… sie sollen lernen, sich als mündige Netzbürger zu verhalten und am Netz zu partizipieren, indem sie z.B. auch neues Wissen schaffen und anderen Menschen zugänglich machen. „Harvester“ – d.h. Leute, die hauptsächlich im Netz Know-How abgreifen ohne dafür auch nur eine ideelle Gegenleistung abzuliefern (und wenn es nur eine gewisse Mühe bei der Formulierung von Fragen in z.B. Foren ist), gibt es schon genug. Jeder, der sich aktiv in Foren oder Communities betätigt, sollte das Phänomen kennen, dass zu Zahl der Hilfesuchenden die Zahl der Hilfegebenden oft um Potenzen übersteigt – das ist in Ordnung, wenn die Hilfesuchenden an anderer (inhaltlicher) Stelle ihr eigenes Wissen und ihre eigenen Kompetenzen weitergeben.
Es kann für mich daher nicht darum gehen, SuS allein mit den Kompetenzen auszustatten, das Netz zu „benutzen“. In meinen Augen muss der Weg sein, SuS anzuleiten, das Netz zu gestalten mit ihren Ideen, Visionen und Inhalten. Das geht für mich Hand in Hand: Denn wer erlebt, dass sein Wissen etwas wert ist – etwa weil es oft abgerufen wird – der wird auch eher bereit sein, seine Bemühungen auf diesem Bereich zu intensivieren, was letztlich seine eigene Reputation stärkt: Er ist im Netz vertÅ•eten, nicht allein als Konsument, sondern als Prosument.
Wie beginnen? Harvester sind 1.0 – wer 2.0 erreichen möchte, muss in erster Linie Vorbild sein, weil man – so man authentisch bleiben möchte – SuS nichts abverlangen darf, was man selbst nicht zu leisten bereit ist. Prosumieren wir das Netz. Das kann jeder in jeder Alterstufe: Ob man nun mit Legomännchen Loriotsketche nachstellt, Musikstücke mit eigenen Videos unterlegt oder sonstwas. Alles ist möglich. Erst geschützt und reflektiert (z.B. Moodle), dann öffentlich mit öffentlichem Feedback (z.B. Blog, Twitter…).
… denn unser Wissen selbst veraltet so schnell, dass Inhalte mehr und mehr irrelevant werden. Täglich kommt so viel Wissen hinzu, dass wir einmal mehr dieses Wissen niemals beherrschen können – selbst wenn wir wollten. Deswegen müssen wir in der Schule weg von der Kultur der reinen inhaltlichen Wissensvermittlung. Wir müssen hin zu einer Kultur der Kompetenzvermittlung. Wir müssen den SuS Möglichkeiten und Methoden an die Hand geben, damit diese das Wissen der Welt selbst erschließen.Denn wir bilden heute Menschen für Berufe aus, die es in ihrer Profilierung erst noch geben wird.
Grob zusammengefasst höre ich diese Töne gerade im Kontext von Web2.0 sehr oft. Die Bezeichnung durch das Wort „Töne“ impliziert bereits meine Einstellung zu solchen Sätzen. Ich halte den Anspruch – zumindest in bestimmten Alterstufen für sehr gefährlich. Volker Pispers stellt die in meinen Augen möglichen Konsequenzen sehr überzogen und generalisierend dar, trifft aber den Kern meiner Kritik am verabsolutierten Kompetenzkonzept:
Nehmen wir einmal an, es gibt wirklich Unternehmensberater, Investmentbanker usw., die so klischeehaft handeln, wie von Volker Pispers 2004(!) dargestellt. Sie könnten nach meinem Verständnis nicht existieren ohne gewaltige Kompetenzen im kommunikativen und methodischen Bereich. Was müssten sie aber können, um nachhaltige volkswirtschaftliche Werte zu schaffen? Was müssten sie wissen, um Unternehmen erfolgreich zu beraten?
In meinen Augen müssten sie etwas über z.B. Humanismus wissen. Sie müssten etwas über Soziologie und Politik wissen. Sie müssten etwas über geschichtliche Zusammenhänge wissen. Sie müssten etwas über das Produkt der Firma und die Arbeitsbedingungen in der Firma wissen bzw. erfahren haben, was z.B. körperliche Arbeit bedeutet.
Dazu gehört für mich in Ansätzen auch technisches Know-How, das ich so oft auch im Web2.0‑Kontext vermisse. Der Ausdruck von Unwissen im Web2.0 lauten für mich: „Ich will anwenden, das muss bunt sein und die Technik dahinter interessiert mich nicht – das kann man doch nicht alles wissen!“. Dieses Wissen kann z.B. anhand von Beispielen vermitteln werden, die idealerweise prototypische Konzepte vorbereiten/implizieren. Ohne die Beispiele kann ich den prototypischen Charakter nicht abstrahieren, weil ich dazu ja Parallelen finden muss, bzw. auch parallele Beispiele. Das kann in meinen Augen kein Unterstufenschüler in dieser Absolutheit leisten. Er muss z.B. mit verschiedenen Wertesystemen konfrontiert werden – das geht zunächst nur über den Inhalt, woraus dann Kompetenzen erwachsen, die unbedingt zu reflektieren, auf einer Metaebene aufzubereiten und einzuüben sind, indem man die auf neue Sachverhalte projeziert. Das im Kompetenzumfeld entwickelte Akzeptor-/Donatorkonzept in der Chemie finde ich in dieser Beziehung ganz hervorragend.
Das was wir an Wissen nicht haben, werden wir später durch Kompetenzen nicht aufwiegen. Der reine Kompetenzmensch ist in meinen Augen der abhängige Mensch von Morgen. Wie viele Menschen sind z.B. von einer bestimmten Benutzeroberfläche eines Rechners abhängig, weil sie nicht verstehen wollen, was der Rechner für sie macht? Relevantes Wissen im IT-Bereich bedeutet das Erlernen von Konzepten – etwa der Objektorientierung – die es erlauben, jedes Schreibprogramm, welche objektorientiert arbeitet (das tun fast alle) zu bedienen. Das ermöglich mir Freiheit bei der Wahl meines Softwareanbieters. Dazu benötige ich zunächst aber Wissen um die Objektorientierung und ich brauche jemanden, der erkennt, dass die Objektorientierung relevantes Wissen darstellt. Habe ich dieses Wissen nicht, muss ich andere Leute fragen oder für eine Dienstleistung zahlen.
Kompetenzen fangen für mich immer mit dem Inhalt an – nie mit der Methode, nie mit dem Medium. Wir können nicht alles wissen. Das heißt aber nicht, dass wir kein Wissen mehr vermitteln sollten oder dass wir keines mehr brauchen. Junge Menschen wissen naturgemäß weniger oder andere Dinge über das, was man Leben nennt. Geben wir unser Wissen an die Jüngeren weiter – unser relevantes Wissen bzw. das Wissen, welches wir dafür halten.
Ich hatte ja schon erwähnt, dass ich inhaltlich mit unserem Abiturschwerpunkt in NDS so gar nicht recht zufrieden bin. In mir sträubt sich alles, einfach nur „über Dinge“ zu sprechen ohne die Mechanismen zu behandeln, die dazu führen, dass Sprache so ist wie sie ist mit allen Problemen dabei, die wahrhaftig nicht neu sind. Durch Thomas Rau kam ich dann auf die Idee, zunächst mit etwas Sprachgeschichte einzusteigen..Dabei bin ich auch über ein schönes Arbeitsblatt gestolpert, was mich aber zu ganz anderen Aufgaben inspiriert hat. Meine Aufgaben sehen so aus:
Aufgaben:
Beschreiben Sie für jeden Konsonanten, der von der 2.Lautverschiebung betroffen ist Stimmhaftig- bzw. Stimmlosigkeit, Artikulationsweise und Artikulationsort tabellarisch vor und nach der 2. Lautverschiebung. Warum wurde Ihrer Meinung nach das [p] nicht zum [k] verschoben? Können Sie Gesetzmäßigkeiten feststellen? Die beiden Laute [ç] und [x] werden beide im Deutschen durch die Buchstabenkombination „ch“ repräsentiert. Finden Sie mindestens ein Beispielwort für jeden der beiden Laute! Welchem Zeichen in Lautschrift (vgl. Tabelle) entsprechen die in den folgenden Worten unterstrichenen Konsonantenfolgen bzw. Konsonanten?
a) ging
b) schaurig
c) sauer
Übersetzen Sie in die korrekte Schriftsprache (ein Doppelpunkt bedeutet, dass der Laut lang gesprochen wird)
a) [tsaŋə]
b) [zu:xÉ™]
Wo müsste das stimmlose, englische „th“ [θ] in die Tabelle eingeordnet werden? (z.B. in „theft“)
Und jetzt kommt das Paradoxon:
Sie sehen so aus, weil mein Unterrichtsgang und meine Herangehensweise eine andere sind. Die Aufgaben wären aber gar nicht erst entstanden, wenn es nicht bereits das vorbereitete Material gegeben hätte. Vorhandenes Material katalysiert damit bei mir neue Gedanken, bzw. neue Kreativität und das mitunter sehr punktuell. Ich bin völlig überzeugt davon, dass *jedes* Material jeder Qualität zum richtigen Thema zum richten Zeitpunkt „Lehrer-Kreativität“ quasi katalysieren kann – das sind meine Erfahrungen. Wenn ich mir so manchen gedruckten Übungsbogen in Arbeitsheften anschaue, sage ich ganz oft: „Nee – so aber nicht, da müsste man noch…“. Und dann entsteht etwas Neues, Passenderes – wenn es die Zeit erlaubt.
Jetzt gibt es die Forderung, dass LuL mehr zusammenarbeiten sollen, um gemeinsame Materialien zu entwickeln. Damit kauft man sich meiner Meinung nach einen großen Haufen an Unbeweglichkeit ein, da eine Gruppe stets etwas adynamischer als ein Individuum ist. Die Zukunft von Zusammenarbeit stelle ich mir in etwa so vor. Da hätten wir Neuronenverhalten von meiner Seite einerseits und die „Fremdevolution“ meiner eigenen Materialien andererseits. Daraus habe ich im vorliegenden Fall eine neue Methode gelernt – mindestens. Dafür musste ich nicht irgendwohin fahren, wo eine Pralinenschachtel stand, die neben wenigem schmackhaften Zeugs auch viel bitteres enthielt – sehr bitter finde ich z.B. die manchmal miserabel organisierten „Gruppenarbeitsphasen“ auf Fortbildungen.
Deswegen ist die Veröffentlichung von Material nach CC für mich wichtig. Und deswegen sind alle Materialien dieses Blogs auch CC lizensiert.
Als Hundebesitzer die Hinterlassenschaften seines Vierbeiners in öffentlichen Parkanlagen als Tretmine einfach liegen zu lassen
Als Frau am Strand graumelierte Shorts und Tops über den nassen Bikini zu ziehen. Sieht dann schnell nach Inkontinenz bei gleichzeitig vergessener Stilleinlage aus. Man kann zum Umziehen auch ein großes Handtuch umlegen – so wie früher…
Als Betreiber eines Hotspots weit über UMTS-Niveau abkassieren zu wollen
Ich möchte auf einen zwar recht emotionalen und radikalen, aber in seiner Kernaussage absolut inspirierenden Artikel hinweisen. Es ist erstaunlich, dass die aktuellen Ereignisse in der „Internetpolitik“ immer mehr Menschen in die politische Debatte ziehen – selbst mich. Kristian ist zu diversen technischen Themen ein wesentlicher Pflock, der mich schon sehr lange begleitet und von dem ich viel, viel über Linux und Serverdienste gelernt habe, dabei kennen wir uns nicht und haben uns auch noch nie geschrieben, sei es in Foren oder per Mail. Kurze Leseprobe seiner Gedanken:
Unsere Netze sind Kopiermaschinen. Wir sagen wir ’senden eine Nachricht‘, aber das Wort ist falsch. ‚Senden‘ impliziert, daß die Nachricht sich bewegt und für den „Ab“-Sender nicht mehr da ist. Das ist in der realen Welt so, aber nicht im Netz: Wir kopieren eine Nachricht an die Empfänger.
Kristian vertritt oft unkonventionelle Ansichten, etwa zum Thema Firewall und RAID, die – wenn man seine Ideen offen weiterträgt – bei vielen etablierten Technikern und Administratoren auf Kopfschütteln und Unverständnis stoßen (gerade aktuell trat wieder genau deswegen Funkstille mit jemandem ein). Ich mag Kristian – Pseudonym: isotopp (auch auf Twitter). Lohnt sich, genau wie sein Blog.