Ideelle Kosten und ideeller Gewinn

  1. War­um wen­den sich die Men­schen nicht von Face­book ab?
  2. War­um wech­seln Men­schen nicht den Stromanbieter?
  3. War­um bau­en Men­schen nicht jeden Tag neu Kom­pe­ten­zen auf?
  4. War­um inves­tie­ren Men­schen in Autos mit Verbrennungsmotoren?
  5. War­um schlie­ßen Men­schen Han­dy­ver­trä­ge ab?
  6. […]

Din­ge, die wir kau­fen oder nut­zen, sind mit Kos­ten ver­bun­den. Direkt mess­bar sind z.B. finan­zi­el­le Kosten.

Ein Bei­spiel:

Ein iPho­ne oder iPad mit Ver­trag kos­tet ca. 50,- Euro / Monat, wenn man einen Ver­trag mit Flat­rate nutzt. Dabei bin­det man sich nicht sel­ten für zwei Jah­re an einen Anbie­ter und hat mit Pech eine Kün­di­gungs­frist von 12 Mona­ten zum Ver­trags­en­de. In zwei Jah­ren lau­fen damit Kos­ten in Höhe von 1200,- Euro auf. Dar­in ent­hal­ten ist die Hard­ware (ca. 600 Euro), die Pro­vi­si­on für den Han­dy­shop (die Höhe lässt sich abschät­zen, wenn man den Wert der oft „kos­ten­lo­sen Zuga­ben“ frei­er Anbie­ter anschaut) usw..

Wie viel Pro­zent der Durch­schnitts-iPho­ne-Nut­zer bewe­gen mehr als 200–500MB Daten im Monat?

Für alle, die dar­un­ter lie­gen, gibt es auf dem Markt Ange­bo­te ab 10,- Euro pro Monat in Net­zen mit mitt­ler­wei­le akzep­ta­bler Qua­li­tät oder sogar geso­ckel­te Tari­fe, bei denen nur das genutz­te Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Daten­vo­lu­men anfällt und die sogar monat­lich künd­bar sind. Selbst in Kom­bi­na­ti­on mit einer Pre­paid­flat fah­ren wahr­schein­lich 70–90% der Nut­zer ohne einen Ver­trag auf die Lauf­zeit gerech­net erheb­lich güns­ti­ger als mit übli­chen Flats und kön­nen sogar den Anbie­ter belie­big wechseln.

Das macht kaum jemand.

Man könn­te das auch ein­mal für einen Neu­wa­gen mit Ver­bren­nungs­mo­tor durch­rech­nen im Ver­gleich zu einem 10 Jah­ren alten Fahr­zeug inkl. aller anfal­len­den Kos­ten: Finan­zi­ell macht ein Neu­wa­gen wahr­schein­lich sehr sel­ten bis gar kei­nen Sinn. Von Umwelt­bi­lan­zen spre­chen wir bes­ser auch nicht: Die meis­ten Schad­stof­fe sto­ßen Autos wie z.B. auch Wohn­häu­ser wäh­rend ihrer Her­stel­lung aus.

Es kann also bei Autos und Han­dy­ver­trä­gen nicht um das Geld gehen – es muss etwas ande­res sein, was ich als ideel­len Gewinn bezeichne.

Ich bin letz­tens über eine bri­ti­sche Stu­die gestol­pert, die sich mit der Fra­ge aus­ein­an­der­ge­setzt hat, war­um Men­schen nicht ihren Strom­an­bie­ter wech­seln. Es kam her­aus, dass die Angst vor nega­ti­ven Kon­se­quen­zen (For­mu­la­re, ver­steck­te Preis­er­hö­hun­gen, Kün­di­gungs­fris­ten usw.) so hoch ist, dass vie­le Kon­su­men­ten erst zu einem Wech­sel bereits waren, wenn der poten­ti­el­le ein­spar­ba­re Betrag eine Gren­ze von ca. 300,- Euro über­schritt – d.h. hier wur­de der Wert des „Ideel­len“ bezif­fer­bar. Dabei ist es für den Wett­be­werb essen­ti­ell, die Mono­po­le der gro­ßen Anbie­ter zu schwächen.

10 Jah­re alte Autos blei­ben nicht signi­fi­kant öfter lie­gen als aktu­el­le Model­le, wenn sie gut  nur gewar­tet wer­den. Der ideel­le Gewinn eines Neu­wa­gens ist offen­bar so hoch, dass sogar tau­sen­de von Euros als Gegen­wert anzu­set­zen sind – für 1000,- Euro kann ich sehr viel im Jahr repa­rie­ren las­sen. Die Bran­che lebt von den Gefühl, von der Sta­tus­wer­tig­keit des Auto­mo­bils, was uns die finan­zi­el­le Sei­te außer Acht las­sen lässt.

Face­book lebt sehr gut von dem ideel­len Gewinn, den es sei­nen Nut­zern beschert (Kom­mu­ni­ka­ti­on, Kon­tak­te, Infor­ma­ti­on usw.).  Wie weit Nut­zer für die Erhal­tung die­ses Gewin­nes gehen, wird gera­de durch­ge­spielt. Face­book ist nicht böse.

Es exis­tiert ledig­lich durch das Ver­lan­gen nach ideel­lem Gewinn durch sei­ne Nut­ze­rin­nen und Nut­zer. Face­book wird so weit gehen kön­nen, wie sei­ne Nut­ze­rin­nen und Nut­zer es erlau­ben. Und nicht nur sei­ne Nut­ze­rin­nen und Nut­zer: Sobald jemand aus mei­nem Bekann­ten­kreis die neue App freud­strah­lend nutzt, dann hat Face­book auch mei­ne Adres­se, mei­ne Tele­fon- und Han­dy­num­mer, mei­ne E‑Mailadresse(n) – auch wenn ich kei­ne Account dort habe, bin ich trotz­dem in Face­book – über Goog­le schimp­fen z.Zt. alle weit mehr.

Es ist nicht ver­werf­lich, dass die Wirt­schaft das Prin­zip des ideel­len Gewinns für sich ent­deckt hat – es ist eher schlimm, dass z.B. Schu­le als Insti­tu­ti­on das noch nicht ent­deckt hat. Das Geheim­nis ist nur, Schu­le so zu machen, dass der ideel­le Gewinn für alle Betei­lig­ten die ideel­len Kos­ten über­wiegt. Für den Staat gilt das gleiche.

Ich bin übri­gens immer noch bei einer Groß­bank. Bes­ser wäre es, mein Geld dort auf­schla­gen zu las­sen, wo damit trans­pa­rent und nach­hal­tig umge­gan­gen wird – sol­che Ban­ken gibt es. Aber dann müss­te ich ja allen Ver­si­che­run­gen, Ver­trags­part­nern, dem Dienst­her­ren usw. mit­tei­len – puh – die­se ideel­len Kosten…

Logik ist nicht unser Pro­blem. Kogni­tiv wer­den wir nicht über­zeu­gen. Wir brau­chen Sex-Appeal. Kommt jemand mit in die Muckibude?

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