Warum NC-Lizenzen im Bildungsbereich?

Zwi­schen den Fei­er­ta­gen kommt es im Netz zu Dis­kus­sio­nen, inwie­fern NC-Lizen­zen, also der Aus­schluss einer kom­mer­zi­el­len Nut­zung frei­er Bil­dungs­in­hal­te sinn­voll sind. Lesens­wert ist der in die­sem Zusam­men­hang häu­fig zitier­te Arti­kel von Eric Möl­ler. Auch hier im Blog ist das The­ma in einem Kom­men­tar, den ich bis­her noch nicht ange­mes­sen rea­li­siert habe. Visio­nen von einer neu­en „Bil­dungs­cloud“ sind von Chris­ti­an Fül­ler in der TAZ zu lesen. Ent­schei­dend für die Rea­li­sie­rung die­ser Visi­on wird einer­seits die Rech­te­fra­ge sein ande­rer­seits aber auch die Bereit­schaft sowie die grund­le­gen­de Hal­tung der dar­an mit­wir­ken­den Per­so­nen. Bei letz­te­rem Aspekt hege ich Zwei­fel, inwie­fern eine „Nicht-NC-Lizenz“ sich posi­tiv aus­wirkt und das liegt an den beson­de­ren Umstän­den des Bereichs „Bil­dung“ hier in Deutsch­land. Neh­men wir ein­mal nüch­tern den Ist-Zustand:

  1. Bil­dungs­in­hal­te im schu­li­schen Bereich sind zu > 90% mono­po­li­siert im kom­mer­zi­el­len Bereich (Schul­buch­ver­la­ge)
  2. Erstel­ler von Bil­dungs­in­hal­ten sind zu einem nicht uner­heb­li­chen Anteil Lehr­kräf­te, die für z.B. einen Ver­lag arbei­ten. Die Ver­trags­be­din­gun­gen wären für mich zur­zeit zu schlecht, um so etwas auch zu machen. Vie­le Kol­le­gen, die ich ken­ne, tun es auch mehr der eige­nen Repu­ta­ti­on willen.
  3. Es gibt Platt­for­men mit frei­en Inhal­ten. Nach­hal­tig wer­den die­se Platt­for­men oft von einem per­so­na­li­sier­ten, har­ten Kern mit viel Lie­be und Enthu­si­as­mus getra­gen. Oft sind es „HTM­Ler der ers­ten Stun­de“ und es gibt auch hier gele­gent­lich Nachwuchssorgen.
  4. Vie­le Inhal­te lie­gen auf Ein­zel­web­sei­ten, Blogs usw. weit ver­streut im Netz her­um – hier im Blog ja auch das eine oder ande­re. Es gibt Erschlie­ßungs­ver­su­che durch spe­zi­el­le Such­ma­schi­nen, die man (plu­ra­lis maje­s­ta­tis) aber hin­sicht­lich der Ergeb­nis­qua­li­tät und ‑prä­sen­ta­ti­on eigent­lich eher nicht sinn­voll nut­zen kann.
  5. Es ist im schu­li­schen Bereich üblich, Mate­ri­al aus kom­mer­zi­el­len Quel­len zusam­men­zu­ko­pie­ren ohne die Anga­be einer Quel­le. Wer eine Fest­plat­te aus einem Schul­ko­pie­rer aus­baut, wird wahr­schein­lich nicht vie­le Quel­len­an­ga­ben fin­den. Des­we­gen gibt es eigent­lich auch den Rah­men­ver­trag mit den Ver­la­gen: Es geht dar­um, eine nicht lega­le Pra­xis in begrenz­tem Umfang zuzu­las­sen, dar­an zu ver­die­nen und hin­ter­grün­dig um das Ein­ge­ständ­nis, dass die bestehen­den kom­mer­zi­el­len Lizenz­mo­del­le eigent­lich nicht pra­xis­taug­lich sind.
  6. Weil das Ver­hal­ten unter 5 üblich ist, wird man sei­ne öffent­lich bereit­ge­stell­ten Tex­te als Lehr­kraft auch immer wie­der in kom­mer­zi­el­len Pro­duk­ten ohne Anga­be der Quel­le fin­den – das spei­sen wahr­schein­lich die glei­chen Lehr­kräf­te ein, die mor­gens ihren zusam­men­ge­schnip­pel­ten Zet­tel auf den Kopie­rer legen (wenn sie den nicht sogar erst vor Ort zusammenschnippeln)
  7. Es gibt ein­zel­ne, sor­ry ver­ein­zel­te, die Mate­ria­li­en heu­te schon in ver­schie­de­ner Form (Blog, Wiki usw.) tau­schen. Die Moti­vik scheint mir sehr unter­schied­lich. Vie­len ist gemein, dass sie die­se indi­vi­du­el­le Form der Selbst­be­stimm­heit wegen wäh­len. Die Bereit­schaft zur Schaf­fung gemein­sa­mer Pro­jek­te scheint mit doch recht gering. Das ist bei mir nicht anders. Die­ses Blog dient kla­ren Zwe­cken bar jed­we­der altru­is­ti­schen Zie­le. Selbst­ver­wirk­li­chung ist nur einer. Die­je­ni­gen, die sich öffent­lich im Netz prä­sen­tie­ren, sind gut ver­netzt und berich­ten ein­an­der von neu­en Inhal­ten und Mate­ria­li­en. Dadurch ent­steht manch­mal der Ein­druck, dass das sehr vie­le Men­schen sind. Das stimmt wahr­schein­lich nicht. In der Mit­te einer Schwarms von 100 Fischen sieht man den Rand nicht. Dazu muss man immer wie­der aus dem Schwarm her­aus­schwim­men. Gleich­wohl bewegt die­ser klei­ne Schwarm etwas, von dem ich mich zunehe­mend fra­ge, was es denn genau ist. Mit nebu­lö­sen „Internet-Revolution-Ubergangsphänomen“-Geschnacke tue ich mir äußerst schwer.

Was wird oft als wün­schens­wer­ter Zustand formuliert?

  1. Chris­ti­an Fül­ler beschreibt es in sei­nem Arti­kel: Eine von Leh­rern und Wis­sen­schaft­lern geschaf­fe­ne Cloud, in der Inhal­te für For­schung und Leh­re frei sind. Streng­ge­nom­men müss­te man dafür einen gewal­ti­gen Schritt wei­ter gehen: Die Gesell­schaft bezahlt mich nicht ein­mal schlecht dafür, dass ich Leh­rer bin. Von mir in die­sem Rah­men geschaf­fe­ne Inhal­te sind damit eigent­lich kon­se­quen­ter­wei­se Eigen­tum der Gesell­schaft – nicht mei­nes. Genau wie die Inhal­te öffent­lich-recht­li­cher Sen­der und Uni­ver­si­tä­ten mit öffent­li­chen Gel­dern finan­ziert sind und damit gemein­frei sein müss­ten (vie­le Kol­le­gen den­ken das m.E. nicht kon­se­quent zu Ende – bei den Öffent­lich-Recht­li­chen: „haben, haben, schnell haben!“, bei sich selbst: „Also das ist ja wohl ein Ein­griff in mei­ne Pri­vat­s­sphä­re, dazu darf mich kei­ner zwin­gen!“). Jetzt bezahlt die Gesell­schaft Leh­rer, die Inhal­te für Ver­la­ge schaf­fen, um die­se Inhal­te dann unter Lizen­zen zurück­zu­kau­fen, die eine freie Ver­wen­dung erst nach Ablauf von Jahr­zehn­ten ermög­li­chen – die­se Art von „Neben­tä­tig­keit“ gehört meist auch noch zu den gewünsch­ten – ist das logisch?
  2. Idea­ler­wei­se gibt es eine Rei­he von Men­schen, die bereit sind, Inhal­te unter frei­en Lizen­zen zu erstel­len. Zur­zeit erstel­len und ver­öf­fent­li­chen  schät­zungs­wei­se von 100 Leh­rern maxi­mal zwei Mate­ria­li­en, die sich für den Ein­satz im Bil­dungs­be­reich eig­nen und die unter frei­en Lizen­zen ste­hen (das ist opti­mis­tisch). Das hat mit Rech­te­fra­gen nur am Ran­de zu tun. Eher mit Belas­tung und Zeit. Aber eben auch mit Hal­tung: „Dann kön­nen das ja ande­re kopie­ren. Ich will die glei­che Arbeit wie­der schrei­ben kön­nen. Da könn­ten ja Feh­ler ent­hal­ten sein, die mei­ne Repu­ta­ti­on schädigen.“
  3. Idea­ler­wei­se bezahlt der Staat Ver­la­ge für die Erstel­lung frei­er Mate­ria­li­en. Doof nur, dass es den Föde­ra­lis­mus und die Glo­ba­li­sie­rung gibt. Dann pro­fi­tie­ren ja ande­re von den Res­sour­cen einer Volks­wirt­schaft. Ist ja nicht so, dass unse­re Volks­wirt­schaft von Bil­lig­löh­nen und Aus­beu­tung ande­rer Völ­ker profitiert.
  4. Nie­mand muss mehr fra­gen. Alles darf frei ver­wen­det wer­den. Lizen­zen gibt es nur noch in der Form (edit) CC-BY-SA. Das ist einer­seits recht­lich sehr sicher, ander­seits vor allen Din­gen bequem.
  5. Ich wür­de mir ja wün­schen, dass Fol­gen­des pas­siert: Alle Twit­ter- und Blog­ger-Leh­rer legen ihre Kraft in ein gemein­sa­mes Pro­jekt – ver­mark­ten das in der Art und Wei­se einer digi­ta­len Ram­pen­sau, nut­zen alle Kon­tak­te, um das in der Öffent­lich­keit jen­seits des klei­nen Blogs zu prä­sen­tie­ren. Nur eine sol­che gemein­sa­me Arbeit mit kon­kre­ten Selbst­ver­pflich­tun­gen wird den bestehen­den Struk­tu­ren etwas ent­ge­gen­set­zen kön­nen. Das wird nicht gesche­hen, weil nie­mand von uns altru­is­tisch genug dafür ist, weil jedes zu pla­nen­de Pro­jekt an Grund­satz­fra­gen wie „Wel­che Lizenz?“, „Wel­che Platt­form?“, „Wel­che Far­be?“, „Wel­ches Logo?“ usw. zer­schel­len würde.

Zusam­men­fas­sung

Auch 2012 wer­den Leh­rer Leh­rer blei­ben und Men­schen Men­schen. Die Ver­la­ge wer­den wei­ter an einer Soft­ware schrau­ben las­sen, die wahr­schein­lich nie daten­schutz­kon­form ein­setz­bar und tech­nisch immens schwer zu rea­li­sie­ren sein wird. Leh­rer wer­den wei­ter für Ver­la­ge arbei­ten und Leh­rer wer­den mit dem Copy­right wei­ter so umge­hen, wie sie mit dem Copy­right umge­hen. Unter den jet­zi­gen Rah­men­be­din­gun­gen ist für mich die NC-Lizenz so etwas ähn­li­ches wie der Rah­men­ver­trag zur pau­scha­len Ver­gü­tung von Ansprü­chen der Ver­la­ge: Sie ver­hin­dert nicht, dass Mate­ri­al kom­mer­zi­ell ein­ge­setzt wird, aber sie zeigt ein biss­chen mora­lisch auf, dass das nicht fair ist, genau wie die 10%-12-Seiten-Kopierregel mora­lisch de Zei­ge­fin­ger hebt, dass das, was ich da mor­gens am Kopie­rer tue, eigent­lich so nicht ganz in Ord­nung ist – mora­lisch. Recht­lich immer­hin in gewis­sen Gren­zen schon.

LMS und die Macht des Ringes

Wir Men­schen wer­den Twit­ter wei­ter­hin auch sinn­ent­leert und ver­ant­wor­tungs­los nut­zen. Wir wer­den wei­ter­hin glau­ben, dass wir mit tech­no­lo­gi­schem Fort­schritt unse­re Pro­ble­me lösen kön­nen. Wir über­se­hen geflis­sent­lich, dass die Tech­nik und Ihr Gebrauch nur der Spie­gel unse­rer Selbst ist. Wor­aus wie­der ein­mal folgt, dass wir selbst unser größ­tes Pro­blem sind. Denn natür­lich wäre es ungleich anstren­gen­der und bedroh­li­cher, uns selbst zu fokus­sie­ren als irgend­ei­ne neue Tech­no­lo­gie. Schließ­lich wür­de sich da doch der eine oder ande­re graus­li­che Abgrund auftun.

Andre­as Zeuch in: http://www.psychophysik.com/integral-blog/?p=2151

Sigi Jakob – eine Mood­le­ve­te­ra­nin und päd­ago­gi­sche Exper­tin, wenn es um die Nut­zung von Lern­platt­for­men im Sin­ne einer neu zu den­ken­den Lern­kul­tur geht, hat im Rah­men ihrer Key­note als Gast­red­ne­rin auf dem 2. Köl­ner Mood­le­tag etwas erlebt, was sie hier ein­drucks­voll auf­schreibt. Sie nennt dort als Ziel des Vortrags:

Die Ziel­set­zung mei­nes Vor­trags war, die Zuhö­rer für die Not­wen­dig­keit einer Ver­än­de­rung in der Lern­kul­tur zu sen­si­bi­li­sie­ren und auf­zu­zei­gen, dass ein Mood­le­kurs allein noch kei­nen ande­ren Unter­richt und ande­res Ler­nen bewirkt.

Sigi Jakob in: http://www.school-networking.de/start/?p=857

Sigi nennt das Erleb­te ein Deba­kel. In dem Text steckt so viel von dem, was über das The­ma „Neue Tech­no­lo­gien“ zu den­ken ist, dass ich gar nicht weiß, womit ich genau anfan­gen soll.

Also fan­ge ich mit mir selbst an. Ich habe mich vor eini­gen Wochen voll­kom­men aus den Mood­le­krei­sen zurück­ge­zo­gen, obwohl ich mich auch mit Fug und Recht als Mood­ler der ers­ten Stun­de bezeich­nen könn­te. Die­se Ent­schei­dung wur­de kata­ly­siert in mei­ner Aus­ein­an­der­set­zung mit Chris­ti­an Gru­ne, der das LMS its­lear­ning in Deutsch­land ver­treibt. Ich habe nie in mei­ner gesam­ten Mood­le­zeit den metho­di­schen Reich­tum einer Sigi Jakob erreicht.

Das hat­te sys­te­mi­sche Grün­de (die Voll­zeit­müh­le), tech­ni­sche Grün­de (ich bin eher tech­nik­ver­liebt – Mensch, Sigi, was hät­te ich für dich als Tech­ni­ker errei­chen kön­nen…), aber natür­lich alle Din­ge, die Sigi im Vor­spann ihrer Refle­xi­on beschreibt. Vor allem aber habe ich erfah­ren, dass ande­re Tools viel bes­ser zu mei­ner Art des Unter­richts pas­sen. Die­se Art des Unter­richt war schon da. Sie wur­de nicht durch die Tools aus­ge­löst. Gleich­wohl ist der umge­kehr­te Weg denk­bar – die inter­ak­ti­ven Tafeln tau­gen oft als tro­ja­ni­sches Pferd, um Leh­ren­de über­haupt in Kon­takt mit neu­en Medi­en zu bringen.

Jedes LMS trägt die „Macht des Rin­ges“ in sich. Ein LMS bie­tet in der Regel die Mög­lich­keit, Schu­le so zu machen, wie sie schon immer war. Das Sys­tem wird auf allen Ebe­nen durch den Ring geknech­tet wer­den. Die Kräf­te, die dabei unter dem enor­men Eva­lua­ti­ons­druck das Gewohn­te 1:1 ins Digi­ta­le über­tra­gen, wer­den sich der Kraft des Rin­ges nicht ent­zie­hen können.

Und dann steht man als idea­lis­ti­scher z.B. Mood­ler da und sieht sich auf ein­mal der gesam­ten Kri­tik­breit­sei­te vom „Bevor­mun­dungs-“ bis zum „Kon­troll­sys­tem“ aus­ge­setzt – nicht weil ich das Sys­tem so nut­ze, son­dern weil die Macht des Rin­ges das Sys­tem ver­führt, ein­fach nur den Abbil­dungs­mo­dus umzu­schal­ten, weil es alte Sicher­hei­ten nicht tan­giert – und da sind wir bei Andre­as Zeuch.

Die Hal­tung bestimmt die Nut­zung digi­ta­ler Tools, nicht die Tools die Hal­tung. Die Tools bil­den aber recht bru­tal die Hal­tung ab. Im Ide­al­fall ist erst die Hal­tung vor­han­den, die für ein neu­es Bil­dungs­sys­tem die Grund­la­ge bietet.

Wenn aber die­se Hal­tung vor­han­den ist, hege ich zur­zeit erns­te Zwei­fel dar­an, dass in der Schu­le die Tool­wahl auf ein LMS fal­len wird. Sei­ne Stär­ken spielt ein LMS m.E. nicht im Lern­pro­zess aus, son­dern im Bereich des Aus­tau­sches, der Eva­lua­ti­on von Lern­pro­zes­sen, der Ver­tei­lung von Best-Prac­ti­se-Set­tings. Ich wage die The­se, dass es ein fun­da­men­ta­ler Unter­schied ist, ob eine Lehr­kraft ein LMS allei­ne für sich und ein Team nutzt oder das eine gan­ze Schu­le tut.

Ein kom­mer­zi­el­ler Anbie­ter lebt übri­gens nicht von der Hal­tung. Er lebt von den Ver­gü­tun­gen für sei­ne Dienst­leis­tun­gen. Des­we­gen wirkt er im Ide­al­fall an Hal­tungs­bil­dung mit, um sein Sys­tem attrak­tiv auf dem Markt zu posi­tio­nie­ren. Er kann aber das eine zur­zeit nicht vom ande­ren tren­nen und muss daher Pro­duk­te vermarkten.Genau wie das Bil­dungs­sys­tem ver­fügt er gar nicht über die Res­sour­cen zur flä­chen­de­cken­den „Hal­tungs­bil­dung“, wohl aber über die eine oder ande­re Kom­pe­tenz in die­sem Bereich.

Was ist der Aus­weg? Ich ken­ne nur Bau­stei­ne. Zum Bei­spiel Speck für die Skep­ti­ker – eine gro­ße Grup­pe inner­halb des Schul­sys­tems. Sie haben wenig per­sön­li­che Vor­be­hal­te, aber eine Men­ge for­ma­le. Mein Speck soll ver­läss­li­che Tech­nik sein. Im Fahr­was­ser ver­läss­li­cher Tech­nik hat die Medi­en­be­ra­tung vom NLQ eine Men­ge anzu­bie­ten. Mal schau­en, ob das so klappt.

ZUM-Treffen 2011 – oder vom Wert des Bewahrens

Ich bin an die­sem Wochen­en­de einer Ein­la­dung von ZUM e.V. zu einer Ver­an­stal­tung „Lehrer spin­nen Netze“ nach Mainz gefolgt. Da gab es eine Men­ge zu ler­nen. Das Wich­tigs­te braucht eine klei­ne Geschichte:

Auf dem Rück­weg zum Bahn­hof traf ich zwei Poli­zis­ten, die an einem Sonn­tag die Kenn­zei­chen von Autos mit einer Digi­cam foto­gra­fier­ten, die in einer Lade­zo­ne im ein­ge­schränk­ten Hal­te­ver­bot abge­stellt waren. Lade­zo­ne, Sonn­tag – nun­ja. Die­ser Ton­fall schwang wahr­schein­lich mit, als sich fol­gen­der Dia­log entspann:

 Ich: Und? Wer­den die Kenn­zei­chen auch schon per Bil­der­ken­nung auto­ma­tisch in einer Daten­bank erfasst, oder tip­pen Sie die nach­her tat­säch­lich auf der Wache hän­disch ein?

Die Beam­ten: Wir müs­sen die Hal­ter erfas­sen, die hier ste­hen. Das ist eine Ladezone!

Ich: Aber wäre es nicht toll, wenn das ginge?

Dann war ich auch schon wei­ter und hin­ter­ließ zwei sicht­li­che irri­tier­te Men­schen. die so offen­bar gar nicht wuss­ten, was sie davon hal­ten soll­ten. Das Ver­fah­ren mit der Digi­cam ist ja schon­mal ein Schritt, auf den man stolz sein kann – aber es gin­ge noch bes­ser, z.B. mit einer Han­dy-App, die Art des Ver­ge­hens, Dienst­num­mer der Beam­ten, Ort, Zeit­punkt und das ermit­tel­te Kenn­zei­chen nach Bestä­ti­gung durch den Nut­zer über eine gesi­cher­te Ver­bin­dung an einen zen­tra­len Ser­ver über­mit­telt, der dann die Mahn­be­schei­de auto­ma­ti­siert erstellt und…

Ich weiß: Daten­schutz, aber es geht mir nur um das Prin­zip und um mei­nen leicht über­heb­li­chen Ton­fall, der impli­ziert, dass die Idee mit der Digi­cam nicht reicht. Die­sen Ton­fall neh­me ich im Web2.0 gegen­über eta­blier­te­ren Insti­tu­tio­nen sehr oft wahr und schlie­ße mich da auch nicht aus.

Es ist das Span­nungs­feld zwi­schen dem, was bereits da ist und dem was an Ver­än­de­run­gen erfor­der­lich ist, um das Vor­han­de­ne zu bewah­ren bzw. zu ent­wi­ckeln. Ich neh­me war, dass eini­ge Insti­tu­tio­nen, auch sol­che, die schon lan­ge im Web unter­wegs sind, sich genau in die­sem Span­nungs­feld bewe­gen, auch die Zen­tra­le für Unter­richts­me­di­en, die eigent­lich jeder Leh­rer kennt und inhalt­lich schätzt – von deren Sei­ten aber vie­le Lehr­kräf­te in unse­rer Schu­le sagen, sie sei­en so „unstruk­tu­riert“.

Das toll gele­ge­ne tra­di­tio­nel­le Tagungs­zen­trum der dies­jäh­ri­gen ZUM e.V Tagung „Leh­rer spin­nen Net­ze“ hat das Pro­blem auch lösen müs­sen – bei­de Bil­der sind vom glei­chen Stand­punkt auf­ge­nom­men – nur eine 180°-Drehung war erforderlich:

Es gibt einen Alt­bau (Links) und einen Neu­bau (rechts). Man kann sich über die Archi­tek­tur strei­ten, aber ich fin­de, dass bei­des irgend­wie zuein­an­der passt.

Ich war froh, im Gewöl­be­kel­ler des Alt­baus die wirk­lich welt­be­we­gen­den Pro­ble­me zu spä­ter Stun­de dis­ku­tie­ren zu kön­nen, im Tagungs­raum zuzu­hö­ren, zu begrei­fen, auch zu strei­ten, neue Men­schen und Pro­jek­te ken­nen­zu­ler­nen, z.B.:

  • Ganz vie­le Men­schen aus dem Ver­ein ZUM e.V., die über die Jah­re hin­weg viel auf­ge­baut und mit unglaub­li­chem Eifer und Ein­satz inhalt­lich fort­ent­wi­ckelt haben
  • ein mir bis­her unbe­kann­tes Pro­jekt aus Nie­der­sach­sen – das Vfl-Wiki – ein span­nen­der Ansatz für eine Part­ner­schaft von Schu­le, gemein­nüt­zi­gem Ver­ein und Men­schen, die auch bei ZUM e.V. aktiv sind
  • Wie­der­ent­deckt: lernmodule.net – und Uwe Kohn­le, der die­se gGmbH betreibt und auch schon auf Mood­le­Moots zu sehen war. Außer­dem hat er Kon­tak­te zu den Bil­dungs­ser­vern, zu mei­ner eige­nen Bera­tungs­struk­tur hier in Nie­der­sach­sen usw.
  • Neu ken­nen gelernt: Achim Bur­ger­meis­ter – er hat Kon­tak­te nach Kasach­stan und arbei­tet auch zeit­wei­se dort. Dazu muss man wis­sen, dass hier vor Ort durch­aus auch Spät­aus­sied­ler aus Kasach­stan leben, die viel­leicht ger­ne ein­mal Pro­jek­te machen wür­den, wenn die Chan­ce bestünde.
  • Ganz vie­len kom­pe­ten­ten und auf­ge­schlos­se­nen Men­schen tue ich Unrecht, wenn ich sie hier nicht erwäh­ne, aber ich fin­de die Aus­beu­te für einen Nach­mit­tag und Abend sowie einen hal­ben Mor­gen schon überwältigend.

Natür­lich ist ein Groß­teil die­ser Kon­tak­te auf „Pen­ding“ gesetzt – aber ich weiß, dass die Zeit dafür kom­men wird, z.B. wenn grö­ße­re Tei­le des Netz­werks hier vor Ort dann end­lich lau­fen. Soweit zum lin­ken Bild.

Das rech­te Bild steht dann mehr für ein f2f-Wie­der­se­hen mit Men­schen aus der Twit­ter-Edu-Sze­ne. Da muss natür­lich alles frisch und modern, aber auch tech­nisch auf einem neue­ren Stand sein. Bezeich­nen­der­wei­se fand man im Neu­bau des Erba­cher Hofes aller­dings die Trep­pen­häu­ser kaum, so dass man selbst für ein Stock­werk dann den Auf­zug genom­men hat. Mit dem Kon­kre­ten, Prak­ti­schen haben wir „digi­ta­len Ram­pen­säue“ (der Begriff wird sich in Bäl­de noch intrin­sisch erklä­ren) es dann manch­mal etwas weniger.

Damit sich bei­des nach­hal­tig erhal­ten kann, muss man es viel­leicht ver­net­zen und dabei das ach­ten, was schon vor­han­den und wei­ter­ge­dacht *ist*. Die Digi­cam des Poli­zis­ten ist eine gute Idee. Mein Ton in dem obe­ren Dia­log war aber wohl kein ver­bin­den­der. Ich habe einen ande­ren Blick auf das Bewah­ren bekom­men. Des­we­gen bin ich dank­bar für die­se Ein­la­dung nach Mainz.

Schulnetzwerk Reloaded

Ich hat­te ja schon vor eini­ger Zeit mei­ne Ideen für ein mög­li­ches Schul­netz­werk zusam­men­ge­tra­gen. Das war qua­si mein per­sön­li­ches Pflich­ten­heft für die Pla­nung hier vor Ort. Was soll ich sagen – es sieht ganz so aus, als wenn wir alles bekom­men wer­den, was vor allen Din­gen natür­lich das Ver­dienst unse­res Schul­trä­gers ist.

Was ist genau in den letz­ten Wochen geschehen?

  1. Ich habe viel – unglaub­lich viel tele­fo­niert. Der Elek­tri­ker vor Ort weiß, was zu tun ist. Er darf es aber nur tun, wenn der zustän­di­ge Elek­tro­pla­ner ihn dazu anweist. Der Elek­tro­pla­ner wird den Elek­tri­ker nur grü­nes Licht geben, wenn der Bau­trä­ger z.B. feh­len­de Kom­po­nen­ten nach­for­dert. Anfangs spricht man mit dem Elek­tri­ker, erkun­digt sich beim E‑Planer – Mails gehen über meh­re­re Ecken hin und her. Am Ende hat man alle Betei­lig­ten per­sön­lich gese­hen und man kom­mu­ni­ziert direkt mit Ent­schei­dungs­trä­gern. Dabei bekommt man auch sofort ver­meint­lich hei­li­ge Dia­gram­me zur geplan­ten Topo­lo­gie des Netz­werks zu sehen – direkt über den E‑Planer. Neben­bei hält man natür­lich die eige­ne Schul­lei­tung immer auf dem Lau­fen­den. Über­all läuft man im Prin­zip offe­ne Türen ein, weil ein wenig Koor­di­nie­rung durch­aus dank­bar ange­nom­men wird.
  2. Ich habe den Kon­takt zu der Fir­ma gesucht, die den tech­ni­schen Sup­port über­neh­men wird. Deren Mit­ar­bei­ter müs­sen mit dem Netz­werk zurecht­kom­men und Kom­po­nen­ten vor­fin­den, mit denen sie ver­traut sind. Also wur­den von mir auch genau die­se Kom­po­nen­ten in die Aus­schrei­bung zum E‑Planer gege­ben. Dem Bau­trä­ger muss man dabei natür­lich die Vor­tei­le ver­mit­teln: Ein Tech­ni­ker, der sich nicht groß in die vor­ge­fun­de­ne Hard­ware ein­ar­bei­ten muss, wird dau­er­haft weni­ger Stun­den für sei­ne Arbeit abrech­nen, d.h. die erwart­ba­ren Fol­ge­kos­ten sind geringer.
  3. Gemein­sam mit dem zustän­di­gen Koor­di­na­tor in der Schu­le haben wir nach Finan­zie­rungs­mög­lich­kei­ten gesucht. Manch­mal hel­fen da Haus­halts­pos­ten, die schon lan­ge bean­tragt wor­den sind – wir hat­ten Glück. Da über den Koor­di­na­tor sehr gute Kon­tak­te zum Schul­trä­ger bestehen, kön­nen natür­lich im Rah­men des Haus­halts­rechts der Land­krei­se Lösun­gen gefun­den wer­den, die manch­mal überraschen.
  4. Dabei sind in mei­nem Fall eine Rei­he von „Feri­en­ta­gen“ ins Land gegan­gen. Wenn ich in der Auf­bau­pha­se eines Net­zes jedoch viel  Auf­wand betrei­be und immer meh­re­re Stim­men höre, so wer­de ich ein Pro­dukt erhal­ten, wel­ches mir im spä­te­ren Betrieb wenig Ärger berei­tet – die­se Feri­en­ta­ge sind also eine Inves­ti­ti­on in künf­ti­ge Feri­en­zei­ten und Freistunden.

Wie sieht das Pro­dukt aus?

  1. Wir wer­den ein Netz bekom­men, wel­ches ziem­lich kom­plett mit mana­ge­ba­ren Swit­chen aus­ge­stat­tet ist. Man kann in einem sol­chen Netz über die glei­che Ver­ka­be­lung meh­re­re Net­ze auf­bau­en. Da wir ein Medi­en­zen­trum, eine Außen­stel­le der Uni­ver­si­tät im Hau­se haben und zusätz­lich einen Gebäu­de­teil gemein­sam mit einer ande­ren Schu­le nut­zen, fin­det jede Insti­tu­ti­on ihre gewohn­te Umge­bung vor. Man kann auch jedes Netz in jeden belie­bi­gen ande­ren Gebäu­de­teil rou­ten, so dass z.B. das Medi­en­zen­trum Schu­lun­gen in den Räu­me der Uni durch­füh­ren kann – und umgekehrt.
  2. Kern­stück für unse­re eige­nes Schul­netz wird der Por­tal­ser­ver iserv wer­den.  Die­ses Pro­dukt ist regio­nal auf Nie­der­sach­sen beschränkt, ver­fügt jedoch über alle von mir im Pflich­ten­heft vor­ge­dach­ten Fea­tures und eine eige­ne nie­der­säch­si­sche Sup­port­struk­tur, die es mir erst erlaubt hat, das Pro­dukt aus­gie­big zu eva­lu­ie­ren. In die Bedie­nung des iserv lässt sich jeder etwas tech­nik­af­fi­ne Kol­le­ge ein­füh­ren, so dass in Ver­bin­dung mit den loka­len Sup­port­struk­tu­ren die Funk­ti­on des Net­zes nicht an eine ein­zel­ne Per­son gebun­den ist – ein nicht zu unter­schät­zen­der Nachhaltigkeitsfaktor.
  3. Alle Über­le­gun­gen der letz­ten Wochen sind in unse­ren Medi­en­zen­trum in eine Visi­on ein­ge­flos­sen: Wir möch­ten hier in der Regi­on einen Sup­port­ver­bund eta­blie­ren, der auf loka­le Pro­duk­te und Dienst­leis­tun­gen setzt. Das klingt im Zeit­al­ter des gren­zen­lo­sen Inter­nets erst­mal alt­ba­cken. Unse­re Erfah­rung damit ist aber schon jetzt unge­mein posi­tiv – unse­re Kun­den und Benut­zer müs­sen schließ­lich damit zurecht­kom­men. Und ich weiß, dass in einem der­ar­ti­gen, auch sozia­len Sup­port­ver­bund auch nicht unbe­dingt immer auf die Zeit oder den Preis geschaut wird.  Der Ver­bund besteht idea­ler­wei­se aus Men­schen, die Dienst­leis­tun­gen erbrin­gen und dar­an neben dem erfor­der­li­chen Ver­dienst auch Freu­de haben sollen.

Was für ein Aufwand!

Ja und Nein. Ich sehe mei­ne momen­ta­ne Arbeit als Übungs­feld für mei­ne Tätig­keit als MPB-digi. Mei­ne Erfah­run­gen, die ich hier vor Ort mache, möch­te ich natür­lich auch ande­ren Schu­len der Regi­on zur Ver­fü­gung stel­len und sie bei Ver­hand­lun­gen mit Schul­trä­gern oder Fir­men unter­stüt­zen. Das was ich hier vor Ort ler­ne, hat also Syn­er­gie­ef­fek­te. Das muss es auch, denn eine Abord­nung von einer Drit­tel­stel­le muss ja auch von einem Gegen­wert beglei­tet sein.

Die Anfor­de­rung an mich erle­be ich dabei momen­tan extrem: Neben dem tech­ni­schen Wis­sen sind natür­lich auch vie­le kom­mu­ni­ka­ti­ve Kom­pe­ten­zen erfor­der­lich – und manch­mal auch viel Ver­ständ­nis für Struk­tu­ren, die eben Struk­tu­ren sind und das genau so auch sein dür­fen. Und ich ken­ne eben Schu­le – auch als Per­so­nal­rat. Schön und ent­las­tet ist der Umstand, dass ich in eine Bera­tungs­struk­tur des Lan­des mit ihren vor allem mensch­li­chen Res­sour­cen ein­ge­bun­den bin.

Ich ver­ste­he mich damit als jemand, der hilft, dem Ler­nen in der Wis­sens­ge­sell­schaft eine Grund­la­ge zu geben – ganz prak­tisch, ganz kon­kret – fern­ab von Apo­lo­gien auf eine wie auch immer gear­te­te Zukunft.

Riecken und die Verlage – Teil 3

Auf netzpolitik.org gab es ges­tern inter­es­san­tes Mate­ri­al über einen geplan­ten „Schul­tro­ja­ner“ zu lesen. Hier noch ein­mal in aller Kür­ze der bis­her bekann­te Sachverhalt:

  1. Es gibt einen Ver­trag zwi­schen den Kul­tus­mi­nis­tern der Län­der und dem Dach­ver­band der Schulbuchverlage.
  2. 1% der Schu­len sol­len mit einer Soft­ware aus­ge­stat­tet wer­den, die inner­halb des Schul­netz­werks auto­ma­tisch urhe­ber­recht­lich geschütz­tes Mate­ri­al aus­fin­dig macht
  3. UPDATE: Die dabei gefun­de­nen Daten wer­den an den Schul­trä­ger(!) über­mit­telt (der ist nicht der dis­zi­pli­na­risch Vorgesetzte) -
  4. Der Dienst­herr soll durch dis­zi­pli­na­ri­sche Maß­nah­men dafür Sor­ge tra­gen, dass dem Urhe­ber­recht an Schu­len genü­ge getan wird

Dar­über war auf den übli­chen Platt­for­men und auch in der Blogos­sphä­re viel Empö­rung zu lesen und auch sinn­ge­mäß Sät­ze wie:

  1. Schul­buch­ver­la­ge sind in der neu­en Wis­sens­ge­sell­schaft überflüssig.
  2. Schul­buch­ver­la­ge ver­die­nen kei­nen Dialog.
  3. Schul­buch­ver­la­ge pro­du­zie­ren min­der­wer­ti­ges Material
  4. Schul­buch­ver­la­ge ver­die­nen sich auf Kos­ten der All­ge­mein­heit dumm und dämlich

Das Feind­bild steht also fest – oft­mals gene­ra­li­siert, pau­schal, extrem. Ich hof­fe instän­dig, dass die­ses Ver­hal­ten nicht die oft pro­kla­mier­te „neue Wis­sens­ge­sell­schaft“ reprä­sen­tiert. Auch ich habe Pro­ble­me mit Ver­la­gen. Ich möch­te bloß ger­ne zwi­schen „Ver­lag“ und „Ver­hal­ten von Ver­la­gen“ differenzieren.

Der 1. Skandal

Das mit dem Schul­tro­ja­ner ver­bun­de­ne Ver­hal­ten ver­dient extre­me Reak­tio­nen. Hier nimmt Pri­vat­wirt­schaft öffent­li­che Insti­tu­tio­nen in die Pflicht, für Kon­se­quen­zen in zivil­recht­li­chen Fra­gen zu sor­gen. Das ist der ers­te Skandal.

Ich bin Admi­nis­tra­tor eines Schul­netz­werks. Wür­de ich ange­wie­sen, die­se Soft­ware auf Schul­sys­te­men zu instal­lie­ren, wäre die­se Anwei­sung wahr­schein­lich rechts­wid­rig. Dem Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren gegen mich auf­grund mei­ner Wei­ge­rung sähe ich gelas­sen ent­ge­gen. Alter­na­tiv wür­de mich das zur Ein­lei­tung einer Dienst­auf­sichts­be­schwer­de zwingen.

Es wird schon allein des­we­gen rechts­wid­rig sein, weil natür­lich Ver­ein­ba­run­gen bezüg­lich die­ser Über­wa­chung mit den Per­so­nal­ver­tre­tun­gen der Lehr­kräf­te getrof­fen wer­den müss­ten, damit „Ver­stö­ße“ über­haupt dis­zi­pli­nar­recht­licht geahn­det wer­den könn­ten. Die Per­so­nal­ver­tre­tung ver­dien­te ihren Namen nicht, wenn sie sich dar­auf ein­lie­ße, staat­li­che Insti­tu­tio­nen zur Durch­set­zung zivil­recht­recht­li­cher Inter­es­sen der Pri­vat­wirt­schaft zu funktionalisieren.

Die Ver­la­ge müss­ten eigent­lich direkt gegen ihre „Kun­den“ vor­ge­hen – das ist natür­lich pro­ble­ma­tisch für den Umsatz. Der Schul­tro­ja­ner, der tech­nisch kei­ner ist und den es noch nicht ein­mal geben dürf­te, scheint da der „bes­se­re“ Weg zu sein – der nun toben­de Shit­s­torm dürf­te die Mar­ke­ting­ab­tei­lun­gen wahr­schein­lich etwas beschäftigen.

Der 2. Skandal

Der zwei­te Skan­dal wür­de dar­in bestehen, dass  mein Dienst­herr sei­nen Sorg­falts- und Für­sor­ge­pflich­ten mir gegen­über nicht nach­kä­me, wenn er tat­säch­lich einen Ver­trag unter­zeich­net, der poten­ti­ell rechts­wid­ri­ge For­mu­lie­run­gen und Bedin­gun­gen ent­hält. Von mir als Beam­ter wer­den stets akku­ra­te Befol­gung der gesetz­li­chen Vor­ga­ben erwar­tet und eben Loya­li­tät – die funk­tio­niert aber nur, wenn sie zwei­sei­tig ange­legt ist. Mir lie­gen kei­ne gesi­cher­ten Infor­ma­tio­nen dar­über vor, wie sich mein Dienst­herr tat­säch­lich ver­hal­ten hat und wie die dis­ku­tier­ten Pas­sa­gen des Ver­tra­ges tat­säch­lich recht­lich zu bewer­ten sind.

Tech­ni­sche Betrachtungen

Da es für die Kopie in Papier­form mitt­ler­wei­le recht libe­ra­le und prag­ma­ti­sche Rege­lun­gen gibt – und auch pau­scha­le Ver­gü­tungs­sät­ze für die Ver­la­ge, muss ein Schul­tro­ja­ner es vor allen Din­gen auf digi­ta­li­sier­te Buch­sei­ten und Arbeits­blät­ter sowie nicht lizen­sier­te Ver­lags­soft­ware „abge­se­hen“ haben. Wäh­rend letz­te­re durch recht ein­fa­che Heu­ris­ti­ken zu erken­nen sein dürf­te, sieht das bei digi­ta­li­sier­ten „Papier­ori­gi­na­len“ schon ganz anders aus, denn:

  1. Wie soll ein sol­ches Pro­gramm Ver­lags­in­hal­te „sicher“ erken­nen, ohne wahl­los alle Datei­en einem „Deep“-Scan zu unter­zie­hen, der zusätz­lich auch noch auf OCR-Mecha­nis­men zurück­grei­fen müsste?
  2. Wie soll ein sol­ches Pro­gramm „unli­zen­sier­tes Mate­ri­al“ melden?
  3. Wie soll ein sol­ches Pro­gramm in heu­ti­gen Schul­net­zen zwi­schen Pri­vat­ge­rä­ten mit Ord­ner­frei­ga­ben und Schul­rech­nern unterscheiden?
  4. Ist die Datei auf des Fest­plat­te des Schul­ko­pie­rers eine unli­zen­sier­te „digi­ta­le Kopie“? (Das Ding müsst ihr euch echt mal ansehen…)
  5. usw.

Schluss­end­lich: Wie kann ein sol­ches Pro­gramm im Ein­klang mit gel­ten­den Daten­schutz­richt­li­ni­en über­haupt arbeiten?

Unqua­li­fi­zier­ter Sei­ten­hieb: Den Daten­schutz wol­len ja vie­le sowie­so abschaf­fen – das Pro­blem bestün­de dann natür­lich nicht…

War­um ich Ver­la­ge als Insti­tu­ti­on nicht so gene­rell doof fin­den kann

  1. Auch eine uto­pi­sche Gesell­schaft mit bedin­gungs­lo­sem Grund­ein­kom­men basiert auf For­men von Wert­schöp­fung, gera­de in einer glo­ba­li­sier­ten Welt
  2. Nicht jeder gute Autor ist in der Lage, selbst im Netz geeig­ne­te Stra­te­gien zu fin­den, um sei­ne wirt­schaft­li­che Exis­tenz zu sichern, bzw. Wert­schöp­fung für eine auf bedin­gungs­lo­sem Grund­ein­kom­men basie­ren­de Gesell­schaft zu betreiben.
  3. Nicht das gesam­te Mate­ri­al in den Back­lis­ten von Ver­la­gen ist völ­lig unge­eig­net und schlecht – als Stein­bruch taugt z.B. auch unvoll­kom­me­nes Material
  4. Nicht jeder Ver­lag legt tyran­nisch fest, was zu ler­nen ist. Ich beob­ach­te zur­zeit im Bereich des Unter­richts­ma­te­ri­als eine Fle­xi­bi­li­sie­rung und Diver­si­fi­zie­rung – weil der Wis­sens­ka­non eben nicht durch Ver­la­ge, son­dern viel­mehr durch Cur­ri­cu­lums­kom­mis­sio­nen vor­ge­ge­ben wird. Das wird m.E. das „tro­ja­ni­sche Pferd“ für Ver­än­de­run­gen in der Schul­buch­ver­lags­land­schaft werden.
  5. Es gibt Ver­la­ge, die mich fair behan­delt haben. Das waren klei­ne, enga­gier­te Unter­neh­men mit Netz­af­fi­ni­tät und neu­en Ideen für die eige­ne Wertschöpfung.
  6. Mir macht das inhalt­li­che Niveau von man­chen Dis­kus­si­ons­pro­zes­sen im Netz schon sehr viel Sor­ge – z.B. beob­ach­te ich, dass bei der Bewer­tung netz­po­li­ti­scher The­men (z.B. Daten­schutz, Face­book) oft­mals m.E. völ­lig naiv und selek­tiv dis­ku­tiert wird, indem man sich das aus Tex­ten her­aus liest, was man sofort und ohne Mühe ver­steht – wer hat sich schon inten­siv mit den Wireshark­pro­to­kol­len zu den Face­book­coo­kies aus­ein­an­der­ge­setzt? Da wäre auf­be­rei­te­tes Mate­ri­al von den oft ach so ver­pön­ten Exper­ten manch­mal nicht schlecht, um auch als Laie zu wis­sen, wovon ich da eigent­lich rede – ich könn­te das ver­ste­hen, aber ich habe nicht die Zeit dafür… Die kau­fe ich mir halt. Dabei kön­nen Ver­la­ge z.B. durch Lek­to­rats­dienst­leis­tun­gen durch­aus helfen.
  7. usw.

Mir gefällt vie­les nicht an (Groß-)Verlagen. Ich habe aber auch nichts dage­gen, dass sie Wert­schöp­fung betrei­ben, z.B. für mein Grund­ein­kom­men. Im Web2.0 wer­den ja auch in freund­schaft­li­cher Atmo­sphä­re z.B. Kur­se ver­tickt, für deren Inhal­te man bezahlt. Die Ver­la­ge haben viel ver­säumt – z.B. sich zu über­le­gen, wie ihre eige­ne Wert­schöp­fung in der digi­ta­len Welt funk­tio­nie­ren kann, wie sie fai­re Autoren­ver­trä­ge hin­be­kom­men, die moti­vie­ren, wie sie… 999 Punk­te, die es zu dis­ku­tie­ren gilt und die eng mit­ein­an­der ver­knüpft sind. Aber ob wir sie nicht mehr brau­chen in der „Wis­sens­ge­sell­schaft“? Wer weiß das? Ich zumin­dest nicht. Mei­ne Glas­ku­gel scheint im Gegen­satz zu ande­ren Glas­ku­geln ein­fach nur kaputt zu sein.

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