Seltsame Erfahrungen

Ich lei­te gera­de einen Abde­cker­kurs Natur­wis­sen­schaf­ten. Den besu­chen Schü­le­rin­nen und Schü­ler, um Bele­gungs­pflich­ten zu erfül­len – er muss ins Abitur ein­ge­bracht wer­den und es wer­den auch zwei Klau­su­ren geschrie­ben, aber im Prin­zip ist die­ser Kurs eine For­ma­lie. Ent­spre­chend wenig wür­de man kli­schee­haft gedacht dann von den Schü­le­rin­nen und Schü­lern an Leis­tungs­be­reit­schaft erwar­ten. Das ist aber nicht so.

Erfah­rung 1:

Die Mit­ar­beit ist dann am inten­sivs­ten, wenn ich anspruchs­vol­len Stoff auf­be­rei­te. Ver­meint­lich fluf­fi­ge, vom Kurs selbst gewünsch­te The­men – z.B. Dro­gen und Medi­ka­men­te – ver­lo­ren schnell an Schwung, da das dazu not­wen­di­ge che­mi­sche und bio­lo­gi­sche Wis­sen doch recht kom­plex ist, um es sich neben­bei anzu­eig­nen. Grund­la­gen­che­mie, die ande­ren Fächern dient, z.B. Fet­te, Eiwei­ße oder Zucker wur­den ger­ne mit­ge­nom­men – obwohl das eigent­lich recht klas­sisch ist.

Erfah­rung 2:

Wir machen gera­de ein Pro­jekt (Ich war aber der Böse, der es vor­ge­schla­gen hat…). Dabei wol­len wir rund um das The­ma Far­ben Kin­der­gar­ten­kin­dern che­mi­sches Den­ken ver­mit­teln, z.B. mit

  • Rot­kohl­in­di­ka­tor
  • Papier­chro­ma­to­gra­phie
  • einer selbst gebau­ten Lava­lam­pe, deren Funk­ti­on auf Dich­te­un­ter­schie­den beruht
  • Gas- und Schaum­bil­dung (Teil­chenn­mo­dell)
  • Milch­bil­dern (Ten­si­de und Lebensmittelfarbe)

Dabei wer­den uns tat­säch­lich Kin­der­gar­ten­kin­der besu­chen. Die Ver­su­che haben die SuS selbst erar­bei­tet. „Püt­scher, püt­cher, püt­scher“ ist dabei zu wenig – es soll auch ein biss­chen auf kind­ge­rech­tem Niveau um Natur­wis­sen­schaft gehen – Was haben Lebens­mit­tel gemein­sam, die Rot­kohl­saft rot fär­ben usw.?

Die­se Woche durf­ten eini­ge aus dem Kurs „Kind“ spie­len und die Sta­ti­ons­be­treu­er soll­ten mit ihnen die Auf­ga­be an der Sta­ti­on durch­füh­ren. Erst­mal mögen auch Ober­stu­fen­schü­ler ger­ne Kin­der spie­len und es kam tat­säch­lich auch zu durch­aus rea­len Kata­stro­phen (Nicht­ein­hal­tung der Ver­suchs­be­schrei­bun­gen, wil­des Her­um­geman­sche usw.).

Eine Grup­pe hat­te ihren Ver­such per­fekt vor­be­rei­tet – er klapp­te wie am Schnür­chen und auch sinn­vol­le Vor­be­rei­tungs­ver­su­che waren inte­griert.  Allein – sie konn­ten ihren Ver­such über­haupt nicht ver­mit­teln und schon gar nicht kindgerecht.

Mög­li­che Reak­ti­on von mir: „Hm – also das war ja ein­deu­tig Teil der Auf­ga­be und die­se Leis­tung geht jetzt in die Gesamt­no­te ein!“

Es reich­te ein: „Am … sit­zen da sechs neu­gie­ri­ge Kin­der­au­gen, die sich auf den Tag gefreut haben und euch anschau­en.“ – Das saß.

Das hat mich berührt. Ich hat­te den Ein­druck, dass die SuS in die­sem Moment etwas ver­stan­den hat­ten, was sie durch die ers­te Reak­ti­on nie hät­ten ler­nen kön­nen. Viel­leicht den­ke ich da jetzt zu roman­tisch: Aber even­tu­ell braucht Schu­le mehr von die­sen Erkenntnisprozessen.

Es steht im Prin­zip auch im Cur­ri­cu­lum so drin, aber dort ste­hen eben auch lan­ge Lis­ten von abitur­re­le­van­ten The­men. In einem Abde­cker­kurs ist das fast egal – Halb­jah­res­no­te und gut. In einem Kurs auf erhöh­tem Niveau habe ich nicht die Zeit für der­er­lei Luxus. Das ver­meint­lich Unwich­ti­ge bie­tet in der Schu­le nach mei­ner Erfah­rung viel mehr Raum für Frei­heit und Expe­ri­men­te. Des­we­gen bin ich auch ein Freund des Seminarfachs.

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Ein Kommentar

  • Ähn­li­che Erfah­run­gen habe ich mit mei­nem Abde­cker­kurs in Mathe auch gemacht. Ich habe es genos­sen ohne den Druck des Cur­ri­cu­lums arbei­ten zu kön­nen. Ich glau­be auch, dass die Schü­ler sol­cher Kur­se die Kli­schees oft nur des­halb erfül­len, weil sie mer­ken, dass der Kurs auch vom Leh­rer nicht so ernst genom­men wird. Sie hono­rie­ren dann umso mehr Enga­ge­ment und Lei­den­schaft des Leh­rers, der sie genau dort abholt, wo ihre Inter­es­sen im jewei­li­gen Fach lie­gen und sich kurz vor dem Abi noch die Mühe macht, ihnen Mathe­ma­tik näher zu bringen.
    Die Idee mit den Kin­der­gar­ten­kin­dern fin­de ich toll – ich über­le­ge schon, wie ich das in Mathe umset­zen könnte ;-)

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