Das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (Henryk Holowenko)

Titelbild Holowenko

Das Auf­merk­sam­keits-Defi­zit-Syn­drom (H. Holowenko)

Wer kennt sie nicht, die unru­hi­gen Geis­ter in der Klas­se, die als „ADS-Kind“ dia­gnos­ti­ziert sind und deren Eltern berech­tig­ter­wei­se einen bestimm­ten Ver­hal­tens­mo­dus von der Lehr­kraft wünschen.

Ich woll­te mehr dar­über wis­sen und habe mir daher von einer päd­ago­gi­schen Fach­kraft (ich als Leh­rer bin ja allen­falls Fach­di­dakt) die­ses Büch­lein aus dem Beltz-Ver­lag entliehen.

Mei­ne Über­zeu­gung vor der Lek­tü­re bestand dar­in, dass ADS-Kin­der (wie Kin­der mit allen ande­ren dia­gnos­ti­zier­ten Lern­han­di­caps) in einem Klas­se mit 29–33 SuS in einem Raum von ca. 60m² (2m² sind in Deutsch­land Vor­schrift für ein Kind) nicht opti­mal auf­ge­ho­ben sind. Was soll ich sagen: Die­ser vor­erst unwis­sen­schaft­li­che Ein­druck hat sich bestätigt.

Der Autor schlägt u.a. fol­gen­de räum­li­che Maß­nah­men für die Schu­le vor:

Für das Kind mit AD/HS (und ande­re) soll­te ein ruhi­ger Platz reser­viert sein, an den es sich zu bestimm­ten Zei­ten zurück­zie­hen kann.

Ich fra­ge mich wirk­lich, wo das sein soll. Bei uns ste­hen Kran­ken­lie­gen in der Gar­de­ro­be und im klei­nen Leh­rer­ar­beits­zim­mer. Zu vie­le Klas­sen­räu­me besit­zen wir auch nicht.

Die rich­ti­ge Sitz­ord­nung und die rich­ti­ge Anord­nung der Möbel im Klas­sen­zim­mer sor­gen dafür, dass es so wenig Ablen­kung wie mög­lich gibt. Ein Kind mit AD/HS muss so sit­zen, dass es Leh­rer, Tafel und posi­ti­ve Rol­len­mo­del­le klar und deut­lich vor Augen hat; von Stö­ren­frie­den soll­te es dage­gen so weit wie mög­lich ent­fernt sitzen.

Ich bin froh, dass in mei­nem Klas­sen­zim­mer die Möbel so ste­hen, dass jeder hin­ein­passt und beim Zurück­leh­nen nicht die Arbeits­ma­te­ria­li­en der ande­ren von der TIsch­plat­te fegt. Aller­dings könn­te man wirk­lich ein KInd mit die­ser Pro­ble­ma­tik even­tu­ell mög­lichst weit vor­ne sit­zen lassen.

Bei ande­ren Din­gen habe ich mich ertappt:

Wei­ter­le­sen

Kinder werden nicht an einem Tag geboren – gilt das auch für pädagogische Konzepte?

Ein Kind wird nicht an einem Tag gebo­ren. War­um eigent­lich nicht? Es hat selbst­re­dend bio­lo­gi­sche Grün­de: Es braucht kom­ple­xe Zell­re­ak­tio­nen und Ener­gie, damit ein neu­es Leben ent­steht. Der Kör­per der Frau muss sich lang­sam auf die Ankunft des Kin­des ein­stel­len. Der Fötus muss ver­schie­de­ne Sta­di­en sei­ner evo­lu­tio­nä­ren Ent­wick­lung durch­lau­fen, damit alles an sei­nen ange­stamm­ten Platz gelangt.

Es hat selbst­re­dend auch sozia­le Grün­de: Durch die Schwan­ger­schaft hat das Paar Zeit, sich auf die Ankunft des Kin­des ein­zu­stel­len. Es hat Zeit, sich mit den Ver­än­de­run­gen, die das Kind im Leben mit sich bringt, aus­ein­an­der­zu­set­zen. Es hat Zeit mit dem Kind – jeder auf sei­ne eige­ne Wei­se in Kon­takt – zu tre­ten. So wird das KInd nach und nach zu einem Teil der Fami­lie. Modern aus­ge­drückt: Das Paar erhält Zeit, sich mit dem Kind zu iden­ti­fi­zie­ren, um an sei­ner Ent­wick­lung ger­ne zu partizipieren.

Die Pro­zess der Iden­ti­fi­ka­ti­on ist mei­ner Mei­nung nach wich­tig, da nur so das Kind zu einem Teil des Paa­res wer­den kann – hat die Natur schon schön gemacht. Frau­en und Män­ner, die die Ankunft eines Kin­des über­ra­schend erle­ben, weil sie z.B. die Schwan­ger­schaft ver­leug­nen, tun sich wahr­schein­lich oft schwe­rer in die­sem Punkt.

Päd­ago­gi­sche Kon­zep­te – gleich­wohl wel­cher Art – haben m.E. vie­le Par­al­le­len zu einem her­an­wach­sen­den Fötus. Sie wer­den nach ihrer Geburt schei­tern oder vor sich hin­küm­mern, wenn der Pro­zess ihrer Ent­ste­hung kei­ne Zeit lässt, um Iden­ti­fi­ka­ti­on – eigent­lich eine posi­ti­ve Bezie­hung – auf­zu­bau­en. Päd­ago­gi­sche Kon­zep­te leben von der viel­fäl­ti­gen Par­ti­zi­pa­ti­on der an ihnen betei­lig­ten Men­schen, da sie es sind, die die­ses Kon­zept letzt­lich mit Leben fül­len. Ver­wehrt man die­se Par­ti­zi­pa­ti­on oder zumin­dest das Gefühl der Mög­lich­keit der Par­ti­zi­pa­ti­on, wird auch kei­ne Iden­ti­fi­ka­ti­on ein­set­zen. Dann steht das Kon­zept auf Papier. Es muss aber im Han­deln der es tra­gen­den Men­schen stehen.

Wei­ter­le­sen

Funktionalistische Didaktik

Die­sen Begriff gibt es nicht. Ich habe ihn erfun­den – aller­dings nicht allei­ne. Ich möch­te ihn wie folgt ver­stan­den wis­sen: Die funk­tio­na­lis­ti­sche Didak­tik umfasst alle inhalt­li­chen Stra­te­gien, um in der Wirt­schaft erfolg­rei­che Pro­zes­se auf päd­ago­gi­sche Sys­te­me abzubilden.

Wirt­schaft wie­der­um bedient sich ger­ne an mir durch die Zeit lieb gewor­de­nen Theo­rien, etwa der huma­nis­ti­schen Psy­cho­lo­gie. Wenn Per­sön­lich­keits­stär­kung mit Metho­den der huma­nis­ti­schen Psy­cho­lo­gie bzw. Päd­ago­gik mit dem ZIel der Pro­fit­ma­xi­mie­rung betrie­ben wird, ist das in mei­nen Augen Funk­tio­na­lis­mus, d.h. man nutzt z.B. in die­sem Fall eine Theo­rie der Frei­heit, um Ange­stell­te und sogar Kun­den an eine Fir­ma zu bin­den – eigent­lich ein unauf­lös­li­cher Wider­spruch. Gerecht­fer­tigt wird das damit, dass dadurch die Team­fä­hig­keit und Pro­duk­ti­vi­tät gestei­gert wird – schwie­ri­ges Thema.

Auf Schu­le bezo­gen ent­wi­ckeln Anhän­ger des Funk­tio­na­lis­mus momen­tan fol­gen­de Visi­on, die ich ich in Anleh­nung zur Rhe­to­rik der Fern­seh­wer­bung ein­mal mehr unkon­ven­tio­nell dar­stel­len möchte:

Wei­ter­le­sen

Friendly fire

Fri­end­ly Fire (engl. befreun­de­ter Beschuss) bzw. Freund­be­schuss ist ein euphe­mis­ti­scher Aus­druck aus dem US-ame­ri­ka­ni­schen Mili­tär­jar­gon, der den irr­tüm­li­chen Beschuss eige­ner oder ver­bün­de­ter Streit­kräf­te in einer krie­ge­ri­schen Aus­ein­an­der­set­zung bezeich­net. (Wiki­pe­dia)

… dabei klingt die ver­meint­lich direk­te Über­set­zung so hübsch. Ich hal­te „fri­end­ly fire“ für die Ursa­che Num­mer 1, war­um Hob­by-Admins so oft an ihren Auf­ga­ben ver­zwei­feln. Aber wel­che Art des Beschus­ses gibt es denn in die­sem Aufgabenfeld?

An den Schu­len in Deutsch­land enga­gie­ren sich unzäh­li­ge Leh­rer- und Leh­re­rin­nen für ihre Schu­le (eigent­lich ihren Schul­trä­ger, der das eigent­lich bezah­len müss­te), um das Schul­netz für Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen am Lau­fen zu hal­ten. Ich wür­de vor allem letzt­ge­nann­te Per­so­nen­grup­pe ein­mal als Ana­lo­gie zu den „eige­nen bzw. ver­bün­de­ten Streit­kräf­ten“ sehen. „Beschuss“ kommt nach mei­ner Wahr­neh­mung prin­zi­pi­ell aus die­ser Rich­tung, weil z.B.

  1. nichts wie zu Hau­se ist
  2. die eigens ange­schaff­te Lern­soft­ware mit dem Netz nicht will (nicht dass man den Admin vor­her gefragt hät­te, ob das ginge)
  3. Open­Of­fice benutzt wer­den muss, wo doch zu Hau­se das Paket von Klein­weich läuft
  4. das Netz wegen der Eigen­ad­mi­nis­tra­ti­on doch auch ein­mal, wenn auch sel­ten ausfällt
  5. alles sowie­so viel zu lang­sam geht – das ADmin macht ja schließ­lich nichts „Sicht­ba­res“ (muss even­tu­ell an dem Prin­zip von Rechnern/Software liegen)

Schü­ler soll man ja immer loben und bestä­ti­gen, damit sie ori­en­tiert sind. Für den Admin bleibt da oft nix mehr nach mit dem Lob – allein „fri­end­ly fire“ schwelt immer wie­der vor sich hin – dum­mer­wei­se nicht aus­schließ­lich im Hin­blick auf die Sphä­re der Admins (so man­che Schul­lei­tung, man­cher A14er wird da auch ein Lied von sin­gen kön­nen) – aber das ist eine ganz ande­re Geschichte.

Euro-Pro – netter Versuch…

Update April 2020:

Die­se Arti­kel ist mitt­ler­wei­le fast 12 Jah­re alt. Die Rechts­la­ge hat sich mit der DS-GVO mitt­ler­wei­le erheb­lich geän­dert. Die Ver­brau­cher­rech­te wur­den teil­wei­se gestärkt. Es könn­te jedoch sein, dass die Euro Pro als Aus­kunfts­agen­tur wei­ter­hin beson­de­rem Rechts­schutz unter­liegt. Der zitier­te Brief ist nicht mehr ver­wend­bar. Eine aktua­li­sier­te Vor­la­ge kön­nen Sie z.B. hier erhalten.

Arti­kel im Original:

Neu­lich pur­zel­te ein Brief der Fir­ma Euro-Pro aus unse­rem Brief­kas­ten. Die­se Fir­ma stellt sich im Inter­net wie folgt dar:

Die EURO-PRO GmbH ist Ihr zuver­läs­si­ger Part­ner bei der Ermitt­lung von unbe­kannt ver­zo­ge­nen Kun­den und Schuld­nern in Deutsch­land und ganz Europa.
Dar­über hin­aus bie­ten wir Ihnen umfang­rei­che Wirtschaftsinformationen.
Auch im Bereich der Boni­täts­prü­fung und Geschäfts­an­bah­nung bie­ten wir Ihnen hoch­au­to­ma­ti­sier­te Lösungen.
In mehr als 3000 Pro­gram­mier­stun­den haben wir ein hoch­mo­der­nes Ermitt­lungs­sys­tem ent­wi­ckelt. Unser IT-Team inte­griert nahe­zu wöchent­lich neue Ermitt­lungs­mo­du­le, die durch unser Exper­ten­team ent­wi­ckelt wurden.
Wir neh­men Dienst­leis­tung wört­lich und recher­chie­ren für Sie pro­fes­sio­nell mit intel­li­gen­ten und eben­so effi­zi­en­ten Metho­den für Ihren Erfolg. Zeit­na­he Bear­bei­tung ist für uns selbstverständlich. 

Quel­le: http://www.euro-pro.de

Gegen das Geschäfts­mo­dell lässt sich ja zunächst nichts ein­wen­den, da die Zah­lungs­mo­ral in Deutsch­land ja wirk­lich nicht die bes­te zu sein scheint. In der Regel tau­schen der­ar­ti­gen Unter­neh­men Daten­sät­ze mit den Ein­woh­ner­mel­de­äm­tern aus und ana­ly­sie­ren die­se auf Stichhaltigkeit.

Nun zum Brief:

Die­ser Brief war auf­ge­macht, als hand­le es sich um amt­li­che Post. Mei­ne Frau wur­de auf­ge­for­dert, inner­halb einer zwei­wö­chi­gen Frist der oben­ge­nann­ten Fir­ma ihr Geburts­da­tum mit­zu­tei­len. Außer­dem wur­de mit­ge­teilt, dass ihr Daten­satz erst­ma­lig an einen Drit­ten über­mit­telt wor­den ist. Die Fir­ma schreibt wei­ter, dass sie mit die­ser Mit­tei­lung ihrer Pflicht gemäß Bun­des­da­ten­schutz­ge­setz nach­kom­me. Fin­de ich alles sehr spannend.

  1. Was denkt der nor­ma­le Bür­ger, wenn eine Schuld­ner­aus­kunft ihm mit­teilt, sie hät­te sei­ne Daten erst­ma­lig einem Drit­ten übermittelt?
  2. Was denkt der nor­ma­le Bür­ger, wenn er ein amt­lich aus­se­hen­des Schrei­ben mit einer Art Frist­set­zung erhält?
  3. Geburts­da­ten sind in der Regel auch über Ein­woh­ner­mel­de­amt­ab­fra­gen ermit­tel­bar. Wor­um geht es die­ser Fir­ma also mit dem Schreiben?

Nun­ja, mir fiel dazu nichts wei­ter als die fol­gen­de Ant­wort (freund­li­cher­wei­se nur per Fax) ein:

Wei­ter­le­sen

1 45 46 47 48