Als Schülerin oder Schüler die Qualität eines Wikipediaartikels einschätzen

… das ist ent­ge­gen anders­ar­ti­ger Ver­laut­ba­run­gen aus mei­nen Berufs­krei­sen durch­aus mit einer brauch­ba­ren Tref­fer­quo­te mög­lich. Die­ser Arti­kel ist inspi­riert durch einen viel aus­führ­li­che­ren und bes­se­ren von Kris­ti­an Köhn­topp. Ich habe vor nicht all­zu lan­ger Zeit ein klei­nes Expe­ri­ment gemacht. Es ging dabei um eine ers­te Annä­he­rung an einen unbe­kann­ten lite­ra­ri­schen Text. Die SuS beka­men dazu auf Papier drei Arti­kel vorgelegt:

  1. einen Aus­zug aus dem Kind­ler (eta­blier­tes Literaturlexikon)
  2. einen Wiki­pe­dia­ar­ti­kel
  3. einen Bei­trag von irgend­ei­ner Webseite

Intui­tiv hat bei allen der Kind­ler gewon­nen, obwohl ich Satz und Schrift­art bei einen drei Tex­ten ange­gli­chen habe und sie auch alle den glei­chen Umfang auf­wie­sen. Wiki­pe­dia folg­te auf dem zwei­ten Rang und weit abge­schla­gen ran­gier­te irgend­ei­ne Web­sei­te. Intui­ti­on ist aber kei­ne objek­ti­ve Instanz: Dem Kind­ler darf man glau­ben, weil es ihn schon so lan­ge gibt und weil er auch in geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen Krei­sen als qua­li­ta­tiv brauch­ba­res Werk aner­kannt ist. Die sta­ti­sche Web­sei­te wird oft von einer ein­zi­gen Per­son gestal­tet, deren Repu­ta­ti­on man in der Regel gera­de in jun­gen Jah­ren schwer ein­schät­zen kann. Wiki­pe­dia ist m.E. kon­zep­tio­nell klas­si­schen Lexi­ka über­le­gen, weil im bes­ten Fall Inhal­te einem evo­lu­tio­nä­ren Pro­zess der stän­di­gen Ver­än­de­rung unter­wor­fen sind: Die Arti­kel wer­den über­ar­bei­tet, dis­ku­tiert und mit Bele­gen aus­ge­stat­tet. Das ein­zi­ge Pro­blem ist nur, dass man erken­nen muss, in wel­chem Sta­di­um sei­ner Evo­lu­ti­on sich der jewei­li­ge Wiki­pe­dia­ar­ti­kel gera­de befin­det, wäh­rend man bei der Neu­auf­la­ge eines Lexi­kons in der Regel von einer fach­kun­di­gen Revi­si­on aus­ge­hen kann. Und das  Erken­nen funk­tio­niert gera­de nicht durch linea­re Lese­struk­tu­ren, wie sie die Schu­le pri­mär ver­mit­telt, son­dern ganz anders. Daher ein paar Tipps für SuS beim Lesen von Wikipedia:

1. Erst ganz nach unten scrollen

  • Sind unter „Lite­ra­tur“ meh­re­re Wer­ke angeführt?
  • Sind alle Absät­ze des Arti­kels eini­ger­ma­ßen gleich­mä­ßig durch Lite­ra­tur belegt?
  • Sind renom­mier­te Nach­schla­ge­wer­ke mit aufgeführt?
  • Wie vie­le Web­links sind angegeben?
  • Ent­hal­ten die Links wirk­lich die ange­kün­dig­ten Informationen?

2. Dann ganz nach oben scrollen

Dort gibt es die bei­den Kar­tei­rei­ter „Dis­kus­si­on“ und „Versionen/Autoren“.

  • Sind meh­re­re Autoren an dem Arti­kel betei­ligt oder nur wenige?
  • Haben die betei­lig­ten Autoren schon meh­re­re Arti­kel geschrieben?
  • Wie vie­le Aspek­te des Arti­kels wur­den wie lan­ge schon diskutiert?
  • Wie ist es um die sprach­li­che Qua­li­tät der Dis­kus­sio­nen bestellt?

3. Inhalts­ver­zeich­nis lesen

  • Bau­en die ein­zel­nen Pas­sa­gen inhalt­lich auf­ein­an­der auf?
  • Wohnt dem Ver­zeich­nis eine inne­re Logik inne (z.B. Chro­no­lo­gie), die sich auf den ers­ten Blick erschließt?

4. Arti­kel lesen

Durch die ers­ten drei Schrit­te, die mit ein wenig Übung gar nicht so lan­ge dau­ern und die teil­wei­se auch ganz ande­re Per­spek­ti­ven beim „rich­ti­gen Lesen“ ermög­li­chen, kom­me ich eigent­lich fast immer sehr gut in das The­ma hin­ein, gera­de wenn ich in den „Arti­kel­um­welt­stu­di­en“ Anknüp­fungs­punk­te zu mei­nem bestehen­den Wis­sen fin­de. Ein Rest­ri­si­ko bleibt immer – streng­ge­nom­men aber auch beim Kindler.

Beamen statt Kreide

Zwei klei­ne­re Erfahrungen:

Unse­re natur­wis­sen­schaft­li­chen Fach­räu­me ver­fü­gen über einen fest­in­stal­lier­ten Bea­mer mit VGA-Anschluss (D‑SUB) am Leh­rer­tisch. Die Kom­bi aus Net­book und Bea­mer ist in 30 Sekun­den ein­satz­be­reit (Ubun­tu boo­tet schnel­ler als ein Win­dows aus dem Tief­schlaf auf­wacht – der Bea­mer braucht ca. eine hal­be Minu­te zum Vor­wär­men der Lam­pe). Ich habe ges­tern die Aus­wer­tung eines Ver­su­ches tabel­la­risch am Net­book mit Open­Of­fice gesi­chert. Dabei konn­te ich stets die Klas­se anschau­en und damit viel prä­sen­ter sein, als hät­te ich mich zur Tafel umge­dreht und mit Krei­de gear­bei­tet – ich konn­te sichern und simul­tan kom­mu­ni­zie­ren. Das hat mir gefallen.

Nicht bei jeder Art von Tafel­bild wird sich das anbie­ten, aber es muss nicht immer ein SMART-Board sein. Tech­nik brach­te an die­ser Stel­le für mich einen ech­ten Mehr­wert. Jetzt brau­che ich nur noch Schlit­ze an jedem Schü­ler­tisch, aus denen dann der fer­ti­ge Druck kommt – oder eben das Tafel­bild gleich in das E‑Portfolio eines jeden Schü­lers an die pas­sen­de Stel­le bea­men – dann kön­nen auch die unstruk­tu­rier­ten Heft­füh­rer bei der Vor­be­rei­tung der nächs­ten Klau­sur mit glei­chen Chan­cen antreten.

In Deutsch habe ich heu­te eine Linoit-Pinn­wand zurück auf das SMART-Board geholt – also qua­si auch gebeamt. Die SuS hat­ten sofort Zugriff auf die The­men der vor­letz­ten(!) Stun­de, sodass wir auf einem recht hohen Niveau über einen Sach­text dis­ku­tie­ren konn­ten. Das hat mir auch gefallen.

Habe ich eine gelungene Geschichte verfasst?

Bei eige­nen Geschich­ten gibt es so viel zu beach­ten, dass man als Leh­ren­der natür­lich auch anfangs über vie­les hin­weg­se­hen muss, um die Lust am Schrei­ben nicht sofort mit über­trie­be­nen Deutsch­pau­ker­an­sprü­chen hin­weg­zu­fe­gen. Ein sol­cher Anspruch ist in fol­gen­der – noch­mals ver­wurs­te­ter Gra­fik (mind42.com) dargestellt:

Ein­fa­cher geht es mit einer klei­nen Tabel­le, die wie folgt auf­ge­baut sein kann:

Teil der Geschichte Wel­che Ver­ben (der Bewe­gung) habe ich verwendet? Wel­che Adjek­ti­ve habe ich verwendet?
Ein­lei­tung (Zei­le x‑y) Lis­te mit Verben Lis­te mit Adjektiven
Haupt­teil (Zei­le x‑y) dito dito
Schluss (Zei­le x‑y) dito dito

Die SuS tei­len ihre Geschich­te in drei Tei­le ein und suchen in die­sen Tei­len nach Ver­ben (der Bewe­gung) und Adjek­ti­ven. Wenn gera­de in jun­gen Klas­sen SuS die­se Wort­lis­te lesen, bekom­men sie nach mei­nen Erfah­run­gen ein Gefühl dafür, wel­che Stim­mung dadurch erzeugt wird – eher als wenn sie ihren gesam­ten eige­nen Text lesen. Wenn die­ses Gefühl im Haupt­teil bei z.B. einer Erleb­nis­er­zäh­lung „krib­be­lig“ ist (je nach Inhalt), das ist das zumin­dest ein Indiz für eine gelun­ge­ne Wortwahl.

Mei­ne Klas­se hat gleich mit mir geme­ckert: Man muss die Geschich­te doch noch wei­ter unter­tei­len, drei Tei­le rei­chen nicht aus. Man braucht noch jeweils eine Extra­zei­le für den Auf- und eine für den Abbau der Span­nung. Der Höhe­punkt muss doch mehr her­aus­ge­stellt wer­den. Und über­haupt: Die Satz­an­fän­ge und Bin­de­wör­ter sol­len jeweils eine Extra­spal­te bekommen.

Ganz gleich wie man es macht: Ich hal­te es für eine gute Metho­de, um emo­tio­na­le Distanz zu sei­nem eige­nen Text zu gewin­nen, was m.E. Vor­aus­set­zung für eine Über­ar­bei­tung ist. SuS müs­sen dafür den eige­nen Text struk­tu­rie­ren und auf ein­fa­che Wei­se sprach­lich untersuchen.

Lesekonferenz

Ich bin in mei­nen Klas­sen zur Zeit sehr unzu­frie­den mit der Art und Wei­se wie Lese­kon­fe­ren­zen lau­fen. Eigent­lich sind sie ja dazu gedacht, Ver­ant­wor­tung an SuS abzu­ge­ben, gera­de bei der Aus­wer­tung län­ge­rer Haus­auf­ga­ben – spä­tes­tens wenn der Drit­te vor­liest, wird es für alle ner­vig: Für den Vor­le­ser, weil sein Vor­gän­ger viel­leicht eh „bes­ser“ war, für die Zuhö­rer, weil es lang­wei­lig ist n Tex­te zum glei­chen The­ma zu hören und für mich, weil teil­wei­se von mir erwar­tet wird, dass ich alles mit­be­kom­me und dann reflek­tie­re – und dar­über­hin­aus sogar noch die Feed­backs aus der Lern­grup­pe kategorisiere.

Daher tau­schen bei mir jeweils maxi­mal vier SuS unter­ein­an­der ihre Tex­te aus und schrei­ben ihre Ideen mit Blei­stift an den Rand.

In der Grup­pen­ar­beit gibt es dann ver­schie­de­ne Phasen:

  1. Lese-/An­mer­kungs­pha­se: Jeder liest jeden Fremd­text und ver­sieht ihn mit Anmerkungen
  2. Reflek­ti­ons­pha­se: Der Autor schaut sich die Anmer­kun­gen an und ver­sucht sie zu verstehen
  3. Aus­tausch: Klä­rung von miss­ver­ständ­li­chen Rand­no­ti­zen in Gruppe
  4. Vor­be­rei­tung der Präsentation

Prä­sen­tiert wird bei mir immer so, dass einer die Mit­glie­der der Grup­pe kurz vor­stellt, einer begrün­det, wel­cher Text aus wel­chen Grün­den prä­sen­tiert wird und einer schließ­lich den Text selbst präsentiert/vorliest. Maß­ga­be für die Aus­wahl des Tex­tes ist dabei stets nie die „Güte“, son­dern das Lern­po­ten­ti­al, wel­ches der Text der gesam­ten Lern­grup­pe bietet.

Was nach mei­nen Ein­druck immer sehr gut klappt, sind die ers­ten bei­den Pha­sen. Pha­se drei und vier erfor­dern anschei­nend Kom­pe­ten­zen im Bereich der Gesprächs­füh­rung – da scheint immer zu hapern – die Text­aus­wahl wird oft sehr ober­fläch­lich begrün­det, obwohl vor­her immer geeig­ne­te Beur­te­li­ungs­kri­te­ri­en durch den Unter­richt vor­ge­ge­ben und schrift­lich (Regel­heft!) fixiert sind. In den letz­ten bei­den Pha­sen möch­te ich daher gera­de beim Ein­üben die­ser Metho­de unter­stüt­zen und habe dazu fol­gen­de Idee:

Wie wäre es, zum Ein­üben der Metho­de die letz­ten bei­den Pha­sen in einem Fish­bowl statt­fin­den zu las­sen? So könn­te das Ple­num einer­seits beob­ach­ten, sich ande­rer­seits durch einen „frei­en Stuhl“ auch mit in den Pro­zess mit ein­brin­gen, sodass die Grup­pe nicht zu sehr im eige­nen Saft schmort. Ich erhof­fe mir dadurch, die kom­mu­ni­ka­ti­ven Kom­pe­ten­zen nicht-leh­rer­zen­triert stär­ken zu kön­nen. Wenn das im Fish­bowl dann gut klappt, kann man es ja an die Grup­pe zurück­de­le­gie­ren und die Metho­de  spä­ter in das (geschlos­se­ne) Inter­net über­füh­ren, indem man z.B. „Blog­kon­fe­renz­grup­pen“ bildet:

Jedes Lern­grup­pen­mit­glied gestal­tet zu Hau­se einen Blog­ein­trag mit sei­nem Text – die Lese­kon­fe­renz­grup­pe kre­iert dann einen Meta­ein­trag als Grup­pen­ar­beits­er­geb­nis (Ver­lin­kung aller Tex­te, Kurz­kom­men­tie­rung, Begrün­dung für die Aus­wahl eines Tex­tes, ggf. Prä­sen­ta­ti­on mit Pod­cast etc.). Wenn die dazu not­wen­di­gen kom­mu­ni­ka­ti­ven Kom­pe­ten­zen vor­her im Unter­richt ein­ge­übt sind, könn­te das m.E. gut klap­pen. Ver­such macht kluch – irgendwann.

Seminarfach – ein Projekt

Vor­ges­tern Abend war es so weit. „Mein“ Semi­nar­fach prä­sen­tier­te Gedan­ken rund um ihr Erle­ben von Schu­le und rund um ihre Gedan­ken zur Zukunft von Ler­nen und Bil­dung. Eines vor­weg: Kon­kre­te Aus­schnit­te und Pro­duk­te die­ses Abends wer­den hier erst zu sehen sein, wenn wir uns als Grup­pe dar­über ver­stän­digt haben, was wir in wel­cher Form öffent­lich zei­gen wol­len – hier­zu sind auch Drit­te zu befra­gen, die z.B. gefilmt wor­den sind.

Hier gibt es die Geschich­te des Pro­jek­tes zu lesen, eine Geschich­te, deren Autor anfangs ich, zum Ende hin jedoch mehr und mehr die Schü­le­rin­nen waren. In der Rück­schau wird mir immer kla­rer und kla­rer, dass die­ser Abend bei­lei­be kein Spie­gel mei­nes Unter­richts gewe­sen ist, son­dern weit mehr. Ich möch­te es indi­vi­dua­li­sier­te Trans­for­ma­ti­on von Inhal­ten, Kon­zep­ten nen­nen, oder – um mit einem Begriff von Jean-Pol Mar­tin zu spre­chen –  um kom­pri­mier­te, zeit­na­he Emer­genz, wie sie einem Leh­rer ganz sel­ten oder eben erst sehr viel spä­ter wider­fährt. Die Geschich­te ist für mich auch ein Beleg für Mechanismen,wie sie in Schu­le nun­mal wir­ken und man sie aus­hal­ten ler­nen kön­nen muss. Wei­ter­le­sen soll­te nur, wer Geschich­ten mag. Alle ande­ren kön­nen direkt an das Ende des Arti­kels (4. Semes­ter), zu dem eigent­li­chen Pro­jekt springen.

Wei­ter­le­sen

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