Aktive Medienkompetenz

Vor unge­fähr einem Jahr habe ich einen Mood­le­kurs für unse­re Schu­le zum, The­ma Medi­en­kom­pe­tenz ent­wi­ckelt, der im Wesent­li­chen die­sem Modell folgt:

Tenor:

Man muss über­le­gen, wel­che Daten man von sich öffent­lich preis­gibt und wel­che nicht. Dazu gilt es, Fil­ter­me­cha­nis­men zu ent­wi­ckeln. Ich hal­te die­ses Fil­ter­mo­dell nicht für über­holt, jedoch bedarf es einer nicht ganz unwe­sent­li­chen Modi­fi­ka­ti­on, weil es von der Annah­me aus­geht, dass allein ich Infor­ma­tio­nen über mich im Netz ein­stel­le – das ist jedoch falsch: Tat­säch­lich ergibt sich eher ein „Hau­fen­mo­dell“:

Über mich sind Infor­ma­tio­nen im Netz zu fin­den, ohne dass ich aktiv etwas dazu bei­tra­ge – das merkt jeder, der sich z.B. bei Face­book neu regis­triert und fas­zi­nie­rend sinn­vol­le Freund­schafts­vor­schlä­ge erhält. Unser Kauf­ver­hal­ten ist durch Bonus­kar­ten­sys­te­me und EC-Kar­tenmkäu­fe wahr­schein­lich gut gescored usw.

Das Fil­ter­mo­dell wirkt allein auf die rech­te Sei­te des Hau­fen­mo­dells. Ent­schei­dend ist das Ver­hält­nis von Fremd- und Eigen­in­for­ma­tio­nen über mich. Ich kann die lin­ke Sei­te in ihrem Inhalt nicht kon­trol­lie­ren. Ich kann jedoch zu ihr eine Rela­ti­on auf­bau­en, wenn ich mich aktiv um die rech­te Sei­te küm­me­re, das von mir ein­spei­se, was mir wahr­schein­lich nüt­zen wird.

Model­le, die nur war­nen, sen­si­bi­li­sie­ren, viel­leicht gar ver­teu­feln, grei­fen für mich daher im Bereich der Medi­en­er­zie­hung mitt­ler­wei­le viel zu kurz.

Die mediale Dividende

Ich habe die­se Woche ange­fan­gen, Unter­richt mit Hil­fe von Goo­g­le­Docs vor­zu­be­rei­ten – für jede Lern­grup­pe ein getrenn­tes Doku­ment, mit Datum, mit Links zu z.B. ver­wen­de­ten Arbeits­blät­tern, mit Bil­dern, Links zu Vide­os usw.. Mein Schul­ta­sche ist seit­dem selt­sam auf­ge­räumt und leer.

Wich­tigs­tes Gerät ist mein Asus D250, manch­mal in Blue­tooth-Ehe mit mei­nem Han­dy. Es pas­sie­ren selt­sa­me Din­ge: Wäh­rend Stil­l­ar­beits­pha­sen füge ich Kom­men­ta­re und Ideen von SuS in das Doku­ment ein. Ich habe mich heu­te sogar dabei ertappt, mei­ne spon­tan an der Tafel ver­bes­ser­ten For­mu­lie­run­gen dort ein­ge­ar­bei­tet zu haben und ich habe mich dabei ertappt, mei­ne Unter­richts­vor­be­rei­tun­gen in mei­nen Klas­sen­blogs ver­lin­ken zu wollen.

Was noch nervt ist, dass ich mei­ne Goo­g­le­Docs-Tafel­bil­der nicht direkt auf ein SMART-Board bea­men und dort an Ort und Stel­le ver­än­dern kann – so könn­te man sogar live dis­ku­tie­ren, war­um ich jetzt gera­de Chloes Satz neh­men will und nicht mei­nen, den ich mir zu Hau­se aus­ge­dacht habe. Neben­bei hät­te jeder Zugriff auf die glei­chen Auf­zeich­nun­gen in glei­cher Qua­li­tät: Was kann Schü­ler x oder Schü­le­rin y eigent­lich für seine/ihre Schrift? Wie aus­sichts­reich und sinn­voll sind Erzie­hungs­ver­su­che – die sich in unse­rem Schul­sys­tem oft­mals in Sank­tio­nen erschöp­fen – bei einem  z.B. Neunt­kläss­ler? Wie vie­le von ihnen wan­deln sich eigent­lich vom Sau­lus zum Paulus?

Gera­de aktu­ell habe ich in mei­ner 6. Klas­se klei­ne Dik­ta­te zur Schrei­bung von Fremd­wor­ten ent­wi­ckeln las­sen – es folg­te dar­auf ein Part­ner­dik­tat. Wäre es nicht hübsch, alles gleich digi­tal zu haben, um dann das krea­ti­ve Übungs­ma­te­ri­al noch mal ohne wei­te­re (und sinn­lo­se) Abschrif­ten zu über­ar­bei­ten und vom Schwie­rig­keits­grad her „hoch­zu­züch­ten“? Muss man nicht in der Schu­le machen – geht auch als Haus­auf­ga­be im Klassenblog.

Um nicht falsch ver­stan­den zu wer­den: Ich fin­de die Hand­schrift wich­tig. Sie ist ein Fall­back für Fäl­le, in denen kei­ne Ener­gie oder kein Netz zur Ver­fü­gung steht. Und manch­mal ist etwas schnel­ler gekrit­zelt als ges­mart­board­tet (außer­dem sieht SMART-Gekrit­zel meist by Design beschei­den aus – das kann die Tafel noch bes­ser). Ich möch­te kein Kunst­werk in den Bil­der­rah­men mei­ner Schu­le missen.

Aber ich fra­ge mich zuneh­mend, wie viel Zeit wir in der Schu­le völ­lig inef­fi­zi­ent für Abschrif­ten ver­schwen­den. Ich war­te auf den Beweis, dass sich beim Abschrei­ben Inhal­te eher fes­ti­gen – das wird ja oft als Argu­ment ins Feld geführt.

Und selbst wenn das beweis­bar ist:

Einen Text dadurch zu über­ar­bei­ten, dass ich ihn abschrei­be, anstatt ihn zu edi­tie­ren, mag wohl Sinn machen, wenn die Schrift als sol­che gelernt wer­den soll. Ich sehe dar­in kei­nen Nut­zen für das Wesen der Über­ar­bei­tung: Text­stel­len zu opti­mie­ren, Sät­ze umzu­stel­len etc..

Im Schul­sys­tem dürf­te eine Men­ge media­le Divi­den­de stecken…

Visualisierungen – Deutsch – objektorientiert – OpenOffice

Nach ca. 20 Minu­ten Ein­füh­rung und einer inhalt­lich vor­be­rei­te­ten­den Haus­auf­ga­be konn­ten mei­ne Sechst­kläss­ler der­er­lei Open­Of­fice-Draw-Doku­men­te erstellen:

Es gab eine Rei­he wei­te­rer Visua­li­sie­run­gen, an Hand derer wir mit klas­si­schen Regel­heft­ein­trag die genau­en inhalt­li­chen Anfor­de­run­gen erar­bei­tet haben, aber dar­um geht es mir hier in die­sem Arti­kel nicht.

Ich habe ein ande­res Ver­fah­ren aus­pro­biert, um den SuS den Zugang zu den Funk­tio­nen von Open­Of­fice zu erklä­ren – ein im Prin­zip objektorientiertes.

Neh­men wir eine ein­fa­che Form in Open­Of­fice Draw, akti­vie­ren sie und kli­cken mit der rech­ten Maus­tas­te darauf:

Objekt­ori­en­tiert gedacht haben wir jetzt direk­ten Zugriff auf Metho­den (Aus­schnei­den, Kopie­ren, Spie­geln…), die wir auf die­ses spe­zi­el­le Objekt anwen­den kön­nen. Wir haben aber auch Zugriff auf Objek­tei­gen­schaf­ten bzw. Attri­bu­te (Flä­che, Text), die sich über ande­re Wege (Menu oder Schalt­flä­che) viel müh­sa­mer erschließen.

Ich habe gegen­über den SuS ledig­lich dar­über gespro­chen, dass alles, was gestal­te­risch im Hin­blick auf den Hin­ter­grund mög­lich ist, sich hin­ter dem Punkt „Flä­che“ ver­birgt – mit „Text“ oder „Linie“ ver­hält es sich metho­disch gleich.

Das reich­te für sie zum Ent­de­cken und Aus­pro­bie­ren, was so weit ging, dass sie ihre Objek­te u.a. mit Tex­tu­ren und Ver­läu­fen ver­se­hen haben, auch der eine oder ande­re Scroll­text floss oder hüpf­te durch die Gegend – nie­mand betä­tig­te in die­ser Stun­de nach irgend­ein Menu oder eine Schalt­flä­che in der Toolbar.

Das sind ja alles völ­lig neue Sachen, Herr Riecken!“ – „Nee, aber im Menu fin­dest du sowas nicht auf Anhieb…“.

Das Prin­zip lässt sich übri­gens auf belie­bi­ge Objek­te in einer Office­suite über­tra­gen (Absät­ze, Wor­te, Sei­ten…) – und genau dar­um geht es mir in der Fol­ge des künf­ti­gen Unter­richts auch – even­tu­ell kann ich die Kin­der auch irgend­wann beim rich­ti­gen Namen nen­nen (Objek­te, Attri­bu­te, Methoden).

Was vie­le Web2.0‑Tools so unglaub­lich intui­tiv benutz­bar macht, ist die Bün­de­lung häu­fig vor­kom­men­der Metho­den zu Sets, die sich per Schalt­flä­che oder Mul­ti­touch­ges­te abru­fen las­sen. Man erkauft sich die­se „Ready-to-run“-Settings durch in mei­nen Augen immensen Krea­ti­vi­täts- und Indi­vi­dua­li­täts­ver­lust. Pre­zi gibt z.B. den „Anflug“ auf gedreh­te Objek­te halt vor. Da die­se Sets oft so fest­ge­zurrt sind, wird man sich dar­an schnell satt­se­hen, wenn ein bestimm­ter kri­ti­scher Ver­brei­tungs­grad des jewei­li­gen Tools erreicht ist. Dann muss was „Neu­es“ her – mit neu­en Sets.

So wird ein gut erzo­ge­ner Kon­su­ment sei­ne Hard­ware wie­der und wie­der ergän­zen bzw. erneu­ern, um „neu krea­tiv“ sein zu kön­nen.  Im Prin­zip geht das aber auch mit einem Basis­le­go­kas­ten – so man des­sen grund­le­gen­de Funk­ti­on ver­stan­den hat.

So wie ich Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung ver­ste­he, leh­ren wir in der Schu­le Kon­zep­te von Tools und kei­ne Tools. Das tun Leu­te, die Office mit Klick­we­gen und Screen­s­hot­kas­ka­den erklä­ren. Mit einer Kom­pe­tenz ist es mir egal, ob ich Word, Open­Of­fice, Word­Per­fect, Abi­Word oder was auch immer bedie­ne. Bin ich auf Klick­we­ge und fes­te Posi­tio­nen ange­wie­sen, muss ich mich an ein Pro­dukt bin­den (und wer­de es bis aufs Blut ver­tei­di­gen, wenn ich mich dar­an gebun­den habe, weil mir das Erler­nen des Kon­zep­tes dahin­ter halt zu müh­sam erscheint).

RAMBO (Riecken Arbeitet Mit Blogs Online) – Folge 3

Zwei ver­schie­de­ne Din­ge gibt es in die­ser neu­en Aus­ga­be mei­ner klei­nen Serie zu berich­ten. Zum einen geht um eine Ein­heit rund um die Inter­pre­ta­ti­on von Gedich­ten, zum ande­ren um eine Reflek­ti­on der Komen­tar­kul­tur von SuS in mei­nen Klassenblogs.

Inter­pre­tie­ren in Blogs

Das Blö­de an Inter­pre­ta­ti­ons­auf­sät­zen ist, dass sie recht lang sind und man meist sehr lan­ge vor einem Text sitzt, wenn man allei­ne ist. Als eine von vie­len Vor­übun­gen soll­ten die SuS eine in ihren Auge zen­tra­le Beob­ach­tung an einem Gedicht als Mikro­teil eines Inter­pre­ta­ti­ons­auf­sat­zes im Klas­sen­blog aus­for­mu­lie­ren. Her­aus kam bei der Beschäf­ti­gung mit Ril­kes Gedicht „Das Karus­sell“ z.B. so etwas:

Inner­halb des Gedich­tes nimmt die Anzahl, der dort vor­han­de­nen „Und´s“ zu . Sie sol­len die „Dreh­be­we­gung“ des Karus­sells sprach­lich wie­der­ge­ben. Durch die „Und´s“ wer­den Fak­ten und Aus­sa­gen anein­an­der­ge­reiht und es ent­ste­hen Satz­rei­hen, die zum Ende des Gedich­tes zuneh­men. Sie sol­len die lang­sam zuneh­men­de  Geschwin­dig­keit des Karus­sells inhalt­lich dar­stel­len, wobei auf abwechs­lungs­rei­che Kon­junk­tio­nen ver­zich­tet wird, um einen Lese­fluss her­vor­zu­brin­gen, der ohne Pau­sen abge­ar­bei­tet wer­den kann. Da am Anfang weni­ger „Und´s“ ver­wen­det wer­den als am Ende, ist dort die Geschwin­dig­keits­zu­nah­me zu erken­nen, die auch zusätz­lich durch Enjam­be­ments (Ver­knüp­fung mit der for­ma­len Ana­ly­se) unter­stri­chen wird. Alles in allem ist so sprach­lich die „Dre­be­we­gung“  zu erläu­tern, wobei die Viel­falt der Kon­junk­tio­nen gegen den unend­li­chen Lese­fluss aus­ge­tauscht wird.“

Klar lässt sich zur Ortho­gra­fie und teil­wei­se auch zur Spra­che noch eini­ges sagen, aber die Ideen des Schü­lers fin­de ich sehr bemer­kens­wert, zumal er sie allei­ne ent­wi­ckelt hat. Die­se Ideen sind es oft, die einen Text auf­schlie­ßen, ver­steh­bar bzw. in einem ande­ren Licht sicht­bar machen und Ideen sind es auch ganz oft, die dem Ein­zel­nen fehlen.

Wei­ter­le­sen

Sexuelle Aufklärung

Ich habe die­se Woche eine schö­ne Rück­mel­dung per E‑Mail zu einem mei­ner ganz alten Arti­kel erhal­ten: Schon seit zehn Jah­ren dürf­te der Bei­trag „Gemisch­tes Schla­fen auf Frei­zei­ten“ im Netz ste­hen – das Alter merkt man dem Teil auch deut­lich an. Recht­lich hat sich seit­dem gar nicht so viel ver­än­dert, außer dass der Gesetz­ge­ber homo­se­xu­el­le Kon­tak­te mitt­ler­wei­le den hete­ro­se­xu­el­len recht­lich ange­gli­chen hat und auch nicht mehr zwi­schen den Geschlech­tern unterscheidet.

Ich könn­te zu dem The­ma eine Men­ge mehr schrei­ben, weil es so ambi­va­lent ist:

  • Einer­seits grin­sen uns von jedem Pla­kat Six­packs und poten­ti­el­le Milch­ver­pa­ckun­gen an, ander­seits kommt es immer noch zu Schwan­ger­schaf­ten bei Kindern.
  • Einer­seits schimpft Deutsch­land oft über die „prü­den Ame­ri­ka­ner“, ande­rer­seits zieht man sich am Strand eigent­lich nur noch Sachen über die nas­sen Sache „drü­ber“ oder die Bade­be­klei­dung eben gleich „drun­ter“ – abso­lut hygie­nisch im Sommer.
  • Immer noch legen wir in der Schu­le den Schwer­punkt auf „Geschlechts­akt-“ statt auf Auf­klä­rungs­un­ter­richt, obwohl in Zei­ten des Cyber-Groo­mings und Anspruchs­wol­ken­krat­zern hin­sicht­lich der Partn­er­fin­dung und des eige­nen Kör­per­bil­des gera­de durch die Wer­bung auch noch ganz ande­re Din­ge wich­tig wären.

Viel­leicht soll­te man wirk­lich in der Schu­le mehr zum The­ma „sexua­li­sier­te Spra­che“, „sexu­el­le Abgren­zung“, „Selbst­be­haup­tung“, „Los­las­sen“, „Sexua­li­sier­te Wer­bung“, „Mein Kör­per und ich“  und so Kram machen. Das alles gab es zu Zei­ten, in denen ich noch als Team­er Klas­sen­ta­gun­gen gelei­tet habe, ziem­lich oft, und es hat allen auch immer sehr viel Spaß gemacht. Das Sys­tem Schu­le scheint mir jedoch für die dafür erfor­der­li­che päd­ago­gi­sche Nähe nicht ausgelegt.

Wesent­li­cher Teil unse­rer Tagun­gen war eine Übung, die da hieß „Fra­gen an das ande­re Geschlecht“ (ging nicht mit jeder Schul­klas­se und erst recht nicht mit jeder Begleitlehrrkraft):

Die Jun­gen durf­ten sich sechs Fra­gen an die Mäd­chen, die Mäd­chen sechs Fra­gen an die Jun­gen aus­den­ken. Fünf Fra­gen muss­ten bear­bei­tet, eine durf­te abge­lehnt wer­den. In einem Rever­se-Fisch­bowl (eine Grup­pe sprach in der Mit­te über die Fra­gen, die ande­re saß mit dem Gesicht zur Wand um sie her­um) dis­ku­tier­ten dann z.B. die Mäd­chen unter Mode­ra­ti­on einer Teame­rin über die Fra­gen der Jun­gen und spä­ter dann umge­kehrt. Höhe­punkt bil­de­te immer ein letz­te Run­de: „Fra­gen an die Erwach­se­nen“ (Team­er unter sich im Rever­se-Fisch­bowl, ging auch nicht in jedem Team…).

Am meis­ten Spaß bei die­ser Übung hat­ten wir übri­gens an dem Wochen­en­de, an dem die Teame­rin­nen und Team­er sie im Rah­men ihrer Aus­bil­dung selbst aus­pro­biert und erlebt haben… In Schu­le könn­te ich mir so etwas zur Zeit eher nicht vor­stel­len, eher im exter­nen Bereich – obwohl: Auch das könn­te wit­zig und lehr­reich werden…

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