Die Nernstsche Gleichung aufstellen

Ein­lei­tung

Die­ser Arti­kel dient auch als klei­nes Expe­ri­ment, um die Mög­lich­kei­ten des LaTeX-Plug­ins Quick­La­TeX aus­zu­lo­ten. Ich bin recht beein­druckt von den Satz­mög­lich­kei­ten, die ich hier nur zu 90% opti­miert habe… Da kön­nen jetzt also noch wei­te­re Arti­kel aus der Serie „Wie man leicht sieht…“ fol­gen. Dort habe ich für die For­meln einen Web­dienst bemüht, der aus TeX-Syn­tax Vek­tor­gra­fi­ken erstellt – das sieht natür­lich dann hüb­scher aus, tippt sich aber nicht so fluffig.

Zur Sache

Die Nernst­sche Glei­chung ist einer der fun­da­men­ta­len Lern­in­hal­te im Bereich der Elek­tro­che­mie und prin­zi­pi­ell eigent­lich nichts wei­ter als ein arg ver­klau­sur­lier­tes che­mi­sche Gleich­ge­wicht, also ein ande­rer Aus­druck für K – im Prin­zip natür­lich. In Schul­bü­chern läuft einem das Ding eigent­lich fast nur in die­ser Form über den Weg:

    \[ (1) \; U_{H(Ox/Red)} = U_{H(Ox/Red)}^0 + \frac{0,059V}{z}\cdot lg \left( \frac{c(Ox)}{c(Red)} \right) \]

oder auch:

    \[ (2) \; U_{H(Ox/Red)} = U_{H(Ox/Red)}^0 + \frac{0,059V}{z}\cdot lg (K) \]

Wie erhält man nun die Nernst­sche Glei­chung für belie­bi­ge che­mi­sche Gleichgewichte?

Für das Chlor­sys­tem gilt:

    \[ (3)\; Cl_{2(g)} + 2e^- \rightleftharpoons 2Cl_{(aq)}^- \]

Für die­ses Gleich­ge­wicht stellt die Nernst­sche Glei­chung qua­si eine Umrech­nungs­vor­schrift dar. So kann ich z.B. aus einem gemes­se­nen Poten­ti­al eine tat­säch­lich vor­han­de­ne Chlo­rid­io­nen­kon­zen­tra­ti­on in einem Gleich­ge­wicht berech­nen. Dazu bestim­me ich zunächst auf bei­den Sei­ten der Glei­chung (2) die zuge­hö­ri­gen Oxidationszahlen:

    \[ (4)\; \overset{\text{0}}{Cl_2(g)} + 2e^- \rightleftharpoons 2\overset{\text{-I}}{Cl_{(aq)}^-} \]

Das Chlo­rid­ion besitzt mit ‑I die nied­ri­ge­re Oxi­da­ti­on­zahl und ist damit die redu­zier­te Form (Red). Das Chlor­mo­le­kül ist die oxi­dier­te Form (Ox). Jetzt muss ich dem Term für K so auf­stel­len, dass die oxi­dier­te Form oben steht:

    \[ (5) K = \frac{c(Ox)}{c(Red)} = \frac{c(Cl_2)\cdot c(e^-)^2}{c(Cl^-)^2} \]

Elek­tro­nen und das Chlor­gas besit­zen in einer Lösung kei­ne Kon­zen­tra­ti­on bzw. die­se kann als kon­stant ange­nom­men und gleich 1 gesetzt wer­den. Damit lau­tet die Gleichung:

    \[ (6) \; U_{H\;(Cl_2/Cl^-)} = U_{H\;(Cl_2/Cl^-)}^0 + \frac{0,059V}{2}\cdot lg \left( \frac{1}{c(Cl^-)^2}\right) \]

Freund­li­cher­wei­se gilt außerdem:

    \[ (7) \; lg(a)^b = b \cdot lg(a) \]

d.h., ich kann die Potenz aus dem Nen­ner des letz­ten Fak­tors vor den Aus­druck zie­hen, weil der Zäh­ler net­ter­wei­se gleich 1 ist:

    \[ (8) \; U_{H\;(Cl_2/Cl^-)} = U_{H\;(Cl_2/Cl^-)}^0 + \frac{0,059V}{2}\cdot 2 \cdot lg \left(\frac{1}{c(Cl^-)}\right) \]

und dann kürzen:

    \[ (9) \; U_{H\;(Cl_2/Cl^-)} = U_{H\;(Cl_2/Cl^-)}^0 + 0,059V \cdot lg\left(\frac{1}{c(Cl^-)}\right) \]

Che­mie­bü­cher schrei­ben die Nernst­sche Glei­chung ger­ne anders auf, wenn die redu­zier­te Form die lös­li­che ist, indem sie meist still­schwei­gend vor­aus­set­zen, dass gilt:

    \[ (10) \; lg\left(\frac{a}{b}\right) = -lg\left(\frac{b}{a}\right) \]

also hier konkret:

    \[ (11) \; U_{H\;(Cl_2/Cl^-)} = U_{H\;(Cl_2/Cl^-)}^0 + \frac{0,059V}{1}\cdot - lg\left(\frac{c(Cl^-)}{1}\right) \]

bzw. mit vor­ge­hol­tem Minus­zei­chen und ande­rer Bruchschreibweise:

    \[ (12) \; U_{H\;(Cl_2/Cl^-)} = U_{H\;(Cl_2/Cl^-)}^0 - 0,059V \cdot lg \left(c(Cl^-)\right) \]

Ich fin­de die­se Unter­schei­dung nicht beson­ders sinn­voll. Natür­lich sieht die Glei­chung so für SuS erst­mal ein­fa­cher aus, aber es bleibt eben das Pro­blem, wann ein Minus­zei­chen und wann ein Plus­zei­chen in der Nernst­schen Glei­chung ver­wen­det wer­den soll/muss. Ich lege mich im Unter­richt immer auf die Vari­an­te mit dem Plus­zei­chen fest. So bekommt man jedes Redox­sys­tem durch eine ein­fa­che Schritt­fol­ge in den Griff.

Ein schwe­res Beispiel

Das Per­man­ga­nat­sys­tem ist schon nicht ganz einfach.

    \[ (13)\; MnO_{4(aq)}^- + 8H^+ + 5e^- \rightleftharpoons Mn_{(aq)}^{2+} + 4H_2 O_{(l)} \]

Schritt 1: Oxi­da­ti­ons­zah­len bestim­men – Wo ist die redu­zier­te Form?

Dafür schau­en wir uns die Per­man­ga­nat- und Man­gan­io­nen an:

    \[ (14)\; \overset{\text{+VII}}{Mn}O_{4(aq)}^- + 8H^+ + 5e^- \rightleftharpoons \overset{\text{+II}}{Mn_{(aq)}^{2+}} + 4H_2 O_{(l)} \]

 

Das Man­gan­ion besitzt die nied­ri­ge­re Oxi­da­ti­ons­zahl, ist also die redu­zier­te Form. Dem­nach muss die rech­te Sei­te der Glei­chung im Term für K nach unten.

Schritt 2: Aus­druck für K bestimmen

Die Kon­zen­tra­ti­on des Lösungs­mit­tels Was­ser kann als kon­stant ange­nom­men und gleich 1 gesetzt wer­den, taucht im Nen­ner also nicht mehr auf:

    \[ (15)\; K=\frac{c(MnO_{4(aq)})^- \cdot c(H^+)^8}{c(Mn_{(aq)}^{2+})} \]

Schritt 3: Aus­druck in die Nernst­sche Glei­chung einsetzen

    \[ (16) \; U_{H\;(MnO_{4(aq)}/Mn_{(aq)}^{2+})} = U_{(MnO_{4(aq)}/Mn_{(aq)}^{2+})}^0\right) \]

    \[ + \frac{0,059V}{5}\cdot lg \left( \frac{c(MnO_{4(aq)})^- \cdot c(H^+)^8}{c(Mn_{(aq)}^{2+})} \right) \]

Projekt mit dem Waldkindergarten

Ich unter­rich­te in die­sem Schul­jahr einen soge­nann­ten poly­va­len­ten Che­mie­kurs. Die­ser Kurs ist not­wen­dig, damit die Schü­le­rin­nen und Schü­ler ihre Bele­gungs­pflich­ten in der Pro­fil­ober­stu­fe erfül­len, und er soll prin­zi­pi­ell fach­über­grei­fend inner­halb der Natur­wis­sen­schaf­ten ange­legt sein. Als Che­mie-/Deutsch­leh­rer tut man sich da selbst­re­dend schwe­rer als jemand mit einer zwei­ten Natur­wis­sen­schaft als Beifach.

Da ich ja immer fixe Ideen habe (es gibt zu die­sem Kurs kein Cur­ri­cu­lum!) und es an unse­rer Schu­le schon Pro­jek­te gab, in denen Schü­le­rin­nen und Schü­ler Grund­schü­lern die Che­mie näher­ge­bracht haben, habe ich dem Kurs vor­ge­schla­gen, einen Schritt wei­ter­zu­ge­hen und den ört­li­chen Wald­kin­der­gar­ten mit ein­zu­bin­den, zu dem ich gute Kon­tak­te haben und die beim Haus der klei­nen For­scher mit­ma­chen. Mein Kurs woll­te und hat unter dem Rah­men­the­ma „Far­ben“ eini­ge Expe­ri­men­te erson­nen, aber gleich­zei­tig auch eine Didak­ti­sie­rung für Kin­der die­ses Alters.

Schritt 1 – Pla­nungs­pha­se A:

Anhand von Mate­ri­al aus unse­rer Schu­le, z.B. den vom Kurs des letz­ten Jah­res erstell­ten Rea­der für die Grund­schü­ler, und anhand von Inter­net­re­cher­chen wur­den ver­schie­de­ne Ver­su­che von den sechs Teams aus­ge­wählt. Schwer­punkt bil­de­te dabei die Pra­xis – d.h. es muss­te Sicher­heit um Umgang mit Gerä­ten und Stof­fen erwor­ben wer­den. Ich habe mich nur bei wirk­lich sicher­heits­re­le­van­ten Aspek­ten ein­ge­schal­tet.  Hier eine Aus­wahl von Auf­bau­ten – die Fotos sind von den SuS erstellt (der erfah­re­ne Che­mie­leh­rer erkennt eini­ge Klas­si­ker, alle ande­ren sei­en auf das Doku­men­ta­ti­ons­wi­ki ver­wie­sen, wel­ches wir im Kurs gera­de befül­len – Link folgt):

 

Milch­bild – Mit Zau­ber­stab und Lebens­mit­tel­far­be Mus­ter zeichnen

 

Eine ein­fa­che Lava­lam­pe – Salz reißt Öl mit…

Schritt 2 – Erprobungphase:

Alle Ver­su­che wur­den im Unter­richts­raum an Sta­tio­nen auf­ge­baut. Wir sind als gan­ze Lern­grup­pe von Sta­ti­on zu Sta­ti­on gezo­gen. Die zustän­di­gen Teams haben SuS, die die Kin­der „simu­lie­ren“ soll­ten, ihren Ver­such vor­ge­stellt bzw. durch­füh­ren las­sen. In die­ser Pha­se kam es auch zu span­nen­den Erkennt­nis­sen auf bei­den Seiten.

Schritt 3 – Pla­nungs­pha­se B:

Die Expe­ri­men­te wur­de ent­spre­chend der Erfah­run­gen (SuS geben erstaun­lich rea­lis­ti­sche Kin­der­gar­ten­kin­der ab, wenn man sie nur lässt…) vor allem unter die­sen Fra­ge­stel­lun­gen überarbeitet:

  • Was kann ein Kind machen, was ich bis­her vor­ge­macht habe?
  • Was kann alles schief­ge­hen und ver­mei­de ich das durch einen geeig­ne­ten Versuchsaufbau?
  • Wie set­ze ich mei­nen Anspruch an die Ver­mitt­lung von Hin­ter­grün­den zum Expe­ri­ment kind­ge­recht um?
  • Was brau­che ich noch für mein Vor­ha­ben (Mate­ri­al, Hilfen)?

Schritt 4 – Durchführung:

Am 6. Mai war es dann soweit. Die SuS waren für das Pro­jekt für die ers­ten bei­den Stun­den nebst Herrn Riecken frei­ge­stellt (in der 3./4. Stun­de lag unser regu­lä­rer Unter­richt). Da ich den Unter­richt der KuK ach­te, gehe ich bei Pro­jek­ten mög­lichst mini­mal­stun­den­plan­in­va­siv vor. Mei­ne regu­lä­ren Klas­sen hat­ten zumin­dest zur Hälf­te Auf­ga­ben erhal­ten – gleich­wohl wur­de ich natür­lich ver­tre­ten. Lei­der kann ich aus Daten­schutz­grün­den kei­ne Fotos veröffentlichen.

Ich habe sel­ten so betei­lig­te und enga­gier­te SuS erlebt – selbst Klo­gän­ge mit den Kin­dern wur­den selbst­be­stimmt durch­ge­führt. Als ein Glück­griff erwies sich, dass Herr Riecken in der Auf­re­gung die Kin­der in fünf Grup­pen statt in die not­wen­di­gen sechs auf­ge­teilt hat­te – so blieb ein „Joker“ und es durf­te an Sta­ti­on A auch ein­mal län­ger als an Sta­ti­on B dauern.

Schritt 5 – Reflexion:

Erst­mal haben wir ca. 200 Fotos von die­sem Tag am Bea­mer geschaut – die Erzie­he­rin­nen und Herr Riecken haben viel foto­gra­fiert… Dann ging es in den PC-Raum zu einem anony­men Feed­back mit Mood­le. Hier eini­ge Ergeb­nis­se, die für sich selbst sprechen:

Frei­text­fra­ge: Was hat mich bei der Durch­füh­rung posi­tiv überrascht?

Kin­der waren sehr engagiert.
Das Wis­sen das eini­ge Kin­der bereits mitbringen
Es war alles gut
Die Begeis­te­rung der Kin­der sowie die Aus­dau­er in Bezug auf diese.
Die Kin­der waren sehr inter­es­siert und haben viel nach­ge­fragt. Zudem woll­ten sie viel selbst machen.
Mei­ne eige­ne, und die Moti­va­ti­on der anderen
Kin­der haben die Theo­rie oft schnell verstanden.
Das über­aus star­ke Inter­es­se der Kinder
nichts
eini­ge Kin­der­gar­ten­kin­der waren inter­es­siert und wissbegierig.
Des Wei­te­ren hat­ten eini­ge der Kids viel Spaß.
Dass die Kin­der teil­wei­se gut mit­ge­ar­bei­tet haben und schon eini­ges ver­stan­den haben
Die meis­ten Kids waren sehr enga­giert dabei!

Wir haben übri­gens sehr viel mit dem Kugel­teil­chen­mo­dell gear­bei­tet. Das ist – auf jeder Che­mie­fort­bil­dung zu hören – „wis­sen­schaft­lich nach­ge­wie­sen“ für Kin­der bis zur 6. Klas­se „viel zu abs­trakt“ – Phä­no­me­ne rei­chen aus. In der Phy­sik hin­ge­gen ist es „wis­sen­schaft­lich erwie­sen“, dass es in der 5. Klas­se ein­ge­setzt wer­den soll­te, um Phä­no­me­ne zu erklä­ren, damit es nicht allein auf kon­su­mie­ren­des Gepüt­scher hin­aus­läuft. Ich oute mich ja immer auf Che­mie­fort­bil­dun­gen damit, nicht auf dem neu­es­ten Stand der Wis­sen­schaft zu sein. Die Fra­ge nach Bele­gen reicht meist aber schon für eine ent­lar­ven­de „Weilnunmaldasistnunmalso“-Argumentation, meist gepaart mit einem per­sön­li­chen Angriff – das nur am Rande.

Wei­ter mit den Evaluationsergebnissen:

Über den letz­ten Punkt kann man sich strei­ten – oder auch nicht, denn:

Frei­text­fra­ge: Fol­gen­des wür­de ich bei einer Wie­der­ho­lung des Pro­jek­tes anders machen

even­tu­ell einen ande­ren Ver­such wählen
die Kin­der mehr machen lassen.
ein­fa­che­re The­men, die nicht che­misch erläu­tert wer­den müs­sen und viel­leicht noch ver­ständ­li­cher sind.
Ich wür­de ver­su­chen das Pro­jekt noch struk­tu­rier­ter auszuführen
ein wenig mehr Zeit einplanen
gemein­sa­me Pau­se mit den Kindern
Eine län­ge­re Zeit­span­ne aus­wäh­len und Ver­su­che wäh­len die ca. gleich lan­ge Zeit benötigen.
Ich glau­be, es wäre sinn­voll das Erklä­rungs­mo­dell noch bes­ser auf die Kids abzustimmen.
Expe­ri­men­te die die Kin­der mehr begeistern
mehr Zeit in ein­zel­ne Ver­su­che investieren

Im Anschluss habe ich ver­schie­de­ne Tools für die Doku­men­ta­ti­on der Ergebnisse/Erkenntnisse vor­ge­stellt (Blog, Maha­ra, Goo­g­le­Docs, Wiki) – die Wahl fiel auf ein Wiki.

Schritt 6 – Dokumentation:

Zur Zeit gestal­ten wir gera­de das Wiki – eine für mich und die SuS völ­lig neue Erfah­rung, da wir alle noch nie mit so einem Tool gear­bei­tet haben – bis­her war alles eher WYSIWYG. Wie gesagt – viel­leicht ver­lin­ke ich es hier, wenn es fer­tig ist.

Fazit:

Das Pro­jekt läuft ja noch – ich tei­le die Wahr­neh­mung vie­ler SuS nicht, dass wenig über Che­mie gelernt wur­de. Anhand der Fra­gen, die  in der Vor­be­rei­tungs­pha­se gestellt wor­den sind, konn­te ich im Bera­tungs­pro­zess erken­nen, dass da schon das eine oder ande­re gesche­hen ist, da fie­len schon har­te Fach­be­grif­fe wie mobi­le oder sta­tio­nä­re Pha­se, Adhä­si­on usw..

Neben dem gan­zen fach­li­chen Kram war es für mich eine Offen­ba­rung, SuS weit­ge­hend außer­halb sys­te­misch vor­ge­ge­be­ner Schü­ler­rol­len zu erle­ben, näm­lich z.B. als zuge­wand­te Lern­be­glei­ter oder auch kom­pe­ten­te und umsich­ti­ge Expe­ri­men­ta­to­ren, als authen­tisch neu­gie­rig Fra­gen­de, als „Wis­sen-Wol­len­de“. Dafür sind Kin­der aber auch sehr effi­zi­en­te Indu­zie­rer… Viel effi­zi­en­ter als viel­leicht Men­schen mit vor­han­de­ner „clas­sic“ Schulerfahrung.

Ich weiß nicht, wie oft zwi­schen Samm­lung und Unter­richts­raum hin- und her­ge­rannt bin, um etwas zu holen, vor­zu­schla­gen, zu bera­ten, Mög­lich­kei­ten auf­zu­zei­gen, zu kor­ri­gie­ren, nach­zu­fra­gen… . Das war Arbeit – aber eine gänz­lich ande­re, ziem­lich for­dern­de. Der Auf­wand „drum­her­um“ hielt sich in Gren­zen, da das Mate­ri­al, was nicht in der Schu­le vor­han­den war, von den SuS besorgt wur­de. Ich muss­te nur Quit­tun­gen abrechnen.

Seltsame Erfahrungen

Ich lei­te gera­de einen Abde­cker­kurs Natur­wis­sen­schaf­ten. Den besu­chen Schü­le­rin­nen und Schü­ler, um Bele­gungs­pflich­ten zu erfül­len – er muss ins Abitur ein­ge­bracht wer­den und es wer­den auch zwei Klau­su­ren geschrie­ben, aber im Prin­zip ist die­ser Kurs eine For­ma­lie. Ent­spre­chend wenig wür­de man kli­schee­haft gedacht dann von den Schü­le­rin­nen und Schü­lern an Leis­tungs­be­reit­schaft erwar­ten. Das ist aber nicht so.

Erfah­rung 1:

Die Mit­ar­beit ist dann am inten­sivs­ten, wenn ich anspruchs­vol­len Stoff auf­be­rei­te. Ver­meint­lich fluf­fi­ge, vom Kurs selbst gewünsch­te The­men – z.B. Dro­gen und Medi­ka­men­te – ver­lo­ren schnell an Schwung, da das dazu not­wen­di­ge che­mi­sche und bio­lo­gi­sche Wis­sen doch recht kom­plex ist, um es sich neben­bei anzu­eig­nen. Grund­la­gen­che­mie, die ande­ren Fächern dient, z.B. Fet­te, Eiwei­ße oder Zucker wur­den ger­ne mit­ge­nom­men – obwohl das eigent­lich recht klas­sisch ist.

Erfah­rung 2:

Wir machen gera­de ein Pro­jekt (Ich war aber der Böse, der es vor­ge­schla­gen hat…). Dabei wol­len wir rund um das The­ma Far­ben Kin­der­gar­ten­kin­dern che­mi­sches Den­ken ver­mit­teln, z.B. mit

  • Rot­kohl­in­di­ka­tor
  • Papier­chro­ma­to­gra­phie
  • einer selbst gebau­ten Lava­lam­pe, deren Funk­ti­on auf Dich­te­un­ter­schie­den beruht
  • Gas- und Schaum­bil­dung (Teil­chenn­mo­dell)
  • Milch­bil­dern (Ten­si­de und Lebensmittelfarbe)

Dabei wer­den uns tat­säch­lich Kin­der­gar­ten­kin­der besu­chen. Die Ver­su­che haben die SuS selbst erar­bei­tet. „Püt­scher, püt­cher, püt­scher“ ist dabei zu wenig – es soll auch ein biss­chen auf kind­ge­rech­tem Niveau um Natur­wis­sen­schaft gehen – Was haben Lebens­mit­tel gemein­sam, die Rot­kohl­saft rot fär­ben usw.?

Die­se Woche durf­ten eini­ge aus dem Kurs „Kind“ spie­len und die Sta­ti­ons­be­treu­er soll­ten mit ihnen die Auf­ga­be an der Sta­ti­on durch­füh­ren. Erst­mal mögen auch Ober­stu­fen­schü­ler ger­ne Kin­der spie­len und es kam tat­säch­lich auch zu durch­aus rea­len Kata­stro­phen (Nicht­ein­hal­tung der Ver­suchs­be­schrei­bun­gen, wil­des Her­um­geman­sche usw.).

Eine Grup­pe hat­te ihren Ver­such per­fekt vor­be­rei­tet – er klapp­te wie am Schnür­chen und auch sinn­vol­le Vor­be­rei­tungs­ver­su­che waren inte­griert.  Allein – sie konn­ten ihren Ver­such über­haupt nicht ver­mit­teln und schon gar nicht kindgerecht.

Mög­li­che Reak­ti­on von mir: „Hm – also das war ja ein­deu­tig Teil der Auf­ga­be und die­se Leis­tung geht jetzt in die Gesamt­no­te ein!“

Es reich­te ein: „Am … sit­zen da sechs neu­gie­ri­ge Kin­der­au­gen, die sich auf den Tag gefreut haben und euch anschau­en.“ – Das saß.

Das hat mich berührt. Ich hat­te den Ein­druck, dass die SuS in die­sem Moment etwas ver­stan­den hat­ten, was sie durch die ers­te Reak­ti­on nie hät­ten ler­nen kön­nen. Viel­leicht den­ke ich da jetzt zu roman­tisch: Aber even­tu­ell braucht Schu­le mehr von die­sen Erkenntnisprozessen.

Es steht im Prin­zip auch im Cur­ri­cu­lum so drin, aber dort ste­hen eben auch lan­ge Lis­ten von abitur­re­le­van­ten The­men. In einem Abde­cker­kurs ist das fast egal – Halb­jah­res­no­te und gut. In einem Kurs auf erhöh­tem Niveau habe ich nicht die Zeit für der­er­lei Luxus. Das ver­meint­lich Unwich­ti­ge bie­tet in der Schu­le nach mei­ner Erfah­rung viel mehr Raum für Frei­heit und Expe­ri­men­te. Des­we­gen bin ich auch ein Freund des Seminarfachs.

Mit der Waage zählen

Die Her­aus­for­de­rung:

In der Che­mie hat man es sehr oft mit Zah­len­ver­hält­nis­sen zu tun – sel­te­ner mit Mas­sen­ver­hält­nis­sen. Das ein­fachs­te Bei­spiel ist die soge­nann­te Sum­men- oder Ver­hält­nis­for­mel. So bedeutet

Cu2S

etwa, dass im Stoff Kupfer(I)-Sulfid immer zwei Kup­fer­ato­me auf ein Schwe­fel­atom kom­men, bzw. das Anzahl­ver­hält­nis von Kup­fer- zu Schwefelatomen

2:1

beträgt. Nun haben wir so gewis­se Pro­ble­me, Ato­me in der rea­len Welt optisch aus­zu­ma­chen – zwar kann unser Auge weni­ge Pho­to­nen wahr­neh­men, ein­zel­ne Ato­me las­sen sich damit jedoch nicht anschau­en. Selbst Elek­tro­nen­ras­ter­mi­kro­sko­pe (ste­hen eher nicht in der Schu­le her­um) machen im Prin­zip ledig­lich Elektronen(-hüllen) durch Elek­tro­nen sicht­bar – die dort abge­bil­de­te Wirk­lich­keit passt jedoch erstaun­lich gut zur Quan­ten­theo­rie. Den­noch kommt der Begriff „Atom“ (von griech. ἄτομος/átomos) schon in der Anti­ke und weit vor der Erfin­dung des Ras­ter­mi­kro­skops vor. Wie um Him­mels Wil­len sind die Men­schen dar­auf gekom­men, dass unse­re Welt aus win­zi­gen, klei­nen Teil­chen besteht?

Im Wesent­li­chen wur­de zu expe­ri­men­tel­len Befun­den eine Theo­rie ent­wi­ckelt.  Lässt man Stof­fe mit­ein­an­der reagie­ren, so tun sie das immer in einem ganz bestimm­ten Mas­sen­ver­hält­nis. Ein klas­si­sches Bei­spiel ist die­ser Ver­such. Wie kommt man aber von der Tat­sa­che, dass Stof­fe in einem bestimm­ten Mas­sen­ver­hält­nis mit­ein­an­der reagie­ren, zur Annah­me, dass Ato­me, d.h. win­zi­ge Teil­chen mit weit­ge­hend kon­stan­ter Mas­se existieren?

Mei­ne bis­he­ri­gen Lösungansätze

Schritt 1:

Ich mache im Unter­richt die­sen oder die­sen Ver­such, bzw. las­se ihn die SuS machen. Ich ach­te dar­auf, dass die Ergeb­nis­se unge­fähr hin­kom­men – des­we­gen schie­be ich oft noch die Kup­fer­oxid­ge­schich­te hin­ter­her, wenn der ers­te Ver­such nicht so ein­deu­tig ver­läuft. Man bekommt her­aus, dass Stof­fe nicht in jedem belie­bi­gen Mas­sen­ver­hält­nis mit­ein­an­der reagie­ren – anschau­lich wird das beson­ders dadurch, indem man für jede Teil­mes­sung nor­miert, d.h. z.B. immer berech­nen lässt, mit wie wel­cher Mas­se Schwe­fel bzw. Sau­er­stoff 1g Kup­fer reagiert hät­te. Dafür braucht es heu­te nicht ein­mal einen Drei­satz mehr, da ich hier in Nie­der­sach­sen Raub­bau in der Mathe­ma­tik betrei­ben kann. Die lehrt Pro­por­tio­na­li­tä­ten in ihren Spi­ral­cur­ri­cu­lum näm­lich so:

Man muss nur ope­ra­tio­na­li­sie­ren, wie man auf den Fak­tor kommt (Fall 1: Die Zahl 1 ist klei­ner als der Mess­wert, Fall 2: Die Zahl 2 ist grö­ßer als der Mess­wert). – das ken­nen die SuS aber eigent­lich aus dem Mathe­ma­tik­un­ter­richt, bzw. das kommt dann schnell wie­der. Frü­her habe ich tat­säch­lich Ver­hält­nis­glei­chun­gen mit den SuS auf­ge­löst oder Gera­den mit Stei­gungs­drei­ecken gezeich­net. Damit erle­be ich heu­te eher kei­ne Erfol­ge mehr. Es ist eben so wie es ist und die oben skiz­zier­te Rechen­ope­ra­ti­on ist durch den Mathe­ma­tik­un­ter­richt in der 7. Klas­se hier in Nie­der­sach­sen sicher eingeführt.

Schritt 2:

Ich ver­tei­le zwei Arten von Kugeln. Leich­te und schwe­re Kugeln, wobei die Kugeln bei­der Gat­tun­gen aber unge­fähr die glei­che Mas­se haben. Jede Grup­pe erhält zusätz­lich eine Waa­ge und soll mit einem defi­nier­ten Start­wert von Kugeln begin­nen, also etwa drei leich­ten und einer schwe­ren Kugel. Die Mas­se der leich­ten Kugel wird ins­ge­samt bestimmt wie auch die Mas­se der schwe­ren Kugel. In den wei­te­ren Durch­gän­gen soll das Mas­sen­ver­hält­nis von leich­ten und schwe­ren Kugel­por­tio­nen stets erhal­ten blei­ben und die jewei­li­gen Anzah­len von leich­ten und schwe­ren Kugeln sol­len notiert werden.

Eine Tabel­le könn­te dann so aussehen:

m(Kugelportion,leicht) m(Kugelportion,schwer) Quotient(leicht/schwer) n(Kugeln, leicht) n(Kugeln,schwer) Quotient(leicht(schwer)
5g 5g 1 3 1 3
10g 10g 1 6 2 3
15g 15g 1 9 3 3

Her­aus­kom­men soll natür­lich: Hal­te ich das Mas­sen­ver­hält­nis der bei­den Kugel­ar­ten kon­stant, so bleibt auch das Anzahl­ver­hält­nis kon­stant. Ich fürch­te bloß, dass heu­te kaum noch etwas mit dem Begriff „Zah­len­ver­hält­nis“ anfan­gen kann – natür­lich könn­te ich bei der Tabel­le wie­der her­ge­hen und jeweils auf eine schwe­re Kugel normieren…

Schritt 3:

Was bedeu­tet das für den Ver­such mit Kup­fer und Schwe­fel bzw. Sau­er­stoff? Eine mög­li­che Erklä­rung für unse­re Beob­ach­tung der kon­stan­ten Mas­sen­ver­hält­nis­se könn­te dar­in lie­gen, dass die Stof­fe Kup­fer und Schwe­fel aus ein­an­der glei­chen, aber stoff­spe­zi­fisch unter­schied­lich schwe­ren „Kugeln“, den Ato­men auf­ge­baut sind – es gibt fai­rer­wei­se auch ande­re Erklä­run­gen, aber das klingt erst­mal plau­si­bel. Die Kis­te so zu erklä­ren deckt sich zudem mit ande­ren Beob­ach­tun­gen aus der Chemie.

Schritt 4:

Dann kommt ein klei­ner Exkurs in den Begriff des Ver­hält­nis­ses. Ich arbei­te immer mit Mäd­chen- und Jun­gen­por­tio­nen in einer Klas­se: Wenn jeder Jun­ge 40 Kilo wiegt, wie vie­le Jun­gen sind dann in einer Jun­gen­por­ti­on mit einer Mas­se 400 Kilo ent­hal­ten?  Dann ist der Weg zur Berech­nung von Anzahl­ver­hält­nis­sen nicht mehr weit.

Von

n(Junge)=m(Jungenportion)/m(Junge)

ist es dann auch nicht mehr weit zu

n(Kupferatom)=m(Kupferportion)/m(Kupferatom)

Man kann sogar ket­ze­ri­sche Fra­gen stel­len, on die Jun­gen lie­ber in Klas­se a) wäre, für die gilt:

n(Jungen)/n(Mädchen) > 1

oder in Klas­se b), für die gilt:

n(Jungen)/n(Mädchen) < 1

Pro­blem:

Ich fin­de kei­nen über­zeu­gen­den Über­gang von Schritt 2 zu Schritt 3. Ich muss das im Unter­richt immer übers didak­ti­sche Knie bre­chen. Ich habe in die­sem Jahr auch schon Schritt 4 vor­ge­zo­gen… Immer sel­te­ner höre ich die­sen Gedan­ken­gang von mei­nen SuS. Viel­leicht ist Schritt 2 ja auch doof. Oder die SuS gehen in ihrem All­tag sel­ten mit Ver­hält­nis­sen um… . Viel­leicht lässt sich im Vor­we­ge noch mehr und etwas anders machen. Habt ihr da drau­ßen Ideen? Ich hät­te es schon ger­ne etwas selbst­be­stimm­ter, weil für mich genau so etwas ja auch natur­wis­sen­schaft­li­ches Den­ken ausmacht.

Chemie: Arbeitsblatt „Atommodelle“

Anbei fin­det ihr ein kürz­lich wie­der­ent­deck­tes  Arbeits­blatt, wel­ches die wesent­li­chen Atom­mo­del­le im Che­mie­un­ter­richt der Mit­tel­stu­fe über­bli­ckend doku­men­tiert und im Auf­ga­ben­teil eine kri­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Modell­be­griff fordert.

Ursprüng­lich habe ich ich die­ses Mate­ri­al in der Ober­stu­fe ein­ge­setzt, wobei zusätz­lich das ver­ein­fach­te Orbi­tal­mo­dell mit ent­hal­ten war – lei­der weiß ich nicht mehr, woher  dort die Illus­tra­tio­nen stam­men. Daher gibt es nur die Tei­le, von denen ich sicher weiß, dass sie frei von Rech­ten Drit­ter sind.

Hier das Mate­ri­al: ODT PDF

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