Engagement und Selbstausbeutung

Ich habe mit sehr vie­len enga­gier­ten Men­schen zu tun, aber auch mit frus­trier­ten und aus­ge­brann­ten. Das ist nicht nur in der Schu­le so, son­dern auch in vie­len ande­ren Kon­tex­ten. Dabei fal­len immer wie­der zwei Wor­te: Enga­ge­ment (Schul­lei­tun­gen erwar­ten das z.B. von ihrem Kol­le­gi­um) und Selbst­aus­beu­tung (Kol­le­gi­en wer­ten oder emp­fin­den bestimm­te Ver­hal­tens­for­men so).  In der herbst­li­chen Dun­kel­heit ist wie­der Zeit, Model­le zu ent­wer­fen bzw. in die­sem Fall das gute, alte Tank­mo­dell zweck­zu­ent­frem­den. Ich glau­be, dass eine Gren­ze zwi­schen die­sen bei­den Begrif­fen gibt, die nach dyna­mi­schen Aspek­ten ver­schieb­bar ist.

tankmodell

Ein Bei­spiel neh­me ich einen Home­page­be­treu­er an einer Schu­le. Das ist je nach Kon­zept eine wich­ti­ger Teil der Öffent­lich­keits­ar­beit und bie­tet Mög­lich­kei­ten ein eige­nes Hob­by sinn­voll für eine Gemein­schaft ein­zu­set­zen. Neben­bei bekommt man so eine Men­ge aus dem Schul­le­ben mit – das ist beson­ders wich­tig bei gro­ßen Schu­len und erhält so eine Infor­ma­ti­ons­vor­sprung – auch eine klei­ne ideel­le Macht­op­ti­on. Viel­leicht gibt es posi­ti­ve, bestär­ken­de Rück­mel­dun­gen von der Schulgemeinschaft.

Die­se Aspek­te fül­len (in der Skiz­ze: A) den „Tank der Moti­va­ti­on“, brin­gen ihn aber nicht zum Über­lau­fen, denn es gibt auch einen Abfluss (in der Skiz­ze: B). Die Arbeit des Home­page­be­treu­ers könn­te z.B. von der Schul­ge­mein­schaft als selbst­ver­ständ­lich ange­se­hen wer­den. Ein­zel­ne könn­ten ihm unter­stel­len, sich nur in eine bes­se­re Posi­ti­on gegen­über der Schul­lei­tung brin­gen zu wol­len. Viel­leicht nei­den auch Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen die damit in Aus­nah­me­fäl­len ver­bun­de­ne Ent­las­tungs­stun­de. Viel­leicht küm­mert sich eine Schul­lei­tung nicht dar­um, Infor­ma­tio­nen an den Home­page­be­treu­er wei­ter­zu­ge­ben, sodass das die­ser sich immer müh­sam alles selbst zusam­men­su­chen muss. Viel­leicht sorgt das Schul­sys­tem ins­ge­samt dafür, dass für Extra­auf­ga­ben immer weni­ger Zeit bleibt. Viel­leicht lei­det das Fami­li­en­le­ben unter dem Enga­ge­ment. All das leert den Tank der Motivation.

In dem Tank gibt es einen Füll­stand (in der Skiz­ze: C), der gewahrt sein muss, damit unse­re Home­page­be­treu­er sei­ne Arbeit als erfül­lend erlebt (grü­ner Bereich). Je nach per­sön­li­chem Emp­fin­den (in der Skiz­ze: D) kann die­ser not­wen­di­ge Füll­stand variieren.

Von Enga­ge­ment spre­che ich, wenn der Füll­stand C dau­er­haft über dem Füll­stand D liegt (roter Bereich). Natür­lich wird es Pha­sen geben, wäh­rend derer das nicht der Fall ist, aber wenn sich der Tank hin­rei­chend schnell wie­der füllt, macht das nichts. Ins­ge­samt ist die Sache sta­bil, man kann ggf. wei­ter opti­mie­ren, aber kon­kre­ter Hand­lungs­be­darf ist nicht gegeben.

Von Selbst­aus­beu­tung spre­che ich, wenn der Füll­stand C dau­er­haft unter dem Füll­stand D liegt. Der grü­ne Bereich kann dann ger­ne ab und zu noch­mal auf­fla­ckern, aber die grund­sätz­li­che Ten­denz bleibt. In die­sem Zustand gibt es kon­kre­ten Hand­lungs­be­darf, lei­der auto­ma­ti­sie­ren sich hier auch oft bestimm­te Muster.

Das Indi­vi­du­um

… hat nur sehr begrenz­te Mög­lich­kei­ten, den Füll­stand zu erhö­hen, denn dafür müss­te es den Zufluss A erhö­hen oder den Abfluss B ernied­ri­gen.  Er könn­te sich noch mehr die Auf­ga­be hin­ein­knien, um mehr posi­ti­ve Rück­mel­dun­gen zu bekom­men – schwer bere­chen­bar. Er könn­te für wei­te­re Ent­las­tun­gen oder Res­sour­cen kämp­fen – die gibt es an Schu­len kaum oder nur auf Kos­ten ande­rer (Umver­tei­lung). Er könn­te ver­su­chen, die Arbeit anders zu struk­tu­rie­ren, etwa in Form einer AG oder eines Home­page­sys­tems, in dem sich Ver­ant­wor­tun­gen dele­gie­ren und damit auf meh­re­re Schul­tern ver­tei­len las­sen. Er könn­te aber auch die Qua­li­tät sei­ner Arbeit redu­zie­ren und auf ein Level absen­ken, das den roten Bereich wie­der knapp grün wer­den lässt. Die­se Spi­ra­le wird aber dann abwärts gehen, da ihm das die Schul­ge­mein­schaft auf Dau­er nicht mehr als Enga­ge­ment durch­ge­hen las­sen wird. Das müss­te ihm dann zusätz­lich egal sein. In letz­ter Kon­se­quenz kann unser Home­page­be­treu­er sein Enga­ge­ment ein­stel­len. Das geht ein wenig leich­ter, wenn die­se Auf­ga­be nicht ein eine Funk­ti­ons­stel­le gebun­den ist (der Home­page­be­treu­er ist ja nur ein Beispiel).

Die Schul­lei­tung

… kann wesent­lich mehr leis­ten, da sie die Rah­men­be­din­gun­gen schafft, in denen sich Enga­ge­ment abspielt (Kon­trol­le über den Abfluss B). Sie könn­te z.B. die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­struk­tu­ren ver­bes­sern – oft sind das ein­fa­che, orga­ni­sa­to­ri­sche Maß­nah­men, wie z.B. Pres­se­mit­tei­lun­gen nicht an eine E‑Mailadresse, son­dern an einen Mail­ver­tei­ler zu schi­cken, der den Home­page­be­treu­er mit ein­schließt und die­sen Mail­ver­tei­ler auch für das Kol­le­gi­um ver­pflich­tend zu machen.  Die Schul­lei­tung könn­te sich offen vor den Home­page­be­treu­er stel­len, wenn offe­ne oder ver­deck­te Miss­ach­tung (z.B. „Wie­so? Er hat sich doch selbst dazu ent­schie­den, die­se Auf­ga­be zu erle­di­gen!“) geäu­ßert wird. Schul­lei­tung kann sich aktiv um den Stand und die Zufrie­den­heit des Enga­gier­ten erkun­di­gen – etwa durch insti­tu­tio­na­li­sier­te Mit­ar­bei­ten­den­ge­sprä­che (Tank­füll­stands­kon­trol­le).

Die Fra­ge ist dabei fai­rer­wei­se natür­lich immer, wie es um der eige­nen Tank der Schul­lei­tung bestimmt ist. Enga­ge­ment ist ein Segen für jede Schu­le. In Selbst­aus­beu­tung umge­schla­ge­nes Enga­ge­ment hat m.E. erheb­li­che Aus­wir­kun­gen auf neu ent­ste­hen­des. Die­se Pro­zes­se kann man auf Lei­tungs­ebe­ne kaum „neben­bei“ mit­be­kom­men, son­ders muss aktiv auf die Enga­gier­ten zuge­hen. Wahr­neh­mung und Auf­merk­sam­keit sind manch­mal ideell viel güns­ti­ger als man gemein­hin ver­mu­ten mag – und fül­len den eige­nen Tank, da man in Lei­tungs­po­si­tio­nen ja eigent­lich immer mehr mit dem Nega­ti­ven und Schief­ge­lau­fe­nen kon­fron­tiert ist.

Des­we­gen ist die Orga­ni­sa­ti­on von Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­zes­sen umso zen­tra­ler. je grö­ßer ein Sys­tem ist.

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