Das neue Kerncurriculum Deutsch Sek. II für Niedersachsen…

… wird in den Kol­le­gi­en bis jetzt eher ver­hal­ten auf­ge­nom­men. Ich habe es mir ein­mal ein biss­chen genau­er ange­schaut und muss nach ein­ge­hen­der Lek­tü­re sagen, dass es bedeu­tend schlim­mer hät­ten kom­men kön­nen. Da ich Über­sich­ten mag und die­se im Kern­cur­ri­cu­lum selbst nicht in die­ser Form zu fin­den sind (sonst wäre die Lek­tü­re wahr­schein­lich pure Lust und nicht Arbeit), gibt es zunächst eine Gra­fik zum Überblick:

Die genau­en Bezeich­nun­gen der ein­zel­ne Ele­men­te sind teil­wei­se gekürzt, damit die Ästhe­tik nicht durch ver­schie­de­ne Schrift­grö­ßen eine Stö­rung erfährt. Man kann ver­ti­kal und hori­zon­tal lesen: Ver­ti­kal bekommt man zu sehen, wel­che The­men im jewei­li­gen Schul­halb­jahr zu behan­deln sind, hori­zon­tal ist zu erken­nen, wie die ein­zel­nen The­men sich im Lau­fe der Ober­stu­fe ent­wi­ckeln sol­len. Ich habe die­se Ent­wick­lun­gen ein­mal als epo­cha­les Ord­nungs­prin­zip (Epo­chen­band) dar­ge­stellt – das fin­de ich nach­voll­zieh­bar. Außer­dem wird in jeder „Epo­chen­klam­mer“ zusätz­lich der Schwer­punkt auf eine ande­re lite­ra­ri­sche Gat­tung gelegt – 12.1 fällt mit einem ten­den­zi­ell eher lin­gu­is­ti­schen Ansatz da etwas her­aus, aber auch das mag ich im Prin­zip. Ich freue mich vor allem auch auf die Film­ana­ly­se – da kann ich end­lich mei­ne alten Star-Trek-Geschich­ten wie­der mis­sio­na­risch einbringen.

Das Pro­blem in den ein­zel­nen Semestern

Zunächst möch­te ich mir ein­mal exem­pla­risch das ers­te Semes­ter (11.1) anschau­en – also ver­ti­kal lesen. Man erkennt zwei soge­nann­te Kern­the­men (rot), die einen gro­ben inhalt­li­chen Rah­men ste­cken. Zu jedem Kern­the­ma gehört ein ver­bind­lich vor­ge­schrie­be­nes „Pflicht­mo­dul“ (gelb), des­sen Aus­ge­stal­tung man im KC nach­le­sen kann – sogar Text­vor­schlä­ge wer­den gemacht. Zu jedem  Kern­the­ma muss zusätz­lich ein „Wahl­pflicht­mo­dul“ unter­rich­tet wer­den, wobei in 11.1 eines vor­schrie­ben ist (gelb) und eines ent­we­der aus Vor­schlä­gen aus dem KC selbst frei gewählt (grün) oder sogar auch nach eige­nem Gut­dün­ken (aber bit­te in  Abspra­che mit den Par­al­lel­kur­sen) erar­bei­tet wer­den kann. Aus den Lite­ra­tur­vor­schlä­gen des ver­bind­li­chen Wahl­pflicht­mo­duls (gelb) wählt das Kul­tus­mi­nis­te­ri­um Tex­te aus, die ver­bind­lich zu unter­rich­ten sind. Das Lay­out die­ser Vor­schlä­ge unter­schei­det sich übri­gens nicht vom Lay­out der bis­he­ri­gen „ver­bind­li­chen The­men­schwer­punk­te für die Abitur­prü­fung“ – aller­dings ist die Text­aus­wahl bedeu­tend kleiner.

Man darf dabei m.E. nicht den Feh­ler machen, bei­de Pflicht­mo­du­le sepa­rat zu sehen, son­dern man soll­te ver­netzt den­ken Die Epo­chen­span­ne von der Auf­klä­rung bis zur Roman­tik kann zumin­dest anfangs mit dem Schwer­punkt „Dra­ma“ ange­gan­gen wer­den – dann macht das Sinn. Ob ich in der Roman­tik vie­le Dra­men fin­den wer­den, steht auf einem ande­ren Blatt. Des­we­gen kann ich mir ja auch ein pas­sen­des Wahl­pflicht­mo­dul für die Roman­tik aus­su­chen – da gibt es durch­aus etwas im KC.

Ganz platt aus­ge­drückt, ver­ste­he ich die Vor­ga­ben des KC für das ers­te Halb­jahr der 11 unge­fähr so:

Gib den Schü­lern einen Epo­chen­über­blick von der Auf­klä­rung bis zur Roman­tik.  Lege dabei den Schwer­punkt soweit wie mög­lich auf die lite­ra­ri­sche Gat­tung „Dra­ma“.

Wenn man wohl­wol­lend dar­über hin­weg­sieht, dass das eine Men­ge Stoff für ein Halb­jahr ist – gera­de im Hin­blick auf die noch etwas gewöh­nungs­be­dürf­ti­ge Vor­be­rei­tungs­pha­se in Klas­se 10 hier in Nie­der­sach­sen – dann kommt man als erfah­re­ner Kol­le­ge auf den ers­ten Blick recht gut klar und Frei­hei­ten bei der Text­aus­wahl gibt es auch. Schaut man zusätz­lich dar­auf, dass neben dem gan­zen Sach­wis­sen auch noch eine gan­ze Rei­he Kom­pe­ten­zen und pro­duk­ti­ons­ori­en­tier­te Text­for­men ein­ge­übt wer­den sol­len, bleibt aller­dings bald nicht mehr so üppig viel Luft.

Als abso­lu­ten Klop­fer emp­fin­de ich vor die­sem Hin­ter­grund die vor­ge­ge­be­nen Tex­te bei den prü­fungs­re­le­van­ten Wahl­pflicht­mo­du­len. Da tau­chen z.B. Dür­ren­matts „Die Phy­si­ker“ auf und es geht z.B. ver­bind­lich um „Das Bild des Wis­sen­schaft­lers“. Ähm. Van Halens größ­ter Hits dürf­te „Jump!“ sein. Dür­ren­matts Dra­men – die ich sehr schät­ze – haben natür­lich auch Wur­zeln in der Dra­men­ge­schich­te. Den­noch hät­te ich die­se Tex­te eher in 12.1 im The­men­schwer­punkt „Lite­ra­tur und Spra­che von 1945 bis zur Gegen­wart“ ver­or­tet, aber viel­leicht bin ich zu kon­ser­va­tiv. Die For­mu­lie­rung „Auf­klä­rung und Roman­tik im Ver­gleich“  (als inhalt­li­che Klam­mer wäre das für mich ok) erhellt sich mir ehr­lich gesagt auch noch nicht, aber bei­des wird bestimmt irgend­ei­ne Kom­pe­tenz för­dern – z.B. die des Elaborierens.

Wie kommt ein sol­ches Cur­ri­cu­lum zustande?

Das ist natür­lich jetzt alles rei­ne Spekulation.

  1. Es wer­den Men­schen für eine Kom­mis­si­on gesucht. Das dürf­te in Zei­ten all­ge­mein hoher Arbeits­be­las­tung bereits eine immense Auf­ga­be sein.
  2. Man trifft sich und son­diert. Viel­leicht gibt es die alte Schu­le, die dem epo­cha­len Prin­zip ver­haf­tet ist – die mani­fes­tiert sich für mich vor allem im „Epo­chen­band“. Viel­leicht gibt es die neue Schu­le, die dem inhalt­li­chen Prin­zip ver­haf­tet ist – die mani­fes­tiert sich für mich z.B. in bestimm­ten Wahl­pflicht­mo­du­len, z.B. „Wis­sen und Ver­ant­wor­tung“. Viel­leicht tref­fen noch wei­te­re „Lager“ dort aufeinander.
  3. Man steckt den Rah­men und der ist eng. „En vogue“ ist momen­tan die Kom­pe­tenz­di­dak­tik. Ein­ge­hal­ten wer­den müs­sen zusätz­lich die Vor­ga­ben der EPA und es müs­sen zusätz­lich zen­tra­le Prü­fun­gen mög­lich wer­den. Ich fra­ge mich übri­gens, war­um Bun­des­län­der wie Bay­ern sowas ohne jed­we­de Text­vor­ga­ben hin­be­kom­men, wäh­rend wir hier immer noch Not­an­ker werfen.
  4. Dann beginnt das Team zu arbei­ten. In der Regel folgt auf eine recht eupho­ri­sche Anfangs­pha­se schnell die Ernüch­te­rung, da in einem sol­chen Gre­mi­um wahr­schein­lich Kom­pro­mis­se zwi­schen den Betei­lig­ten zu schlie­ßen sind. Dabei mag es star­ke Per­sön­lich­kei­ten geben, die gut vor­de­mo­kra­ti­sie­ren kön­nen und weni­ger starke.

Das Ergeb­nis muss m.E. oft ein Kom­pro­miss sein. In den Wahl­pflicht­mo­du­len sehe ich z.B. die unter­schied­lichs­ten didak­ti­schen Strö­mun­gen ver­tre­ten. In der Tat nimmt die Aus­ge­stal­tung der Modu­le im KC auch sehr gro­ßen Sei­ten­raum ein – das lässt sich inner­halb eines Teams schließ­lich her­vor­ra­gend segmentieren/verteilen.

Mein Fazit:

Abge­se­hen von der „Kom­pe­tenz-Spra­che“ emp­fin­de ich die­ses Cur­ri­cu­lum als wenig inno­va­tiv. Es ermög­licht durch sei­ne Modu­la­ri­tät ganz ver­schie­de­ne Unter­richts­for­men, begüns­tigt jedoch durch die blo­ße Stoff­fül­le in mei­ne Augen fron­ta­le Set­ups, was die For­de­rung nach Ver­mitt­lung von Kom­pe­ten­zen in mei­nen Augen ent­ge­gen dem selbst for­mu­lier­ten Anspruch ledig­lich zu einem Neben­aspekt „ver­kom­men“ lässt.

Für mich klingt es ange­sichts der inhalt­li­chen Enge fast wie Hohn,  wenn die Ver­fas­ser vor­schla­gen, z.B. eine Lesung  mit den SuS vor­zu­be­rei­ten (wobei übri­gens  nach mei­ner Erfah­rung wirk­lich Kom­pe­ten­zen geschult wer­den). Es bie­tet jede Men­ge inhalt­li­chen Frei­raum, weil es ein Kom­pro­miss ist. Für mich per­sön­lich ist das kein Pro­blem, ich weiß aber zu berich­ten, dass gera­de jün­ge­re Kol­le­gen nach Ori­en­tie­rung rin­gen. Ich muss bei mir wenig ändern. Naja – exter­ne Moti­va­ti­on dafür brauch­te es bei mir auch nie.

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