Warum Rechtschreibleistungen nachlassen

Gera­de wur­de bei uns in den 5. Klas­sen ein Ver­gleichs­dik­tat geschrie­ben. Mit den Jah­ren fal­len die­se Dik­ta­te nicht bes­ser aus, obwohl ich mir ein­bil­de, dass die Dik­tat­tex­te selbst immer leich­ter wer­den. Mei­ne begrenz­te Ursa­chen­fo­schung an die­ser Stel­le ent­behrt jed­we­der Wis­sen­schaft­lich­keit, hilft mir aber bei der Auf­recht­erhal­tung mei­nes sub­jek­ti­ven Welt­bil­des. Wo sehe *ich* Ursachen?

1. Schrift­lich­keit – Mündlichkeit

Vor 15 Jah­ren war noch alles gut. Es gab eine geschrie­be­ne Spra­che und es gab eine gespro­che­ne Spra­che. In Brie­fen schrieb man über­wie­gend Schrift­deutsch, sogar auf Urlaubs­kar­ten (gan­ze Sät­ze, gram­ma­ti­sche Sät­ze usw.). Es gab auch schon ein­zel­ne Ansät­ze, das nicht zu tun, z.B. auf Gruß- oder Glück­wunsch­kar­ten. Aber im Gro­ßen und Gan­zen sprang das Relais mit der Auf­nah­me eines Schreib­ge­rä­tes auf den „Schreib­mo­dus“ um, d.h. münd­li­che Spra­che war von der schrift­lich for­mal-sprach­lich klar unterschieden.

Wei­ter­le­sen

Textformen im Abitur

Im Abitur kommt ja meist nur eine begrenz­te Anzahl mög­li­cher Auf­satz­for­men vor. Das Spek­trum öff­net sich zwar gera­de durch das ver­mehr­te Ein­bre­chen von krea­ti­ven Text­for­men „Schrei­ben Sie eine Rezen­si­on…“, die aber letzt­end­lich nur eine „authen­ti­zi­tier­te“ Form von in der Schu­le ver­mit­tel­ten Grund­for­men dar­stel­len – auch in einer Rezen­si­on muss ich stel­len­wei­se erör­tern oder interpretieren.

Fol­gen­de Auf­ga­be haben mei­ne SuS heu­te erhalten:

Wei­ter­le­sen

Ode des Lehrenden an die uneinsichtige Unpünktlichkeit

Dei­nes müden Auges Trauerrand

ver­hüll­te kaum das tris­te Licht

drei Minu­ten wutentbrannt

zer­schmet­tern den Appell an Pflicht.

Mor­pheus Arme soll’n der Schön­heit dienen“,

hälst du mir mit gif­t’­gem Blick entgegen.

führst dem Deutsch­kurs ange­mes­sen Schwert

der Spra­che, wie verwegen!

Mein lie­bes Kind, wenn dein der Schön­heit so bedarf,

so pfleg‘ die Seel‘ und nicht die Hülle,

denn mein Ein­stieg heut‘, der lebt von Stille.“

Manchmal muss etwas richtig schlimm werden

[…] bevor es bes­ser wer­den kann. Das ist bei Erkäl­tun­gen ganz oft so. Erst wenn man rich­ti­ges Fie­ber bekommt, wird man danach so rich­tig gesund“ – „Ja, und bei der Figur Alex ist es doch genau so: Jetzt sind zwar alle Pro­ble­me an der Ober­flä­che und sie hat rich­tig Stress, aber das ist doch erst die Vor­aus­set­zung für ein Happyend.“

In der 7. Klas­se spre­che ich gera­de über inne­re Kon­flik­te und dar­über, dass dabei oft alle zur Ver­fü­gung ste­hen­den Optio­nen Kon­se­quen­zen nach sich zie­hen, die schwer­wie­gend und kei­nes­falls immer posi­tiv sind (Anm. der Redak­ti­on: Sonst könn­te man sich den inne­ren Kon­flikt lite­ra­risch auch spa­ren). Die von uns betrach­te­te Figur hat­te sich in der Hand­lung für eine Opti­on ent­schie­den, die (erst­mal) zu einem Scher­ben­hau­fen führt – dar­auf­hin kam der oben in etwa im Wort­laut wie­der­ge­ge­be­ne Ein­wand der Klasse.

Sol­che Erleb­nis­se und die Gewiss­heit an der Ent­ste­hung sol­cher Gedan­ken nicht ganz unbe­tei­ligt zu sein, schaf­fen den Sinn, der trotz der oft im Vor­der­grund ste­hen­den Wid­rig­kei­ten mei­nen Beruf schön macht. Und wenn man genau hin­schaut, ist an fast jedem Tag ein biss­chen davon vorhanden.

Ein Sei­ten­hieb sei hier noch gestattet:

Ohne den Inhalt „Inne­rer Kon­flikt“ wäre die­ser Gedan­ke in die­ser Stun­de undenk­bar gewe­sen. Nicht Kom­pe­ten­zen schaf­fen an die­ser Stel­le Fähig­kei­ten zur z.B. inhalt­li­chen Erschlie­ßung, son­dern Inhal­te schaf­fen Kompetenzen.

Einen literarischen Charakter visualisieren

Die­se Auf­ga­be war eine typi­sche Schnaps­idee, wie sie aus der Not her­aus gebo­ren wird, wenn etwas in einer Stun­de nicht so passt. Ich ste­he momen­tan voll auf Visua­li­sie­run­gen, weil mir unge­heu­re Ein­bli­cke in die Köp­fe mei­ner SuS ermög­licht. Ich lese in mei­ner 7. Klas­se gera­de die­ses Jugend­buch hier und in die­sem Zusam­men­hang galt es eine Visua­li­sie­rung zur Figur „Miche­al Bai­ley“ zu erstel­len. Die fol­gen­de Band­brei­te kam dabei heraus:

Bei­spiel 1:

bailey_01

Die gute, alte nach Kate­go­rien struk­tu­rier­te Tabel­le. Nicht schlecht und eini­ger­ma­ßen über­sicht­lich, aber irgend­wie nicht so „visu­ell“.

Bei­spiel 2:

bailey_02

Man neh­me ein Cha­rak­ter­merk­mal und set­ze es mit einem Säu­len­dia­gramm  in Bezie­hung zum iden­ti­schen Merk­mal ande­rer Figu­ren. Nicht schlecht. So bekommt man gleich einen Ein­druck von der sozia­len Stel­lung der Figur inner­halb der Grup­pe in der Handlung.

Bei­spiel 3:

bailey_03

Hier wur­de zwar nicht die eigent­li­che Auf­ga­be bear­bei­tet, jedoch haben die bei­den betei­lig­ten SuS „mal eben“ die nar­ra­ti­ve Par­al­le­li­tät von Vor­ge­schich­te und aktu­el­ler Hand­lung her­aus­ge­ar­bei­tet (vgl. Jugend­buch). Damit lässt sich zu gege­be­ner Zeit wei­ter­ar­bei­ten, es ist also ein wert­vol­ler Beitrag!

Bei­spiel 4:

bailey_04

Die­ses Bild trifft so vie­le Cha­rak­ter­zü­ge der Figur, dass es schon fast ein wenig unheim­lich ist, wie sehr bild­li­ches Aus­drucks­ver­mö­gen und sprach­li­che Fähig­kei­ten in die­sem Alter aus­ein­an­der­zu­klaf­fen scheinen.

Ich hat­te die Visua­li­sie­run­gen in Part­ner­ar­beit erstel­len las­sen und mit nach Hau­se genom­men. Die obe­ren vier wur­den des­we­gen von mir aus­ge­wählt, weil sie eine gro­ße Band­brei­te abde­cken. Frap­pie­rend war auch, dass jede Dar­stel­lung in der Reflek­ti­on mit den SuS bei irgend­wem sei­ne indi­vi­du­el­le Berech­ti­gung fand. Der eine konn­te mit dem Bild, die ande­re mit der Tabel­le mehr anfan­gen. Dar­an ließ sich gleich eine klei­ne Meta­dis­kus­si­on zu „richtig/falsch“ im Deutsch­un­ter­richt anschlie­ßen. Ich mag Stun­den, die „zufäl­lig“ einen sol­chen Ertrag bringen.

1 11 12 13 14 15 21