Beobachtungen aus Digitalien

Ein­lei­tung

Mich machen aktu­el­le Ent­wick­lun­gen rund um das The­ma Digi­ta­li­sie­rung von Schu­len nach­denk­lich. Es sind The­men, die mich in mei­ner Arbeit unmit­tel­bar betref­fen und auch viel Zeit in der Kom­mu­ni­ka­ti­on kosten.

 

Das Fach Informatik

Ich habe mich schon mehr­fach an die­sem The­ma abge­ar­bei­tet. Ich bin rela­tiv ver­wun­dert, wie das Fach Infor­ma­tik von vie­len immer wie­der geframed wird. Die mil­des­te Vari­an­te ist die Gleich­set­zung von Infor­ma­tik und Pro­gram­mie­ren („Es muss ja nicht jeder Pro­gram­mie­rer wer­den!“). Die kurio­ses­te ist die Unter­stel­lung, das Fach Infor­ma­tik wür­de lob­by­is­tisch in Schu­le posi­tio­niert, um ver­wend­ba­re Arbeits­kräf­te für den Digi­tal­stand­ort Deutsch­land zu gewinnen.

Fun­fact dabei: Es gibt For­de­run­gen der deut­schen Gesell­schaft für Infor­ma­tik aus den 80er Jah­ren, die sich ziem­lich genau mit den Kom­pe­tenz­be­schrei­bun­gen des KMK-Stra­te­gie­pa­piers „Bil­dung in der digi­ta­len Welt“ decken, das wie­der­um Vor­la­ge für zahl­rei­che län­der­spe­zi­fi­sche Kom­pe­tenz­vor­ga­ben für den Bereich Medi­en­bil­dung ist. Die Eltern der heu­ti­gen Medi­en­kom­pe­tenz­pa­pie­re sind – über­spitzt for­mu­liert – die Infor­ma­ti­ker. Infor­ma­tik und ethi­sche Fra­gen sind eng mit­ein­an­der gekop­pelt – daher gibt es im Dag­stuhl-Drei­eck auch die Dimen­si­on „Wie wirkt das?“. Ich habe mit Stif­tun­gen zu tun, die infor­ma­ti­sche Bil­dung för­dern wol­len und an Lob­by­is­mus­vor­wür­fen zerschellen.

Bezeich­nen­der­wei­se kommt viel Kri­tik von Stif­tun­gen gro­ßer Kon­zer­ne an der Umset­zung momen­ta­nen Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung an Schu­len („Huch? Wie kann das sein, wo doch die Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung schnell mit wirt­schaft­li­cher Ver­wend­bar­keit gleich­ge­setzt wird?“). Bezeich­nen­der­wei­se for­dern eini­ge mir bekann­te Stif­tun­gen, dass der Staat z.B. Stel­len-Kon­tin­gen­te von Bera­tungs­an­ge­bo­ten für Schu­len aus­baut und sei­ner Ver­ant­wor­tung auch z.B. beim schu­li­sche Sup­port und bei der Lehr­kräf­te­qua­li­fi­zie­rung nach­kommt. Man fragt, wie und auf wel­chen Ebe­nen man hel­fen kann.

Natür­lich besteht in der Wirt­schaft ein star­kes Inter­es­se an infor­ma­tisch vor­ge­bil­de­ten Men­schen, weil man ansons­ten auf ande­ren Arbeits­märk­ten fischen oder Dienst­leis­tung an Clou­dan­bie­ter aus­la­gern muss. Dabei geht es auch um die Unab­hän­gig­keit des Wirt­schafts­stand­orts Deutsch­land. Aber das ist nur die hal­be Miete.

Da erlau­ben z.B. poli­ti­sche Gre­mi­en inner­halb Euro­pas die Fusi­on von Face­book und Whats­App, weil kon­zern­sei­tig „glaub­haft“ ver­si­chert wird, dass eine Inte­gra­ti­on der Daten tech­nisch nahe­zu unmög­lich ist. Mit Grund­kennt­nis­sen über Daten­struk­tu­ren wäre die­se Fehl­griff nicht pas­siert. Da wer­den Online­wahl­ver­fah­ren als tech­nisch sicher dekla­riert, wobei es neben der tech­nisch siche­ren Abwick­lung noch um ganz ande­re Fra­gen geht – wie Erfah­run­gen aus den Nie­der­lan­den zei­gen. Da nützt auch die Block­chain nichts. Es sind Infor­ma­ti­ker, die hier war­nen und die Vor­zü­ge der Papier­wahl herausstellen.

Es wird für Infor­ma­tik etwas wei­chen müs­sen. Es ist scha­de, dass ande­re Stif­tun­gen mit ande­ren The­men­ge­bie­te nicht über die Mög­lich­keit ver­fü­gen, im sel­ben Maß Pro­jek­te auf­zu­le­gen. Es könn­te dar­an lie­gen, dass das The­ma drängt und ande­re The­men­ge­bie­te im Bil­dungs­sys­tem bereits län­ger eta­bliert sind. Bil­dungs­bür­ger­lich sind Kunst- oder Musik­pro­jek­te natür­lich viel char­man­ter, aber ich mag nicht dar­über nach­den­ken, was durch Blä­ser- und Strei­cher­klas­sen die Musik­in­stru­men­ten­her­stel­ler an Umsatz­stei­ge­run­gen erzielen.

Für mich sind infor­ma­ti­sche Grund­kennt­nis­se und Mün­dig­keit im digi­ta­len Zeit­al­ter sehr eng mit­ein­an­der ver­bun­den. Medi­en­päd­ago­gi­sche The­men haben eine min­des­tens eben­so gro­ße Bedeu­tung, wer­den aber ein wün­schens­wer­tes fach­li­ches Niveau ver­feh­len, wenn sie nicht durch infor­ma­ti­sche Kennt­nis­se unter­füt­tert sind. Ohne die Arbeit unab­hän­gi­ger Infor­ma­ti­ker: Was wüss­ten wir als Gesell­schaft heu­te wohl über Daten­skan­da­le und Daten­miss­brauch? Wer Infor­ma­tik als schu­li­sches The­ma bekämpft, wird m.E. vor allen einen immensen Ver­lust an eman­zi­pa­to­ri­scher Fähig­keit in der nach­fol­gen­den Gene­ra­ti­on mit zu ver­ant­wor­ten haben. Ich freue mich, wenn ich unrecht behal­ten sollte.

 

Lob­by­is­mus

Staat­li­che Pro­jek­te zum Bereich Schu­le und Digi­ta­li­sie­rung ste­hen zuneh­mend unter Beob­ach­tung von Lob­by­grup­pen, z.B. Leh­rer­ver­bän­den – meist aus dem eher lin­ken Spek­trum. Über das Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz ist es nach recht­li­cher Prü­fung mög­lich, tie­fe­re Ein­bli­cke in die Gene­se eines Pro­jek­tes zu erhal­ten, vor allem im Bereich der Mit­tel­ver­ga­be oder dem Aus­schrei­bungs­mo­da­li­tä­ten. Das ist ein wich­ti­ger Bei­trag zu demo­kra­ti­scher Trans­pa­renz. Bei den momen­tan lau­fen­den Ver­fah­ren erge­ben sich immer recht­lich nicht voll­stän­dig abge­si­cher­te Aspek­te. Das hat in mei­ner Wahr­neh­mung vor allem mit feh­len­den Pla­nungs­ka­pa­zi­tä­ten und Auf­ga­ben­häu­fung zu tun – Über­las­te Men­schen wol­len schnel­le Lösun­gen – das ken­nen wir auch aus ande­ren Kon­tex­ten. Die Feh­ler, die dabei zwangs­läu­fig ent­ste­hen, möch­ten Lob­by­ver­bän­de ger­ne auf­de­cken und für trans­pa­ren­te Pro­zes­se sen­si­bi­li­sie­ren, damit die Ein­flüs­se kom­mer­zi­el­ler Play­er auf das Schul­sys­tem begrenzt bzw. ein­ge­dämmt werden.

Lei­der geht das kom­plett schief und mün­det letzt­lich in einer Stär­kung genau die­ser Ein­fluss­nah­me Drit­ter. Auf­ge­schreckt durch Anfra­gen die­ser Art, zie­hen sich staat­li­che Orga­ni­sa­tio­nen aus Koope­ra­tio­nen mit Drit­ten ent­we­der zurück oder prü­fen das wei­te­re Vor­ge­hen. Der Bera­tungs­be­darf an Schu­len und bei Trä­gern – gera­de im Kon­text des Digi­tal­pak­tes – ist immens, eben­so der Fort­bil­dungs­be­darf der Lehr­kräf­te. Da durch den Digi­tal­pakt auch Bera­tungs­leis­tun­gen Exter­ner för­der­fä­hig sind (so lan­ge sie kei­ne ste­ti­gen Begleit­maß­nah­men dar­stel­len), wer­den Trä­ger auf genau die­se Ange­bo­te zurück­grei­fen. Da der Bedarf an Fort­bil­dun­gen an Schu­len sehr groß sind, wer­den sich die­se am frei­en Markt bedie­nen und die Dis­funk­tio­na­li­tät staat­li­cher Orga­ni­sa­ti­on bekla­gen. Das sind kei­ne Hirn­ge­spins­te – das geschieht nach mei­ner Wahr­neh­mung bereits. Zusätz­lich wird die Arbeit in die­sen Orga­ni­sa­tio­nen für kom­pe­ten­te Men­schen zuneh­mend unat­trak­tiv. Da nüt­zen irgend­wann auch Auf­sto­ckun­gen von Stel­len und Stun­den­de­pu­ta­ten nichts mehr. Sie müs­sen mit anse­hen, wie ande­re los­ge­löst von Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten und Vor­ga­ben Din­ge umset­zen, wäh­rend von ihnen selbst ver­langt wird, sich maxi­mal trans­pa­rent und neu­tral zu ver­hal­ten und dabei bit­te­schön ganz­heit­lich und sys­te­misch zu den­ken. Staat­li­che Orga­ni­sa­tio­nen sind sowie­so meist nicht kon­kur­renz­fä­hig bei der Gewin­nung drin­gend benö­tig­ter Fachkräfte.

Gehäuf­te Anfra­gen im Zuge des Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­set­zes begüns­ti­gen und beschleu­ni­gen damit para­do­xer­wei­se eine Ent­wick­lung, die durch sie im Kern eigent­lich ver­hin­dert wer­den soll. Sie sind natür­lich objek­tiv wich­tig und demo­kra­tisch von Bedeutung.

Die Initia­to­ren soll­ten sich dar­über im Kla­ren sein, wel­che Sei­ten­ef­fek­te durch sie mit aus­ge­löst wer­den. Ich bin mir nicht sicher, wie auf­ge­schlos­sen Poli­tik in Län­dern mit bis­her feh­len­den Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­set­zen sein wird, ein sol­ches vor­an­zu­trei­ben, wenn Anfra­gen gewis­se Detail­gra­de dau­er­haft über­schrei­ten und dadurch immense Per­so­nal­ka­pa­zi­tä­ten bin­den. „Das Schrei­ben von ein bis zwei Sät­zen dau­ert doch nicht so lan­ge!“ Nein – natür­lich nicht, aber dadurch dass man immer einen „offi­zi­el­len Sta­tus“ einer Aus­kunft wünscht, hat man als Bei­fang immer eine Men­ge juris­ti­scher und ver­wal­tungs­tech­ni­scher Pro­zes­se mit dabei.

Gute Leu­te haben wei­ter­hin heu­te im Digi­tal­be­reich die Wahl: Sie kön­nen sich altru­is­tisch und trans­pa­rent in staat­li­chen Orga­ni­sa­ti­on enga­gie­ren und sich in stän­di­gem Recht­fer­ti­gungs­zwang sehen oder sie kön­nen das in kom­mer­zi­el­len Kon­tex­ten tun, in denen Geld­flüs­se nicht trans­pa­rent gemacht wer­den müs­sen und weit­aus mehr Frei­hei­ten in der Arbeit bestehen – um den Preis, Nach­hal­tig­keit wirt­schaft­lich nicht abbil­den zu kön­nen. Das darf dann der Staat aufsammeln.

 

Kri­tik an digi­ta­len Gras­wur­zel­pro­jek­ten in Schule 

Neu­lin­ge, die sich in ihrem Unter­richt an digi­ta­le The­men her­an­wa­gen UND dar­über auch noch öffent­lich berich­ten (bei­des gro­ße Schrit­te!), sehen sich oft Nach­fra­gen aus­ge­setzt. Ich bin auch so einer, der durch einen schnell raus­ge­haue­nen Tweet acht­los jeman­den ver­sen­ken kann. Twit­ter ist kom­pli­ziert, inho­mo­gen und manch­mal lau­nig. Auch dar­an habe ich mich schon abge­ar­bei­tet.

Auch ich sehe gro­ße Gefah­ren, dass es bei der Stu­fe „Tech­nik ahmt das Alte nach bzw. ver­stärkt es auch noch“ schlicht ste­hen bleibt, weil uns als Staat noch schlicht die Res­sour­cen feh­len, wei­ter zu beglei­ten und mir als Lehr­kraft viel­leicht oft der Wil­le fehlt, nicht „abzu­ha­ken“, son­dern pro­zess­haft mit Ziel­per­spek­ti­ve dran­zu­blei­ben. Tech­nik- und App­schu­lun­gen sind nur dann der ers­te Schritt, wenn im Nach­klang wei­ter reflek­tiert und beglei­tet wird.

Wie­der­ho­lung: Sie ver­lei­ten nach mei­ner Erfah­rung ohne wei­te­re (und kom­mer­zi­ell kaum sinn­voll abbild­ba­re) Beglei­tung dazu, dass das The­ma „Digi­ta­li­sie­rung“ schnell abge­hakt wird – man setzt ja nun Gerä­te ein und ist des­we­gen eben digi­tal. Ich rede hier nicht von Leucht­tür­mern – und auch deren Lam­pe ist gele­gent­lich bei genaue­rem Blick ziem­li­che trü­be – die meis­ten „guten“ Schu­len leuch­ten nicht nach außen, die machen ein­fach und kon­zen­trie­ren sich auf sich.

Tech­nik- und App­schu­lun­gen sind aber momen­tan genau das, was eine brei­te­re Mas­se leis­ten kann und was mas­siv nach­ge­fragt wird (und womit man auch gut Knat­ter machen kann). Mein Visi­ons­zeug ern­tet hef­ti­ges Nicken, so wie in den meis­ten Kon­tex­ten auch die Aus­sa­ge „Flug­rei­sen sind Mist“ hef­ti­ges Nicken ern­ten wür­de. Danach den sal­bungs­vol­len Wor­ten aus Rieckens Vor­trag steigt man viel­leicht dann in den Flie­ger nach Bali oder schreibt sogar (in Ein­zel­fäl­len!) wei­ter brav sys­tem­ge­fäl­li­ges Sub­sti­tu­ti­ons­tech­nik­ge­döns in das schul­ei­ge­ne Medi­en­bil­dungs­kon­zept. Das meint nie­mand per­sön­lich. Ist halt so.

Bei Kri­tik gibt es für mich daher immer meh­re­re Fragen:

  1. Ist sie logisch und sach­lich begründet?
  2. Wird sie auch  auf der Sach­ebe­ne wahrgenommen?
  3. Ist sie geeig­net, Refle­xi­ons­pro­zes­se auszulösen?

Für Kri­tik ist Kri­te­ri­um 1 not­wen­dig. Hin­rei­chend wird sie für mich aber erst durch die Kri­te­ri­en 2 und 3. Wenn man allein auf dem not­wen­di­gen Kri­te­ri­um beharrt, geht es bei der Kri­tik eben dar­um, Kri­tik zu üben und nicht dar­um, durch Kri­tik etwas zu ver­än­dern. Hart, aber so ist das in mei­nen Augen heu­te. Und wenn ich ehr­lich bin, habe ich auch gele­gent­lich Ten­den­zen etwas zu benör­geln des Benör­gelns wil­len. War­um ich das tue? – „Guck, mal, was ich kann!“ (Anlei­he aus den Känguruh-Apokryphen).

Was alle drei Ansät­zen m.E. fehlt

… das ist ver­netz­tes Den­ken, also unge­fähr die Grund­la­ge der 4K. Wir stel­len oft unse­re Inter­es­sen und unse­re The­men in den Mit­tel­punkt ohne das sys­te­mi­sche Moment zu sehen. Davon neh­me ich mich nicht aus, obwohl mir ja auch ger­ne unter­stellt wird, mich immer als neu­tral zu insze­nie­ren, es aber im Grun­de nicht zu sein. Naja. Die­ser Arti­kel ist ja ten­den­zi­ell nicht neutral.

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6 Kommentare

  • Lie­ber Maik,
    Du wirst mit einem Kom­men­tar von mir gerech­net haben. Hier kommt er… :-)

    Du schreibst, dass die „kurio­ses­te Unter­stel­lung“ sei, dass das Fach Infor­ma­tik mit dem Blick auf „ver­wend­ba­re Arbei­ots­kräf­te“ gefor­dert wer­de. Für so kuri­os hal­te ich das gar nicht – auch, wenn natür­lich betont wer­den muss, dass dies nicht der ein­zi­ge Grund ist und es auch durch­aus gute Grün­de für wie gegen ein sol­ches Fach gibt. So über­schreibt der Bran­chen­ver­band Bit­kom (um mal nur ein Bei­spiel zu neh­men) eine Pres­se­mit­tei­lung mit: „55.000 Jobs für IT-Spe­zia­lis­ten sind unbe­setzt“. Um dann im Fazit zu Fol­gen­dem zu kom­men: „Der Bit­kom setzt sich dafür ein, im Bil­dungs­sys­tem den Erwerb von Digi­tal­kom­pe­ten­zen in den Vor­der­grund zu rücken sowie Arbeits­recht und Sozi­al­sys­te­me grund­le­gend auf den digi­ta­len Prüf­stand zu stel­len, etwa indem star­re Vor­schrif­ten zur Arbeits­zeit fle­xi­bi­li­siert wer­den. Um den Fach­kräf­te­man­gel zu begeg­nen, for­dert der Bit­kom ergän­zend zu einer bes­se­ren Aus- und Weiterbildung…“ 

    Der Kri­tik an Stif­tun­gen, die auf­grund ihrer Finanz­macht und ‑mit­tel Ein­fluss zu Guns­ten der Idea­le und Zie­le ihrer Stif­ter aufs Bil­dungs­sys­tem oder ein­zel­ne Schu­len neh­men wol­len, begeg­nest Du damit, dass die­se for­dern wür­den, dass der Staat (fett gedruckt) etwas bestimm­tes tue. Nun, das ist ja nun­mal die Grund­kon­stel­la­ti­on von Lob­by­is­mus: Jemand möch­te, dass der Staat die­ses oder jenes tut, was den eige­nen Interessen/Absichten ent­spricht (der Klas­si­ker ist es, wenn jemand möch­te, dass ein Gesetz mit einer bestimm­ten Wirkung/Nichtwirkung for­mu­liert wird). Beim Lob­by­is­mus in Schu­le geht es dann u.a. dar­um, dass jemand möch­te, dass etwas nach sei­nen eige­nen Inter­es­sen in Schu­len plat­ziert, durch­ge­führt, ver­an­kert usw. wird. Ent­schei­dend ist nun aber – und da miss­ver­stehst Du aus mei­ner Sicht die Kri­tik – wie dies dann getan wird. Denn in einem demo­kra­ti­schen Bil­dungs­sys­tem, dass nach dem Grund­ge­setz unter staat­li­cher Auf­sicht steht, soll­te eben nicht ein­fach mal jeder machen, was ihm gefällt. Und es ist schon gar nicht mehr demo­kra­tisch, wenn der­je­ni­ge sich die­se Mög­lich­keit auf­grund von Finanz­macht erkauft. End­gül­tig pro­ble­ma­tisch wird es aber dann, wenn der­je­ni­ge dann in einem staat­li­chen Bil­dungs­sys­tem auf­grund sei­ner Finanz­macht bestimm­te Impul­se zu set­zen meint und dar­über kei­ner­lei Trans­pa­renz (z.B. die ein­ge­setz­ten Finanz­mit­tel) her­stellt oder die­se ein­schränkt bzw. erschwert. Es geht bei der Kri­tik also nur zu einem Teil dar­um, DASS Stif­tun­gen der­art auf­tre­ten – son­dern zu einem sehr gro­ßen teil dar­um, WIE sie agieren. 

    Und der drit­te Aspekt:
    Wenn wir als Gesell­schaft, Staat, Poli­tik fest­stel­len und einig wer­den, dass wir die Digi­ta­li­sie­rung in Schu­len mehr berück­sich­ti­gen und cur­ri­cu­lar ver­an­kern müs­sen, dann müs­sen wir uns auch dar­über bewusst sein, dass das etwas kos­tet. Um zu erfah­ren, was das kos­tet und kos­ten wird, brau­chen wir eige­ne (!) Exper­ten – und eben kei­ne Bit­koms, Ber­tels­män­ner und Co. Die­se exper­ten sind unse­re staat­li­chen Medi­en­zen­tren und ‑bera­ter in den Län­dern. es ist also unab­ding­bar aus mei­ner Sicht, dass die­se voll­um­fäng­lich auf­schlüs­seln, was sie für ihre Arbeit brau­chen. Dass die­se trans­pa­rent machen, wie teu­er Fort­bil­dun­gen, Ver­an­stal­tun­gen, Bera­tun­gen usw. sind. Die­se sind es auch, die wir brau­chen, um zu erfah­ren, was an den Schu­len benö­tigt wird. Und die­se sind es, die in ihrem pro­fes­sio­nel­len Über­blick über die Ange­bo­te des Mark­tes mit päd­ago­gi­scher und didak­ti­scher Exper­ti­se bera­ten kön­nen, was und wie wir eben die­sen demo­kra­tisch legi­ti­mier­ten Wunsch nach mehr Digi­ta­li­sie­rung in den Schu­len realisieren/umsetzen können.
    Par­al­lel darf es natür­lich nicht pas­sie­ren, dass kom­mer­zi­el­le Akteu­re die­sen schein­ba­ren „Markt“ erschlie­ßen. eine ein­zel­ne Schu­le oder gar Lehr­kraft soll­te eben genau die­sen kur­fris­ti­gen Schritt nicht tun, sich einem Kon­zern anzu­die­nen und deren „Exper­ti­se“ in Anspruch neh­men. Denn dadurch gewinnt die Schu­le nur sehr kurz­fris­tig etwas, macht sich aber mit­tel­fris­tig abhän­gig und zer­stört lang­fris­tig das staat­li­che Sys­tem der Medi­en­zen­tren und ‑bera­tun­gen. Es ist also nicht die Trans­pa­renz das Pro­blem. Son­dern die Vor­stel­lung und womög­lich sogar der Wunsch mit allen sei­nen prak­ti­schen Fol­gen, dass Schu­len und das Schul­sys­tem ein „Markt“ wie jeder ande­re sei, auf dem sich eben der schnellste/agilste durch­setzt und die ande­ren ver­drän­gen kann. Wenn also eine Schu­le hin­geht, und die­sen „Markt“ zu eröff­nen meint, indem sie die­ses Spiel mit­spielt, las­sen wir uns auf eine Öko­no­mi­sie­rung der Schu­len ein, die Schu­len abseh­bar und sehen­den Auges in Abhän­gig­kei­ten treibt, die wir nicht wie­der ein­ge­fan­gen krie­gen. Denn wenn der Staat (in die­sem Fall mit sei­nen Medi­en­zen­tren und ‑bera­tern) sei­ne eige­ne Exper­ti­se auf­gibt oder ver­liert, wer­den wir die­se so schnell nicht wie­der­erlan­gen und damit abseh­bar auf eben die­se Drit­ten (sie­he oben) ange­wie­sen sein.

    Ich plä­die­re daher dafür, dass die staat­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen sich von sich aus maxi­mal trans­pa­rent machen – aus meh­re­ren Gründen:
    Sie kön­nen damit ein Vor­bild und Exem­pel für eben die­se inter­es­sen­ge­steu­er­ten (teil­wei­se pseudo)gemeinnützigen Akteu­re sein, dies eben­falls tun zu müs­sen. Und die staat­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen wür­den damit Ein­blick gewäh­ren und auch begrün­den kön­nen, was die­se Digi­ta­li­sie­rung in den Schu­len kos­tet und was noch gebraucht wird. Nur so kön­nen sie dann auch die not­wen­di­ge und Unter­stüt­zung (im Rah­men unse­rer demo­kra­ti­schen Betei­li­gungs­struk­tu­ren) bekom­men. Sind es sonst nicht eher die staat­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen sel­ber, die den Drit­ten den Markt öff­nen, wenn sie sel­ber sich nicht offen ver­hal­ten? Was bringt es, durch die Gegend zu lau­fen und bekla­gen, dass nie­mand wis­se, wie teu­er doch z.B. groß ange­leg­te Fort­bil­dungs­ver­an­stal­tun­gen in Schu­len sei­en, wenn man gleich­zei­tig aber nicht bereit ist, der Bevöl­ke­rung trans­pa­rent auf­zu­zei­gen, wie teu­er die­se denn wirk­lich sind? Um Ver­ständ­nis und Unter­stüt­zung für die staat­li­chen Struk­tu­ren zu bekom­men, müs­sen die­se doch zunächst mal ver­stan­den und nach­voll­zo­gen wer­den können.

    Und zum Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz und dem Recht jeden Bür­gers, staatliche/behörliche/amtliche Ent­schei­dungs­pro­zes­se nach­voll­zie­hen zu dür­fen, um eben das Ver­trau­en in unse­re demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung zu stär­ken: Das Recht ist hof­fent­lich unbe­strit­ten. Der Weg zur Rea­li­sie­rung des­sen ist doch der auch mit den Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­set­zen aus­zu­lo­te­ne. So gibt es doch bereits Bei­spie­le, die zei­gen, dass die­ses Kon­strukt der Nach­fra­gen sei­tens der Bür­ger nur ein Zwi­schen­schritt sein kann. Die Platt­form Frag­Den­Staat macht dies doch mehr als deut­lich. Eine Behörde/Amt soll­te doch im Zeit­al­ter der Digi­ta­li­sie­rung von sich Doku­men­te und Infor­ma­tio­nen trans­pa­rent machen. Die meis­ten Doku­men­te, die ein abseh­ba­res öffent­li­ches Inter­es­se nach sich zie­hen könn­ten, könn­te man doch direkt online stel­len (vgl. z.B. Par­la­ments­da­ten­ban­ken). Damit wür­de man sich die­sen Auf­wand der Anfra­gen und deren indi­vi­du­el­ler Beant­wor­tun­gen erspa­ren. Ein Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz soll­te doch nicht lau­ten, dass jeder Bür­ger das Recht dar­auf hat, amt­li­che Infor­ma­tio­nen zu erfra­gen. Ein Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz soll­te doch lau­ten, dass jede Behör­de die Pflicht hat mög­lichst umfang­reich amt­li­che Infor­ma­tio­nen von sich aus transparent/zugänglich zu machen.

    Dies wür­de auch wie­der dazu füh­ren, dass z.B. ersicht­lich wür­de, was Fort­bil­dun­gen, Ver­an­stal­tun­gen, Kon­gres­se usw. kos­ten. Das wür­de den ehr­li­chen Blick auf die Kos­ten der Digi­ta­li­sie­rung in Schu­len ermög­li­chen und das gesell­schaft­li­che Ver­ständ­nis dafür schär­fen. Wenn wir uns aber stän­dig spon­sern, beschen­ken und bespen­den las­sen, ent­steht genau das, was mit dem schein­bar kos­ten­lo­sen (da wer­be­ge­trie­be­nen) Inter­net gesche­hen ist: Alle Welt denkt, dass es ja gar nicht so teu­er ist und irgend­wie ja schon läuft (wenn hier und da Gel­der Drit­ter flie­ßen). Und dann ste­hen wir irgend­wann da und fra­gen uns, wie wir uns von die­sen (schein­bar unei­gen­nüt­zi­gen oder gar gemein­nüt­zi­gen) „Anschub­fi­nan­zie­run­gen“ wie­der lösen kön­nen, wenn bis dahin – was Du rich­tig als abseh­ba­re Fol­ge auf­zeigst – die eige­ne (staat­li­che) Exper­ti­se nicht mehr vor­han­den sein wird – da sie in einem öko­no­mi­sier­ten Wett­be­werb um Bil­dung ver­lo­ren haben wird.

  • Dreht sich im Kreis. Das The­ma hat­ten wir schon öfter. Viel Wunsch- und ide­al­ty­pi­sches Den­ken. Was­ma­tisch halt. Als Ideen­skiz­ze nett und toll. Genau wie die Idee des voll­ge­wan­del­ten Schul­sys­tems. Im jet­zi­gen(!) Pro­zess für mich wenig hilf­reich. Es kommt auf die­se Wei­se nach mei­ner Ein­schät­zung mit gro­ßer Wahr­schein­lich­keit genau nicht so (Exodus oder Rück­zug der nun noch leid­lich neu­tra­len Exper­ten, die du ver­langst). Das ist ja der Tenor des Tex­tes. War­ten wir es also ab und ver­tre­ten wir wei­ter unse­re Stand­punk­te und ste­hen spä­ter für die Fol­gen ein.

    • Sind wir uns denn in dem Punkt einig, dass es wich­tig ist für die Unab­hän­gig­keit und staat­li­che Auf­sicht des Schul­sys­tems, dass wir star­ke Medi­en­zen­tren und ‑bera­tun­gen brauchen? 

      Und sind wir uns einig, dass es der bes­te (wenn nicht gar ein­zig sinn­vol­le) Weg ist, um her­aus­zu­fin­den, was die­se Medi­en­zen­tren/-bera­tun­gen brau­chen zur guten Erfül­lung ihrer Auf­ga­ben, bei eben die­sen nach­zu­fra­gen? (Aus mei­ner Sicht, um dann auf demo­kra­tisch legi­ti­mier­ten Wegen begrün­det und kon­kret dafür zu kämp­fen, dass sie die­se benö­tig­ten Mit­tel erhal­ten – und ger­ne noch etwas extra, um „Bein­frei­heit“ zu haben und jede Abhän­gig­keit vorzubeugen.)

  • Es geht um die Umset­zung („Wie?“) nicht im das seit seit Jah­ren in End­los­schlei­fe wie­der und wie­der durch­ge­kau­te Ziel („Was?“). Dar­an wird hier auf ver­schie­de­nen Ebe­nen auch gear­bei­tet. Und dabei gibt es hilf­rei­che und weni­ger hilf­rei­che Ansät­ze. Liegt an mir und mei­ner Wahr­neh­mung der Pro­zes­se und dar­an, dass ich weit­aus mehr Ebe­nen aus der ope­ra­ti­ven Sicht ken­ne als ande­re Leu­te. Da ist der Dis­senz zu dir. 

    Mach mal trotz­dem wei­ter. Ist ja demo­kra­tisch legi­tim. Du hast dei­ne Mis­si­on und dei­ne Wege, ich meine.

    • Hm, das mei­ne ich ja: Ich glau­be, die Zie­le sind gar nicht so weit aus­ein­an­der. Nur die Wege sind andere.
      Ich kann schon verstehen/erkennen, dass es da Unter­schie­de gibt. Aber es ist halt schwer nach­zu­voll­zie­hen, wenn dass auf der Grubdla­ge von „Insider“-Wissen (ent­schul­di­ge den Begriff – ist echt nicht böse gemeint – mir fällt gera­de kein ande­rer ein). Ich könn­te Dir nun ver­trau­en, dass Du aus Dei­ner Sicht siehst, dass mein Weg falsch ist und Dei­ner rich­tig. Aber da wird wie­der deut­lich (und ich ken­ne das aus ande­ren Kon­tex­ten), dass Ämter/Behörden nach außen manch­mal als ziem­li­che Black­Bo­xes daher kom­men. Und da fällt mir echt kein ande­rer Weg ein (und offen­sicht­lich haben wir uns mit den Infor­ma­ti­ons­frei­heits­rech­ten und ‑geset­zen in vie­len Bun­des-/Län­dern dar­auf geei­nigt), als bei den Behörden/Ämtern nach­zu­fra­gen, um sie ubd ihr Gan­deln zu ver­ste­hen (zu ver­su­chen). Buw. um über­haupt erst­mal die Chan­ce zu haben, sie verstehen.

      Und ich glau­be ehr­lich – wie gesagt aus mei­ner Sicht jnd mit mei­nem Wis­sen – , dass das lang­fris­tig auch zu Guns­ten der Behörden/Ämter und der demo­kra­ti­schen Grund­ord­nung ist, auf der sie fußen.

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