Elternvorträge zur Handy- und Internetnutzung

Ich habe in den letz­ten Wochen zwei Vor­trä­ge zum The­ma Han­dy- und Inter­net­nut­zung vor jeweils ca. 60 Per­so­nen gehal­ten. Die Ver­an­stal­tun­gen wur­den in bei­den Fäl­len aus­gie­big bewor­ben – ein­mal sogar durch einen Radio­spot und es gab immer kon­kre­te Vor­fäl­le im Bereich „Sex­ting“, auf­grund derer ich von Kol­le­gen gefragt und ange­spro­chen wor­den bin. Ich nut­ze für den Vor­trag die­se Pre­zi, vor­wie­gend jedoch mich als Per­son und Din­ge wie Kon­takt zum Publikum:

Pha­se 1:

Ich stel­le mich in mei­nen Funk­tio­nen und Rol­len kurz vor: Medi­en­be­ra­ter, Leh­rer, Blog­ger und Inter­net­nut­zer, Fami­li­en­va­ter. Ich mache das bewusst.

Als Medi­en­be­ra­ter habe ich sehr viel mit unter­schied­li­chen Schu­len und Schul­for­men und deren spe­zi­fi­schen Her­aus­for­de­run­gen zu tun. Aus der „gym­na­sia­len War­te“ stellt sich man­ches etwas ein­ge­färbt dar.

Als Blog­ger erfah­re ich viel im und pro­fi­tie­re stark von „die­sem Inter­net“. Ich stel­le her­aus, dass mei­ne Art zu unter­rich­ten viel mit dem Netz zu tun hat.

Als Vater von gar nicht ein­mal so weni­gen Kin­dern (4,6,8,10,12 Jah­re) bin ich täg­lich mit Her­aus­for­de­run­gen im Bereich der „Bil­dung mit Medi­en“ kon­fron­tiert (wir bevor­zu­gen hier zu Hau­se übri­gens eine mög­lichst medi­en­ar­me Erzie­hung und fah­ren damit bis­her ganz gut – eigent­lich dürf­te es Men­schen wie mich nach Ansicht so man­cher Web2.0er gar nicht geben – mei­ne Jugend war weit­ge­hend frei von vir­tu­ell ver­mit­tel­ter Ver­net­zung bzw. Rea­li­tät, ich glau­be, dass ich das trotz­dem irgend­wie hin­be­kom­me). Gera­de im Umgang mit Eltern pro­fi­tie­re ich davon, zuneh­mend mehr eige­ne schul­pflich­ti­ge Kin­der zu haben.

Pha­se 2:

Im Wesent­li­chen geht es um drei Gedanken:

  1. Ein Han­dy ist kein Tele­fon. Kin­der und Jugend­li­che machen damit alles – außer zu tele­fo­nie­ren. Das ist für manch einen überraschend.
  2. Ein Han­dy ent­hält umfang­rei­che­re und sen­si­ble­re Infor­ma­tio­nen als das gute, alte Tage­buch. Dem­entspre­chend hef­tig wird es gegen Zugrif­fe oder Zugriffs­ver­su­che von außen ver­tei­digt wer­den. Man greift als Eltern­teil in einen essen­ti­el­len Teil des Lebens eines Jugend­li­chen ein, wenn man die Hand auf das Han­dy legt.
  3. Ein Han­dy wird tat­säch­lich zu einer Men­ge sehr nütz­li­cher Din­ge ver­wen­det, z.B. zu schu­li­schen Zwecken.

Pha­se 3:

Ich the­ma­ti­sie­re Sex­ting, Por­no­gra­phie und stell­ver­tre­tend für eine ganz Rei­he von „Ange­bo­ten“ auch Din­ge wie Anore­xie- und „Bor­der­line­fo­ren“ (als Sam­mel­be­griff für vir­tu­el­le Treff­punk­te von Men­schen mit dis­so­zia­ti­ven Stö­run­gen). Ich wei­se dar­auf­hin, dass kei­ne die­ser Erschei­nun­gen die Erfin­dung von Kin­dern und Jugend­li­chen, son­dern ledig­lich Adap­tio­nen aus der Erwach­se­nen­welt sind. Cyber­mob­bing las­se ich bewusst außen vor, da die­ses Feld schon inten­siv beackert wird.

Pha­se 4:

Ein Kern­ge­dan­ke ist der fol­gen­de: Nie­mand wür­de einen Vier­jäh­ri­gen auf einem Fahr­rad im Dun­keln einen unbe­kann­ten Weg fah­ren las­sen und dabei erwar­ten, dass alles glatt geht. Im über­tra­ge­nen Sin­ne pas­siert das aber mei­ner Ansicht nach oft im Bereich der Han­dy­nut­zung: Das Gerät liegt unter dem Weih­nachts­baum und das war es dann oft auch schon an Beglei­tung. Umge­kehrt wür­den nie­mand ernst­haft Kin­dern und Jugend­li­chen das Fahr­rad­fah­ren ver­bie­ten – dafür bie­tet es neben den Gefah­ren ein­fach zu vie­le Vorteile.

Pha­se 5:

Kern­ge­dan­ke: Auch der Umgang mit dem Han­dy braucht Beglei­tung und Inter­es­se. Die­ses Inter­es­se soll­te sich nie auch kon­kre­te Inhal­te, son­dern allen­falls auf Apps bezie­hen, weil das Han­dy eben hoch­gra­dig essen­ti­el­le Funk­tio­nen für eine Jugend­li­chen hat. Viel­leicht lässt sich so Stück für Stück Ver­trau­en auf­bau­en, so dass sich Kin­der mit anstö­ßi­gen Inhal­ten eher an Erwach­se­ne wenden.

Pha­se 6:

Mit ein paar Impul­sen ver­su­che ich nach ca. 45 Minu­ten ein Gespräch im Publi­kum zu initi­ie­ren. Dabei sind inter­es­san­te Din­ge gesche­hen, z.B. bemer­ken Eltern, dass sie mit ihren Pro­ble­men im Umgang mit die­sen Gerä­ten bzw. deren „Regle­men­tie­rung“ nicht allei­ne sind (es kom­men zu sol­chen Aben­den zumeist eh eher die enga­gier­ten Eltern). Es ist kei­ne Schan­de, hilf­los zu sein, kei­ne Patent­re­zep­te zu haben, da gera­de im Bereich des Inter­net gesell­schaft­lich und poli­tisch noch vie­les nicht aus­ge­han­delt ist. Die Hilf­lo­sig­keit ent­bin­det aber nicht davon, etwas zu tun. Die Fra­ge, ob es z.B. „gut“ ist, Nackt­bil­der wei­ter zu ver­tei­len, ist zunächst ein­mal ja kei­ne technische.

Ich kann auf sol­chen Ver­an­stal­tun­gen immer Visi­ten­kar­ten ver­tei­len und kom­me mit Schu­len in Kon­takt. Dar­aus erwächst dann manch­mal eine inten­si­ve­re Zusam­men­ar­beit. Vie­le für mich in mei­ner Arbeit rele­van­ten Akteu­re befin­den sich nicht täg­lich in „die­sem Inter­net“ und wären daher für mich dann nicht erreichbar.

 

Akt der Notwehr – Reaktionen auf die Arbeitszeiterhöhungen

Schu­len in Han­no­ver strei­chen die Klas­sen­fahr­ten, um einen Aus­gleich für die anste­hen­de Mehr­ar­beit zu schaf­fen (vgl. Arti­kel hier im Blog). Der Phi­lo­lo­gen­ver­band Nie­der­sach­sen arbei­tet dezi­diert und sach­ori­en­tiert mit Mythen zur Leh­rer­ar­beits­zeit auf. Das Kul­tus­mi­nis­te­ri­um legt sei­ne Plä­ne zur bes­se­ren Aus­stat­tung von Bil­dungs­in­sti­tu­tio­nen offen. Die finan­zi­el­le Rea­li­sie­rung die­ser Plä­ne wird einer­seits durch Erhö­hung der Mit­tel für Bil­dung durch die Poli­tik geleis­tet, ande­rer­seits durch Maß­nah­men wie die Arbeits­zeit­er­hö­hung und Strei­chung der Alters­re­ge­lun­gen aus dem Sys­tem selbst „gewon­nen“.

Ich den­ke nicht, dass irgend­ei­ne Hoff­nung besteht, dass die Poli­tik die bereits beschlos­se­nen und zur Finan­zie­rung ande­rer Pro­jek­te genutz­ten Ver­än­de­run­gen zurück­neh­men wird. Ich den­ke auch nicht, dass eine direk­te, sach­ori­en­tier­te Reak­ti­on auf die­se Maß­nah­men erfolg­reich sein wird.

Den­noch macht man sich in vie­len Gym­na­si­en in Nie­der­sach­sen Gedan­ken, wie man mit die­sen Arbeits­zeit­er­hö­hun­gen umgeht. Beam­te sind ali­men­tiert. Rein logisch könn­te man tat­säch­lich an Stel­len Arbeits­zeit redu­zie­ren, die nicht zwin­gend durch die Auf­ga­ben­be­schrei­bung einer Lehr­kraft abge­deckt sind.

Das sind z.B. Klas­sen­fahr­ten, Exkur­sio­nen, AGs, sozia­le Ange­bo­te wie Streit­schlich­ter, Kon­zer­te, Sport- und Schul­fes­te, Inter­net­auf­trit­te und ja, auch mei­ne Art der Schul­netz­werk­ad­mi­nis­tra­ti­on gehört dazu – ich soll das Netz­werk koor­di­nie­ren und wei­ter­ent­wi­ckeln – für das Hand­an­le­gen wer­de ich eigent­lich nicht bezahlt, eher für die Auf­trags­er­tei­lung an Fachfirmen.

Der Dienst­herr wird die­ses Dilem­ma wahr­schein­lich erken­nen, da es die ein­zi­ge Achil­les­fer­se in sei­ner öffent­li­chen Dar­stel­lung ist. Der Dienst­herr wird nach mei­nen Schät­zun­gen  die Kor­rek­tur­be­las­tun­gen an Gym­na­si­en an die­je­ni­ge ande­rer Bun­des­län­der anglei­chen, d.h. zumin­dest die Anzahl der zu schrei­ben­den Arbei­ten in der Mit­tel­stu­fe redu­zie­ren. Damit wäre dann tat­säch­lich ein spür­ba­rer Aus­gleich geschaf­fen und ein wesent­li­ches Argu­ment der „Wider­ständ­ler“ ausgehebelt.

Wenn es einen sol­chen „Deal“ nach einer öffent­li­chen Debat­te geben wird: Ist Bil­dung am Gym­na­si­um dadurch dann nach­hal­tig ver­bes­sert wor­den? Wie sieht mit dem Bil­dungs­sys­tem in Nie­der­sach­sen dann ins­ge­samt aus? Macht es Fortschritte?

Wenn es so kommt – was soll ein Gym­na­si­um als Reak­ti­on beschließen?

Auch wenn es gebets­müh­len­ar­tig z.B. von Ver­bän­den behaup­tet wird: Dass der Beruf des Leh­rers in der Öffent­lich­keit an Anse­hen gewinnt, sehe ich allen­falls in Umfra­gen. Wit­zi­ger­wei­se for­dern gera­de Ver­bän­de ihre Mit­glie­der dazu auf, an Umfra­gen teil­zu­neh­men – sta­tis­tisch schon eine rele­van­te Stör­grö­ße. Vie­le der übli­chen Ste­reo­ty­pe bestehen in mei­nem Umfeld weiterhin.

Ich sehe eine Gefahr dar­in, die­se Ste­reo­ty­pe durch irgend­wel­che Aktio­nen zu bestä­ti­gen – das wird z.B. der Fall sein, wenn man Klas­sen­fahr­ten streicht oder die Strei­chung androht – bei bereits geplan­ten Aktio­nen tritt zusätz­lich das Pro­blem auf, wie man mit Vor­leis­tun­gen (Buchun­gen, Anzah­lun­gen etc.) sau­ber umgeht. Schu­len aus mei­nem Umkreis ver­su­chen dem zu begeg­nen, indem sie Dienst nach Vor­schrift andro­hen – wird die­se Dro­hung dann auch tat­säch­lich Rea­li­tät? Wenn sie Rea­li­tät wird – wie lan­ge bleibt sie das dann auch? Es soll z.B. ja auch Lehr­kräf­te mit Fami­lie geben, die aus einer ande­ren Posi­ti­on her­aus Inter­es­se an einem leben­di­gen Schul­le­ben haben.

Die Gefahr besteht für mich dar­in, dass wir die Soli­da­ri­tät und Unter­stüt­zung der­je­ni­gen dadurch ver­lie­ren, die wir für eine poli­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung drin­gend benö­ti­gen. Die kurz- und mit­tel­fris­ti­ge Akti­vie­rung durch sol­che Aktio­nen mag aller­dings klappen.

Ich ver­tre­te die Theo­rie, dass Schu­le in der Öffent­lich­keit als sehr wenig trans­pa­rent wahr­ge­nom­men wird. Und ich neh­me war, dass Eltern und Schü­le­rin­nen sowie Schü­ler mit recht gerin­ger insti­tu­tio­nel­ler Macht an Schu­len aus­ge­stat­tet sind – der Schul­vor­stand hier in Nie­der­sach­sen böte aller­dings eine Gele­gen­heit zu star­ker Par­ti­zi­pa­ti­on, setzt aber ein poli­ti­sches Bewusst­sein der Akteu­re voraus.

Die ein­zi­ge Chan­ce zu wirk­li­chen Refor­men bie­tet ent­we­der der schon oft pro­gnos­ti­zier­te Break­down des Bil­dungs­sys­tems (der Pati­ent ist aber zäh) oder die geziel­te poli­ti­sche Akti­vie­rung von Eltern sowie Schü­le­rin­nen und Schü­lern – sie sind schließ­lich nicht treue­pflich­tig oder an Dienst­we­ge gebunden.

Die Arbeits­zeit­er­hö­hung für Gym­na­si­al­lehr­kräf­te ist m.E. eine der gering­fü­gi­ge­ren Her­aus­for­de­run­gen im Bil­dungs­sys­tem, son­dern steht eher im Zei­chen der sich nach mei­ner Wahr­neh­mung in vie­len sozia­len Kon­tex­ten aus­brei­ten­den Hal­tung: „Mehr Qua­li­tät durch weni­ger Per­so­nal und mehr Eva­lua­ti­on“ – man möge z.B. ein­mal mit Alten­pfle­gern, Kran­ken­schwes­tern, Kin­der­be­treu­ungs­ein­rich­tun­gen oder sogar der Poli­zei sprechen.

Idee

Jeden Tag lädt eine Schu­le eine Woche lang zehn Exter­ne ein, eine Lehr­kraft einen Tag bei ihrer Arbeit zu beglei­ten. Bedin­gun­gen: Der Exter­ne setzt sich, wenn sich die Lehr­kraft setzt. Der Exter­ne trinkt einen Kaf­fee, wenn die Lehr­kraft einen Kaf­fee trinkt. Der Exter­ne schreibt ein paar Zei­len zu sei­nen Ein­drü­cken. Sowas muss natür­lich in der Pres­se ange­kün­digt wer­den. Und es soll­ten mög­lichst vie­le Schu­len unter­schied­li­cher Schul­for­men in einer Regi­on dar­an teilnehmen.

Was soll das bringen?

  • Es ver­mit­telt der Öffent­lich­keit einen Ein­druck von der Arbeit an einer Schule
  • Es rich­tet den Blick dar­auf, dass nicht nur Gym­na­si­en vor Her­aus­for­de­run­gen ste­hen, son­dern auch ande­re Schulformen
  • Es setzt ein Zei­chen, dass schul­über­grei­fen­de Zusam­men­ar­beit und schul­über­grei­fen­de Wahr­neh­mung mög­lich ist
  • Es hilft ggf. dabei, Ste­reo­ty­pe in einen erfahr­ba­ren Kon­text zu stellen
  • Es schafft mehr Trans­pa­renz über die Abläu­fe und tat­säch­li­chen Belas­tun­gen an einer Schule
  • Es bie­tet unsi­che­ren Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen einen gewis­sen Schutz – es muss sich ja nie­mand „outen“

Ich glau­be nicht, dass wir als Beam­te in nen­nens­wer­tem Umfang allein das not­wen­di­ge poli­ti­sche Gewicht bekom­men kön­nen, wel­ches drin­gend not­wen­dig wäre. Daher kann die Öff­nung des Sys­tems nach außen – mit allen ver­meint­li­chen „Gefah­ren“ – m.E. schon etwas bewirken.

Der Worst-Case wäre für mich fol­gen­der: Die Gym­na­si­en beschlie­ßen allei­ne, Arbeits­zeit durch Strei­chung außer­un­ter­richt­li­cher Akti­vi­tä­ten zu redu­zie­ren (in denen oft viel mehr gelernt wird als im Unter­richt!). Dann kommt der Dienst­herr und redu­ziert sei­ner­seits z.B. die Kor­rek­tur­be­las­tung. Was dann? Alles zurück­neh­men? Man hat ja schließ­lich nur ange­droht – und Din­ge wie die Inklu­si­on kom­men am Gym­na­si­um irgend­wann auch noch an – neue Run­de, neu­es Spiel?

Am 9. Dezem­ber fin­det die ent­schei­den­de Sit­zung im Land­tag statt. Man darf gespannt sein.

Riecken im NDR

Mein Schul­lei­ter war gemein­sam mit ande­ren Schul­lei­tern der Regi­on so mutig, Tei­le mei­nes Brie­fes tat­säch­lich in Form einer Eltern­in­for­ma­ti­on mit Rück­lauf herauszugeben.Das ist hoch anzu­rech­nen – gera­de bei so einem bri­san­ten Thema.

Ges­tern (unter­richts­frei­er Tag für mich) klin­gel­te dann mein Han­dy um 9:45h. „Hal­lo, Herr Riecken, hier der NDR, wir wären doch schon heu­te an der Schu­le, hät­ten sie Zeit vor­bei­zu­kom­men?“ Klar hat­te ich. Ein ganz klein wenig anhüb­schen (nor­ma­ler­wei­se sehe ich noch wüs­ter aus) und ab auf’s Fahrrad.

Vor der Schu­le stand schon die Kame­ra. Ganz kurz wur­den die Fra­gen bespro­chen und schon stand ich im Licht des LED-Schein­wer­fers mit einem Püschel­mi­kro vor dem Bauch (die Ton­frau war die zier­lichs­te Per­son mit den meis­ten Gerä­ten um sich her­um). Anschlie­ßend noch ein locke­res Gespräch mit dem Team und schon war alles vorbei.

Dann kam die Auf­re­gung, die sich noch mal stei­ger­te, als die ers­ten SMS mit „Hey, du bist im Fern­se­hen!“ ein­tra­fen. Offen­bar lief der Bei­trag (wird bald depu­bli­ziert) sogar regu­lär im Vor­abend­pro­gramm – ich selbst konn­te mir das Gan­ze erst spä­ter anschau­en (VDR-Auf­nah­me).

Wei­te­re Ver­öf­fent­li­chun­gen in der Pres­se (unvoll­stän­dig):

http://www.rhein-zeitung.de/startseite_artikel,-Schulleiter-warnen-vor-Sexting-bei-Jugendlichen-_arid,1060494.html

http://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1209898

http://www.noz.de/deutschland-welt/medien/artikel/424684/nacktfotos-als-tauschobjekt-lehrer-warnen-vor-sexting-trend

… also durch­aus über­re­gio­na­le Aus­ma­ße. Ich bin gespannt, wie es jetzt wei­ter­geht und ob die Not­wen­dig­keit für mehr Medi­en­kom­pe­tenz­ver­mitt­lung in Schu­len dadurch stär­ker gese­hen wird. Ich möch­te die Sup­pe jetzt hier in mei­nem „Beritt“ (ein net­tes Wort) stär­ker am Kochen hal­ten – der nächs­te Schritt wäre viel­leicht ein Vor­trag, der die Chan­cen und Risi­ken der vir­tu­el­len Welt glei­cher­ma­ßen beleuchtet.

Datenschutzformalia für Schulen in Niedersachsen

Ich habe ein­mal ein wenig recher­chiert und zusam­men­ge­tra­gen, was nach mei­ner Auf­fas­sung eine Schu­le an Papie­ren hier in Nie­der­sach­sen pro­du­zie­ren muss, um grund­le­gen­de Daten­schutz­auf­la­gen zu erfül­len – die juris­ti­schen Kom­men­ta­re zu den Vor­schrif­ten habe ich noch nicht alle gelesen:

1. Daten­schutz­be­auf­trag­ter

Ein Daten­schutz­be­auf­trag­ter muss benannt sein (§8a NDSG).

  1. Er muss nicht der Schu­le angehören
  2. Er muss über Sach­kennt­nis und Zuver­läs­sig­keit verfügen
  3. Er darf durch die Bestel­lung kei­nem Inter­es­sens­kon­flikt aus­ge­setzt sein
  4. Er muss sei­ne Arbeit jeder­mann ver­füg­bar machen

Der Sys­tem­ad­mi­nis­tra­tor kann also nicht Daten­schutz­be­auf­trag­ter sein, da ein Inter­es­sens­kon­flikt besteht – schließ­lich müss­te er sich selbst kontrollieren.

2. Ver­fah­ren­be­schrei­bun­gen

Jedes Ver­fah­ren, bei dem Daten Drit­ter in der Schu­le ver­ar­bei­tet wer­den, bedarf einer Ver­fah­rens­be­schrei­bung gemäß §8 NDSG.

Typi­scher­wei­se wird das in der Schu­le gel­ten für:

  1. Schü­ler­ver­wal­tungs­pro­gram­me (DANIS, Sibank …)
  2. Office­pro­gram­me (Lis­ten, Kol­le­gi­ums­da­ten etc.)
  3. Ober­stu­fen­ver­wal­tung (Apol­lon)
  4. Stun­den­pla­nung­pro­gramm (UNTIS etc.)
  5. Zeug­nis­pro­gram­me (Win­ZEP etc.)
  6. usw. (hängt von den Ver­wal­tungs­struk­tu­ren ab)

3. Ver­pflich­tungs­er­klä­run­gen von Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen gemäß Erlass „Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten auf pri­va­ten Infor­ma­ti­ons­tech­ni­schen Sys­te­men (IT Sys­te­men) von Lehr­kräf­ten“

Die Ver­pflich­tungs­er­klä­rung ERSETZT hier die sonst not­wen­di­ge Ver­fah­rens­be­schrei­bung – schließ­lich ist das ja durch die Erlass­vor­ga­be eine Rechts­norm. Es ist NICHT not­wen­dig Ver­fah­rens­be­schrei­bun­gen für jedes denk­ba­re Ver­fah­ren auf einem pri­va­ten Gerät zu erstellen.

4. Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten durch Dritte

Bei­spie­le:

  • Lern­stands­er­he­bun­gen durch Verlage
  • durch Anbie­ter gehos­te­te Lernplattformen
  • digi­ta­le Klassenbücher
  • etc.

Hier haben wir zwei Konstrukte:

a) Es gibt ein Ver­trags­ver­hält­nis zwi­schen Schu­le und Anbie­ter. Dafür braucht man einen Ver­ein­ba­rung zur Auf­trags­da­ten­ver­ar­bei­tung. Zusätz­lich ist eine Ver­fah­ren­be­schrei­bung     notwendig.

b) Es gibt nach wie vor ein Für­sor­ge­ver­hält­nis zwi­schen Schu­le und Schü­lern bzw. Eltern. Wenn z.B. der Nach­weis nicht erbracht wer­den kann, dass es erfor­der­lich ist (und das ist lt. Schul­ge­setz z.Zt. juris­tisch fast immer wack­lig), dass die Daten im Auf­trag ver­ar­bei­tet     wer­den, braucht man eine Ein­wil­li­gungs­er­klä­rung der Betroffenen.

Abso­lut unüber­sicht­lich wird es, wenn der Ver­lag z.B. die Test­soft­ware zur Lern­stands­er­he­bung nicht selbst hos­tet, son­dern sich wie­der­um bei einem Dienst­leis­ter ein­ge­mie­tet hat. Dann braucht man eine wei­te­re Ver­ein­ba­rung zur Auf­rags­da­ten­ver­ar­bei­tung (Unter­ver­ein­ba­rung) zwi­schen die­sem Dienst­leis­ter, z.B. dem Rechen­zen­trums­be­trei­ber und dem Ver­lag, die auch dem LfD auf Anfra­ge vor­ge­legt wer­den muss.

5. Ein­wil­li­gungs­er­klä­run­gen

Für ALLE Arten der Daten­ver­ar­bei­tung, die gemäß NSchG NICHT erfor­der­lich sind.

  1. Ver­wen­dung von Fotos (Schul­home­page, Leh­rer­ka­len­der, Noten­ver­wal­tung von Lehr­kräf­ten etc.)
  2. Wei­ter­ga­be von Adress­da­ten (Tele­fon, E‑Mail, Adres­se) an z.B. den Klas­sen­leh­rer aber auch Eltern
  3. Ver­wen­dung von Schü­ler­ar­bei­ten bei jeder Art von Veröffentlichung
  4. Schul­netz­werk (Nut­zungs­ver­ein­ba­rung, Auf­klä­rung über Art um Umfang der Daten­ver­ar­bei­tung im päd­ago­gi­schen Netz)
  5. WLAN-Nut­zungs­ver­ein­ba­rung, wenn durch Lehr­kräf­te und/oder SuS genutzt
  6. Gibt es ggf. wei­te­re Daten­ver­ar­bei­tungs- und Ver­öf­fent­li­chungs­pro­zes­se, die z.B. die Belan­ge des Per­so­nals betreffen?
  7. [ … ]

Tech­ni­scher Datenschutz

Wo ste­hen die IT-Sys­te­me mit sen­si­blen Daten?
Wer hat Zugriff auf die Pass­wör­ter? Wie kom­plex sind die Pass­wör­ter? Wann wer­den sie ausgestauscht?
Was pas­siert bei Dieb­stahl oder Beschä­di­gung der daten­ver­ar­bei­ten­den Systeme?
Was pas­siert bei einem z.B. krank­heits­be­ding­ten Aus­fall des Systemadministrators?
Wie kann ich den Aus­kunfts­an­spruch gem. §16 NSchG mit ver­tret­ba­rem Auf­wand in ver­tret­ba­rem Zeit­rah­men sicherstellen?

Tja. Die­se Lis­te ist garan­tiert weder voll­stän­dig noch kom­plett kor­rekt. Es feh­len noch diver­se Rege­lun­gen bezüg­lich des Urhe­ber­rechts, das ger­ne mal mit dem Daten­schutz ver­mischt wird. Wei­ter infor­mie­ren kann man sich auf dem Nibis anschauen.

Ich will das nicht wei­ter kom­men­tie­ren, fän­de es aber schön, wenn:

  • das Schul­ge­setz ver­bind­li­che und kon­kre­te Vor­ga­ben dar­über macht, wel­che Daten von SuS ver­ar­bei­tet wer­den dürfen
  • wei­te­re Ver­fah­rens­be­schrei­bun­gen durch den Dienst­herrn erstellt würden
  • Mus­ter­tex­te durch den Dienst­herrn erstellt wür­den (Nut­zungs­ord­nung, Ein­wil­li­gung in Ver­wen­dung von Fotos etc.)
  • all­ge­mein der Dienst­herr sich sei­ner Schu­len im Rah­men der Für­sor­ge­pflicht in Bezug auf den Daten­schutz noch mehr annimmt, als er das jetzt schon tut (das war doch jetzt diplo­ma­tisch, oder?)

Größ­ten­teils haben wir hier näm­lich For­ma­lis­men. Die Cur­ri­cu­la schrei­ben mehr und mehr die Nut­zung digi­ta­ler Medi­en vor oder legen sie nahe. Dann muss die Rechts­ord­nung das auch ermög­li­chen und eine kla­re Ori­en­tie­rung bie­ten. Schu­len sol­len nach mei­ner Wahr­neh­mung noch ande­re Din­ge zu tun haben, als sich um den Daten­schutz zu küm­mern. Zudem sit­zen dort eher Lehr­kräf­te als Volljuristen.

Die Post-Privacy-Falle im Kontext kollektiver Naivität

Micha­el See­mann und ande­re arbei­ten sich am Begriff „Post-Pri­va­cy“ geis­tes­wis­sen­schaft­lich ab. Was bedeu­tet „Post-Pri­va­cy“?

Post-Pri­va­cy (aus­ge­spro­chen bri­tisch [pəʊst ˈpɹɪv.É™.si], ame­ri­ka­nisch [poÊ­Šst ˈpɹaɪ.vÉ™.si], über­setzt „Was nach der Pri­vat­heit kommt“) ist ein Begriff, der einen Zustand beschreibt, in dem es kei­ne Pri­vat­sphä­re mehr gibt und Daten­schutz nicht mehr greift.[1]

Quel­le: http://de.wikipedia.org/wiki/Post-Privacy

Sehr grob gespro­chen meint Post-Privacy:

Jedes weiß alles über jeden oder kann sich mit geeig­ne­ten Instru­men­ten die­ses Wis­sen ver­schaf­fen – unab­hän­gig vom jewei­li­gen Sta­tus der Per­son in der Gesellschaft.

Eine reiz­vol­le Vorstellung:

  • … das Par­tei­spen­den­kon­strukt eines Hel­mut Kohl entzaubern
  • … die Ver­trä­ge von Toll-Coll­ect einsehen
  • … Licht in die Cau­sa Wulff bringen
  • … usw.

Eine für mich nicht so reiz­vol­le Vor­stel­lung habe ich im letz­ten Arti­kel beschrie­ben. Mit der Debat­te um Post-Pri­va­cy sind immer auch Hoff­nun­gen verbunden:

  • … der klei­ne Mann wird zum Wel­ten­ret­ter (Snow­den-Para­dox)
  • … die Welt wird gerech­ter, weil qua­si durch die Hin­ter­tür die direk­te Demo­kra­tie gelebt wer­den kann
  • … allein die Ver­füg­bar­keit bestimm­ter Infor­ma­tio­nen wird dafür sor­gen, dass Ver­hal­ten sich ändert
  • … usw.

Nennt mich pes­si­mis­tisch – ich hal­te die­sen Ansatz für naiv. Die­se Schlacht wird nicht geis­tes­wis­sen­schaft­lich (fast allein auf die­ser Ebe­ne wird in Feuil­le­tons öffent­lich wahr­nehm­bar dis­ku­tiert), son­dern tech­no­lo­gisch geschlagen.

Dazu ein Beispiel:

Was mache ich als Geheim­dienst, wenn ich eine Ziel­per­son aus­spio­nie­ren möch­te? Ich muss mich um meh­re­re Din­ge küm­mern, wenn ich das mit Hil­fe von digi­ta­len End­ge­rä­ten des Benut­zers (Han­dy, PC, Smart­TV) bewerk­stel­li­gen möchte:

  • idea­ler­wei­se hin­ter­las­se ich kei­ne Spu­ren dabei
  • idea­ler­wei­se wird die Funk­ti­on des Gerä­tes dabei nicht beeinträchtigt
  • idea­ler­wei­se ent­zie­he ich die Über­wa­chungs­maß­nah­me der Kon­trol­le des Benutzers

Des­we­gen ist so etwas wie ein Bun­destro­ja­ner („Ich instal­lie­re als Staat eine Über­wa­chungs­soft­ware auf dei­nem PC“) eine sel­ten däm­li­che Idee, da ich dazu mei­ne Know-How in Form eines Pro­gram­mes aus der Hand geben muss. Ich weiß nicht, an was für einen Besit­zer des PCs ich gera­te: Wenn ich Pech habe, fin­det ein gewief­ter Nerd mein Pro­gramm, ana­ly­siert es und legt es in omi­nö­sen Tausch­bör­sen offen. Wenn es ihm zusätz­lich gelingt, den Daten­ver­kehr von die­sem Pro­gramm zu mir als Geheim­dienst zu ent­schlüs­seln, bzw. zu einer fes­ten IP zurück­zu­ver­fol­gen, bin ich gelie­fert, da Grund­vor­aus­set­zun­gen für eine Über­wa­chungs­maß­nah­me eben die Unsicht­bar­keit (= Intrans­pa­renz) eben­die­ser Maß­nah­me ist. Ein Bun­destro­ja­ner ist damit nie etwas zur Über­wa­chung vie­ler, son­dern allen­falls bei geziel­ten Obser­va­ti­ons­maß­nah­men mit arg begrenz­tem Ziel­rah­men ein­setz­bar. Was wir bis­her gese­hen haben, hal­te ich nur für eine Machbarkeitsstudie.

Bei mei­nem Hos­ter gab es in die­sem Jahr einen inter­es­san­ten Vor­fall mit einer mir bis­her unbe­kann­ten Spe­zi­es von Schad­pro­gramm: Es schrieb sich nicht auf die Fest­plat­te, son­dern drang durch eine Sicher­heits­lü­cke in einem Dienst in den Haupt­spei­cher ein und trieb dann von dort sein Unwe­sen. Da Ser­ver u.U. lan­ge lau­fen, kann so ein Pro­gramm sehr lan­ge unbe­merkt blei­ben und ist zudem äußerst schwie­rig zu ana­ly­sie­ren – Viren­scan­ner durch­kä­men zunächst ein­mal die Festplatte.

Auf Han­dys ist eine per­ma­nen­te Über­wa­chung des Sys­tems durch den Anwen­der oft gar nicht erst mög­lich – bei Apple­ge­rä­ten z.B. „by design“ nicht gewünscht. Bei so einem fremd­ge­steu­er­ten Sys­tem brau­che ich also als Geheim­dienst im Ide­al­fall nur Zugriff auf den Anbie­ter selbst, um gren­zen­los über­wa­chen zu kön­nen. Wenn ich mir eine Lücke auf dem Schwarz­markt kau­fe, kann das im Ein­zel­fall nütz­lich sein, ska­liert aber nicht gut, weil ich immer damit rech­nen muss, dass ich nicht der Ein­zi­ge bin, der Zugriff auf den ent­spre­chen­den Code hat.

Bestimmt sind bei die­sem „Tech­nik­ge­la­ber“ schon eine Men­ge Men­schen ausgestiegen.

Quint­essenz:

Tech­no­lo­gisch sind staat­li­che Orga­ne oder pri­va­te Fir­men wie Goog­le dem nor­ma­len Anwen­der, der in einer „Post-Privacy“-Welt lebt, haus­hoch über­le­gen. Mit Daten, die anfal­len, wird das gemacht wer­den, was tech­no­lo­gisch mög­lich ist.

Eine Kon­trol­le jed­we­der Art ist uto­pisch und zwar nicht des­we­gen, weil sie prin­zi­pi­ell unmög­lich ist, son­dern viel­mehr des­we­gen, weil sie immenses tech­no­lo­gi­sches Wis­sen erfor­dert – vie­le im Web2.0 erklä­ren immer noch Leu­te für ver­rückt, die ver­bind­li­chen Infor­ma­tik­un­ter­richt von Kin­des­bei­nen an for­dern. Medi­en­kom­pe­tenz in einem päd­ago­gi­schen Sin­ne ver­stan­den hilft ggf. etwas dabei, das Übels­te zu ver­hin­dern oder zu ver­zö­gern – auf der oft kol­por­tier­ten „Anwen­dungs­ebe­ne“ wird sie allein nicht dazu füh­ren, dass wir in der Lage sein wer­den, das Macht­ge­fäl­le zwi­schen uns und den Tech­no­lo­gie­rie­sen (Staat & Pri­vat­wirt­schaft) zu verändern.

Die­je­ni­gen, die es im Prin­zip könn­ten, sind oft genug Ziel­schei­be von Hohn und Spott gewe­sen. Damit mei­ne ich z.B. Daten­schüt­zer, die das Leben in der Wahr­neh­mung vie­ler ja ein­fach nur unbe­qe­mer und unzeit­ge­mä­ßer machen wol­len. Bequem­lich­keit unter Ver­lust von Grund­rech­ten („Das Netz ist ein grund­rechts­frei­er Raum“) sehe ich unter sehr vie­len Aspek­ten als problematisch.

Gebets­müh­le:

Ja, natür­lich darf man Gerä­te ein­fach nur „benut­zen“. Ich kann auch die Welt ein­fach so benut­zen. Trotz­dem hat man mich mit Che­mie, Mathe, Phy­sik oder Bio­lo­gie gequält und die wenigs­ten strei­ten ab, dass es sich dabei um nütz­li­che Dis­zi­pli­nen han­delt. Bei Infor­ma­tik und „Tech­nik­ge­döns“ ist das immer ganz anders.

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