visi­ons­blind­heit dabei flei­ßig mitgemacht.

Ich habe mitt­ler­wei­le Fra­gen zu sol­chen Abläu­fen, die oft genug fast schon reflex­haft sind:

  1. Für vie­le Lehr­kräf­te ist es eine Über­win­dung, sich in sozia­len Netz­wer­ken anzu­mel­den. Meist hören sie dann zunächst nur still mit.
  2. Für vie­le Lehr­kräf­te ist es eine Über­win­dung, sich zu trau­en eine Fra­ge zu stel­len, die im Kern eigent­lich auf ihr eige­nes Unwis­sen zurück­ver­weist. Sie ver­trau­en impli­zit – in Unkennt­nis der Dyna­mi­ken auf Social­me­dia dar­auf, dass nur Men­schen reagie­ren, die lösungs­ori­en­tiert agie­ren. Sie bekom­men aber Meta­ana­ly­sen, die sie und ihr Han­deln infra­ge stellen.
  3. Vie­le Lehr­kräf­te befin­den sich hin­sicht­lich ihrer Ent­wick­lung in Bezug auf den Ein­satz digi­ta­ler Gerä­te oder gar im Hin­blick auf eine ver­än­der­te Schul­kul­tur ganz am Anfang.

Das Ziel von uns Medi­en­fuz­zi­es ist ja irgend­wie, einen Rah­men zu schaf­fen Kom­pe­ten­zen inner­halb der Leh­rer­schaft zu ent­wi­ckeln. Indem auch ich mich lan­ge Zeit so ver­hal­ten habe, habe ich die­ses Ziel oft genug aus den Augen ver­lo­ren. „Pap­per­la­papp – wer sich öffent­lich so äußert, muss sich mit sach­li­cher Kri­tik aus­ein­an­der­set­zen!“ Vor einer Grup­pe öffent­lich in die­sem Real­li­fe wie sach­lich auch immer kri­ti­siert zu wer­den, ist schon nicht leicht – man braucht gute Ref­raming-Tech­ni­ken, um nicht auf die per­sön­li­che Ebe­ne zu rut­schen. In der völ­lig schutz­lo­sen Social­me­dia-Öffent­lich­keit ist das bestimmt noch viel schwieriger.

Daher ent­glei­sen Dis­kur­se: „Du stellst mich infra­ge, das muss ich mir hier nicht bie­ten las­sen!“ vs. „Sach­li­cher Kri­tik muss man sach­lich begeg­nen, das gehört zum Erwach­sen­sein!“. Hin­ter­her sind bei­de muksch – wie man hier im Nor­den sagt und gewon­nen ist auch so ziem­lich gar nichts – denn: Die „sach­li­chen Grals­hü­ter“ wer­den ledig­lich in „Son­der­bla­sen“ iso­liert, igno­riert, ent­folgt. Und das in einem Umfeld, das an sich schon eine win­zi­ge Bla­se in der Leh­rer­schaft ist. Ins­be­son­de­re der Ver­hält­nis zwi­schen Schu­le und uni­ver­si­tä­rer Didak­tik ist mei­ner Auf­fas­sung nach ein Mus­ter­bei­spiel für die­se Art von struk­tu­rel­ler Ver­här­tung. Ein guter Kon­takt zur Infor­ma­tik­di­dak­tik in Olden­burg hat mich gelehrt, dass es ganz anders gehen kann.

Ich mag Theo­rie sehr, sehr ger­ne und ich fin­de Kri­tik wich­tig. Aber Sach­lich­keit ist ledig­lich ein not­wen­di­ges Kri­te­ri­um von Kri­tik und kein hin­rei­chen­des. Ich möch­te zukünf­tig mehr aner­ken­nen, dass es bei mei­ner Ent­wick­lung Pha­sen der unre­flek­tier­ten Tech­nik­nut­zung gab und gibt. Und die­se Pha­sen sind auch wich­tig! Ent­schei­dend waren für mei­ne Ent­wick­lung per­sön­li­che Begeg­nun­gen und Rah­men­be­din­gun­gen, in denen Kri­tik mich auch errei­chen konn­te. Social­me­dia ist dafür über­haupt kein guter Rah­men. „Mis­sio­nie­ren“ kann man anders­wo impli­zit viel bes­ser. Und das soll­te man mei­ner Mei­nung nach ger­ne tun.

Gera­de Twit­ter führt oft genug in Ver­su­chung, eine Per­son auf Basis einer ein­zi­gen Äuße­rung zu bewer­ten. Das ist mir selbst auch schon pas­siert. Sys­te­misch ist das kom­plett falsch und es kann nicht auch nur zu irgend­was führen.

Denn wir wissen eigentlich nicht, was wir tun …

Wenn ich Web­i­na­re mache, redet meist nur eine Per­son. Alle ande­ren schwei­gen oder tip­pen maxi­mal. Web­i­na­re als For­mat sind metho­disch für mich ähn­lich metho­den­arm wir der momen­ta­ne Prä­senz­un­ter­richt. Ich weiß eigent­lich nichts dar­über, wie mei­ne kru­den Ideen ankom­men oder ob die­se Ver­an­stal­tun­gen für irgend­wen dar­in einen Wert haben. Es ist ein Blind­flug, weil ich eine Sache nicht mache, die gera­de jetzt in der Kri­se wahr­schein­lich immens wich­tig ist – für mich und mein Han­deln und dafür, pas­sen­de Ange­bo­te zu ent­wi­ckeln: Die Evaluation.

Als Lei­tung bist du im Auge des Hur­ri­cans – alles dreht sich um dich, aber nur die dicks­ten Bro­cken fal­len dir vor die Füße. Von der Mas­se bekommst du nichts mit!“

Das ist eine Aus­sa­ge, die auf meh­re­ren mei­nen dama­li­gen Jugend­lei­ter­schu­lung gefal­len ist – ich behaup­te: Ich als Fort­bild­ner und Schul­lei­tun­gen han­deln momen­tan pri­mär auf der Basis von Infor­ma­tio­nen, die von extro­ver­tier­ten Men­schen bekom­men. Auch exter­ne Stim­mungs­la­gen auf z.B. Social­me­dia bil­den nur die Rea­li­tät der Lau­ten ab.

Auf­lö­sen kann ich das nur durch Eva­lua­ti­on, weil die­se mir Infor­ma­tio­nen in einer Brei­te lie­fert, die nicht nur die Lau­ten ein­schließt. Des­we­gen gehört Eva­lua­ti­on – mög­lichst nied­rig­schwel­lig – viel­leicht zu den aller­wich­tigs­ten Din­gen, die man heu­te machen muss. Die Fra­gen soll­ten dabei nicht „wis­sen­schaft­lich belast­bar“ sein. Es soll­ten mei­ne Fra­gen sein, die ich brau­che, um Ideen für mein wei­te­res Han­deln zu bekom­men. Das kann ich auch der Grup­pe gegen­über so trans­pa­rent machen. Momen­tan wären mit qua­li­ta­ti­ve Eva­lua­ti­ons­it­ems viel wich­ti­ger als quantitative.

Wenn ich Schulleitung wäre – was würde ich wissen wollen?

Von Eltern:

  1. Was macht Ihnen zur­zeit am meis­ten Sor­gen in Bezug auf die Bil­dung Ihrer Kinder?
  2. Wie bewer­ten Sie ins­ge­samt die Betreu­ung durch die Lehrkräfte?
  3. Was brau­chen Sie von uns, um mit der momen­ta­nen Situa­ti­on bes­ser zurechtzukommen?
  4. Was brau­chen Ihrer Mei­nung nach Ihre Kin­der von uns, um mit der momen­ta­nen Situa­ti­on bes­ser zurechtzukommen?
  5. Was möch­ten Sie uns noch mitteilen?

Von Schüler:innen:

  1. Was macht dir zur­zeit am meis­ten Sor­gen, wenn du an Schu­le denkst?
  2. Wie bewer­test du ins­ge­samt die Betreu­ung durch dei­ne Lehrkräfte?
  3. Nen­ne uns ein Bei­spiel für eine Lehr­kraft, die Ihren Job gera­de dei­ner Ansicht nach sehr gut macht. Beschrei­be uns kurz, was sie genau macht!
  4. Was brauchst du von uns, damit du mit der momen­ta­nen Situa­ti­on bes­ser zurechtkommst?
  5. Was möch­test du uns noch mitteilen?

Von Lehrer:innen:

  1. Was berei­tet Ihnen zur­zeit die meis­ten Sor­gen in Bezug auf die Bil­dung Ihrer Schüler:innen?
  2. Wie kom­men Sie mit der momen­ta­nen Unter­richts­si­tua­ti­on zurecht?
  3. Beschrei­ben Sie uns kurz eine Metho­de, die für Sie und Ihre Schüler:innen nach Ihrer Mei­nung zur­zeit gut funktioniert.
  4. Was brau­chen Sie von uns als Schul­lei­tung zur­zeit am notwendigsten?
  5. Was möch­ten Sie uns noch mitteilen?
Der erhoffte Effekt

Durch Eva­lua­ti­on kom­men Men­schen vor, die i.d.R. nicht laut sind, z.B. die Gewis­sen­haf­ten. Schüler:innen als Schu­le nach Ihrer Mei­nung zu fra­gen, ist auch ein sozia­les Zei­chen: Ich neh­me dich / euch ernst!

Medi­al kom­men Schüler:innen zur­zeit näm­lich gar nicht vor: Sie sind vor­wie­gend Objek­te von Ent­schei­dun­gen ande­rer – weni­ger Sub­jek­te. Wenn Tei­le der gewon­ne­nen Erkennt­nis­se dann tat­säch­lich in die wei­te­re Orga­ni­sa­ti­on des Schul­all­tags ein­flie­ßen, lässt sich der Effekt der „Ernst­ge­nom­men­wer­dens“ noch stei­gern – igno­riert man das, ver­spielt man Ver­trau­en. Daher ist es wich­tig, von vorn­her­ein Res­sour­cen für die Umset­zung der Ein­ga­ben bereit­zu­stel­len – sonst wird man mehr ver­lie­ren als man gewin­nen kann.

Eine sol­che qua­li­ta­ti­ve Eva­lua­ti­on kann zudem Din­ge sicht­bar machen, die im Kon­zert der Lau­ten unter­ge­hen. Dabei fällt so man­cher Gold­ring ins Auge des Hurricans.

(Ich glau­be, das bie­te ich den Schu­len mal an. Tech­nisch umset­zen und auto­ma­ti­siert aus­wer­ten ist für mich nicht so ein gro­ßes Problem.)

 

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